NLA HA BaCl Hann. 84a > Clausthaler Bergamtsprotokolle

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Beschreibung: Gliederung (Klassifikation)

Identifikation (Gliederung)

Titel 

Clausthaler Bergamtsprotokolle

Beschreibung 

Vorwort
Im Bergarchiv Clausthal lagern etwas mehr als 600 Protokollbücher der drei Oberharzer Bergämter Clausthal, Zellerfeld und St. Andreasberg. Sie enthalten die Protokolle der wöchentlichen Sitzungen der leitenden Bergbeamten für die Jahre 1679 bis 1851 in nahezu lückenloser Überlieferung und einige ältere Fragmente. Schon dies erklärt die außerordentliche Bedeutung der Quelle, die in ähnlicher Form in den wichtigsten Revieren des frühneuzeitlichen europäischen Erz- oder Silberbergbaus als Bestandteil der staatlichen Verwaltungspraxis (Direktionsprinzip) entstand, doch selten so kompakt wie im Harz überliefert ist. Darüber hinaus wird der Wert der Quelle durch die thematische Vielfalt der in den Protokollen behandelten Gegenstände begründet. Das Bergamt war die zentrale Herrschafts- und Leitungsinstanz im Montanrevier. Hier wurden alltägliche und strategische Entscheidungen für den Bergwerkshaushalt getroffen. Die Sitzungsprotokolle des Bergamtskollegiums bieten insoweit nicht nur Erkenntnisse über ökonomische, soziale und technische Prozesse und Strukturen der Harzer Montanwirtschaft, sondern auch vertiefte Einblicke in die Interaktion und Professionalisierung der Bergverwaltung sowie das Management eines vor- oder frühindustriellen Großunternehmens, die weit über das Feld der Montangeschichte hinausreichen. Sie zeigen gleichsam wie unter dem Brennglas die Vielfalt der Managementfunktionen, der überregionalen Interdependenzen und Transferleistungen im frühmodernen Erzbergbau, vor allem in den Bereichen der Technisierung und Arbeitsorganisation bis hin zur Sozial- oder Gesundheitsfürsorge. Zweifellos gehörte das Oberharzer Montanrevier auf diesen Gebieten zu den bedeutenden Vorreitern und Impulsgebern im Übergang zur Industrialisierung.
Die meisten Gegenstände der Protokolle, allerdings nicht alle, fanden Niederschlag in den Spezialakten der alten Bergamtsregistratur, die zu wesentlichen Teilen im Bergarchiv Clausthal-Zellerfeld verwahrt wird. Deshalb sind die Protokolle auch generell als Schlüssel zu den Beständen des Bergarchivs von Nutzen, da sie konkrete Hinweise auf überlieferte wie auch verschollene Spezialakten oder Bestandsgruppen enthalten.

Tiefenerschließung der Clausthaler Bergamtsprotokolle
Um die wissenschaftliche Nutzung der Quelle zu erleichtern, wurde im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts eine systematische Tiefenerschließung des Inhalts der rund 290 Folianten umfassenden Clausthaler Bergamtsprotokolle durchgeführt, die für den Zeit von 1688 bis 1851 vollständig und in Fragmenten ab 1639 (BaCl Hann. 84a, Nr. 2268) überliefert sind. Die einzelnen Bände enthalten gewöhnlich 26 Protokolle für zwei Quartale eines Jahrgangs und haben einen durchschnittlichen Umfang von 400-500 Blatt. Zwischen 10 und etwa 50 Gegenstände wurden jeweils als Tagesordnungspunkte behandelt. Sie sind in den ‚Contenta‘ am Schluss eines jeden Protokolls numerisch aufgelistet. Die Protokollnotizen beschränken sich einerseits auf wenige Zeilen zu amtsnotorischen Vorgängen, erstrecken sich andererseits auf mehrere Seiten, teilweise fortlaufend über diverse Protokolle, mit minutiösen Schilderungen wie insbesondere im Falle von Berichten, Gutachten oder der protokollierten Diskussion verschiedener Lösungsvorschläge. Dabei ist zu beachten, dass auch kurze Texte oder Anlagen wertvolle Detailinformationen, gerade auch in Korrespondenz zu anderen Akten wie den Befahrungsberichten liefern können. Als vorteilhaft erwies es sich schließlich, dass die Clausthaler Protokolle durchgehend (ausgenommen die Jahre in französischer Zeit 1807 bis 1813) Extrakte der Sitzungsprotokolle des Andreasberger Bergamts enthalten, das Clausthal seit 1635 unterstellt war.
Zur Erschließung und Verschlagwortung des bisher nur schwer ermittelbaren Inhalts wurden die einzelnen Protokollbücher kursorisch gesichtet, und die Inhaltsangaben der ‚Contenta‘ anhand der Texte geprüft. Die Ergebnisse wurden in ein eigens entwickeltes Passepartout oder eine Systematik übertragen, die aus einem festen Gerüst von vier oberen Leitbegriffen (Bergverwaltung, Berg- und Hüttenwesen, Sozialfürsorge, Bergstädte und Bevölkerung) sowie mehreren großen Themenkomplexen mit untergeordneten Teilaspekten oder Schlagworten besteht und inhaltlich flexibel bestückt wurde. Am Schluss der Systematik befindet sich ein besonderes Personenfeld für Einträge von Namen und kurzen biographischen Informationen zu prominenten oder wichtigen Akteuren, die unmittelbar mit der GND-Personendatenbank der Deutschen Nationalbibliothek verknüpft werden.

Wege zur Recherche
Abgesehen von wenigen Ausnahmen fanden alle Gegenstände der Protokolle zur Aufnahme in die erwähnte Systematik Berücksichtigung. Der Inhalt der einzelnen Protokollbände wurde durch Schlagworte oder kurze Sentenzen gekennzeichnet und mit Angaben zum jeweiligen Fundort (Blattzahlen) schließlich einem der Themenkomplexe zugeordnet. Doppel- oder Mehrfacheinträge für unterschiedliche Sachverhalte einer Protokollnotiz wurden weitgehend vermieden. Bei allen Einträgen galt zudem der Grundsatz, die themen- und forschungsrelevanten Informationen möglichst quellennah und unter Verwendung der zeitgenössischen Terminologie (bei Namen und Orten auch der Schreibweise) abzubilden. Nur vereinzelt werden Themenkomplexe mit modernen Begriffen wie Recycling, Innovation oder Nachhaltigkeit (statt „Posterität“) bezeichnet.
Die Fundorte der Informationen folgen gewöhnlich auf einen Begriff als eine Reihe von Blattzahlen, getrennt durch Kommata und gelegentlich oder ständig ergänzt durch Zusatzinformationen in runden Klammern. Abweichend von dieser Regel sind zum Teil mehrere, auf eine einzelne begriffliche Ergänzung folgende Blattzahlen mit + verbunden.
Mit Hilfe der Erschließungsinformationen lässt sich gezielt auf allgemeinere Sachverhalte, aber auch auf spezielle Details des komplexen und vielfältigen Inhalts der Protokolle zugreifen. Die entsprechende Recherche kann auf zwei Wegen erfolgen:
1. Die Freitext- oder Schlagwortsuche, ggfs. mit Trunkierung (*) zur Ermittlung der Komposita (Beispiele: Kunst (Maschine), Fahrkunst, Kunstknecht, Kunstleder, Kunstrad, Pumpenkünste … – Halde, Berghalde, Haldensturz, Haldenaufseher ... Das gilt freilich auch für bekannte oder vermutete Orts- oder Personennamen sowie die Namen der Gruben oder anderer Montanbetriebe.
2. Die Suche nach allgemeinen oder speziellen Sachgegenständen unter den einzelnen Themenkomplexen wie „Verwaltung: Beamte und Offizianten“ … „Betrieb der Gruben und Stollen“ … „Technologietransfer“ … „Soziale Sicherung, Knappschaftswesen“ usw.
Das zweite Verfahren eignet sich vor allem für eine zeitlich oder sachlich begrenzte Fragestellung oder querschnittsartige Recherche in einzelnen Jahrgängen der Protokollbücher. Dabei eröffnet sich allerdings auch eine spezielle Perspektive auf die langfristige Entwicklung des Oberharzer Erzbergbaus. Denn die Erschließungsdaten bilden zeitliche Schwerpunkte oder signifikante Häufungen spezifischer Protokollgegenstände für einzelne Themenkomplexe ab, die im Zusammenhang mit Konjunkturen oder Zäsuren der Montanwirtschaft zu verstehen und zu analysieren sind.
Die unter den einzelnen Themen- oder Sachgruppen eingetragenen Text- oder Fundstellen (Blattangaben) sind zumeist von ambivalentem Informationswert. So können Angaben zu Stellenneubesetzungen der Beamten und Offizianten umfangreiche Namenslisten über die Rotation oder Anstellung von Steigern und deren Entlohnung, aber auch lediglich knappe Hinweise auf einen Einzelfall (damit aber auch auf eine Spezialakte) enthalten. Informationen zum Komplex Finanzen und Revision sind oftmals auch ergiebige Quellen für den Bedarf und Einsatz von Betriebsmitteln oder für die betriebliche Entwicklung der Gruben und Hütten.
In Verbindung mit den Datensätzen zum Inhalt werden in nächster Zeit sukzessive vollständige Digitalisate der einzelnen Protokollbücher in Arcinsys online bereitgestellt. Auf diese Weise können Benutzer durch einen Klick auf die entsprechende Fundstelle selbst entscheiden, wie treffend der jeweilige Quellentext für ihre Recherche ist. Exemplarisch ist dieses kombinierte Format bereits für die Bände Nr. 1863 und 1865 verfügbar.

Sprache und Schreibweise
Die Recherche mit Hilfe der Erschließungsinformationen erfordert freilich Grundkenntnisse der berg- und hüttenmännischen Begriffe und der zeitgenössischen bzw. frühneuzeitlichen Sprache (Beispiele für Letzteres: „billiger Lohn“ - „Fruchtpreise“ - „unerzogene Kinder“). Zu den Fachbegriffen finden sich in der Literatur und vor allem auch im Internet zahlreiche Glossare und Hilfsmittel, sodass an dieser Stelle exemplarisch auf die Bedeutung von Basisbegriffen verwiesen wird.
Beispiele: Fahren (Ein- und Ausfahren), Fahrten, Fahrzeug, Generalbefahrung, Fahrschacht - Treiben (Förderarbeit, auch Fördermaß), Treibwerk, Treibkunst, Treiberleute (vgl. auch abweichende Bedeutung wie Silberabtreiber oder Fruchttreiber) - Gezimmer (Holzauskleidung, Grubenausbau, -sicherung), Zimmerleute, Schachtzimmerung - Schießen oder Schießarbeit (Gesteinssprengen mit Schwarz-Pulver), Schießarbeit, Schießpulver, Schießer, Schießschwedel. Daneben gibt es diverse montanspezifische Bezeichnungen für mechanisch-technische Hilfsmittel, Arbeitspraktiken und Berufe, die auf technische Entwicklungen sowie die hohe Arbeitsteiligkeit und beruflich-soziale Differenzierung der verschiedenen Tätigkeitsfelder, übrigens auch in der Verwaltung, verweisen. Überdies ist zu beachten, dass im Oberharz zahlreiche gängige Begriffe der älteren Bergmannssprache mundartlich geprägt sind. Beispiele: Puchwerk oder Puchsteiger, Puchknabe statt Pochwerk (Erzaufbereitungsanlage) oder Gaipel statt Göpel (Bezeichnung für ein Schachtgebäude, auch Hut- oder Zechenhaus) oder Vertummelung (Versetzung oder Rotation der Betriebsbeamten, Steiger und Werksaufseher).
Je nach Fragestellung bedarf es hier der Aneignung von Grundwissen, um die Möglichkeiten der Online-Recherche optimal zu nutzen und sie in unterschiedliche thematische Richtungen weiter zu entwickeln oder zu modifizieren. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die Freitextsuche auf die Spezialakten des Bergarchivs, aber auch auf Bestände anderer Standorte des Niedersächsischen Landesarchivs (besonders Hannover und Wolfenbüttel) zum Harzer Berg- und Hüttenwesen auszudehnen.


Dr. Johannes Laufer

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Tiefenerschließung im Rahmen des Projekts „Die wissenschaftliche Tiefenerschließung der Oberharzer Bergamtsprotokolle. Archivische Überlieferung zu frühmoderner Bergverwaltung, staatlichem Management und technischer Entwicklung im europäischen Montanwesen (Mitte 17. bis Mitte 19. Jahrhundert)“, Projektnummer 426821815, von 2019 bis 2022.