NLA WO VI Hs 13

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Stammbücher

Laufzeit 

1557-1899

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte 

ENTSTEHUNG UND ENTSTEHUNGSZWECK:
Der vorliegende Bestand ist größtenteils durch systematische Sammeltätigkeit von Dr. Paul Zimmermann begründet und zusammengebracht worden. Im Jahr 1910 äußerte er, dass er "seit Jahrzehnten" im Landeshauptarchiv Studenten-Stammbücher sammle (in: Braunschweigische Anzeigen vom 19.1.1910). Der erste datierte Zugang zum Bestand erfolgte im Jahr 1891 (Nr. 70), unmittelbar nachdem Zimmermann Archivleiter geworden war, wobei ein Album schon vorher im Archiv vorhanden war (Nr. 15). Einige Stücke stammen aus dem Besitz von Archivrat W. Ehlers und P. Zimmermanns, der Großteil aber gelangte als Geschenk und durch Kauf (gelegentlich auch durch Tausch) in den vorliegenden Bestand. Um 1910 waren im vorliegenden Bestand bereits fast 100 Stammbücher vereinigt (ebd.). Der Sammelschwerpunkt war die Universität Helmstedt und das Collegium Carolinum in Braunschweig (in: Braunschweigisches Magazin 1907, S. 5).

Der geografische und inhaltliche Schwerpunkt des Bestandes ist kein Produkt des Zufalls, sondern einer bewussten und gezielten Sammlungstätigkeit. Der Leiter des Braunschweigischen Landeshauptarchivs verfolgte mit dem Anlegen einer Stammbuchsammlung sowohl ein archivisches als auch ein geschichtswissenschaftliches Ziel. Was Ersteres betrifft, so wollte Zimmermann die Aufgabe eines öffentlichen Archivs nicht auf die Übernahme amtlicher Unterlagen beschränkt wissen. Wie er in seinem bis heute einschlägigen Aufsatz "Was sollen Archive sammeln?" im Jahre 1911 darlegte, sollte das Archiv eine möglichst umfassende historische Dokumentation des geografischen Zuständigkeitsbereichs (Archivsprengels) gewährleisten, was nur über die intensive und extensive Sammlung nichtamtlicher Unterlagen möglich sei. Hierzu zählte Zimmermann auch explizit die Stammbücher, die sich in seine breite Sammeltätigkeit einreihten und heute sicherlich als ein Glanzstück der Wolfenbütteler Sammlungsbestände anzusehen sind. Zu diesen heißt es in dem erwähnten Aufsatz:

"Neueren Datums ist dagegen die Sammlung der Stammbücher, die in weiteren Kreisen erst in jüngerer Zeit gesucht werden; man konnte sie bis vor kurzem, als sich die Mode noch nicht auf sie geworfen hatte, auch von Antiquaren sehr billig erhalten. Natürlich beschränkte ich mich hier auf solche von Braunschweigern oder von Helmstedter Studenten. Diese letzteren bilden für die Akten der Universität Helmstedt, die sämtliche bei uns liegen eine sehr schöne Ergänzung" (Sp. 468).

Stammbücher im Archiv ergänzen in diesem Sinne die amtlichen Kernbestände, insbesondere die Akten der Universität Helmstedt (NLA WO 37 Alt).
In geschichtswissenschaftlicher Hinsicht sammelte Zimmermann Stammbücher, um sie als Hilfsmittel zu einer Edition der Helmstedter Universitätsmatrikel, also eines Verzeichnisses der eingeschriebenen Studenten, verwenden zu können. Hermann Voges, Zimmermanns Nachfolger im Amt, beschrieb im Jahre 1936 diesen Zusammenhang wie folgt:

„Es [das Matrikelbuch] enthält von jedem Studenten die vollständige an sich ja nur kurze Eintragung, wie sie in der Matrikel steht, aber auch nur diese, während Zimmermann für die Veröffentlichung der Matrikel Hinzufügung aller aus den Akten der Universität, aus Kirchenbüchern, Stammbüchern usw. zu ermittelnden Nachrichten vorgesehen hat.“ (NLA WO 12 Neu 13 Nr. 3330)

Die Stammbücher dienten folglich als Quelle, um personenbezogene Angaben zu den Studenten zu erheben und damit die Edition der Matrikel kommentierend anzureichern.
Die wissenschaftlichen Ziele hatten zur Folge, dass Paul Zimmermann nicht nur eine Sammlung mittels Schenkungen und Käufen zusammenstellte und auswertete, sondern auch eine große Zahl von Stammbüchern aus verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen und von privater Hand auslieh und zeitweilig im Braunschweigischen Landeshauptarchiv verwahrte (vgl. die Korrespondenz in NLA WO 249 N und 34 Slg 53-54: darin wertvolle Exzerpte der ausgewerteten Stücke). Das Editionsprojekt gehörte zu den Gründungsunternehmungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. In ihrem Auftrag betrieb Zimmermann die Editionsarbeiten, stellte aber lediglich einen ersten Band fertig, zwei weitere Bände folgten Jahrzehnte später von der Hand anderer Bearbeiter.

Noch zu Lebzeiten Zimmermann löste sich die Stammbuchsammlung in Teilen von dem ihr zugedachten Entstehungszweck und blieb nicht allein auf die Ergänzung der Universitätsakten und die Editionsarbeit beschränkt. So fand um das Jahr 1910 eine länger gezeigte Stammbuch-Ausstellung im Vaterländischen Museum in Braunschweig statt, bestückt von diesem Museum und hauptsächlich vom Landeshauptarchiv Wolfenbüttel. Die Ausstellung illustriert bereits den Eigenwert, der dieser Quellengattung zugemessen wurde, und das Interesse, auf welche sie stieß.

GESCHICHTE DER ERSCHLIESSUNG
Der Hauptbestand bis zur lfd. Nr. 193 war bis Ende 1918 zusammengekommen. Das bis zu dieser Nummer führende Findbuch verfasste Seminarinspektor Friedrich Jeep (1850-1922) [vgl. 222 N] im Jahr 1919. Ein Namensverzeichnis zum Bestand hat Herr von Glümer im Jahr 1908 begonnen (vgl. 249 N 220), aber geschrieben ist dieses größtenteils ebenfalls von Friedrich Jeep. Der von Jeep und Herrn von Glümer um 1908 gefertigte Namensindex erfasst nur die Namen der Eintragenden sowie deren damaligen Aufenthaltsort. Die Namen der Stammbuchführer sowie der Eintragungsorte waren im Generalindex zur Handschriftenabteilung verstreut, d.h. unübersichtlich nachgewiesen. Nachträge sind zum Teil später nicht indiziert worden. im Jahr 1998 hat Frau Harenberg anhand des Bestandsfindbuchs (d.h. des Findbuchtextes) folgende Namen in einem Index erfasst:
- Stammbuchführer (= Personennamen)
- sonstige Personennamen
- Orte der Eintragungen (=Ortsnamen).
Auch nach 1918 erwarben Zimmermanns Nachfolger im Amt Stammbücher, was aus den mitgeteilten Erwerbsdaten im Findbuch zu ersehen ist (= a-Nummern zu Nr. 1 bis Nr. 193 sowie ab Nr. 194ff.). Die jüngste Erwerbung stellt das Stammbuch Nr. 101a dar, das im Jahre 2022 bei einer Online-Auktion aus Mitteln des weiter unten aufgeführten DFG-Projekts gekauft wurde. Zuweilen musste sich dieses Sammelinteresse mit der Anfertigung von Kopien oder Fotographien begnügen, sofern die Stammbücher in Privatbesitz verblieben.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte von 2021 bis 2023 unter der Projektnummer 442889332 die Digitalisierung und Erschließung dieser Sammlung. Seither sind alle Stammbücher in digitaler Form einsehbar. Die Erschließung nahm Dr. Magnus Ulrich Ferber vor, die fachliche Leitung des Projekts hatte Dr. Philip Haas inne. Gegen Ende der Projektlaufzeit fand vom 22. bis 24. März 2023 in Zusammenarbeit mit der Herzog August Bibliothek die Tagung "Über Stammbücher schreiben. Stand und Perspektiven der Erschließung und Erforschung von Freundschaftsbüchern (16.-19- Jahrhundert)" statt. Zeitgleich wurde die Stammbuchsammlung in Form einer Ausstellung mit dem Titel "Monumente der Freundschaft" der Öffentlichkeit präsentiert.

Im Rahmen der der dabei vorgenommenen Erschließung wurden alle Stammbücher in ihrer Materialität beschrieben. Dazu zählen auch Angaben zum Umfang, zu den Eintragungsorten, zur Laufzeit und zu Besonderheiten der Einträge (Zeichnungen, Stiche, Silhouetten, Locken und dergleichen). Alle Stammbuchhalter*innen sind, soweit möglich, biographisch erfasst. Bei 190 Stammbüchern wurde eine Einzelblatterschließung vorgenommen, so dass hier Ort, Datum, Person des Einträgers, Angaben zur verwendeten Sprache und zu den angeführten Zitaten, sowie Besonderheiten der Ausstattung eines jeden Eintrags verzeichnet sind. Dabei wurden alle Stammbücher verzeichnet, die im Original vorliegen und vor 1788 begonnen wurden. Für die späteren Stücke wurde nach Bezug zur Universitätsgeschichte von Helmstedt, historischer Relevanz der Stammbuchhalter*innen und Qualität der Einträge entschieden, welche Bücher in Form einer Einzelblattverzeichnung dokumentiert wurden.
Die Einzelblatterschließung erfolgte aus technischen und archivfachlichen Gründen jeweils in einer Verzeichnungseinheit pro Stammbuch und unter Verwendung von Enthält-Vermerken für die Notate, während bei einer bibliothekarischen Katalogisierung in der Regel jeder Eintrag als Verzeichnungseinheit angelegt wird. In Absprache mit Prof Dr. Werner Wilhelm Schnabel, dem Betreiber des Repertorium Alborum Amicorum, wurden die Verzeichnungsdaten auf dieser Plattform hingegen so aufbereitet, dass jedes Notat als eigene Verzeichnungseinheit angelegt ist. Somit ist hier eine stärkere Strukturierung der Daten gegeben.

Zur allgemeinen Bestandsgeschichte der Handschriften-Bestände und weiteren Hinweisen siehe das Vorwort zum Tektonikpunkt "Handschriften (Hs)".

Stand: März 2023

Enthält 

Der vorliegende Bestand enthält 307 Stammbücher zumeist von Persönlichkeiten aus dem Herzogtum Braunschweig, wobei 231 männliche und 61 weibliche Stammbuchhalter*innen bekannt sind. Frauen treten dabei erst ab Ende des 18. Jahrhunderts vermehrt als Besitzerinnen eines Stammbuchs auf. Die meisten Stammbücher wurden von Studenten geführt, wobei 119 der Stammbuchhalter in Helmstedt studierten. Die Orte der Eintragungen in den Stammbüchern sind konzentriert auf Süd- und Ostniedersachsen, das mittlere Niedersachsen, das Harzgebiet, das westliche Sachsen-Anhalt und den Nordthüringer Raum, d. h. den sogenannten Raum Ostfalen. Viele Eintragungen stammen u.a. aus Braunschweig, Göttingen, Halle, Helmstedt und Wolfenbüttel. Ganz selten finden sich außerdeutsche Städte.

Nach dem Stand von 2023 verteilen sich die Stammbücher des Bestandes VI Hs 13 nach Jahrhunderten folgendermaßen:
16. Jahrhundert: 15 Stück
17. Jahrhundert: 34 Stück
18. Jahrhundert: 142 Stück
19. Jahrhundert: 110 Stück
Sechs Stammbücher sind ohne Einträge.
Die Stammbücher des 16. Jahrhunderts und frühen 17. Jahrhunderts zeichnen sich noch durch eine hohe Diversität des Mediums aus: Neben gedruckten Vorlagen (Nrn. 1, 5, 12a, 15) finden sich sowohl Loseblattsammlungen wie Alben. Letztere Form dominiert dann bis ins frühe 19. Jahrhundert, als die kostengünstigen neuen Möglichkeiten der Druckgraphik der Loseblattsammlung wieder neuen Auftrieb gab. Die Anzahl der Einträge variiert sehr stark. Eine auffällige Häufung von Stammbüchern mit über hundert Einträgen ist in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu konstatieren. Die meisten Einträge verzeichnet Nr. 13 mit 409 Stück.

Deposita in diesem Bestand sind Nrn. 3, 8, 11-13, 21, (30?), [41?], 107a, [113], [114], 120 alt, [124], 138a, 162/1 und 162/2.

Literatur 

H. Schünemann: Stammbücher [= Bibliographie] (in: Schriftumsberichte zur Genealogie und ihren Nachbargebieten, Bd. 2, Sept. 1965, S. 67-108)

F.-C. Freiherr von Stechow: Lexikon der Stammbuchsprüche (1996) [Abkürzung deutscher und fremdsprachlicher Sinnsprüche; darin umfangreiche Bibliographie zum Stammbuchwesen; S. 266-286 enthält auch Mehrjahresgesamtbibliographien]

J.-U. Fechner (Hrsg.): Stammbücher als kulturhistorische Quellen (1981) [Sammelband; darin u.a. H. Milde S. 231f. über Stammbuchsammlungen]

C. von Heusinger: Herzog Anton Ulrich Museum Braunschweig. Die Handzeichnungssammlung (1997) [S. 247-261: Verzeichnis der Stammbücher und Stammbuchblätter]

J. T. Schätzler: Erkenntnisse aus Studentenstammbüchern der Jahre 1620-1820. Verse, Verbindungen, Geheimzeichen, Zirkel u.a. (in: Einst und Jetzt, Bd. 11, 1966, S. 105ff.)

G. Angermann: Stammbücher und Poesiealben als Spiegel ihrer Zeit (1971)

Einst und Jetzt, Jahrbuch des Vereins für Corpsstudentische Geschichtsforschung, Jg. 1 (ff.), 1956 (ff.): enthält viele wertvolle Veröffentlichungen über Studentenstammbücher (u.a. mit Abbildungen); Bd. 21, 1976 und Bd. 30, 1985: Gesamtinhaltsverzeichnisse dieser Zeitschrift)

U. Becker: Das Institut für Hochschulkunde an der Universität Würzburg (in JuS, 1988, Heft 11, S. 919f.)

Paul Zimmermann: Stammbücher von Helmstedter Studenten (in: Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine, 65 Jg., 1917, Sp. 94-96) [Sonderdruck in 249 N 235]

Paul Zimmermann: Stammbuch-Ausstellung im Vaterländischen Museum in Braunschweig (in: Braunschweigische Anzeigen Nr. 15 vom 19.1.1910) [Sonderdruck in 249 N 219]

Paul Zimmermann: Über ein Stammbuch Philipps von Damm und über Stammbücher im Allgemeinen (in: Braunschweigisches Magazin, Bd. 13, 1907, S. 1-7, S. 16-21)

Paul Zimmermann: A. Leisewitz' Stammbuch aus seiner Göttinger Studienzeit (in: Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig, 4. Jahrgang, 1905, S. 114-135) [betr. VI Hs 13 Nr. 65]

Findmittel 

Verschiedene ältere Karteien und handschriftliche Findbücher; u.a. 4 Zettelkästen unter VI Hs 13 Nr. 240, vermutlich von Friedrich Jeep und Herrn von Glümer verfertigt (1908)

Maschinenschriftliches Findbuch und EDV-Findbuch in AIDA von Dr. Dieter Lent (1998)

EDV-Findbuch in Arcinsys, Einzelblatterschließung (2023)

Eine Übersicht zum gesamten Bereich Stammbücher bietet das zentrale Themenportal Repertorium Alborum Amicorum

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

Anderswo eingeordnete Stammbücher siehe:

34 Slg Nr. 53-54: Materialsammlung von Paul Zimmermann über Stammbücher (dabei Namensregister!)

197 N Nr. 2 und 3 (Breithaupt)

235 N Nr. 2 und Nr. 14-15 (Familienarchiv Pini)

238 N 16 [Bestand liegt nicht mehr vor]

249 N 219-229 (Nachlass Zimmermann)

250 N, Zg. 2021/7 Nr. 8

250 N 425 (Poesiealbum der Sigrid Beermann)

298 N Nr. 793 (Seckendorf)

299 N Nr. 516 und Nr. 593

301 N Nr. 21-22 und Nr. 44-46 (Mengen)

320 N Nr. 37 (Nachlass Raabe)

VI Hs 11 Nr. 109 (vgl. auch VI Hs 11 Nr. 101)

Weitere Angaben (Bestand)

Bearbeiter 

Dr. Dieter Lent (1998)

Dr. Magnus Ulrich Ferber/Dr. Philip Haas (2021-2023)

Benutzung 

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