Staatsarchiv Bremen > 2. Ratsarchiv

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Beschreibung: Gliederung (Tektonik)

Identifikation (Gliederung)

Titel 

2. Ratsarchiv

Laufzeit 

Akten und Amtsbücher 1300 - 1875

Kontext

Geschichte des Bestandsbildners 

So oft und so stark sich auch die verfassungsrechtliche und politische Stellung des Rats zwischen 1225, als sein Vorhandensein erstmalig in einer Urkunde bezeugt wird, und 1933 änderte, eines blieb sich stets gleich: Innerhalb des Rats, der seit 1822 amtlich die Bezeichnung Senat führte, herrschte das kollegiale Prinzip. Kein Bürgermeister besaß also Weisungsbefugnis gegenüber den Ratsherren (Senatoren). Ebenso bedeutsam war es, dass kein Ratsherr für ein größeres Fachressort alleinverantwortlich zeichnete. Erst nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde diese Ordnung beseitigt.
Bis dahin fielen Entscheidungen von einiger Bedeutung immer in den Sitzungen des gesamten Rats durch Abstimmung. Zahlreiche Kommissionen, Deputationen und Behörden hatten die Beschlüsse vorzubereiten und auszuführen. Auch bei diesen war es die Regel, dass nicht einem Mann die Leitung vorbehalten blieb, sondern dass mehrere Personen, zu denen neben den Ratsherren mitunter auch Bürger gehörten, gleichberechtigt zusammenwirkten. Wegen der weitgehenden Aufsplitterung der Verwaltung auf zahlreiche kleine Institutionen mit jeweils mehreren Mitgliedern musste jeder Bürgermeister und jeder Ratsherr auf vielen verschiedenen Sachgebieten tätig sein, zumal bis 1848 auch die Richter aus dem Rat kamen. Wie bunt die Zusammenstellung der Aufgaben eines Ratsherrn war, kann ein einfaches Beispiel bezeugen. 1750 bestand der Rat aus vier Bürgermeistern und 24 Ratsherren. Einer von ihnen war Dr. jur. Diedrich Smidt, zur gleichen Zeit tätig als Richter beim Nieder- und beim Gastgericht und beim Vegesacker Gericht, daneben als Schottherr mitverantwortlich für das Zeughaus, als Hänsegräfe für Teilbereiche des Bauwesens, außerdem Weideherr, Münzherr, Inspektor bei einem Gasthaus (Alters- und Pflegeheim) und schließlich Morgensprachsherr bei den Tischlern und Knochenhauern, über die er eine Art Gewerbeaufsicht auszuüben hatte. Diese Aufgabenhäufung war die Folge der eigenartigen bremischen Behördenstruktur. Sie barg die große Gefahr in sich, dass verschiedene Sachen, mit denen sich eine Person zu beschäftigen hatte, von ihr in einem Schriftstück abgehandelt wurden, was die ordnungsgemäße Ablage an allen entsprechenden Stellen der Registratur unmöglich machte. Viele Schriftstücke gingen ganz verloren, weil die Ratsherren wegen der beengten räumlichen Verhältnisse im Rathaus in ihren Wohnungen arbeiten mussten und die Akten mitunter hier zurückhielten, bis sie schließlich eines Tages als Makulatur weggeworfen wurden.

Bestandsgeschichte 

Soweit das Schriftgut in der Ratskanzlei entstand oder aus den Privatwohnungen in diese abgegeben wurde, gelangte es in die Registratur, die schon früh die Benennung Archiv trug. Es wird heute zur Unterscheidung von anderen in das Staatsarchiv Bremen gelangten Registraturen und Archiven als ''Ratsarchiv'' bezeichnet. Dieses war bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein im Grunde die einzige Stelle, an der in Bremen städtische Akten und Amtsbücher dauerhaft verwahrt wurden. Erst dann bildeten sich noch recht zögernd auch bei einzelnen Fachverwaltungen selbstständige Registraturen, aber die Vorrangstellung des Ratsarchivs blieb während des ganzen 19. Jahrhunderts unumstritten. Es war bis 1875 zugleich Registratur des Senats, d. h. die Führung der laufenden und die Verwahrung der abgeschlossenen Akten lagen in einer Hand. Im genannten Jahr wurde eine organisatorische Trennung herbeigeführt, als für die laufend benötigten Akten die ''Senatsregistratur'' entstand. Sie gab noch bis zum Auszug des Archivs in ein eigenes Dienstgebäude 1909 weiterhin sehr junge, eben erst abgeschlossene Akten an das Archiv ab.
Die nächst den Urkunden ältesten Quellen, die im Staatsarchiv vorliegen, stammen aus der Zeit um 1300. Es handelt sich dabei um das Bürgerbuch und um das Stadtrecht, also um Amtsbücher mit Eintragungen von bleibender rechtlicher Bedeutung. Rechnungs-, Grund- und Testamentenbücher, Steuerlisten und ähnliche Unterlagen, die im Spätmittelalter schon geführt wurden, fanden dagegen wenig Pflege und gingen fast vollständig verloren, ehe die Geschichtsforschung im 19. Jahrhundert ihren Wert erkannte. Raummangel und Gleichgültigkeit haben zu unersetzlichen Verlusten geführt. Das gilt auch für die Korrespondenz des Rats mit Auswärtigen. So muss man feststellen, dass die aus der Zeit vor 1500 im Ratsarchiv erhaltene originale Überlieferung von verschwindend geringem Umfang ist. Häufiger stößt man auf Abschriften von älteren Urkunden, deren Originale in der Tresekammer lagen.
Mit dem 16. Jahrhundert wird die Quellenlage etwas günstiger. In diese Zeit fallen auch die frühesten bekannten Versuche, Ordnung in die Registratur zu bringen, die allerdings erst durch den Archivar Hermann Post um die Mitte des 18. Jahrhunderts in ein festes System gebracht wurde. Trotz eifriger Bemühungen gelang es jedoch auch weiterhin nicht, alles in die Registratur gehörige Schriftgut wirklich an diese zu ziehen. Fast wörtlich übereinstimmend klagten die Archivare 1775 und 1827, dass nur ''wenige vollständige Acten vorhanden'' seien bzw. ''dass in fast allen Fächern es an geschlossenen, vollständigen Acten fehlt''. Freilich haben auch die späteren Archivare selbst noch manche Lücke in die Überlieferung gerissen. 1862 z. B. wurden sämtliche nach 1700 entstandenen Kaufmannsakzisebücher als wertlos vernichtet. Sie enthielten genaue Angaben über den bremischen Handel mit verschiedenen Warengattungen.

Dies zeigt, dass kein Benutzer des Ratsarchivs darauf rechnen kann, eine lückenlose Überlieferung anzutreffen, wie er sie vielleicht auswärts bei den Registraturen alter Fachbehörden vorgefunden hat, in denen wirklich das gesamte Schriftgut zusammenlief und durch Fadenheftung vor Verlusten und Verlegungen geschützt wurde, eine Form der Sicherung, die man in Bremen bis zum 19. Jahrhundert nicht kannte. Hier schnürte man nur die losen Blätter zusammen. Was bis ins 20. Jahrhundert gerettet wurde, erfuhr durch die Auslagerung während des Zweiten Weltkriegs weitere Verluste.
Das erhaltene Material befindet sich noch in der Ordnung, die von Post unter Verwendung älterer Vorarbeiten entworfen hat und die von seinen Nachfolgern in Einzelheiten ausgebaut wurde. Post legte ein reines Pertinenzsystem zugrunde, d. h. er entwarf ein Schema von Sachgruppen, in dem alle Papiere nach ihrem Inhalt unterzubringen waren ohne Rücksicht darauf, bei welcher Kommission, Deputation oder Institution auch immer sie entstanden waren. Diese Hauptgruppen wurden je nach dem Umfang der Überlieferung mehr oder weniger stark untergliedert, mitunter nur in zwei Ebenen, an anderen Stellen aber in 13. Durch abwechselnde Aneinanderreihung von Buchstaben und Ziffern ließen sich Signaturen bilden, mit denen er schließlich selbst dem einzelnen Aktenschriftstück seinen Platz im Findbuch (Repertorium) sichern konnte, wenn er es für wichtig genug hielt. Zumeist handelt es sich aber bei der untersten Stufe um Sammelsachakten, die in chronologischer Reihenfolge liegen. In jahrzehntelanger Arbeit gelang es Post, die Archivalien einigermaßen in diese Ordnung einzufügen, wenn auch immer wieder Positionen für Generalia und Diversa geschaffen werden mussten, in denen verschwand, was nicht recht passen wollte oder der Mühe eingehender Untersuchung des Inhalts nicht wert schien.

Die Ordnung nach Sachbetreffen unter Missachtung der Provenienz, also des Herkunftszusammenhangs der Schriftstücke, war zu Posts Zeit üblich und wahrscheinlich auch die einzige Möglichkeit, mit der herrschenden Unordnung fertig zu werden. Auch konnte man mit gutem Grund die einzelnen Kommissionen und Deputationen als Ausschüsse des Rats ohne den Charakter eigenständiger Behörden ansehen, so dass es sich bei allen Akten doch um das Schriftgut einer zentralen Institution handelte. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts geriet die Entwicklung in vollkommen falsche Bahnen, als man das Ratsarchiv zum Auffangbecken für möglichst das gesamte auch von jetzt voll ausgebildeten Fachbehörden und selbst von Privaten stammende Schriftgut machte, eine Praxis, die weit bis in das 20. Jahrhundert beibehalten wurde. Ob es sich nun um die Akten einer aufgelösten Zunft oder Familienstiftung oder die Prozessunterlagen des alten Reichskammergerichts handelte, die von Wetzlar abgegeben wurden, alles zog man (mitunter bis zum letzten Blatt) auseinander und schob es in die städtischen Akten ein, was technisch keine Mühe machte, weil diese ja meist nur aus losen Blättern bestanden. Nur wenige große Abgaben entgingen diesem Geschick.
Die Laufzeit des Ratsarchivs ist durch die noch im 20. Jahrhundert erfolgte Einschiebung von Fremdkörpern auf Teilgebieten bis in die letzten Jahrzehnte hinein verlängert worden. Bei Neuverzeichnungsarbeiten werden zwar die ärgsten Fehler beseitigt, doch ist eine vollkommene Bereinigung nicht mehr möglich. Die Masse des Schriftguts ist im 17. bis 19. Jahrhundert entstanden; mittelalterliche Originale sind sehr selten. In der Beschreibung werden Anfangs- und Endjahre an den Stellen genannt, wo es der Stand der Verzeichnung erlaubt.

Findmittel sind in einigen Bereichen noch immer die von Post konzipierten und von seinen Nachfolgern angelegten und fortgeschriebenen Repertorien, in denen detaillierte Angaben und Daten oft fehlen. Inzwischen ist aber ein großer Teil der Akten und Amtsbücher durch neue Verzeichnisse mit Indexen erschlossen worden, deren Stichwörter auch im Generalindex des Staatsarchivs Aufnahme fanden.
Bei der inhaltlichen Beschreibung war es nicht möglich, sich einfach mit der Übernahme der Gruppentitel zu begnügen. Post hatte ja für die Gliederung ein Schema entworfen, in das sich das gesamte Schriftgut einfügen sollte, konnte aber nicht übersehen, welche Mengen den einzelnen Gruppen zufließen würden. Nahmen sie großen Umfang an, musste er eine vielfältige Auffächerung vornehmen, auf die bei geringem Anfall verzichtet werden konnte. Posts Nachfolger konnten nur in diesem Rahmen weiter ausbauen und schoben noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die aus der 1875 eingerichteten Senatsregistratur abgegebenen Akten unter Betreffe, die in der Behördensprache längst nicht mehr gebräuchlich waren. Nicht beibehalten wurde die Reihenfolge der Hauptgruppen in dem System Posts, weil sie ganz willkürlich war. Zu ihrer Kennzeichnung diente seit dem 18. Jahrhundert entweder ein Großbuchstabe oder die Kombination von einem Groß- und einem Kleinbuchstaben. Die Akten über die auswärtigen Verhältnisse Bremens im Allgemeinen wurden z. B. unter Dd. gelegt, die Akten über die Beziehungen zu den einzelnen Ländern und Städten unter W. Die Übernahme der alphabetischen Reihenfolge der Signaturen der Hauptgruppen als Grundlage für die Übersicht hätte keinem Leser gedient. Deshalb sind hier neun Sachgebiete gebildet worden, die ungefähr dem Aufgabenbereich eines oder zweier senatorischer Ressorts von heute entsprechen.

Literatur 

Karl H. Schwebel, Geschichte, in: Das Staatsarchiv Bremen 1968. Behörde - Dokument - Geschichte, Bremen 1968, S. 13-30 (=Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen. Bd. 36);
Ders., Hermann Post, ein Sammler und Ordner kostbaren alten Schriftguts - 250 Jahre wissenschaftlicher Archivdienst in Bremen, in: Bremisches Jahrbuch 55, 1977, S. 77-126; Bettina Schleier, Ältere Sammlungen als Anreicherungen der Bestände im Ratsarchiv, in: Bremisches Jahrbuch 76, 1997, S. 198-202.