NLA WO 284 N

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Nachlass von Prof. Dr. Gerhard von Frankenberg und Ludwigsdorf

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung 

Umfang: 12,5 lfdm
Inhalt: Familiäres; Korrespondenz, Tage- u. Notizbücher; berufliche, freiberufliche u. politische Tätigkeit als Zoologe, Dozent, Direktor des Naturhistorischen Museums in Brsg u. sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter; Korrespondenz (u.a. mit Dr. Konrad Lorenz), Vorträge, dabei Eugenik; Tätigkeit auf freigeistig-freireligiösem Gebiet, insbes. Publizistik, Vorträge, Korrespondenz (dabei Brief von Albert Einstein).

Bestandsgeschichte 

Der vorliegende Nachlaß ist ungewöhnlich umfangreich und inhaltlich vielseitig, weil Professor Gerhard von Frankenberg eine allseitig interessierte, unermüdlich materialsammelnde und literarisch tätige, schriftstellerisch-publizistisch und auch zeichnerisch sowie fotografisch sehr begabte Persönlichkeit gewesen ist. Seine Nachlaßmaterialien wurden von Herrn Dr. Heinz Schmidt, Studiendirektor an der Gaußschule in Braunschweig und ehemaliger Assistent des Nachlassers, im Auftrag der in Hannover (Bevenser Weg 10) lebenden Witwe Elisabeth von Frankenberg, geb. Kreth, dem Niedersächsischen Staatsarchiv in Wolfenbüttel in mehreren Ablieferungen zwischen 1978 und 1984 übergeben (Zugänge 64/78; 30/79; 20/80; 21/82; 30/83; 13/84). Den rein naturwissenschaftlichen Nachlaß von Prof. Dr. von Frankenberg hat Dr. Schmidt im Auftrag von Frau von Frankenberg in die Gaußschule in Braunschweig als Geschenk überführt. Weitere Nachlaßreste sind dem Naturhistorischen Museum in Braunschweig, dem Familienverband derer von Frankenberg, sowie dem Monistenbund übergeben worden.

Der Nachlaß umfaßt etwa 14 lfdm. Er bleibt auf Lebenszeit Eigentum der Depositarin Elisabeth von Frankenberg.

Gerhard von Frankenberg entstammt einer bedeutenden schlesischen Uradelsfamilie, die neben zahlreichen hohen Staatsbeamten und Militärs den bekannten schlesischen Mystiker Abraham von Frankenberg (1593-1652), sowie den Kardinal Johann Heinrich von Frankenberg [Schellendorf] (1726-1804) hervorbrachte (vgl. Neue Deutsche Biographie, Bd. 5, Berlin 1961, S. 348 ff). Ein Mitglied der Familie, der Luftwaffenkommodore Egbert von Frankenberg (geb. 1909) wurde 1943 Mitglied des "Nationalkomitees Freies Deutschland" in der Sowjetunion und später höherer Funktionär in der DDR.

Ein Zweig der Familie von Frankenberg ging in herzoglich braunschweigische Dienste. Der Urgroßvater des Nachlassers Wilhelm von Frankenberg (1786-1861) starb als Hzgl. braunschweigischer Major. Seine handschriftlichen Memoiren (Umfang: 1692 Seiten !) werden im Staatsarchiv unter VI Hs 11 Nr. 91 verwahrt: geboren in Schlesien war er als Leutnant Teilnehmer des berühmten kühnen Feldzugs des "Schwarzen Herzogs" Friedrich Wilhelm von Braunschweig von Böhmen zur Nordsee im Jahre 1809 und kämpfte dann bis 1814 in Spanien gegen Napoleon. Er wurde 1838 als Major und etatmäßiger Stabsoffizier des braunschweigischen Infanterieregiments verabschiedet. Der Großvater Hermann von Frankenberg (1822-1894 war Hzgl. braunschweigischer Hauptmann. Der Großvater mütterlicherseits war der Braunschweiger Oberlandesgerichtspräsident Robert Sommer (1837-1904). Der Vater Hermann (1865-1931) war Stadtrat in Braunschweig und verstarb auf dem Köterberg bei Holzminden, wo noch heute ein Gedenkstein an ihn erinnert. Er verfaßte u.a. eine vielbenutzte Einführung in "Das Staats- u. Verwaltungsrecht des Herzogtums Braunschweig" (Hannover 1809), und war erster Vorsitzender des Harzclubs. Mit seiner Frau Luise, geb. Sommer, ist er in einem Urnengrab bei der Eckertalsperre im Harz bestattet.

Gerhard von Frankenberg wurde am 12. Oktober 1892 in Braunschweig geboren und besuchte das Herzogliche Wilhelm-Gymnasium in Braunschweig bis 1911, studierte Biologie und Zoologie in Heidelberg, Braunschweig und Leipzig (Ostern 1911 - 7.8.1914) und wurde während des Wintersemesters 1914/15 und des Sommersemesters 1915 für den Kriegsdienst beurlaubt. 1915 promovierte von Frankenberg zum Dr. phil. über die „Schwimmblase der Corethra (Streckfußmücke R.F.).“ Hierüber äußerte er zweiundfünfzig Jahre später: „Das Thema meiner Doktordissertation, das ich im Institut des Tiefseeforschers Karl Chun in Leipzig in Angriff nahm, hatte ich selber gewählt. Es betraf, wie ein großer Teil meiner späteren Facharbeiten, Fragen der ‘Biotechnik‘, d.h. der Art und Weise, wie die Organismenarten durch sinnreichen Bau und zweckmäßiges Verhalten technische Probleme meistern, vor die sie sich gestellt sehen“. Gerhard von Frankenberg über sich selbst in „informationsdienst des Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit e.V.“ Nr. 222/223, Dezember 1967/Januar 1968) [siehe 284 N Nr. 49].

Gerhard von Frankenberg trat als Kriegsfreiwilliger am 8.8.1914 seinen Kriegsdienst an, zog sich aber ein Herzleiden zu und kam zur 1. Kompanie des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 208, dessen Kommandeur am 25.9.1918 dem Musketier Gerhard von Frankenberg das schwarze Verwundeten-Abzeichen verlieh. Während des Wintersemesters 1915/16 wurde von Frankenberg als Assistent am zoologischen Institut der Universität Frankfurt beschäftigt. Diese Arbeitsleistung nahm er am 16.6.1916 wieder auf, nachdem er seit dem 15.3.1916 Kriegsdienst verrichtet hatte. Mit dem 31.8.1916 wurde Gerhard von Frankenberg als kriegsdienstunfähig entlassen. Zugleich wurde er als 25 % erwerbsunfähig eingestuft und erhielt eine Kriegsbeschädigtenrente. Nach Ende des Wintersemesters 1916/17 wurde von Frankenberg als Angestellter beim Stadtmagistrat Braunschweig beschäftigt (9.3. - 11.5.1917). Ab 12.5.1917 bis 15.8.1919 wurde der Kriegsbeschädigte wieder zu Kriegs- bzw. Heeresdienstaufgaben herangezogen, nur unterbrochen durch eine vierwöchige Tätigkeit beim Stadtmagistrat Braunschweig (Juni 1917).

Am 16. August 1919 wurde Gerhard von Frankenberg Volontärassistent am Naturhistorischen Museum in Braunschweig, ab 1.2.1920 übernahm er die Leitung des staatlichen Presseamts Braunschweig (vgl. 284 N Nr. 92), ab 5. Mai 1924 wurde er mit der Wahrnehmung der Vorstandsgeschäfte des Naturhistorischen Museums Braunschweig beauftrag und dort ab 1. Dezember 1924 planmäßig als Museumsinspektor angestellt. Als seine wissenschaftlichen Hauptarbeitsgebiete nannte er nach dem Zweiten Weltkrieg: Allgemeine Biologie, Dystelie, Menschenproblem (vgl. Kürschners Deutsche Gelehrten-Kalender 1970, S. 709; dort auch Verzeichnis seiner wissenschaftlichen und sonstigen Veröffentlichungen). Im Jahre 1928 wurde er Museumsdirektor und Dozent (Lehrstuhl für Zoologie) an der Technischen Hochschule in Braunschweig. Hervorzuheben ist von Frankenbergs Interesse und Einsatz, sowohl als Biologe wie als Sozialpolitiker, für die im allgemeinen als konservative Domäne geltende Eugenik.

1923 heiratete er Elisabeth Kreth (geb. 1903 in Groß-Dahlum, Kreis Wolfenbüttel, gest. 13.11.1994 in Hannover). Der Ehe entstammen der Sohn Oskar (geb. 1926, im Februar 1945 als Fahnenjunker-Unteroffizier im Kreis Lebus vermißt) sowie die Tochter Sigrun (geb. 1930 in Hannover, seit 1957 vermählt mit T. Garuti, wohnhaft in Modena).

1919 war Gerhard von Frankenberg der SPD beigetreten. Ursachen für diesen, für einen Adeligen damals ungewöhnlichen Schritt, liegen sicherlich in den Kriegserlebnissen, aber auch in seiner Erziehung. 1967 äußerte er anläßlich seines 75. Geburtstages über sein Elternhaus: "Ich stamme aus einem Hause voll alter Traditionen. Doch meine Eltern waren weitherzig genug, dem werdenden Geist keine Fesseln anzulegen. So gelangte ich trotzdem früh zu selbständigem Denken und zur Kritik an meiner wilhelminischen Umwelt. Schon in jungen Jahren gewann ich die Überzeugung, daß ihr Gesellschaftssystem und ihre Weltanschauung auf unsicherem Grunde standen." (Gerhard von Frankenberg über sich selbst in: "informationsdienst des Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit e.V." Nr. 222/223 Dezember 1967/Januar 1968). 1922 wurde Gerhard von Frankenberg sozialdemokratischer Abgeordneter des Braunschweigischen Landtages. Die in Abteilung III 1) und 2) zusammengestellten Materialien geben Auskunft über den Einsatz des Politikers Gerhard von Frankenberg. Akten des Braunschweigischen Staatlichen Presseamts lagern unter 12 A Neu Fb. 5 Nr. 784; 13 m 37751 f., Fb. 13 Nachtrag Nrn. 845-856 (vgl. 284 N Nr. 92).

Der Eintritt in die SPD hatte den Austritt aus dem Familienverband (1921) zur Folge. Darüber schrieb Gerhard von Frankenberg an dessen Vorsitzenden: "... Der Anlaß zu meinem Ausscheiden liegt darin, daß das Vorgehen des Vetters Werner [gemeint ist mein Vater - d. Verf.] mich von der Unmöglichkeit überzeugt hat, auf die Dauer mit der von ihm vertretenen Gruppe im Familien-Verein zusammenzuarbeiten. Die Unterschiede in der Weltanschauung und der politischen Auffassung ... scheinen doch so groß zu sein, daß selbst das gemeinsame Band der Familientradition nicht ausreicht, sie zu überwinden ... Ich gebe zu, daß meine Anschauungen denen der übrigen Vettern, ja, denen meines Standes überhaupt, vielfach geradewegs zuwiderlaufen. Diese Anschauungen habe ich mir aber in harter Gedankenarbeit und nicht ohne schwere innere Kämpfe erworben und kann nicht davon lassen, sondern muß als ehrlicher Mensch mit meiner ganzen Person dafür eintreten ... Ich sehe eine Aufgabe, deren sich kein Edelmann zu schämen hat, darin, für eine gerechte Wirtschaftsordnung einzutreten und hierdurch, wie ich zuversichtlich hoffe, auch an der sittlichen Widergeburt unseres unglücklichen Volkes zu arbeiten ..." (zitiert nach Egbert von Frankenberg: Tradition im Kreuzverhör Berlin/DDR 1980 S. 331). (siehe auch 284 N Nr. 39)

Als die Nationalsozialisten 1932 im Land Braunschweig mehrere Regierungspositionen erlangt hatten, wurde Gerhard von Frankenberg der 1928 erteilte Lehrauftrag für Zoologie an der Technischen Hochschule Braunschweig entzogen (zum 31. Juli 1932). Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten in Deutschland verlor er auch sein Amt als Museumsdirektor (zum 1. Juni 1933). Um sich den Bedrückern wenigstens räumlich etwas zu entziehen, zog er mit seiner Familie im selben Jahr nach Hannover. Es folgten zwölf Jahre tiefster Zurückgezogenheit in einer Art "innere Emigration", in denen das Ehepaar von der Veröffentlichung wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Arbeiten Gerhard von Frankenbergs lebte. Über diese Zeit schrieb er im Juli 1945 an den Sponholz-Velag: "Nach meiner Amtsenthebung wurde ich von dem Academic Assistance Council London in die Liste der vom Hitler-Regime abgebauten Gelehrten aufgenommen. Infolgedessen bemühte sich, da an meine Wiedereinstellung in Deutschland nicht zu denken war, im Oktober 1937 die Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaftler (Dr. Demuth, London), mir eine Professur in Venezuela zu verschaffen. Diese freundliche Absicht wurde jedoch dadurch zunichte, daß das Reichsministerium für Volksbildung mir verbot, auf das Angebot zu antworten. Mein Reisepaß war mir bereits 1934 entzogen worden. Auf ähnliche Weise scheiterte der Versuch, mir das gleiche in Australien zu verschaffen. Nach dem Attentat vom 20.7.1944 wurde ich von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Neuengamme gesperrt." Nach zwei Monaten entlassen, wurde Gerhard von Frankenberg am 28. September 1944 als Feldwebel zur Wehrmacht einberufen. Bis Ende März 1945 war er bei der Transport- und Versandabteilung des Ersatzverpflegungsmagazins Hannover beschäftigt und schied dann wegen seiner Krankheit aus der Wehrmacht aus (zitiert nach Egbert von Frankenberg: "Tradition ..." S. 332). In diesen bedrückenden Jahren wurde die, seinem Wohnhaus (in Hannover-Kleefeld, Kaulbachstraße 4) unmittelbar benachbarte Eilenriede in Hannover sein Forschungsfeld. Das hier Gesehene und Erforschte fand Niederschlag in seinem schönen Buch "Entdeckungen im Stadtwald", das 1943 erschien.

Seinem Wohnort Hannover blieb er auch treu, als er nach 1945 wieder seine früheren Positionen als Museumsdirektor und Professor für Zoologie in Braunschweig einnehmen konnte. Im Jahre 1945 wurde er auch Direktor des dortigen Zoollogoschen Instituts. Ebenfalls auf Hannover beschränkt blieb seine politische Betätigung nach Kriegsende. Er war zwei Jahre (bis 1948) Mitglied im Stadtbeirat von Hannover und bis zu seinem Tode Mitglied im SPD-Ortsverein Hannover. Am 21. November 1946 hielt Gerhard von Frankenberg in der Schlußsitzung des Braunschweigischen Landtags die Abschiedsrede auf das Land Braunschweig, als es im neuen Land Niedersachsen aufging. die gedruckte Broschüre über diese Schlußsitzung mit der Rede Gerhard von Frankenbergs ist ein besonderes historisches Dokument aus der fast siebenhundertjährigen Geschichte diese kleinen Landes des Deutschen Reiches. "Ein Amt als Landtagsabgeordneter lehnte er ab". [Elisabeth von Frankenberg in einem Schreiben vom 27.5.1980 an das Niedersächsische Staatsarchiv Wolfenbüttel (SR 284 N). Daß er aber zu politischen Fragen weiterhin engagiert Stellung bezog, zeigen seine Materialsammlungen, seine Korrespondenz, seine Veröffentlichungen [III, 3); III, 4); III, 5)] und 1968 die Ablehnung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse [siehe 184 N Nr. 50].

Das im Ersten Weltkrieg zugezogene Herzleiden zwang Gerhard von Frankenberg 1948, vorzeitig in den Ruhestand zu treten. Jetzt widmete er sich mit vollem Einsatz - soweit es die Krankheit zuließ - der freigeistigen Bewegung, wofür er mit seinen naturphilosophischen, volksbildnerischen und sozialpädagogischen Veröffentlichungen die besten Voraussetzungen mitbrachte. Im Jahre 1947 wurde ihm, auch aufgrund seiner Bücher, die Ehrenpräsidentschaft des Monistenbundes übertragen. Der Monistenbund ist als naturphilosophischer Freidenkerverband 1906 von Ernst Haeckel gegründet worden, war seit 1929 sozialistisch geprägt, erreichte um 1930 rd. 10.000 Mitglieder und wurde 1933 aufgelöst. Im Jahre 1946 wurde er neu gegründet und 1956 in "Freigeistige Aktion - Deutscher Monistenbund" umbenannt. In Westdeutschland schlossen sich 1949 die Freidenkerverbände mit den Freireligiösen zum "Volksbund für Geistesfreiheit" zusammen, den Gerhard von Frankenberg von 1949 bis 1959 als Präsident leitete. Danach war er Ehrenpräsident dieses Verbandes. Der "Volksbund" ist ein Rechtsschutzverband für die neuerstandenen freireligiösen, freigläubigen und freigeistigen Gruppen, um eine Abwehrfront gegen Klerikalismus und Unterdrückung der Geistesfreiheit zu schaffen. Dieser Dachorganisation gehören an: Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands, Religionsgemeinschaft Deutscher Unitarier, Freigeistige Aktion - Deutscher Monistenbund, die Eekboom-Gesellschaft (Gesamtmitgliederzahl des "Volksbundes" im Jahr 1958: etwa 70.000). Die Freidenker, wie die Freireligiösen, waren bis 1949 jeweils in verschiedenen Vereinigungen organisiert. Beide Richtungen gemeinsam war aber als Grundlage eine von religiösen Dogmen und sonstige Bindungen freie, allein auf Vernunft und wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauende Weltanschauung. Bekanntlich hat das Land Braunschweig durch den zeitweiligen Aufenthalt und die Wirksamkeit so bedeutender Freigeister wie Giordano Bruno und Gotthold Ephraim Lessing, sowie als eines der wichtigen Zentren der deutschen Aufklärung eine besondere Bedeutung für die Freidenkerbewegungen. Ein Vorfahr von Gerhard von Frankenberg war übrigens der bekannte Hamburger Freigeist Hermann Samuel Reimarus (1694-1768) [vgl. 284 N Nr. 39].

Den vorzeitigen Ruhestand nutzte Gerhard von Frankenberg intensiv, um Bücher zu schreiben, hunderte von Kästen mit Notizen, Material und Foto-Negativen zu füllen und publizistisch im aufklärerisch-volksbildnerischen Sinne für Humanismus und Geistesfreiheit in der Öffentlichkeit zu wirken. Er war ein besonders begabter und wirkungsvoller populärwissenschaftlicher Schriftsteller, der seine Bücher mit eigenen Zeichnungen und Fotografien illustrierte. In zwei ungedruckten Buchmanuskripten hat er sich speziell über Aufgabe und Stellung des Menschen innerhalb des Weltalls ausgesprochen. In: "Der Zauberlehrling, Aufstieg und Krise des Menschen" (in 284 N Nr. 178) leitet er die heutige Krise des Menschen aus seiner biologischen Situation her. In dem im Jahre 1981 an Frau von Frankenberg zurückgegebenen Buchmanuskript "Die Zauberwaffe - Wege und Irrwege des Denkens (Umfang 114 Blätter) analysiert er Leistungen und Fehlleistungen der menschlichen Vernunft aus biologischer Sicht. Beide Bücher haben zum Inhalt die zentrale Frage seines Forscher- und Denkerlebens: Das Wesen des Lebens und das Schicksal der Menschheit. Anläßlich seines 75. Geburtstages zog er ein Fazit. In dem oben bereits erwähnten Artikel "G. von Frankenberg über sich selbst" heißt es: "Gemeinsam mit meiner treuen Gefährtin, - heute ist unser 44. Hochzeitstag - habe ich die Berg- und Talfahrt des Lebens bis hierher überstanden. Und solange meine Kräfte reichen, will ich weiter mit Euch, meine Freunde, dafür kämpfen, daß Vernunft und Güte siegen über Torheit und Haß. Als junger Mensch dacht ich, es werde nicht schwer sein, den Menschen zu helfen; man brauche Ihnen nur den rechten Weg zu zeigen. Später lernte ich, daß man niemand überzeugen kann, der sich an seinen Vorurteilen festklammert. Und ferner weiß ich nun: Denken ist eine Kunst, nur in Jahrzehnten erlernbar und für viele anstrengender als Holzhacken. Das macht unsere Aufklärungs- und Befreiungsarbeit so schwer, zumal angesichts der Bedenkenlosigkeit, mir der viele unserer Gegner ihre wirtschaftliche Überlegenheit ins Treffen führen und den Herdensinn der Massen ausnutzen. Zum Glück haben wir einen mächtigen Verbündeten: 'Groß ist die Macht der Wahrheit, und sie wird den Sieg davontragen!'" Am 30. November 1969 riß ein Herzschlag den 77jährigen mitten aus der Arbeit und vielen Plänen.

Gerhard von Frankenberg war Mitglied der braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft sowie der Naturhistorischen Gesellschaft in Hannover. Ein Nachruf in den Abhandlungen der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft" (Bd. 22, 1970, S. 324) würdigt sein wissenschaftliches, politisch-soziales, volksbildnerisches und weltanschauliches Engagement und Wirken als einheitliches Lebenswerk einer in sich geschlossenen Persönlichkeit. Eine Kopie dieser Würdigung liegt in 284 N Nr. 49. Hier befinden sich auch weitere Presseberichte über Gerhard von Frankenberg, so unter anderem:
- Ein Interview der "Volksstimme" mit Professor von Frankenberg (2. September 1946)
- Kopie eines Artikels in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 10. Juni 1966 anläßlich eines von Professor von Frankenberg in Heidelberg gehaltenen Vortrages.
- Eine Laudatio des Präsidenten des Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit, Fritz Hermann, auf Gerhard von Frankenberg anläßlich dessen 75. Geburtstag im "informationsdienst des Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit" Nr. 222/223 Dezember 1967/Januar 1968
- Gedenk- und Erinnerungsworte für Gerhard von Frankenberg in "Die Freigeistige Aktion" (Nr. 1/1970) und im "informationsdienst des Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit" (Nr. 246/247 Dezember 1969/Januar 1970)
- Kopie aus Kürschners Deutschem Gelehrtenkalender 1970, S. 708 f.

Bei der Durchsicht des umfangreichen, aber größtenteils nicht mehr geordneten Nachlasses des Gelehrten kristallisierten sich bald 4 Hauptaspekte heraus:
- Die Familie von Frankenberg
- Der Politiker Gerhard von Frankenberg
- Der Naturwissenschaftler
- Der Freigeist

In diese Hauptgruppen wurden die vielen Zeitungsausschnitte (vielfach versehen mit Unterstreichungen und Anmerkungen des Nachlassers) und die vorher alphabetisch geordnete Korrespondenz eingegliedert. Bei der vorhandenen Korrespondenz ist zu berücksichtigen, daß der Nachlasser etwa im April 1933, da Haussuchungen zu befürchten waren, alle Briefe verbrannt hat, die er als Abgeordneter von Parteigenossen oder ihm gesinnungsmäßig nahestehenden Personen empfangen hatte.

Da Politik, Wissenschaft und Freidenkertum für Gerhard von Frankenberg nicht Selbstzweck waren, sondern dem Hauptziel - der Aufklärung, Bildung und Hebung der Menschen - dienten, ergeben sich zwangsläufig inhaltliche Überschneidungen zwischen den oben aufgeführten Hauptaspekten.

Die Materialien des Nachlassers geben nicht nur ausführlich Auskunft über Gerhard von Frankenberg, sondern auch über andere Mitglieder der Familie von Frankenberg, aus denen unter anderem ersichtlich wird, daß sich auch der Vater Hermann von Frankenberg literarisch betätigt hat (siehe 284 N Nr. 7, 9, 10) Auch der Bruder des Großvaters Sommer, Hugo Sommer (1839-1899), Oberamtsrichter in Blankenburg/Harz, veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten (vgl. 27 Slg Hugo Sommer: darin Bibliographie, 2 Nachrufe und Artikel der Allgemeinen Deutschen Biographie). Sommer, Anhänger des Philosophen Hermann Lotze, ist besonders als Rechtsphilosoph hervorgetreten und brachte seine Überzeugungen in zahlreichen Vorträgen und gemeinverständlichen Aufsätzen zum Ausdruck. Die handschriftlichen Memoiren des Urgroßvaters Wilhelm Erdmann von Frankenberg wurden bereits erwähnt. Die zahlreichen Veröffentlichungen Gerhard von Frankenbergs sind aber wohl eher auf sein aufklärerisches Wollen als auf diese, vielleicht ererbte, publizistisch-literarische Begabung zurückzuführen.
Unter seinen Büchern sind als Hauptwerke zu nennen:
- Kapitalismus und Sozialismus, Braunschweig 1924
- Das Wesen des Lebens, Braunschweig 1933
- Die Natur und wir, 1941, Neuauflage Frankfurt/Main 1952
- Entdeckungen im Stadtwald, Berlin 1943
- Die Schmetterlinge, 1946, 2. Auflage 1948
- Wunder am Wegesrand, 1949, 2. Auflage 1952
- Menschenrassen und Menschentum, Berlin 1956
- Zauberreich des Lebens, Berlin/ (Darmstadt) / Wien 1964

Der vorliegende Bestand wurde unter der Aufsicht und Endredaktion von Archivoberrat Dr. Lent im Jahre 1984 von dem Angestellten Reinhard Försterling geordnet und verzeichnet. Herr Försterling verfaßte auch den Grundtext des Vorworts. Das Findbuch schrieb Frau Ingeborg Degering.

Wolfenbüttel
im Dezember 1984
gez. D.Lent
gez. R. Försterling

Das Findbuch wurde Anfang 2017 in Arcinsys nacherschlossen, einige am Ende des Bestandes lagernde Unterlagen wurden in 284 N Nrn. 274 und 275 erstmals verzeichnet.
Diehl

Die naturwissenschaftliche Sammlung - vor allem Fotos von Pflanzen und Tieren -, die der Gaußschule in Braunschweig geschenkt worden war, wurde 2017 aufgelöst. Die archivwürdigen Teile bilden hier den Zugang 2017/75.
Wolfenbüttel, im August 2018
Dr. Bei der Wieden

Literatur 

Literatur über die Familie von Frankenberg:
- W. v. Hueck (Bearb.): Adelslexikon, Limburg/Lahn 1975 Bd. 3, s. 347 f. (Genealogisches Handbuch des Adels, Bd. 61) [mit Literaturangaben]
- Genealogisches Handbuch des Adels. Adelige Häuser, Band IX, Limburg/Lahn 1969, S. 112-155. - dsgl. Band XVII, Limburg/Lahn 1983, S. 204-248.
- Neue Deutsche Biographie, Bd. 5, Berlin 1961, S. 348 ff. [mit Literaturangaben und Hinweisen auf die einschlägigen Artikel in der Allgemeinen Deutschen Biographie].
- Wilhelm von Frankenberg und Proschlitz: Stammtafeln der Familien von Frankenberg, Berlin 1937/39.
- Moritz-Leopold von Frankenberg-Ludwigsdorff: Notizen über die Familie der Grafen, Freiherrn und Herrn von Frankenberg, Proschlitz, Ludwigsdorff und Lüttwitz, Darmstadt 1878 (P 788).
- Carl-Alexander von Frankenberg: Bilder aus Frankenberg'scher Vergangenheit, 2 Bände, Breslau 1900, Berlin 1902 (Band 1 siehe unter Nr. 1 des vorliegenden Nachlasses).
- Egbert v. Frankenberg (geb. 1909) in: "Ursachen und Folgen, Sonderband", Biographisches Register, Berlin 1979, S. 198
- Egbert v. Frankenberg: Tradition im Kreuzverhör. Meine Familie in der Geschichte, Berlin/DDR 1980 [Zg. 217/81].
- Familien-Zeitung (Familien-Zeitschrift) derer von Frankenberg, Jg. 1-58 (1919-1965)
- Familiengeschichtliche Blätter, Bd. I, Döbeln 1906, S. 180.
- E. A. Meineke (Hrg.): E. Meinecke: Familiengeschicht der Familie Meineke, 1962: Anhang VI: Stammtafel Sommer - von Frankenberg - Wicke [usw.]
- Arnher E. Lenz (Hg.): Die Wahrheit soll man nie fürchten! Freigeistige Texte und Vorträge von Gerhard von Frankenberg. Neustadt a. Rbg. 2006 (Dienstbibliothek Zg. 195/2007)

Einschlägige Archivalien im Staatsarchiv Wolfenbüttel:
- betr. die Familie von Frankenberg: in 27 Slg, 31 B Slg, 36 A Slg, 204 N 95, 2 Neu 348-349, 3 Neu 843, 8 N XV 3 c, 298 N 223, 3 Z
- Memoiren des Majors Wilhelm Erdmann von Frankenberg (1786-1861): VI Hs 11 Nr. 91 (Umfang: 1.692 Seiten)
- 2 Z Abt. B X (= Hermann und Gerhard von Frankenberg)
- 2 Z 283
- 51 Slg 54 (Zg. 18/95)

Familienarchive derer von Frankenberg (in München, Hamburg, Ennigerloh):
- siehe: Heinz F. Friedrichs: Familienarchive in öffentlichem und privatem Besitz, 2. Band, Neustadt (a.d. Aisch) 1977, S. 51
- siehe hier 284 N Nr. 274

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Abgeschlossen: Ja

leer

Georeferenzierung

Bezeichnung 

Braunschweig, Stadt [Wohnplatz]

Zeit von 

1

Zeit bis 

1

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5

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1

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Braunschweig, Stadt [Wohnplatz]