NLA HA Dep. 116

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Familie von Hinüber

Laufzeit 

1682-1923

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

Die Familie von Hinüber stammt ursprünglich aus der Grafschaft Berg. Seit Beginn des 17. Jahrhunderts zum Teil im späteren Niedersachsen ansässig, gründete sie 1640 die erste Landespost des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg, aus der die kurfürstlich hannoversche Staatspost hervorging. Die Geschichte der Postunternehmerfamilie ist eng verbunden mit dem nicht mehr existenten Posthof – seinerzeit gelegen vor dem hannoverschen Steintor – und dem Klostergut Marienwerder (heute ein Stadtteil Hannovers), wo einige Familienmitglieder als königliche Amtmänner fungierten. Dies gilt auch für die historisch bedeutendste Figur aus den Reihen der Familie von Hinüber. Jobst Anton von Hinüber (1718-1784) war außerdem königlicher Postmeister und als Generalwegeintendant entscheidend am Bau eines leistungsfähigen Straßennetzes in den hannoverschen Territorien beteiligt. Ferner verlieh er – inspiriert durch zwei Reisen nach England – der hannoverschen Landwirtschaft wichtige Impulse und legte im Klosterpark Marienwerder einen der ersten englischen Landschaftsgärten auf deutschem Boden an. Dieser wurde Vorbild für viele andere Gartenanlagen. Ebenso wie Jobst Anton wurde auch sein Vetter Carl Heinrich von Hinüber (1723-1792) im 18. Jahrhundert geadelt. Die übrigen Mitglieder der Familie bekleideten häufig hohe Ämter in der Staatsverwaltung und taten sich vor allem in der Rechtswissenschaft hervor.
So war auch Emil von Hinüber, den die erste größere Abgabe des Nachlasses betrifft, Jurist. Er wurde am 2. April 1859 in Celle geboren und starb am 19. Januar 1923 in Bad Eilsen. Von 1878 bis 1881 studierte er Jura, Philosophie, Geschichte und Staatswissenschaften in Leipzig, Tübingen, Jena und Göttingen, wo er Mitglied des Studentencorps „Saxonia“ war. Als Mitglied der Deutsch-Hannoversche Partei (DHP) war Emil von Hinüber politisch der „Welfischen Bewegung“ zuzuordnen und von 1894 bis 1923 Landrat im Kreis Bückeburg (bis 1899 Bückeburg-Arensburg). Aus der 1891 mit Mary Freiin von dem Bussche-Haddenhausen (1867–1948) geschlossenen Ehe gingen vier Kinder hervor: Hilmar, geb. 1896, Oskar, geb. 1898, Mary, geb. 1900, und Olga, geb. 1906. Hilmar von Hinüber wurde später durch seine Tätigkeit als Pastor und die Einrichtung der ersten christlichen Kinderferienlager bekannt.

Bestandsgeschichte 

Das Depositum 116 gelangte 1979 auf Vermittlung von Dr. Jürgen Ricklefs (verst. 1991), Stadtarchivar in Celle, in das damalige Hauptstaatarchiv Hannover. Wegen der exponierten Rolle der Familie von Hinüber in der hannoverschen Postverwaltung und der Verbindung zum hannoverschen Königshaus, die sich u. a. in den dem Archiv übergebenen Korrespondenzen widerspiegelt, bot sich eine Deponierung in Hannover an und nicht etwa in Bückeburg, der Wirkungsstätte Emil von Hinübers als Landrat.

Eigentümerin des Depositums war Olga von Petersdorff (1906–1996), jüngste Tochter Emil von Hinübers. Im Depositalvertrag von 1979 bevollmächtigte sie jedoch ihren Neffen Hartmut von Hinüber, alle weiteren Verfügungen zu dem Nachlass für den Hinüberschen Familienverband zu tätigen. Mit Vertrag vom 20. Februar 2020 übereignete Hartmut von Hinüber dem Niedersächsischen Landesarchiv das komplette Depositum einschließlich der jüngsten Zugänge als Schenkung. Mithin bestehen keine Nutzungseinschränkungen.
Die 1979 ebenfalls für eine Übergabe an das Hauptstaatsarchiv Hannover vorgesehenen Tagebücher aus der Jugendzeit Emil von Hinübers wurden zwecks Vorbereitung einer Veröffentlichung über die Familie von Hinüber zunächst von Olga von Petersdorff zurückbehalten. Zwischenzeitlich von der Familie verloren geglaubt, konnten sie 2019 wieder in den Bestand eingegliedert werden. Sie waren 1991 zusammen mit verschiedenen Korrespondenzen der Familie von Hinüber im Nachlass Ricklefs in das Stadtarchiv Celle gelangt, das die Dokumente 2017 zunächst in einem eigenen Bestand (N 54) zusammenführte, diesen jedoch 2019 als Ergänzung des Depositums 116 an das Niedersächsische Landesarchiv, Abteilung Hannover übergab. Da die Unterlagen vom Stadtarchiv Celle 1991 an das Niedersächsische Landesarchiv übereignet wurden, können sie ebenfalls ohne Auflagen benutzt werden. Ebenfalls 2019 wurden weitere Tagebücher Emil von Hinübers an das Niedersächsische Landesarchiv übergeben. Zuletzt ist der Archivbestand im Jahr 2020 durch eine große Abgabe stark erweitert worden. Der Bestand ist vollständig erschlossen. Die 1979 bis 2003 an das Hauptstaatsarchiv Hannover abgegebenen Teile des Bestandes (Dep. 116 Nr. 1 bis 16) wurden im Juni 2004 erschlossen. Die im Zuge von Bestandbereinigungen vom Stadtarchiv Celle an das Niedersächsische Landesarchiv abgegebenen Archivalien (Dep. 116 Acc. 2019/52) wurden zuvor bereits im Stadtarchiv Celle verzeichnet. Die Dokumente der letzten Abgabe (Dep. 116 Acc. 2020/53) wurden 2021 für die Nutzung erschlossen.

Enthält 

Der Inhalt des Bestandes teilt sich in zwei größere Bereiche. Entsprechend der Übernahmegeschichte ist hier einerseits der Nachlass Emil von Hinübers zu nennen, andererseits die erst 2020 aus dem hinüberschen Familienarchiv übernommenen Archivalien älterer Herkunft.
Der Nachlass Emil von Hinübers enthält Tagebücher, Briefe, Zeitungsartikel und sonstige Schriften. Ein Teil der Dokumente sowie zwei Tagebücher stammen aus dem Umkreis seiner Vorfahren und (angeheirateten) Verwandten. Hierbei sind vor allem die Korrespondenzen mit Mitgliedern der Königsfamilie (Dep. 116 Nr. 8 bis 10), das Tagebuch des Julius von dem Bussche-Haddenhausen über eine im Auftrag des Königs durchgeführte Reise von Hannover über Dresden nach Wien (1852–1870) sowie das Tagebuch der Julie Freiin von dem Bussche-Haddenhausen über ihre Reise nach Italien (1894) hervorzuheben (Dep. 116 Nr. 2 und 17). Das Leben Emil von Hinübers wird im Wesentlichen in seinen Tagebüchern aus der Zeit von 1873 bis 1923 dokumentiert. Eine Überlieferungslücke besteht hier von Sommer 1876 bis Sommer 1898. Von der Studienzeit in Leipzig, Tübingen, Jena und Göttingen zeugen die Briefe an seine Mutter Marianne von Hinüber, geb. von Hartwig, in denen Emil von Hinüber u. a. sehr ausführlich von fremden Lebensgewohnheiten, Feierlichkeiten und Wanderungen in die jeweilige Umgebung berichtet. Bei der Auswahl seiner Wanderziele ließ er sich gerne von prägnanten Orten der Literaturgeschichte (Hauff, Schiller) inspirieren. Mit vielen seiner Kommilitonen aus der Studienzeit hielt Emil von Hinüber auch in späteren Jahren postalischen Kontakt (vgl. Dep. 116 Acc. 2019/52 Nr. 2 bis 8). Seine politischen Ansichten treten insbesondere in den Briefwechseln mit Oberstleutnant von Schacht, Freiherr von dem Bussche und seinem Sohn Hilmar von Hinüber zutage (Dep. 116 Acc. 2019/52 Nr. 6 und Nr. 9). Die gesammelten Zeitungsausschnitte und Druckschriften zum Hannoverschen Königshaus aus der Zeit von 1853 bis 1922 lassen Emil von Hinübers „welfische Gesinnung“ ebenso erkennen, wie seine Aktivitäten im Umfeld der Deutsch-Hannoverschen Partei.
Der neuere, aber umfangreichere Teil des Bestandes enthält Dokumente verschiedener Art. Den Schwerpunkt bilden allerdings Erbschaftsrezesse vom ausgehenden 17. bis ins 19. Jahrhundert. Beginnend mit dem Nachlass des hannoverschen Oberpostmeister Anton Johann Hinüber (1655-1719) dokumentieren diese Vergleiche die Teilung des jeweiligen Besitzstandes unter den Nachfahren – mitunter auch verschiedener Familienzweige. Obwohl sich diese Prozesse über viele Jahre hinziehen konnten und die Akten mitunter bis hin zu Inventarverzeichnissen des Hausrates viele Details enthalten, liefern sie doch gerade deshalb ein breites Bild von den Vermögensverhältnissen einer aufstrebenden (adeligen) Familie vom 17. Bis ins 19. Jahrhundert. Ergänzt wird dies durch Dokumente, die die persönlichen Verhältnisse einzelner Familienmitglieder betreffen. Hervorzuheben sind ferner einmal mehr die Berichte des Jobst Anton von Hinüber, in denen er auch mit kleinen Illustrationen seine Reisen nach Frankreich, in die Niederlande und England dokumentiert (Dep. 116, Acc. 2020/53, Nr. 35 und 36). Sie sind eines der frühesten Zeugnisse für den Wissenstransfer von England auf den europäischen Kontinent im Bereich Gartenbaubau und Landwirtschaft. Ferner sind gesondert zu erwähnen die Dokumente zur Klage des Herzogs Karl II. von Braunschweig (1804-1873) gegen seinen Vormund König Georg IV. von England und beteiligte Staatsdiener, die wiederum auch in engem Zusammenhang mit einer Duellforderung des Herzogs an den Grafen Herbert zu Münster (1766-1839) steht (Dep. 116, Acc. 2020/53 Nr. 53).

Zu dem Bestand gehören auch 6 Pergamenturkunden aus den Jahren 1806-1841 für den Geheimen Kabinettsrat Georg Charlotte von Hinüber und dessen Erben, die der Familienverband 1989 als Geschenk erhalten hat.

Literatur 

Hartmut von Hinüber, Rütger Hinüber (um 1600-1665). Begründer der Post in den welfischen Landen, in: von Hinüber’sche Familien-Zeitung 2021.

Hartmut von Hinüber, Jobst Anton, Gerhard, Carl Anton Ludwig und Carl Heinrich v. Hinüber – vier Persönlichkeiten der königlichen Landwirtschaftsgesellschaft zu Celle, Celle 1985.

Hartmut von Hinüber: Jobst Anton von Hinüber – der Schöpfer des Englischen Gartens zu Hannover-Marienwerder, in: Hartmut von Hinüber, Peter Krüger, Siegfried Schildmacher: Der Hinübersche Garten in Hannover-Marienwerder. Eine freimaurerische Gartenanlage, hrsg. von der Freimaurerloge „Friedrich zum weißen Pferde“ Hannover, Hannover 2011, S. 6-19.

Marcus Köhler, Frühe Landschaftsgärten in Rußland und Deutschland. Johann Busch als Mentor eines neuen Stils, Berlin 2003, S. 65-77.

Hartmut von Hinüber, Die Familie v. Hinüber und die Reform der Landwirtschaft im Kurfürstentum Hannover, in: von Hinüber’sche Familien-Zeitung 115/2021.

Findmittel 

EDV-Findbuch (2021)

Weitere Angaben (Bestand)

Bearbeiter 

Dr. Arne Hoffrichter

Benutzung 

Das Archivgut kann im Niedersächsischen Landesarchiv Hannover unter Berücksichtigung der Einhaltung von Schutz- und Sperrfristen nach §5 Niedersächsisches Archivgesetz (NArchG) eingesehen werden.

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Die Gesamtausgabe der von-Hinüber'schen Familienzeitung findet sich in der Dienstbibliothek des Niedersächsischen Landesarchivs, Abteilung Hannover.
Weitere Informationen unter: https://opac.tib.eu/DB=16/SET=2/TTL=1/SHW?FRST=2