doz20 VER N. 01

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Nachlass der Familie Söhl

Laufzeit 

1894 - 2013

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung 

Einführung

Geschichte des Bestandsbildners 

Familie Söhl und die Verdener Zeitungen
Die Familie Söhl ist eng verbunden mit der Geschichte der Verdener Zeitungen. Auch wenn der Familiennachlass wenig ungedrucktes Material zur Firmengeschichte des Verdener Anzeigenblattes und der Verdener Aller-Zeitung sowie der Aller Druckerei H. Söhl enthält, so sind doch die Nachlässe der Eigentümer der Druckerei und des Verlages bzw. der Herausgeber und Chefredakteure der Zeitungen von großem Interesse für die Pressegeschichte der Stadt und des Landkreises in ca. 120 Jahren.
Der Buchdrucker Johann Heinrich August Söhl (1822-95) aus Stade arbeitete seit 1842 bei dem Drucker und Herausgeber des „Verdener Wochenblattes“ Franz Joseph Tressan. 1853 gründete er mit dem Gastwirt Willibert Stendel eine eigene Druckerei, in der der „Anzeiger für den Obergerichtsbezirk Verden“ erschien. 1867 machte sich Heinrich Söhl als Drucker und Verleger selbständig und gab das „Verdener Anzeigenblatt“ heraus. Seine Söhne Friedrich (1860-1919, Teilhaber 1894-1919) und Hermann Heinrich Wilhelm (1865-1947, Teilhaber 1894-1935) führten Druckerei und Verlag fort, dazu trat Friedrichs Sohn Adolf Heinrich Otto (1890-1970, Teilhaber 1920-1970). Hermann Heinrichs Sohn Adolf (1897-1915) war im Ersten Weltkrieg gefallen. Otto war 1918 an der juristischen Fakultät in Basel promoviert, war seit 1921 Mitglied des „Stahlhelms“ und engagierte sich in verschiedenen Verdener Sportvereinen. Als Bezirksvorsitzender des Berufsverbandes der Zeitungsverleger wurde er 1934 von der NSDAP zum Rücktritt gezwungen, trat aber 1937 in die Partei ein. Sein Onkel Heinrich musste 1935 seine Tätigkeit für die Zeitung aufgeben, weil er als früherer Freimaurer der Partei suspekt war. An seine Stelle trat dessen Sohn Johannes Heinrich (Hans Heinrich, 1902-1990, Teilhaber 1935-72). Dieser hatte eine Ausbildung als Buchdrucker, war 1932 Mitbegründer des Verdener Luftfahrtvereins, war als Auto- und Motorradfahrer Mitglied des NSKK, Scharführer der Flieger-HJ und HJ-Oberscharführer der Gefolgschaft Armsen, 1937 trat er in die NSDAP ein. Ebenso wie Otto war er im Kriege eingezogen. Seine (2.) Frau Brigitte, geb. Meyer zu Ermgassen (1916-1942, verheiratet seit 1939) übernahm die Geschäftsführung der Firma. Nach Kriegsende wurde er u.a. wegen seiner HJ-Führerschaft verhaftet und bis 1948 in mehreren Internierungslagern gefangen gehalten. Das „Verdener Anzeigenblatt“ musste 1945 sein Erscheinen einstellen. Bei der Entnazifizierung wurde Hans Heinrich 1949 als Mitläufer eingestuft. 1949 heiratete er Elsbeth, geb. Ernst, die sich u. a. als Schriftstellerin hervortat (100 Jahre Aller-Druckerei 1965; Scharnhorst, ein Dorf an der Halse 1981). Die Aller Druckerei H. Söhl arbeitete bald wieder weiter und druckte 1947/48 zusammen mit der Buchdruckerei Lührs & Röver die Bezirksausgabe der „Hannoverschen Presse“. 1949 schlossen sich beide Druckereien zur Röver und Söhl KG zusammen und noch im selben Jahr erhielt die Tageszeitung „für den Kreis Verden und das Allertal“ den Namen „Verdener Aller-Zeitung“, wobei Redaktion und Satz bei der Aller-Druckerei H. Söhl und Verlag und Druck bei Lührs & Röver lagen. Zu den Inhabern der KG gehörten Hans Heinrich und sein Cousin Otto. 1959 zogen Setzerei und Druckerei der Firma Söhl in das „Gutenberghaus“ am Brunnenweg. Hans Heinrich gehörte bald wieder zu den Honoratioren der Stadt (u.a. Vorsitzender des Verdener Luftfahrtvereins) und erhielt 1986 das Bundesverdienstkreuz. 1972 verkaufte Hans Heinrich seinen Anteil an der KG an den Bremer Verlag Schünemann, dem Herausgeber der Bremer Nachrichten, die 1974 vom Verlag des Weser-Kuriers übernommen wurden. Der Weser-Kurier verkaufte den Anteil im selben Jahr an den Mitgesellschafter der „Kreiszeitung“ in Syke Dr. Dirk Ippen, der 1976 weitere Anteile erwarb, sodass die „VAZ“ seitdem zum Verlag der Kreiszeitung gehört.

Familie
Johann Heinrich August Söhl, *1822 Stade, +1895 Verden
oo1847 Johanne Christiane Dresing, *1823 Verden, +1891 Verden
Friedrich Söhl, Sohn Heinrichs, *1860 Verden, +1919 Bremen (Teilhaber 1894-1919)
oo1889 Mathilde Nahme, *1863 Hagen b. Bremen, +1931 Plauen i. Vogtland
Hermann Heinrich Wilhelm Söhl, Sohn Heinrichs, *1865 Verden, +1947 Verden
(Teilh. 1894-1935)
oo1892 Johanne Nahme, *1867 Heiligenstadt, +1902 Verden
oo1907 Louise Wolkenhauer, *1876 Bremen, +1952 Verden
Dr. jur. Adolf Heinrich Otto Söhl, Sohn Friedrichs, *1890 Verden, +1970 (Teilh. 1920-1970)
oo1930 Ellen Lind, *1905 Kopenhagen, +
Friedrich Adolf Söhl, Sohn Heinrichs,*1897 Verden, + 1915 Rethel (Dep. Ardennes)
Johannes (Hans-) Heinrich, Sohn Heinrichs, *1902 Verden, +1990 (Teilh.1935-1972)
oo1931 Ilse, geb Siebert, geschieden, *1910 Leipzig, +1950? Düsseldorf
oo1939 Brigitte, geb. Meyer zu Ermgassen *1916 Neuruppin, +1942 Bremen
oo1949 Elsbeth, geb. Ernst, *1909 Braunschweig, +2002
Antje Söhl, Tochter Hans-Heinrichs, *1935 Verden, oo1960 Wolfgang Haas, *1929 Hannover
Frerich Söhl, Sohn Hans-Heinrichs, *1941 Verden, oo Irmhild
Henning Söhl, Sohn Ottos *1935 Verden (Teilh. 1970-1972), oo1956 Maria Schröder, *1934

Firmen
H. Söhl
Aller-Druckerei H. Söhl (gegr. 1865)
Röver u. Söhl KG (1949-1972): Otto Söhl, Heinrich Röver, Franz Mackensen,
Hans-Heinrich Söhl, Fritz Lührs (+1954, dann Friedel Lührs)
1972 verkauft an Schünemann, Bremen, 1974 an Weser-Kurier,
1974 an Dr. Ippen (Kreiszeitung Syke)

Zeitungen
Anzeiger für den Obergerichtsbezirk Verden (1853-1854), Verdener Obergerichts-Zeitung
und Anzeigen (1855-1867)
Verdener Anzeigenblatt (1867-1945)
seit 1941 Untertitel: Verdener Neueste Nachrichten, Amtliches Kreisblatt,
Bote für das Allertal
Verdener Aller-Zeitung (seit 1949)
Hannoversche Presse (Regionalausgabe (1947-1949, nur Satz)
Niederdeutsche Zeitung (1949, Satz)

Bestandsgeschichte 

Bestand und Bearbeitung des Nachlasses
Der Familiennachlass wurde 2017 von Frerich Söhl (Scharnhorst), dem Sohn von Hans Heinrich, dem Dokumentationszentrum Verden im 20. Jahrhundert(DOZ 20) übereignet. Im Zuge der Fortsetzung der Verzeichnung wurde die Schenkung 2021 vertraglich bekräftigt. Der Nachlass, bestehend aus hand- und maschinenschriftlichem Schriftgut, Kopien, Druckschriften, Fotos und Plaketten, war zunächst weitgehend ungeordnet. Mit dabei waren Bücher und zwei Uniformjacken. Er wurde gleich nach dem Eingang vorsortiert. Mit der Verzeichnung begann 2017 Katie Hanisch, erste Ergebnisse gab sie mit dem Programm Excel in den Computer. Die geringe Stundenzahl, die ihr im DOZ 20 zur Verfügung stand, verhinderte zunächst die Fortsetzung. Auf Initiative von Jochen Benner und mit seiner Unterstützung übernahm Dr. Adolf Hofmeister im März 2021 die Fortsetzung der Ordnung und Verzeichnung des Bestandes, zunächst auf Zetteln, deren Text von Jochen Benner in die Archivsoftware Arcinsys eingegeben wurde. Es wurde nur wenig kassiert (z. B. Doppelstücke). Nach der Verpackung umfasste der Bestand 41 Einheiten in 13 Archivkartons. Die zeitliche Erstreckung des Originalschriftguts reicht von 1894 bis 2013.

Den größten Anteil des Bestandes bildet der Nachlass von Hans Heinrich Söhl, in dem seine Schulzeit, Ausbildung, Militärdienst, Internierung, sein Netzwerk, seine Interessen und Hobbys (Familienforschung, Sport, Jagd, Autos, Luftfahrtverein) dokumentiert sind. Beachtenswert sind u. a. seine Korrespondenz mit seiner Frau Brigitte 1939-42, ein Tagebuch 1942-43, Listen der Internierten 1947 und das Gästebuch der Familie 1939-93, außerdem z. B. die Feldpost von Adolf Söhl 1914-15 und die Fotos der Familie. Einige Druckschriften und Zeitschriften wurden beim Bestand belassen. In die Bibliothek des DOZ 20 wurden folgende Bücher überführt:
Oskar Brüssau: Friedrich der Große oder wie Preußen Großmacht wurde. Ein Gedenkblatt zum 200. Geburtstage des großen Königs, Hamburg 1912, 48 S.
Das Deutsche Kind. Bilder und Gedanken [mit einer Einführung von Heinrich Lhotzky],
Königstein im Taunus u. Leipzig [1935], 48 S.
Wulf Sörensen: Die Stimme der Ahnen. Eine Dichtung. Magdeburg 1936, 55 S.
Wie die Pflicht es befahl. Worte unserer Weltkriegsdichter [Texte von F.J. Klähn, Ernst Jünger, Hans Zöberlein, Thor Groote, Gorch Fock, Hans Steen, Irmgard Grosch], Berlin 1940, 79 S.
Anton Holzner: Das Gesetz Gottes, Berlin 1940, 104 S.
Preußentum, hrsg. v. Luftwaffenführungsstab Ic/VIII, bearb. v. Gerhard Niedermeyer,
Stuttgart ohne Jahr [1940 oder danach], 40 S.
Otto Koellreuther: Das Wesen der Spruchkammern und der durch sie durchgeführten
Entnazifizierung. Ein Rechtsgutachten, Göttingen 1954, 54 S.
Johannes Kurt Klein: Stacheldraht – Hunger – Heimweh. Eine Erinnerung. Zeichnungen: Georg Hieronymi, Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft „Stacheldraht – Hunger – Heimweh“,
Düsseldorf 1955, 84 S.
Die beiden Uniformjacken des Schützenvereins (Verden und Scharnhorst) von Hans Heinrich und Elsbeth, erstere mit einer Kette mit vielen Plaketten (u.a. Deutsches Schützentreffen in Hannover 1951, 125 Jahre Verdener Schützenverein 1837-1962, König Scharnhorst 1968) können Verdener Museen oder dem Schützenverein bei Zusicherung sorgsamer Pflege zur Verfügung gestellt werden.

Literatur 

Elsbeth Söhl: 100 Jahre Aller-Druckerei H. Söhl (Hrsg.: Aller-Druckerei H. Söhl), Verden
1965
Elsbeth Söhl: Scharnhorst, das Dorf an der Halse (Hrsg.: Ortschaft Verden-Scharnhorst),
Verden 1981 [darin: H(ans) H(einrich) Söhl: War’s im Scharnhorster Walde …?, S. 195;
Der Flugplatz Verden-Scharnhorst, S. 199-204]
Robert Kienzle: Vom Intelligenz-Blatt zur Tageszeitung, in: HK 1985, S. 159-169
Rainer Kramer: „Amtliches Kreisblatt“ – Ein Beitrag zur lokalen Pressegeschichte
in der Zeit des Faschismus, in: HK 1990, S. 121-129
Peter Stein: Die nordostniedersächsische Tagespresse. Von den Anfängen bis 1945, Stade 1994, S. 318-326 [dort S. 326 weitere Literatur], 470-473
Jürgen Siemers: 175 Jahre VAZ – eine Zeitung mit vielen Gesichtern, in: 175 Jahre Verdener Aller-Zeitung, Verden [2007], S. 18-24 [1828/31 bis 1977]
Joachim Woock: Die Tagespresse im Landkreis, in: Hermann Deuter / Joachim Woock (Hrsg.): Es war hier, nicht anderswo! Der Landkreis Verden im Nationalsozialismus, Bremen 2016, S. 84-88 [vgl. zur Familie auch ebd., S. 45,57,111,252,376]
Hermann Deuter: Dr. Otto Söhl (1890-1970) ein (fast) vergessener Förderer des Verdener
Vereinssports, in: Jb 2021, S. 196-207

Zum Verdener Anzeigenblatt als Quelle siehe auch:
Jürgen Siemers: Verden. Die Chronologie einer (Klein-)Stadt in Preußen vom 3. Okt. 1866 bis 17. April 1945 (Geschichte der Stadt Verden in Einzeldarstellungen, Bd. 14), Verden
1986 [bes. S. 10 ff.,67,84]
Hans-Werner Posdziech: Landkreis und Stadt Verden im Ersten Weltkrieg, I. Teil, Jb 2020,
S. 33-55 [bes. S. 33-35]; 2. Teil, Jb 2021, S. 317-344 [bes. S. 329f.]; 3. Teil, Jb 2022,
S. 191-215