LkAH N 086

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Nachlass Richard Karwehl

Laufzeit 

1859-1985

Bestandsdaten

Beschreibung 

Der Nachlass Richard Karwehls wurde dem Landeskirchlichen Archiv Hannover in mehreren kleinen Abgaben in den Jahren 1983-1989 von dessen Tochter Ruth Karwehl, Detmold, übergeben. Er besteht teilweise aus familiärer Korrespondenz und Nachlasssplittern, v. a. aber aus Unterlagen zum kirchenpolitischen Engagement Karwehls in der NS-Zeit und in der frühen Nachkriegszeit. Teile des Bestandes sind schon früher an interessierte Zeithistoriker ausgeliehen worden und von dort nicht zurückgekehrt. Sie liegen nur noch als Kopien vor, die diese Forscher seinerzeit für ihren Bedarf gemacht hatten. Ferner hat Frau Ruth Karwehl von einer Reihe von Familienbriefen Abschriften übergeben, in denen rein persönliche Angaben und Bemerkungen ausgelassen wurden. Ergänzt wurde der Bestand durch drei Akten, die bei Ordnungsarbeiten aus dem Pfarrarchiv der Paulus-Kirchengemeinde Osnabrück-Schinkel ausgesondert wurden. Sie betreffen Sammlungen und Unterlagen Karwehls zur Kirchlich-Theologischen Arbeitsgemeinschaft und zur Kirchenpolitik nach 1945. Druckschriften wurden im Bestand belassen, ebenso die wenigen Predigten von Ludwig Schnehage. Ludwig Schnehage (geb. 1816; 1853 Pastor in Gustedt, 1870 Pastor in Mechtshausen; gest. 1878) war Karwehls Großvater mütterlicherseits. Die Predigten befanden sich im Familienbesitz und wurden im Zuge der Übergabe von Richard Karwehls Nachlass mitübergeben.

Der so angereicherte Nachlass ist unter der Signatur N 86 zusammengefasst. Er wurde 1994 im Rahmen eines Praktikums geordnet und verzeichnet. Dabei wurde der vorsortierte Bestand teilweise neu geordnet und signiert.

Parallelbestände sind die Kirchenkampfdokumentation (Bestand S 1), die Generalakten des Landeskirchenamtes (Bestand B 1), die Akten der Landesbischöfe Marahrens (Bestand L 2) und Lilje (Bestand L 3 II und L 3 III), die Akten der hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft (Bestand E 6) sowie der Nachlass Götz Harbsmeier (Bestand N 35).

Bestandsgeschichte 

Lebenslauf
02.05.1885 geboren in Uchte (Kreis Stolzenau) als Sohn des Pastors Friedrich Karwehl (1857-1902)
1904-1908 Theologiestudium in Tübingen, Berlin und Göttingen
1908/1909 Erzieher in Gumperda bei Kahla/Thüringen
1909/1910 Soldat beim 1. Garderegiment zu Fuß in Potsdam
1910-1912 Predigerseminar Loccum
1912/1913 Erzieher am Zivilwaisenhaus in Potsdam
1913 Ordination
1913/1914 Hilfsprediger an der Bethlehemskirche in Hannover-Linden
1914 Pastor der St.-Marien-Gemeinde Osnabrück
1914-1918 Feldprediger, dann Divisionspfarrer
1918-1956 Pastor der Pauluskirchengemeinde Osnabrück-Schinkel
02.08.1979 gestorben

Als Gemeindepastor hatte Richard Karwehl ein waches politisches Interesse, besonders galt dies für Fragen des Verhältnisses von Kirche und Staat. Mit seiner 1931 erhobenen Forderung, die Kirche solle „Rechtsanwalt der unterdrückten Volksschichten“ sein und „Distanz von den Klassengebundenheiten der bürgerlichen Gesellschaft“ wahren, repräsentierte er eine Minderheitenmeinung in seiner Landeskirche. In seinem Beitrag „Politisches Messiastum“ (In: Zwischen den Zeiten 9, 1931) arbeitete er die Unvereinbarkeit von Nationalsozialismus und christlicher Kirche heraus und bekämpfte auch später jede Anpassung der Landeskirche an staatliche Vorgaben. Dementsprechend stellte er sich in der Zeit des Kirchenkampfes auf die Seite des Teiles der Bekennenden Kirche, der – im Gegensatz zu Landesbischof Marahrens – eine Zusammenarbeit mit dem Staat, etwa in Form des Reichskirchenausschusses, ablehnte. Als die Kirchenregierung der Landeskirche 1938 die Pfarrer anwies, einen Treueid auf den Führer abzulegen, zählte Karwehl zu den wenigen, die dies verweigerten. Nach dem Ende des „Dritten Reichs“ kritisierte Karwehl das Verbleiben von Bischof Marahrens im Amt. Die Vorläufige Landessynode hielt er nicht für legitimiert, über Fragen der Zukunft der Landeskirche zu entscheiden. Die „Restauration“ der bisherigen kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsformen galt ihm als Rückschritt und verpasste Chance.
Karwehls theologisches und kirchenpolitisches Verständnis war geprägt von seiner Freundschaft zu Karl Barth. Seine Briefe an Barth, die als Kopien aus dem Karl Barth-Archiv, Basel, Teil des Bestandes sind und einen Zeitraum von 46 Jahren umfassen, dokumentieren die geistige Nähe der beiden Theologen. Karwehls Beitrag „Was ich als lutherischer Prediger von Karl Barth gelernt habe“ zu dessen 70. Geburtstag in „Antwort“ (1956) ist als Sonderdruck ebenfalls Teil des Bestandes.

Literatur über Karwehl befindet sich in der Akte N. 86 Nr. 27, den Aufsatz „Politisches Messiastum“ behandelte D. Glufke im Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte 90, 1992, S. 201-217.