StadtA HI Best. 602 Nr. 350

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Beschreibung: Verzeichnung

Identifikation

Titel 

Straßburger Relation [Nenntitel]
1619, Nr. 33

Laufzeit 

1619

Enthält 

4 Seiten, mit Nachrichten aus der Epoche der ersten Phase des Dreißigjährigen Krieges, dem Böhmisch-pfälzischen Krieg.

Provenienz

Vorprovenienz 

Konvolut "Die Geburt der Presse"

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Bogel/Blühm I: 1-4, II: 7-9, III: 25-26.
Die weltweit erste gedruckte periodische Zeitung! Aus der Offizin des Johann Carolus (geb. 1574 oder 1575 in Mühlbach, verst. 15.08.1634 in Straßburg).
Die nachfolgende Beschreibung wird zitiert aus: "Gutachterliche Stellungnahme zu einer bisher unbekannten Ausgabe der ältesten Zeitung der Welt“ von Dr. Johannes Weber, Universität Bremen – Deutsche Presseforschung, Mai 2002:
„Es handelt sich um die – gut und ohne Textverlust erhaltene - Nummer 33 […] einer titellosen Wochenzeitung des Jahres 1619. Unter dem Zählindex erblicken wir eine schmale Schmuckleiste, darunter folgen Nachrichtenblöcke aus Gravenhaage, Ambsterdamb, Cölln, Rohm, Venedig, Wien, Prag und Regensburg. Ihre Datierung liegt zwischen dem 27. Juli („Auß Rohm“) und dem 12. August („Auß Cölln“) des Jahres, und zwar nach der neuen (gregorianischen) Kalenderrechnung.

Eine Abgleichung mit dem überlieferten Bestand deutschsprachiger Zeitungen, der auf Mikrofilm im Institut für Deutsche Presseforschung an der Universität Bremen (SuUB Bremen) vorhanden und bibliographisch dokumentiert ist, ergibt zweifelsfrei, dass das Blatt der Straßburger Zeitung des Johann Carolus angehört. Carolus hat nachweislich seit Herbst 1605 die älteste Zeitung der Welt herausgegeben, die (im Rhythmus der mit der Post einkommenden Nachrichten) zunächst einmal wöchentlich erschien. Ausgaben der Straßburger Zeitung sind seit dem Jahr 1609 überliefert; nach dem Jahrestitelblatt nannte sie sich: „Relation: Aller Fürnemmen vnd gedenckwürdigen Historien / so sich hin vnnd wider in Hoch vnnd Nieder Teutschland / auch in Franckreich / Italien / Schott vnd Engelland / Hisspanien / Hungern / Polen / Siebenbürgen / Wallachey / Moldaw / Türckey / [et]c. Inn diesem 1609. Jahr verlauffen vnd zutragen möchte.“

Ihr Schöpfer Johann Carolus war in Straßburg zunächst dem Beruf eines Buchhändlers und „Avisenschreibers“ nachgegangen, d. h., er hatte die schon seit Jahrzehnten für Informationszwecke mit der Ordinaripost verschickten handschriftlichen politischen Korrespondenzbriefe abonniert, eine Anzahl von Kopien verfertigt und diese im Abonnement an „etliche Herren“ weitervertrieben. 1604 hatte Carolus sodann aus einer Straßburger Erbmasse eine Druckerei erworben. Und im folgenden Jahr zündete bei ihm die Idee, die politischen Korrespondenzen nicht mehr handschriftlich in wenigen Exemplaren zu kopieren, sondern sie „setzen, ufflegen unnd trucken“ zu lassen – „zur Gewinnung der Zeit (...) Dieweil es mit dem Abschreiben langsam Zugangen“.

Gedruckte Nachrichtenbriefe aber verfügten über eine vielfach höhere Auflage als handschriftlich vervielfältigte Zeitungen und die Stückkosten sanken dramatisch. Das neue Medium erfüllte erstmals das Kriterium der „politischen Publizität“, des öffentlichen Zugangs zu aktueller politischer Information, bei einem relativ niedrigen Preis für ein sozial tendenziell nicht begrenztes Publikum. Und wenn es zutrifft, daß umfassende Information über den aktuellen Stand der Dinge in Politik und Diplomatie die unabdingbare Bedingung für eine – zunächst passive, später auch aktive - Teilnahme der Bürger am politischen Geschäft und damit eine Grundlage demokratischer Gemeinwesen darstellt, so ist festzuhalten, daß mit der Entstehung des neuen Mediums der periodischen politischen Zeitung der Beginn der politischen Moderne markiert ist.

Die Pioniertat des Johann Carolus ist also kaum zu überschätzen und seine Zeitung stellt einen Meilenstein, ein zentrales Dokument auf dem Weg in die Demokratie der Neuzeit dar. Nach dem Vorbild der Straßburger „Relation“ entstanden in den folgenden Jahrzehnten im deutschen Sprachraum Dutzende von Zeitungen; um die Mitte des 17. Jahrhunderts bereits war die regelmäßige Versorgung mit aktuellen Nachrichten flächendeckend. Die Epoche der bürgerlichen Aufklärung seit Ende des Jahrhunderts ist ohne die Existenz des neuen Mediums Zeitung nicht denkbar.

Die älteste Zeitung der Welt ist mit Exemplaren bis zum Jahr 1667 überliefert. Der Bestand ist allerdings äußerst lückenhaft; aus vielen Jahren sind, wenn überhaupt, nur wenige Exemplare erhalten geblieben. Aus dem Zeitraum zwischen 1612 und 1620 war bisher keine einzige Ausgabe bekannt. Daher stellt die Nummer 33 des Jahres 1619 […] ein wichtiges Unikat und einen bedeutenden pressegeschichtlichen Zugewinn dar.“
Siehe hierzu auch das Druckstück aus Nr. 351 mit dem Impressum der Offizin Johann Carolus.

Auf dem Titelblatt über der Zierleiste ein kleiner Vermerk von alter Hand ("...Stück einer alten Postzeitung"), wobei es sich hierbei keineswegs um eine Postzeitung handelt.
Die untere Ecke fehlt ohne Textverlust, zweites Blatt etwas wurmstichig, rückseitig mit weiteren Annotationen von alter Hand.
Aus konservatorischen Gründen zur Benutzung gesperrt.

Literatur:
- Reske, Christoph: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Wiesbaden 2007;
- Welke, Martin: Johann Carolus und der Beginn der periodischen Tagespresse. Versuch, einen Irrweg der Forschung zu korrigieren. (In: 400 Jahre Zeitung. Die Entwicklung der Tagespresse im internationalen Kontext, hrsg. von Martin Welke und Jürgen Wilke, Presse und Geschichte - Neue Beiträge, Bd. 23). Bremen 2008

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