Nds. Landesarchiv, Abt. Hannover > Fachgerichte

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Beschreibung: Gliederung (Tektonik)

Identifikation (Gliederung)

Titel 

Fachgerichte

Kontext

Geschichte des Bestandsbildners 

1. Arbeitsgerichte

Bereits seit 1927 existieren infolge des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 23. Dezember 1926 erste Arbeitsgerichte auf dem Gebiet des heutigen Landes Niedersachsen. Da die Arbeitsgerichtsbarkeit ursprünglich in der Kompetenz der Amtsgerichte lag, waren auch die Arbeitsgerichte diesen zugeordnet. Nachdem mit Zusammenbruch der NS-Herrschaft alle Gerichte ihre Tätigkeit einstellten, nahmen die Arbeitsgerichte sie auf Anordnung der Militärregierung gegen Ende des Jahres 1945 an den gleichzeitig wiedereröffneten Amtsgerichten erneut auf (Justizblatt für Aurich, Oldenburg und Osnabrück Nr. 3 vom 15. Dezember 1945, S. 19).

Das von der Alliierten Kontrollbehörde am 30. März 1946 erlassene Kontrollratsgesetz Nr. 21 leitete den Neuaufbau der Arbeitsgerichtsbarkeit ein, indem es Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte als selbstständige Gerichte einführte (Justizblatt vom 13. Juli 1946, Nr. 9, S. 71 f.). Diese waren den Provinz- oder Landesarbeitsbehörden unterstellt und damit organisatorisch aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausgegliedert. Ihre umfassende Eigenständigkeit gewann die Arbeitsgerichtsbarkeit vor allem durch das am 3. September 1953 verkündete neue Arbeitsgerichtsgesetz. Dadurch wurde sie zu einer eigenen, selbstständigen und durchgängig dreizügigen Fachgerichtsbarkeit. In Niedersachsen ist diese der Landesjustizverwaltung zugeordnet und wird auf unterster Ebene durch Arbeitsgerichte in Braunschweig, Celle, Emden, Göttingen, Hameln, Hannover, Hildesheim, Lingen (Ems), Lüneburg, Nienburg (Weser), Oldenburg, Osnabrück, Stade, Verden (Aller) und Wilhelmshaven gebildet. Ihnen übergeordnet ist das Landesarbeitsgericht mit Sitz in Hannover und in höchster Instanz das Bundesarbeitsgericht mit Sitz in Erfurt.

Eine grundlegende Regelung der Gerichtsverfassung und Ordnung des Prozesses in der Arbeitsgerichtsbarkeit erfolgte über das am 2. Juli 1979 verkündete Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Demnach werden an den Arbeitsgerichten Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern, den Tarifvertragsparteien und den gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (§ 2 Nr. 1-6, 9 ArbGG) in erster Instanz verhandelt. Hierunter fallen u.a. Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Eingehung oder Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ergeben. Sie werden im Urteilsverfahren entschieden, wobei die Prozessparteien dazu verpflichtet sind, dem Gericht die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu schildern und gegebenenfalls zu beweisen. Darüber hinaus sind Arbeitsgerichte auch zuständig für Beschlussverfahren (§ 80 ArbGG), in denen die Ermittlung des Sachverhalts ihnen selbst obliegt. Auf diesem Wege werden vor allem Streitigkeiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz (zumeist zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat) und dem Sprecherausschussgesetz (§ 2a Nr. 1 und 2 ArbGG) verhandelt. Hier entscheidet das Arbeitsgericht durch Beschluss. Vom Vorsitz beim Arbeitsgericht ausgeschlossen sind seit der Änderung des ArbGG im Jahr 1961 Nichtjuristen. Die Kammern werden seitdem mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt.


2. Sozialgerichte

Die Sozialgerichte des Landes Niedersachsen gehen im Wesentlichen auf die Oberversicherungsämter zurück, die im Rahmen der Einrichtung von Versicherungsbehörden in den 1880er Jahren entstanden sind. Neben Versicherungsämtern, Landesversicherungsämtern und dem Reichsversicherungsamt fungierten sie gleichzeitig als Verwaltungs- und Spruchbehörden.

Die tatsächliche Einführung der Sozialgerichtsbarkeit als von den Verwaltungsbehörden unabhängige Sondergerichtsbarkeit erfolgte bundesweit auf Grundlage des Sozialgerichtsgesetzes vom 3. September 1953. Darin wird ein selbständiger, dreistufiger Rechtszug für die Sozialgerichtsbarkeit, bestehend aus Sozialgerichten, Landessozialgericht und Bundessozialgericht, angeordnet. Mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes zum 1. Januar 1954 nahmen in Niedersachsen die Sozialgerichte in Aurich, Braunschweig, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück und Stade ihre Tätigkeit auf. Ihnen übergeordnet ist das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit Hauptsitz in Celle und Zweigstelle in Bremen.

Als Spruchkörper der Sozialgerichte entscheiden die Kammern in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzer. Die Zuständigkeit der Sozialgerichte erstreckt sich auf Angelegenheiten der Sozial- und Arbeitslosenversicherung. Dabei bearbeiten sie Streitfälle im Zusammenhang mit der Rentenversicherung, der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung einschließlich des Kassenarztrechts, der Arbeitsförderung, der Soldaten- und Kriegsopferversorgung, der Arbeitslosenversicherung, des Kindergeldes und bei Streitigkeiten nach dem Schwerbehindertengesetz. Standen zu Beginn der Sozialgerichtsbarkeit Streitfälle der Kriegsopferversorgung an erster Stelle, so waren es später Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung und des Arbeitsförderungsrechts. Seit Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II im Jahr 2005 erfuhr dieser Bereich einen erheblichen Prozessanstieg und hatte ein personelles Aufstocken der Sozialgerichtsbarkeit zur Folge.

Stand: 1. Juli 2015

Literatur 

Bender, Wolfgang: Verfahrensakten der Arbeitsgerichtsbarkeit, in: Unbekannte Quellen: "Massenakten" des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Jens Heckl, Düsseldorf 2010, S. 128-136.

Borrmann, Karl: Die Arbeitsgerichtsbarkeit in Niedersachsen, in: Neues Archiv für Niedersachsen 7/9 (1954), S. 213-216.

Leinemann, Wolfgang: Die geschichtliche Entwicklung der Arbeitsgerichtsbarkeit bis zur Errichtung des BAG, in: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 24 (1991), S. 961-966.

Neumann, Dirk: Kurze Geschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit, in: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 8 (1993), S. 342-345.

Staatshandbuch: Die Bundesrepublik Deutschland. Niedersachsen. Handbuch der Landes- und Kommunalverwaltung mit Aufgabenbeschreibungen und Adressen. Köln u.a. 2014.

Homepage der Nds. Arbeitsgerichtsbarkeit

Landesjustizportal Niedersachsen

Bearbeiter 

Regina Schleuning (2015)