StadtA H 1.HR.04

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Personalien des Rates bzw. BVK

Laufzeit 

1885-1950

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte 

Vorwort/Bestandsgeschichte

Hauptregistratur (HR), Sachgruppe 4, Vertretung der Bürgerschaft

Zeit (1886) 1933-1945 (1950)
Umfang 98 Nrn. / 0,3 m
Zitierweise HR 4, Nr. ...

Bestandsbildung und -zusammensetzung
(a) Im Zuge der Umzugsvorbereitungen im Jahr 1992 fanden sich einige der Hauptregistratur zugehörige Akten an, die bis dahin keiner Untergruppe in der Hauptregistratur zugeordnet worden waren (Akz. unbekannt). Diese Akten (nunmehr HR 4, Nr. 1-5) erwiesen sich bei genauerem Hinsehen als Überreste der früheren Sachgruppe Hauptregistratur IV. Eine spätere Redaktion hatte aus der römischen Zahl IV die Bezeichnung X. III. ... korrigiert. Damit wurde seitens der Registratoren eine Zuordnung zu Hauptregistratur X, Untergruppe III, d.h. der entsprechenden Sachgruppe im Aktenplan von 1869/75 angestrebt. Vgl. hierzu weiter unten die Bemerkungen zur Registratursparte Vertretung der Bürgerschaft.
(b) Eine Abgabe des Personalamts (Akz. ?) wurde bis 1992 als solche ohne Bestandszuordnung im Archiv gelegentlich als Personalakten zitiert (nunmehr HR 4, Nr. 6-98). Sie enthält Personaldaten der Ratsherren und Beiräte sowie einiger Stadträte (leitende Wahlbeamte) von 1933 bis 1945. Nur in wenigen Akten ist eine weitere Bearbeitung nach dem Ende des NS-Staates erkennbar (HR 4, Nrn. 60, 81, 87). Die Akten wurden im Städtischen Nachrichtenamt / Presseamt geführt; die archivierten Aktenbestände des Presseamts sind im gleichnamigen Archivbestand zu finden. Diese Aktenteilbestände (a) und (b) wurden 1992 unter dem bisher nicht existenten Archivbestand mit dem Kürzel HR 4 - Vertretung der Bürgerschaft - zusammengeführt. Wer die Laufzeit der Akten mit dem Titel des Bestandes vergleicht, liegt richtig, wenn er skeptisch nach der Fortentwicklung des BVK im
Dritten Reich fragt.

Die Ratsherren oder Beiräte waren im Dritten Reich zeitlich befristet verbeamtet, sog. Ehrenbeamte. Sie mußten als solche die spezifischen beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, die durch den NS-Staat früh mit dem sog. Berufsbeamtengesetz geschaffen worden waren. Berufsbeamtengesetz war die Kurzbezeichnung für das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", das am 7. April 1933, zwei Monate nach der Machtübernahme, verkündet wurde.
· Das Gesetz gab den Nationalsozialisten die Möglichkeit, ihnen unbequeme Beamte aus der öffentlichen Verwaltung zu entfernen, "... auch wenn die nach dem geltenden Recht hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen." (RGBl 1933, I, Nr. 34, S. 175)
· Nach Paragraph 4 des Gesetzes konnten "... Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten,... aus dem Dienst entlassen werden. " (RGBl 1933, I, Nr. 34, S. 175)
· Nach der ersten Durchführungsverordnung zum Berufsbeamtengesetz vom 11. April 1933 hatten alle Beamten auf Aufforderung die Zugehörigkeit zu politischen Parteien anzugeben.
· Es wurde bestimmt: "... Ungeeignet sind alle Beamten, die der kommunistischen Partei oder kommunistischen Hilfs- oder Ersatzorganisationen angehören. Sie sind daher zu entlassen. " (RGBl 1933, I, Nr. 37, S. 195)

Hinsichtlich der Zugehörigkeit zur SPD wurde in einem Runderlaß des Reichsinnenministers vom 14.Juli 1933 bestimmt, daß "... mit dem offen zu Tage liegenden landesverräterischen Charakter der sozialdemokratischen Bestrebungen...eine weitere Zugehörigkeit von Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes zur SPD unvereinbar... " (RdErlaß v. 14. 7. 1933, RMinbliV 1933, 887; zit. nach Diemut Majer, Fremdvölkische im Dritten Reich, Boppard a. Rhein 1981, S. 16) sei.
Mit dem Paragraphen 3 des Berufsbeamtengesetzes erschien zum erstenmal der Arierparagraph in einem Gesetz, der in den folgenden Jahren noch in zahlreichen Gesetzen, Verordnungen und Organisationssatzungen zur Anwendung kam.

Der Paragraph bestimmte: "Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand zu versetzen; soweit es sich um Ehrenbeamte handelt, sind sie aus dem Amtsverhältnis zu entlassen. " (RGBL 1933, I, Nr. 34, S. 175)
Als nicht arisch galt, "wer von nicht-arischen, besonders von jüdischen Eltern oder Großeltern" (Meyers Lexikon, Bd. 1, 1936, Sp. 556) abstammte. Im Gegensatz zu den späteren Bestimmungen der Nürnberger Gesetze galt im Berufsbeamtengesetz ein Bürger bereits als Jude, wenn ein Großelternteil "nichtarisch" war. Ausgenommen von der Bestimmung des Paragraphen 3 waren bis 1935 die jüdischen Beamten, die am Ersten Weltkrieg, 1914-1918, teilgenommen hatten oder deren Väter oder Söhne in diesem Krieg gefallen waren. Außer Entlassungen und Versetzungen in den Ruhestand schuf das Berufsbeamtengesetz gegen unliebsame Beamte auch die Möglichkeit der "... Versetzung in ein Amt von geringerem Rang... " (RGBl 1933, I, Nr. 34, S. 175) und die Kürzung des Ruhegeldes für die "... nach 3, 4 in den Ruhestand versetzten oder entlassenen Beamten... " (RGBl 1933, I, Nr. 34, S. 175)
Nach Schätzungen sollen rund zwei Prozent der etwa 1,5 Millionen Beamten im Deutschen Reich auf Grund des Berufsbeamtengesetzes entlassen oder in den Ruhestand versetzt worden sein. (Übernommen aus: Hilde Kammer / Elisabet Bartsch, Nationalsozialismus - Begriffe aus der Zeit der Gewaltherrschaft 1933-1945, Reinbeck rororo)

Vgl. für den kommunalen Bereich allgemein:
- Horst Matzerath, Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, Stuttgart 1970, bes. zu den Gemeinderäten S. 289 ff. - HB 1869;
· für Hannover: Klaus Mlynek, Weimarer Republik und Nationalsozialismus, in: Mlynek / Röhrbein, Geschichte der Stadt Hannover (1994), bes. zur Gleichschaltung der Stadtverwaltung S. 501 ff. - HB 3178
Ein Aktenvorgang zur Berufung und Ernennung in das Beamtenverhältnis als Ehrenbeamter kann (muß nicht in jedem Fall) folgende Schriftsätze enthalten:
a. Personalbögen: Fragebogen zur politischen Zugehörigkeit, Fragebogen zur arischen Abstammung und der Logenzugehörigkeit;
b. einen Auszug aus dem Ministerialblatt des Reichs- und Preuß. Ministeriums des Innern zur Verlängerung der Amtszeit der Zeitbeamten im Dienst der Gemeinden und Gemeindeverbände (Nr. 17 v. 23. 4. 1941);
c. Korrespondenz mit der NSDAP, insbesondere mit dem Gauleiterstellvertreter Kurt Schmalz in seiner Funktion als Beauftragter der NSDAP für die Hauptstadt Hannover;
d.Korrespondenz mit den beteiligten Personen (Beiräten und Ratsherren).

Da es sich bei den Funktionen um Ehrenämter handelte, kamen tatsächlich nur solche Parteimitglieder zum Zuge, die das besondere Vertrauen der Gauleitung besaßen. Diese Akten sind somit ein Spiegel für das Alte-Kämpfer-Syndrom auf kommunaler Ebene. Alte Kämpfer wurden die Mitglieder der NSDAP genannt, die der Partei vor der Machtübernahme 1933 beigetreten waren. Die Zeit vor der Machtergreifung wurde von den Nationalsozialisten oft als Kampfzeit der NSDAP bezeichnet.

Parteimitglieder, die sich nach dem 30. Januar 1933 - dem Tag der Machtübernahme - um eine Mitgliedschaft beworben hatten, wurden von den Alten Kämpfern verächtlich als Märzveilchen bezeichnet. Diese neuen Bewerber mußten sich einer zweijährigen Bewährungszeit unterziehen, da "... eine Gewähr für die unbedingte Zuverlässigkeit der Neuhinzugekommenen nicht immer gegeben ... " (Hans Buchheim, September 1955; Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte, Selbstverlag München 1958, S. 317) schien. Im April 1933 erließ die NSDAP eine Mitgliedersperre, die 1937 durch Anordnung des Stellvertreters des Führers dahingehend geändert wurde, daß Bewerber nach einer zweijährigen Parteianwärterschaft Parteimitglied, Pg, werden konnten. Im Mai 1939 wurde auch diese Bedingung aufgehoben. Die hohen Parteiposten der Gauleiter wurden ausnahmslos mit Alten Kämpfern besetzt. (Vgl. Kammer / Bartsch, Nationalsozialismus, a.a.O.) Alte Kämpfer wie Ratsherr Julius-Heinrich Witthuhn machten im Bedarfsfall darauf aufmerksam, daß sie diesen Status besaßen (HR 4, Nr. 98); der entscheidende Beweis, daß man Alter Kämpfer war, wurde mit der Höhe der Mitgliedsnummer geführt, die man auf dem Parteimitgliedsausweis fand; je kleiner die Nummer, desto unangreifbarer als Alter Kämpfer. Genau so argumentierte Witthuhn 1936 für sich und glaubte diesen Hinweis noch verstärken zu können, indem er auch auf die noch niedrigere Mitgliedsnummer seiner Ehefrau verwies (in HR 4, Nr. 98). Neben solchen kuriosen Vorgängen, die in diesem Einzelfall wegen des Konflikts im Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands die Ebene des Reichsparteigerichts der NSDAP berühren, enthält der Bestand vor allem die erwähnten Standardvorgänge; und er bietet damit Materialien zur Untersuchung des Alltags der kleinen alten Kämpfer an der kommunalen Basis.

Zum Verhältnis der Archivbestände BVK und HR 4
- Hinweise zum Verständnis der Tektonik -
Die Bestände BVK und HR 4 sind Provenienzbestände, d. h. sie repräsentieren die unterschiedlichen Registraturbildner Bürgervorsteher-Kollegium und Magistrat. Im Bestand HR 4 ist nur der Magistrat als Registraturbildner vertreten. Die Zusammenfügung der beiden eingangs genannten heimatlosen Aktenbestände zum Archivbestand HR 4 folgte dem Gedanken der Vollständigkeit und Transparenz bei der Formierung einer Archivtektonik. Die Archivtektonik und der Grundgedanke der Vollständigkeit zielt auf die Schaffung von Archivbeständen als Repräsentanten von Registraturen. Die Hauptregistratur des Magistrats hatte in Hannover seit den 1920er Jahren 44 Unterabteilungen (Sachgruppen), die mit römischen Zahlen von I bis XLIV bezeichnet wurden. Dieses im Dritten Reich noch einmal umgearbeitete Einteilungsschema der Hauptregistratur dient seit 1990 als Leitlinie bei der
archivischen Bestandsbildung. Entsprechend den römischen Zahlen heißen die Archivbestände HR 1, HR 2, HR 3 etc. Als ein Maßstab für die Vollständigkeit der archivischen Überlieferungsbildung kann demnach das Registraturschema aus den Jahren von ca. 1920 bis 1955 (sog. Hauptregistratur) dienen.

Allerdings zeigt gerade die Entwicklung derHauptregistratur, Sachgruppe IV zum Archivbestand HR 4, wie eine ganze Bestandsgruppe Gefahr läuft, nahezu spurenlos zu verschwinden. Hier ist die kritische Rekonstruktion erforderlich, um zu verhindern, daß die moderne Archivbestandsbildung nicht (unterschwellig) von nationalsozialistisch geprägten Auffassungen beeinflußt wird. Transparenz bedeutet für die Archivtektonik, daß die Bestandsbildung nachvollziehbar bleibt. Nachvollziehbarkeit kann erreicht werden, indem der Weg einer Aktengruppe von der Registratur zum Archivgut dokumentiert wird. Die Formierung des Bestandes HR 4 illustriert sozusagen das Verschwinden einer ganzen Aktengruppe im kommunalen Bereich durch die bekannten Gesetze und
Verordnungen des NS-Regimes. Die hier vorgenommene Bestandsbildung soll auch helfen, die Deformation und Vernichtung der städtischen Selbstverwaltung und Demokratie an der Aktenbasis zu verdeutlichen.

Die Beschäftigung des Magistrats mit Angelegenheiten des BVK war seit der Konstituierung des BVK in Hannover (1821/24) ein MUSS. Das BVK als Kontrollorgan war für den Magistrat stets gegenwärtig. Es lassen sich sogar bestimmte Phasen in der Stadtententwicklung nach dem jeweiligen Verhältnis von Magistrat und BVK erkennen. Dieser Dualismus ist aber nicht nur in Hannover wenig erforscht. Er war jedenfalls so stark ausgeprägt, daß das BVK eine eigene Registratur unterhielt, eine eigene Bibliothek besaß, einen eigenen Boten und einen eigenen Registrator beschäftigte; hierzu mehr im Vorwort zum Bestand BVK

Unabhängig von der BVK-eigenen Registratur findet man in allen Phasen der städtischen Entwicklung bis 1933 auf Seiten des Magistrats dessen Aktendokumentationen über seine Verhandlungen mit dem BVK. Der Sachbereich Vertretung der Bürgerschaft stellte bis zur Auflösung des BVK eine konstante Registratursparte in den Magistratsakten dar.
In den folgenden Beständen des Archivs sind diese Teilregistraturen des Magistrats zu finden:
· Im Bestand Alte Abt. Akten.
· Im Bestand Altregistratur des Magistrats der Stadt Hannover. Gliederungspunkt 10 Vertretung der Bürgerschaft (der gesamte Aktenbestand zu diesem Gliederungspunkt ist seit 1946 verloren.
· Im Bestand der Protokolle, wobei auf Grund der Bestandsbildung nicht mehr nachvollziehbar ist, welcher Provenienz die einzelnen Bände dieses Bestandes zuvor einmal zugehörten. Protokolle bzw. Niederschriften des BVK (1911-1914), Protokolle des Magistrats (1918-1933) und Protokolle der Gemeinschaftlichen Sitzungen der städtischen Kollegien (1909-1933).
· Ebenfalls im Bestand Protokolle vgl. die Reihe der gebundenen Kommissionsprotokolle (seit 1919), insbesondere die Protokolle der Beratungen der Ratsherren (1934-1945) sowie Protokolle über die Beratung mit den Schulbeiräten (im Protokollband Schulkommission 1932-1934, 1937-1945) und Protokolle über die Sitzung der Beiräte für das Bauwesen (im Protokollband Baukommission 1932-1934, 1937-1945).
· Im hiermit vorgestellten Bestand HR 4 Vertretung der Bürgerschaft.

Wie eingangs erwähnt, kann man diese Registratursparte nur durch Rückgriff auf ältere Systematiken der Hauptregistratur identifizieren. Sie eignet sich besonders gut für einen Vergleich. Dabei wird hier nur darauf geachtet, was mit der Einbettung dieser Registratursparte in die jeweils geltende Systematik geschehen ist. Die Gegenüberstellung von vier Aktenplansystematiken aus der Zeit zwischen 1869 und ca. 1935 verdeutlicht mehr als die Veränderungen im Detail1:

Nach den vorstehenden Erläuterungen überrascht es nicht, daß der Aktenplangestalter der Hauptregistratur der Stadtverwaltung Hannover im Dritten Reich den Aktenplan-Titel Vertretung der Bürgerschaft tilgen wollte.
Tatsächlich zeigt die Gegenüberstellung der Systematiken, daß es (nicht nur) auf Aktenplan-Ebene gelungen ist, die Vertretung der Bürgerschaft auszulöschen und das leere Feld im Aktenplan (um 1935) mag symbolisch das antidemokratische Element und die gedankliche Leere der NS-Ideologie repräsentieren. Insofern ist es gerechtfertigt, den Plan um 1935 (Bestand Stadtarchiv, Nr. 3) als Aktenplan mit typisch nationalsozialistischen Spuren zu bezeichnen.

Vermerk: Als Bestand HR 4 neu konstituiert; umfaßt drei Stülpkartons. Juni 1992 / Kre.

Der Teilbestand (b) war z.T. im Archiv mit Bleistift beschriftet worden; Aufschrift: Personalamt (Ratsherren bzw. Beiräte)”und Angabe der Laufzeit der Akte.
- Die vielleicht angestrebte verzeichnungstechnische Unterscheidung der Personen nach Ratsherren und Beiräten ist nur begrenzt nützlich; viele Ratsherren waren zugleich Beiräte. Im Juli 1996 hat Frau Meyer den Bestand in MS-Winword / Tabellenformat erfaßt. Die Beschriftung der Akten wurde von Frau Meyer überprüft und verbessert. insbesondere ergänzte sie die Angaben zu den Fachgebieten der Beiräte. Einige Darin-Vermerke und Korrekturen der Laufzeiten sind von mir ergänzt worden.

17.7.1996 / K. Kreter

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

teilweise verzeichnet