StadtA GOE Dep. 108

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Dep. 108 - Junges Theater

Laufzeit 

1956-1998

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

Das Junge Theater Göttingen (JT) wurde im Sommer 1957 von Hans-Gunther Klein (30. September 1931 - 28.Juni 1982) als privates Zimmertheater gegründet und bis zu seinem Tod im Jahr 1982 geleitet. Die erste Premiere war am 4. September 1957, gegeben wurde Goethes "Urfaust". Am 16. November 1957 folgte Samuel Becketts "Warten auf Godot". Zur damaligen Zeit wurde dieser Klassiker des absurden Theaters erst selten auf deutschen Bühnen gespielt, so dass die Zuschauer die Gelegenheit hatten, auch in der Provinz avantgardistisches Gegenwartstheater zu erleben. Das JT erspielte sich bald seinen Ruf als experimentierfreudige Bühne, die ein Kontrastprogramm zu dem traditionellen Repertoire des Deutschen Theaters (DT) für seine meistenteils jungen Zuschauer bot. Neben den jungen Erwachsenen kümmerte es sich insbesondere um Kinder und Jugendliche. Auf dem Gebiet des Kinder- und Jugendtheaters hat sich das JT dann auch seit der Premiere von "Tom Sawyers Abenteuer" am 24. Oktober 1970 besonders verdient gemacht und konnte mit Stücken des Grips-Theaters und der Roten Grütze viele seiner größten Erfolge feiern. Das JT behauptete über die Jahre hinweg seine Position, ein wichtiger und nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der Göttinger Kultur zu sein. Das JT begann als Laienbühne und blieb ein Privatunternehmen, das nicht von seinem Idealismus ließ, immer neue Ausdrucksformen des Theaters zu erproben, und das daher stets mit Finanzproblemen zu kämpfen hatte. Da die Stadt Göttingen mit dem DT jedoch schon ein großes Haus finanzierte, musste sich das kleinere Theater mit den nur spärlich fließenden Fördergeldern zufrieden geben.

Das JT machte aus der Not eine Tugend und verband die Gegebenheiten seiner Existenz mit seinem künstlerischen Anliegen: Mit einem jungen Ensemble Stücke junger Autoren für junge Zuschauer zu spielen. Es machte und es verstand sich als "junges Theater". Da der von allen "Scheff" genannte Hans-Gunther Klein nur kleine Gagen zahlen konnte, bot das JT gerade auch jungen und unbekannten Schauspielern die Chance, bereits zu Beginn ihrer Laufbahn tragende Rollen zu spielen und die Theaterarbeit von allen Seiten kennen zu lernen. Das JT wurde bekannt als Sprungbrettbühne für junge Talente. Schauspieler und Regisseure wie Bruno Ganz, Evelyn Hamann, Achim Plato, Claus Peymann, um nur die berühmtesten Namen zu nennen, verdienten sich am JT ihre Sporen. Zu nennen ist außerdem der kürzlich verstorbene Friedrich Karl Waechter, der, als Satiriker der Neuen Frankfurter Schule bekannt, mehrere von ihm verfasste Kinderstücke auch selbst am JT in Uraufführung inszenierte.

Hans-Gunther Klein und seine Nachfolger verstanden es außerdem, unbekannte Stücke und Autoren zu finden, die am Puls der Zeit lagen, nämlich der politisch bewegten Zeit der sechziger, siebziger und achtziger Jahre. Das JT war in der sozialen und politischen Kultur dieser drei Jahrzehnte bundesrepublikanischer Geschichte verwurzelt und verstand sich als Forum für Kommunikation. Unter dem Dach des JT fanden Diskussionsveranstaltungen zu aktuellen politischen Ereignissen, Dichterlesungen, Ausstellungen von Malern und Grafikern, Konzerte, Filmvorführungen sowie Tanz-, Pantomime-, und Puppenspiel-Aufführungen statt. Außerdem bildete sich ein großer Stamm von Künstlern, die immer wieder kamen und ihre Gastspiele gaben, allen voran die Kabarettisten und Liedermacher, darunter der ebenfalls kürzlich verstorbene Hanns Dieter Hüsch und Wolf Biermann. Von den Gästen besonders hervorzuheben ist auch die Chansonsängerin Barbara, die mit ihrem Göttingen-Lied, 1964 bei einem Gastspiel im JT geschrieben, die Leinestadt in Frankreich bekannt machte und zur deutsch-französischen Aussöhnung in den 1960er Jahren beitrug.

Das JT spielte bis 1976 an wechselnder Heimstatt. Während der ersten Spielzeit 1957/58 wurden die Vorstellungen im ersten Stock des Hauses Weender Straße 11 gegeben, nur 44 Zuschauer fanden dort Platz. Bis 1960 spielte es u. a. im Fridtjof-Nansen-Haus in der Merkelstraße 4. Von September 1960 bis Dezember 1975 logierte es in der Geismarlandstraße 19, später beherbergt das Gebäude das Programmkino Lumière. Seit Januar 1976 ist das JT im Otfried-Müller-Haus am Wochenmarkt in der Hospitalstraße 6 untergebracht.

Um das finanzielle Risiko des Privatunternehmens besser zu schultern, schlossen sich im Juni 1975 der "Förderverein des Jungen Theaters e.V." und Hans-Gunther Klein zu einer GmbH zusammen; der "Junges Theater Göttingen GmbH". Das Otfried-Müller-Haus beherbergt außer dem JT auch das KAZ, ein Kommunikations- und Aktionszentrum, das den soziokulturellen Bedürfnissen der Göttinger Bürger gewidmet ist und seither von verschiedenen Gruppen genutzt wird. In einem im Dezember 1975 zwischen Stadt und JT geschlossenen Vertrag wurde das KAZ der Trägerschaft des JT unterstellt. Ein Kuratorium wurde eingerichtet, das die Aufsicht über JT und KAZ wahrnahm (siehe Dep. 108 Nr. 70). Es bestand aus Vertretern des JT (später auch der KAZ-Gruppen) und der Ratsfraktionen sowie dem Kulturdezernenten. Da die Leitungsfunktion des JT bei den freien KAZ-Gruppen auf nachhaltige Ablehnung stieß, kam es nach langen Beratungen im Juni 1984 zu der juristischen und finanziellen Trennung von JT und KAZ, eine räumliche Trennung gelang jedoch nicht.

Gegen Ende der 90er Jahre geriet das JT in Turbulenzen. Die Zuschauer blieben aus, die Intendanten und Konzepte wechselten. Am 30. Juni 2004 hörte die "Junges Theater Göttingen GmbH" auf zu bestehen, nachdem sie zuvor Insolvenz anmelden musste. Seit dem 1. Juli 2005 wagt die "Junges Theater in Göttingen gGmbH" mit einem neuen Intendanten, Andreas Döring, und mit neuem Ensemble einen Neuanfang. Auf Hans-Gunther Klein folgten die Intendanten Guido Huller (02/1983 bis 06/1989), Otto Schnelling (07/1989 bis 08/1992), Klaus Berg (09/1992 bis 08/1996), Rolf Johannsmeier (09/1996 bis 11/1998), Werner Feig (11/1998 bis Spielzeit 2000/01) und Torsten Schilling (Spielzeit 2001/02 bis 03/2004). Lange Jahre sorgte Brigitte Urban (18. April 1949 - 29. März 1994) als Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros für Kontinuität. Sie war (mit Unterbrechung) von 1972 bis 1994 für das Theater tätig.

Bestandsgeschichte 

Der Bestand Dep. 108 - Junges Theater wurde in der Ablieferung 1507/2000 von der Geschäftsführung des JT an das Archiv abgegeben und umfasst ca. 8 lfd. Meter mit der Laufzeit von (1956-) 1957-1997 (-1998). Die Überlieferung der Akten des 'alten' JT bricht in der Schlussphase seines Bestehens ab. So besteht eine Lücke von 1998 bis 2000 bzw. 2004. Über den Verbleib der Intendanten-Akten ist ebenfalls nichts bekannt. Außerhalb des Bestandes Dep. 108 Junges Theater sind weitere Akten zum JT (und KAZ) in den Beständen des Kulturamtes vorhanden (siehe Findbücher des Kulturamtes). Zu Barbara siehe auch den Bestand Kleine Erwerbungen Nr. 166. Personalunterlagen von Barbara wurden der Akte Dep. 108 Nr. 75 entnommen. Sie sind bei Herrn Horst Wattenberg in Göttingen verblieben, dem ehemaligen Geschäftsführer des Theaters. Das gilt auch für den Originalentwurf des Göttingen-Liedes, der sich ursprünglich in den Akten des JT befunden hat.

Die Archivbibliothek enthält die Dubletten von Monatsprogrammen (Signatur: ZL 20), Programmheften (Signatur: ZL 21), Spielplanvorschauen (Signatur: ZL 37) und Festschriften zu den Jubiläen (Signaturen: B 580, B 87, E 451). Festschriften zum 35- und 40-jährigen Jubiläum 1992 und 1997 wurden nicht erstellt. Schließlich ist in der Archivbibliothek eine Mappe mit Programmen, Einladungen, Schriften u. a. der Tangente, dem Vorgängertheater des JT, und des JT (Signatur: III J 30) sowie der Jahresabschlussbericht von 1977 (Signatur: ZL 50) vorhanden. Die abgegebenen Plakate wurden unter der Signatur D 41 in die Plakatsammlung des Stadtarchivs aufgenommen. Das Städtische Museum verwahrt eine Fotosammlung des JT.

Die innere Ordnung der Akten wurde übernommen und ergänzt, auch wenn eine systematische Aktenführung nur in Ansätzen erkennbar ist. Die Pressespiegel über die Stücke und Gastspiele im JT wurden uneinheitlich abgelegt. Die Presseberichte über die Stücke und das Theater selbst (Klassifikationsnummern 3.4 und 4.3) bilden das Gerüst der Überlieferung. Sie wurden gesammelt, um gleichermaßen mit ihnen nach außen Publikum zu werben und nach innen die Geschichte des Hauses zu dokumentieren. Daher wurden hier auch die Programmhefte über die einzelnen Stücke abgelegt, statt sie eigens zu sammeln. Akten zur Geschichte des JT sowie zur Organisation und Verwaltung wurden nur am Rande überliefert. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums 1987 wurde eine Festschrift erstellt (Dep. 108 Nr. 107, Signatur: B 580 in der Archivbibliothek), für die wichtige Urkunden etc. aus den Akten entnommen wurden. Diese Unterlagen, die auch als Vorlagen für die Faksimile-Abbildungen dienten, wurden nicht wieder zurücksortiert, sondern verblieben als loser, ungeordneter Stapel, aus dem die Akten Dep. 108 Nr. 107, 109, 110 und 111 gebildet wurden.

Es wurde darauf verzichtet, im Findbuch die Stücke und Gastspiele komplett aufzulisten. Um jeweils Informationen zu finden, empfiehlt es sich, zunächst bei den Monatsprogrammen und Spielplänen (Klassifikationsnummern 6.3 und 6.4) nachzusehen, um so die Spielzeit festzustellen. Mit ihrer Kenntnis lassen sich dann die konkreten Akten finden (z. B. Presseberichte, Personalakten). Ur- und Erstaufführungen wurden stets vermerkt. Die Bezeichnung 'deutsche Erstaufführung' meint, dass es sich um eine westdeutsche Erstaufführung handelt, im Unterschied zur deutschsprachigen Erstaufführung. Bei der Suche nach Schauspielern, Regisseuren und Gästen empfiehlt es sich (neben der Suche im Index und in den Personalakten), ebenfalls zunächst die Verweildauer des Gesuchten am JT zu klären.

Die interne und externe Korrespondenz des Theaters wurde uneinheitlich abgeheftet. Sie wurde teils unter dem Namen der Institution oder Person, teils unter dem Namen der Stadt abgelegt. Daher sind ggf. mehrere Möglichkeiten zu prüfen. Einträge im Findbuch zu einzelnen Briefen nennen meist auch die Person oder Institution, die im Aktenregister zu finden ist.

Die Verzeichnung und Findbucherstellung erfolgte durch Frau Klaudia Woede mit Hilfe des Archivprogramms AIDA.

Göttingen, im Oktober 2005

Literatur 

Ilona Büttenbender, Theater in Niedersachsen, Braunschweig: Meyer, 1989, 163 S, S. 140-143. (Signatur: B 286)

Carsten Reinhardt, Programmzettel und Programmhefte der Göttinger Theater. Seminararbeit am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften, Göttingen, 1989, 45 Bl. (Signatur: C 272)

Martina Schaefer, Öffentlichkeitsarbeit am Jungen Theater und am Deutschen Theater, Hausarbeit am Institut für Kommunikationswissenschaften, Göttingen, 1989, 21 S. (Signatur: E 359)

Theater im Theater: die Arbeitsweise des Jungen Theaters Göttingen am Beispiel der Inszenierung "Die Wanze" von Wladimir Majakowski in der Spielzeit 1977/78. Idee, Regie, Interviews: Horst Bethmann (...), Göttingen: Buchvertrieb Weinobst, (1978), 152 S.: zahlr. Ill. (Signatur: E 451)

Hans-Christian Winters, Avantgarde ohne Anti-Theater: 1957-1982, 25 Jahre Junges Theater, in: Göttinger Monatsblätter, Nr. 101, 1982, S. 9-16, 38 Abb. (Signatur: Z 16:1982)

Ders., Zwischen künstlerischem Erfolg und finanzieller Existenznot: im Herbst 1982 feiert das Junge Theater Göttingen sein 25jähriges Jubiläum, in: Göttinger Jahresblätter, 5. Jahrgang, 1982, S. 151-153. (Signatur: Z 26:1982)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Der Bestand wurde mit Hilfe des EDV-Archivprogramms "AIDA" erschlossen. Die Datensätze dieses Bestandes wurden im Mai 2015 von AIDA in die nunmehr verwendete Archivsoftware "Arcinsys" übertragen.