
Identifikation (kurz)
Titel
Landeskrankenhaus Tiefenbrunn
Laufzeit
1956-2013
Bestandsdaten
Geschichte des Bestandsbildners
Vorbemerkung: Zur Vorgeschichte siehe das Vorwort zum Vorgängerbestand Hann. 155 Tiefenbrunn im NLA Hannover.
Kurz vor Kriegsende wurde die Lazarettabteilung Rasemühle Ende April 1945 nach Göttingen verlegt. Die hiesigen Anstaltsgebäude wurden dagegen für eine Ausweichstation der Göttinger Universitätskliniken genutzt. In der Nachkriegszeit herrschte, wie in den anderen Anstalten auch, eine ständige Überbelegung und ein Mangel an Lebensmitteln und Heizmaterial. Erst 1947 normalisierte sich die Patientenbelegung wieder und die Anstalt konnte wieder ihrem ursprünglichen Zweck nach als Nervenheilstätte dienen. Damals erhielt sie die Bezeichnung "Niedersächsische Landesheilstätte Rasemühle", welche durch Beschluss des Niedersächsischen Landesministeriums vom 3. März 1952 in "Niedersächsisches Landeskrankenhaus Tiefenbrunn" mit Sitz in Rosdorf geändert wurde.
Aufgrund der zunehmenden administrativen Aufgaben endete 1955 die Personalunion des Direktorpostens des Landeskrankenhauses und des Lehrstuhls der Medizinischen Fakultät. Wie das Landeskrankenhaus Göttingen so wurde auch das Landeskrankenhaus Tiefenbrunn ein Lehrkrankenhaus für die Universität Göttingen.
In den 1960er Jahren erhielt das Krankenhaus eine psychosomatische und psychoanalytische Ausrichtung und wurde somit eine staatliche Heilstätte für psychisch Erkrankte im zweiten Versorgungsystem neben den Krankenhäusern mit Versorgungspflichten für akut und schwer psychiatrisch erkrankte Patienten. Als Landeskrankenhaus für Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Landes Niedersachsen diente Tiefenbrunn seither der Behandlung aller Erkrankungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, bei denen seelische und psychosomatische Belastungen oder Konflikte eine Rolle spielten.
2006 und 2008 erhielt die Einrichtung deutschlandweit als erstes Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie die Zertifizierungsstufe "Committed to Excellence" der Deutschen Gesellschaft für Qualität.
Im Zuge der Privatisierung aller nds. Landeskrankenhäuser wurden die beiden Landeskrankenhäuser Göttingen und Tiefenbrunn zum 1. November 2007 an die Asklepios Kliniken Verwaltungsgesellschaft verkauft. Sie bilden seitdem Betriebsteile der neu gegründeten Asklepios Psychiatrie Niedersachsen GmbH. Der Standort Tiefenbrunn mit insgesamt acht Funktionsbereichen gliedert sich dabei in die drei Fachabteilungen Klinische Psychotherapie für Erwachsene, Klinische Psychotherapie für Kinder und Jugendliche sowie Psychosomatische Medizin. Im ambulanten Bereich bietet das Asklepios Fachklinikum Tiefenbrunn zwei Psychiatrische Institutsambulanzen für Erwachsene sowie für Kinder und Jugendliche.
Stand: September 2015
Bestandsgeschichte
1. Bewertung und Übernahme von Patientenakten allgemein
In den Jahren 1986-1988 haben mehrere Landeskrankenhäuser (LKH) Patientenakten, die bis 1960 geschlossen worden waren, an die damaligen Staatsarchive in Niedersachsen abgegeben. Eine Bewertung der Akten erfolgte dabei zunächst nicht. Später erstellte Bewertungsrichtlinien erwiesen sich als ungeeignet und wurden archivisch nicht angewandt.
In Anlehnung an allgemein anerkannte archivische Bewertungskriterien (siehe z.B. Rössler und Wischnath) werden alle Patientenakten von den Anfängen der Psychiatrie im 19. Jahrhundert bis in die unmittelbare Nachkriegszeit (ca. 1950) als uneingeschränkt archivwürdig eingeschätzt. Für die Zeit danach muss wegen den massenhaft zunehmenden Patientenakten, die jeweils aus der eigentlichen Krankenakte sowie einer in der Regel nicht archivwürdigen Verwaltungsakte bestehen, eine Bewertung erfolgen.
In den letzten Jahren haben die Standorte des Niedersächsischen Landesarchivs (NLA) ein gemeinsames, handhabbares Bewertungsverfahren für Patientenakten entwickelt. Im damaligen Hauptstaatsarchiv wurde 2004/2005 folgendes Verfahren angewandt:
- bis 1950 vollständige Übernahme der Akten ohne Bewertung
- 1950-1960 Übernahme mit Bewertung in 5-Jahres-Schritten (nach Aufnahmedatum, nämlich 1950, 1955, 1960)
- 1960-1975 Übernahme mit Bewertung nach dem DORT-Prinzip (Anfangsbuchstaben des Familiennamens D, O, R und T)
- ab 1975 Übernahme mit Bewertung in 5-Jahres-Schritten und nach dem DOT-Prinzip (Buchstaben D, O und T)
Hinsichtlich angebotener Personalakten sollte einerseits solches Schriftgut übernommen werden, welches einen Querschnitt der verschiedenen Berufsgruppen (v.a. Pflegepersonal, Ärzte) abbildet, und andererseits solches, welches besondere Fälle (Arbeitsunfälle, Dienstvergehen etc.) dokumentiert.
2008 konkretisierte eine NLA-Arbeitsgruppe das künftige Vorgehen hinsichtlich der Bewertung und Erschließung jüngerer Patientenakten der LKHs. Neben den reinen Patienten- und Personalakten sollten zunehmend auch allgemeine Verwaltungsakten, statistische Jahresberichte und andere Unterlagen, welche die Arbeit der LKH dokumentieren sowie eine komprimierte Parallelüberlieferung zu Patientenakten bieten (Protokolle/ Amtsbücher, z.B. Aufnahmebücher, Behandlungs- und Untersuchungsprotokolle), archiviert werden. Man verständigte sich auf eine vollständige Archivierung älterer Patientenakten bis 1945/50 sowie von Aufnahmebüchern und Behandlungsprotokollen bis zu dieser Zeit. Für die jüngeren Akten, die für die klinische und historische Forschung auch von Bedeutung sein können, wurde dagegen eine Bewertung in Form einer repräsentativen Stichprobe mittels statistischen Auswahlverfahren als unerlässlich angesehen, wobei eine Klumpenstichprobe, d.h. nach dem Anfangsbuchstaben des Familiennamens (DOT-Prinzip), gegenüber einer systematischen Stichprobe oder einer Zufallsstichprobe bevorzugt wird. Um die Übernahmemengen von Patientenakten nach 1978 der fünf LKH Lüneburg, Göttingen, Wunstorf, Hildesheim und Tiefenbrunn nochmals zu reduzieren, sollen künftig nur noch exemplarische Übernahmen von Patientenakten aus zwei LKHs stattfinden. Das quantitative Auswahlverfahren soll ferner durch eine qualitative Auswahl nach folgenden Kriterien ergänzt werden:
- Fälle, die in der wissenschaftlichen Literatur erwähnt sind
- Fälle, die unter sozialgeschichtlichen Aspekten typisch sind
- herausragende und/oder bekannt gewordene Fälle
- Patientenakten (regional) bekannter Persönlichkeiten
- Fälle, die aus medizingeschichtlicher Sicht typisch oder außergewöhnlich sind
- Fälle, in denen familiäre Zusammenhänge sichtbar werden
Hinsichtlich der qualitativen Auswahl soll vermehrt eine Zusammenarbeit mit dem medizinischen Personal in den (ehemaligen) LKHs gesucht werden, um deren Sachkenntnis einzubeziehen. Diese sollen die betreffenden Fälle kennzeichnen, um die Arbeit des Landesarchivs zu erleichtern.
Ausnahmen von der neuen Bewertungspraxis sollen für drei LKHs gemacht werden. Übernahmen von Patientenakten des vom NLA OL betreuten LKH Wehnen sollten wie bisher mittels einer systematischen Stichprobe erfolgen, indem jede 100. Akte archiviert wird. Bei den für den Maßregelvollzug zuständigen LKHs Moringen und Brauel soll auf eine repräsentative Stichprobe bei Patientenakten gänzlich verzichtet werden. Das angebotene Schriftgut soll vollständig übernommen werden.
2. LKH Tiefenbrunn
Die bis 1978 angefallene Überlieferung des Landeskrankenhauses Tiefenbrunn werden durch das Niedersächsische Landesarchiv Hannover betreut.
In den vorliegenden Bestand 1032 C Nds sind bislang vier Ablieferungen des Landeskrankenhauses Tiefenbrunn eingegangen. Der erste Zugang erfolgte 2008 (Zg. 54/2008) und beinhaltete Personalakten. Weitere Zugänge 2013 und 2015 beinhalteten Patientenakten. 2014 wurde mit einem Auszug aus den Patientendatenbanken des Landeskrankenhauses Tiefenbrunn erstmals originär digitales Schriftgut übernommen.
Stand: September 2015
Der Zugang 2016/96, 0,8 lfdm bzw. 60 Patientenakten, wurde im Dezember 2016 verzeichnet.
Enthält
u.a. Personalakten, Patientenakten und Patientendatenbank
Literatur
Niedersächsisches Sozialministerium (Hg.), Niedersächsisches Landeskrankenhaus Göttingen, Hannover 1982.
Niedersächsischer Sozialminister (Hg.), Psychiatrie in Niedersachsen: Programm und Bericht der Landesregierung, Hannover, 1985.
Heiner Fangerau, Politik und Nervosität: Gründung und Betrieb der ersten deutschen Volksnervenheilstätte "Rasemühle" bei Göttingen zwischen 1903 und 1914, in: Krankenhauspsychatrie 16 (2005), S. 25-32, hier S. 30f.
Asklepios Fachklinikum Tiefenbrunn (Hg.), Qualitätsbericht 2008.
Homepage der Klinik
Allgemein zu archivischen Bewertungskriterien für Patientenakten:
Wulf Rössler, Überlegungen zur Archivierung psychiatrischer Krankenunterlagen, in: Der Archivar 44 (1991), Sp. 435-442.
Michael Wischnath, Einführung zu den Bewertungs- und Erschließungsempfehlungen für Krankenakten, in: Der Archivar 51 (1998), S. 233-244.
Siehe
Korrespondierende Archivalien
NLA HA:
- Hann. 155 Göttingen (Landes- Heil- und Pflegeanstalt Göttingen)
- Hann. 155 Tiefenbrunn (Landes-Heil- und Pflegeanstalt Tiefenbrunn)
- Nds. 330 Göttingen (Landeskrankenhaus Göttingen)
- Nds. 330 Tiefenbrunn (Landeskrankenhaus Tiefenbrunn)
Weitere Angaben (Bestand)
Umfang in lfd. M.
3,2 sowie 4,6 MB digitale Objekte
Bearbeiter
Dr. Christian Helbich (2015)
Diehl (2016)
Benutzung
Findmittel zu Archivgut mit Daten, die dem Sozialgeheimnis, der ärztlichen Schweigepflicht oder vergleichbarer Rechtsvorschriften unterliegen, können nicht online präsentiert werden. Sowohl Findmittel als auch Archivgut können im Niedersächsischen Landesarchiv unter Berücksichtigung der Einhaltung von Schutz- und Sperrfristen nach §5 NArchG eingesehen werden.
Informationen / Notizen
Zusatzinformationen
verzeichnet