NLA WO 133 Urk

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Prälatenkurie

Laufzeit 

1473-1775

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

Die Landschaft des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel formierte sich im 15. und institutionalisierte sich im 16. Jahrhundert. Landtage wurden in drei Kurien abgehalten, die zunächst getrennt voneinander tagten und sich anschließend in Verhandlungen auf eine gemeinsame Linie einigten. Die vornehmste der drei Kurien waren die Prälaten, es folgten die Ritterschaft und die Städte. Ihr gehörten insgesamt elf Stifte und Klöster an, die durch die Äbte vertreten wurden. Bis zur Bestellung eines landschaftlichen Syndikus (Landsyndikus) im forgeschrittenen 16. Jahrhundert leitete der Dechant von St. Blasii die Geschäft der Landschaft, die Prälatenkurie stimmte stets zuerst ab.

Reguläre Landtage wurden vom Herzog einberufen (obwohl die Landschaft das Recht hatte, sich selbstständig zu versammeln, und dieses auch verschiedentlich wahrnahm), der in Form einer Proposition die Tagesordnung im Wesentlichen vorgab. Zugleich nutzten die Stände die Landtage, um eigene Initiativen zu ergreifen und Beschwerden (Gravamina) vorzubringen. Primär mussten die Landstände verschiedenen Steuereinnahmen zustimmen, die sie aufzubringen hatten, und kontrollierten bis zu gewissem Grad die Verwendung dieser Mittel. Wie ihr Einfluss auf die herzoglichen Verordnungen zu gewichten ist, ist innerhalb der Forschung umstritten. Vor allem im 16. Jahrhundert mussten sie verschiedene Landesgesetze ratifizieren (Kirchenordnung, Policeyordnung u.a.), indirekt nahmen sie auch Einfluss auf zahlreiche Mandate und Edikte, die unter dem Nahmn des Landesherrn ergingen. Innerhalb der Forschung wird die Ritterschaft, gefolgt von den Prälaten, als prononcierteste Kurie ausgemacht. Allerdings ist zu beachten, dass die Äbte seit Einführung der Reformation 1568/69 herzogliche Amtsträger waren, während zahlreiche Adlige ebenfalls im Dienst des Landesherrn standen. Von einer strukturellen Opposition der Stände zum Landesherrn kann daher keine Rede sein.

Ergänzend zu den Landtagen wurden im Laufe des 16. Jahrhunderts verschiedene Ausschüsse eingerichtet, welche die Arbeit der Landschaft sozusagen auf Dauer stellten. Sie bereiteten die Landtage vor, exekutierten deren Beschlüsse (Landtagsabschiede), kontrollierten die Steuereinnahmen, sammelten Gravamina und standen in Kommunikation mit dem Landesherrn und seinen Beamten. Als Einschnitt gilt das Jahr 1598: Nach dem Vorbild des Fürstentums Calenberg gelang es den Ständen, ein mit ihren Vertretern besetztes Schatzkollegium als weiteren Ausschuss zu institutionalisieren und ein eigenes Siegel zu erhalten. Damit einhergehend wurde der Kasten für die Einnahmen aus den Schatzungen von der Residenz Wolfenbüttel in das Kapitelhaus des St. Blasius Stifts in Braunschweig überführt und somit unter ständische Kontrolle gebracht, während der Landrentmeister fortan gleichermaßen herzoglicher Beamter und der Landschaft verpflichtet war. Der Schatzrat diente als Kontrollgremium für sämtliche von den Ständen aufzubringende Steuern und Abgaben. Blieben die Kammereinkünfte völlig in der Hand des Fürsten, so hatte sich die Landschaft einen verhältnismäßig weitreichenden Einfluss auf die Erhebung und Verwaltung dieser Gelder gesichert. Die strukturelle Kehrseite des Ausschusswesens bestand darin, dass sie die teuren und umständlichen Zusammenkünfte aller Stände obsolet machten. Zunehmend rückten sie in eine Ersatzfunktion für die Landtage ein, die zwischen den Jahren 1682 und 1768 nicht mehr einberufen wurden. Gleichwohl war die Landschaft in diesen Jahren nicht völlig bedeutungslos, wie sich etwa am Kauf eines Hauses am Braunschweiger Kohlmarkt 1690 oder der Beschäftigung von circa 50 Bedienten im 18. Jahrundert zeigt. Die gewaltige Schuldenlast der Kammer zwang Herzog Karl schließlich zur Einberufung eines Landtags. Gegen anteilige Übernahme der Schulden wurde die Landschaft gestärkt und trat nun wieder zusammen.

Bestandsgeschichte 

Die Unterlagen zu den Landschaftsangelegenheiten wurden in mehreren Strängen aufbewahrt. Es existierte ein Landschaftliches Archiv, das allerdings im Jahre 1813 auf Befehl des Präfekten des Königreichs Westfalen von Reimann gegen Zahlung von 95 Talern in einer Papiermühle zu großen Teilen vernichtet wurde. Daneben verwahrten der Herzog und der Geheime Rat sowie die einzelnen Kurien Unterlagen, so auch die der Prälaten. Karl von Schmidt-Phiseldeck und Heinrich Mack zufolge befand sich das Archiv der Prälatenkurie im Konventsgebäude von St. Blasii. Als dieses 1830 abgerissen wurde, überführte man die Archivalien in das Braunschweigische Landeshauptarchiv in Wolfenbüttel. Die Akten wurden zusammen mit den Resten des Landschaftlichen Archivs und der herzoglichen Überlieferung in den Mischbestand NLA WO 101 Alt integriert, während die Urkundenbestände provenienzmäßig getrennt blieben.

Nach 1830 wurde der vorliegende Bestand von verschiedenen Händen in Form von Kurzregesten handschriftlich verzeichnet. Die Verzeichnung erfolgte mit der des Bestandes NLA WO 131 Urk in einem gemeinsamen Findbuch ("Verzeichnis der landschaftlichen Urkunden", mit zwei Abteilungen, die aber offenbar vermischt waren), noch im Jahre 1960 wurden beide Bestände gemeinsam durchgezählt. Bekannt ist, dass Hermann Kleinau den Versuch unternahm, den Mischbestand NLA WO 101 Alt nach Provenienzen in verschiedene Bestände aufzuteilen. Denkbar ist, dass der vorliegende Bestand erst in den 1960er Jahren durch Trennung von dem anderen genannten Urkundenbestand geschaffen wurde. Dies würde erklären, weshalb die Regesten des handschriftlichen Findbuchs zu beiden Beständen derart vermischt sind, dass sich dieses kaum benutzen lässt.

Im Jahre 2023 unterzog der Archivrat Dr. Philip Haas den vorliegenden Bestand einer Neuverzeichnung. Da sich das handschriftliche Findbuch als unbrauchbar erwies, wurde diese unter Rückgriff auf die Originale durchgeführt. Allerdings ist zeitnah eine Neuverzeichnung des ergiebigeren herzoglichen Bestandes 131 Urk und womöglich gar eine Edition der Landtagsabschiede durch Dr. Martin Fimpel beabsichtigt. Folglich sollte die Erschließung der vorliegenden "Nebenüberlieferung" nicht allzu ausführlich und arbeitsintensiv erfolgen. Die oftmals mit vielen Artikeln ausgestalteten Landtagsabschiede konnten daher zumeist nicht in Form umfangreicher Regesten verzeichnet werden, die sämtliche Gegenstände berücksichtigen. Vielmehr wurden jeweils - freilich nach subjektivem Ermessen des Bearbeiters - die wichtigsten Angelegenheiten erfasst.

Enthält 

Der Bestand spiegelt die oben umrissene Geschichte der Landschaft wider. Aus der Zeit vor der Institutionalisierung der Landstände enthält er einige wenige herzogliche Urkunden, im Wesentlichen Bestätigungen der landschaftlichen Rechte und Privilegien. Den mit Abstand größten Teil von NLA WO 133 Urk bilden Landtagsabschiede aus dem späten 16. und vor allem der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Auch einige Urkunden, in denen Absprachen zwischen dem Herzog und den Ausschüssen getroffen werden (etwa Nr. 23), finden sich im Bestand. Für die etwa 80. Jahre, in denen keine Landtage stattfanden, liegen nur einzelne Reverse vor. Es folgen dann ab 1770 wieder einige Landtagsabschiede. Daneben enthält der Bestand auch herzogliche Propositionen sowie verschiedene Assekurationen, vor allem zu den Privilegien der Landschaft, zur Integrität und zur Konfession des Fürstentums.

Literatur 

Eine Literaturliste, die um einige Titel ergänzt wurde, findet sich im Vorwort zum Bestand NLA WO 101 Alt.

Findmittel 

Handschriftliches Findbuch (gemeinsam mit NLA WO 131 Urk) aus dem 19. Jahrhundert

EDV-Findbuch in Arcinsys aus dem Jahre 2023

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

NLA WO 101 Alt Landschaft des Fürstentums Wolfenbüttel [zentraler Aktenbestand der Landschaft, Mischbestand aus verschiedenen Überlieferungssträngen]

NLA WO 2 Alt Geheimer Rat und Kanzlei [v.a. Gliederungspunkt 10: Landschaftssachen, Nr. 18522-19081]

NLA WO 131 Urk Braunschweigische Landschaft (Herzogliche Registratur) [wichtigster und umfangreichster Urkundenbestand zum Themenfeld]

NLA WO 132 Urk Braunschweigische Landschaft (Landschaftliche Registratur)

NLA WO 135 Urk Schuldverschreibungen der Landschaft

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M. 

1,4 (70 Stück)

Bearbeiter 

Dr. Philip Haas (2023)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Abgeschlossen: Ja