NLA WO 41 Urk

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Stadt Gandersheim

Laufzeit 

1323-1832

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung 

Urkundenbestand der Stadt Gandersheim. Enthält vor allem: herzogliche und stiftsherrliche Privilegien, stadtinterne Privilegien und Regelungen (Gilden, Zünfte, Schützen), Lehensurkunden, Rentenbriefe, Kaufverträge, Testamente, Seelgeräte und (fromme) Stiftungen.

Geschichte des Bestandsbildners 

Nahe der Stelle, wo der Bach Eterna in den Fluss Gande mündet und zwei wichtige Handelswege einander kreuzten, ist bereits für das 10. Jahrhundert ein sogenannter Wiek oder Wigbold (vermutlich von lateinisch: vicus) nachweisbar, ein befestigter Ort, der den Forschungen Hans Goettings zufolge als Handels- und Umschlagplatz für Fernkaufleute diente. Im Dunkeln bleibt, ob diese Handelsniederlassung bereits existierte, als der Adlige Liudolf und seine Gemahlin Oda im Jahre 852 bei ihrem Herrschaftssitz Brunshausen einen Sanktimonialkonvent gründeten (vgl. die Ausführungen Caspar Ehlers gegen Hans Goetting). Aus diesem entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten ein Damenstift, das bereits im 9. Jahrhundert und zu Beginn des 10. Jahrhunderts dem besonderen Schutz des Reiches unterstellt (Reichsstift) wurde. Die aus den Liudolfingern hervorgegangenen Kaiser aus dem Haus der Ottonen protegierten das Stift, welches in dieser Zeit und in den folgenden Jahrhunderten bedeutende Ländereien erwerben konnte. Auch gelang es der Äbtissin und ihrem Konvent, sich erfolgreich gegen den Zugriff des Bischofs von Hildesheim zur Wehr setzen, indem sie im Jahre 1206 von der römischen Kurie die Exemtion erlangten. Der Wiek an der Gande unterstand den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg und dem nachmaligen Reichsstift gleichermaßen, in dessen Schatten er sich zur Stadt Gandersheim entwickelte. Für die Frühphase der Stadt im Früh- und Hochmittelalter laufen die Quellen lediglich als dünnes Rinnsal, nur indirekt (NLA WO 6 Urk) lässt sich erschließen, dass der Markt als Stadtzentrum bereits im 12. Jahrhundert vorhanden gewesen sein muss.

Die eigentliche Quellenüberlieferung der Stadt Gandersheim setzt erst in den 1320er Jahren ein, zu einem Zeitpunkt, als das Reichsstift bereits durch den Machtanspruch der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg in die Defensive gedrängt worden war. Diese hatten bereits im 13. Jahrhundert eine Burg in der Stadt errichtet sowie einen Vogt und Amtmann eingesetzt. Der Versuch der Reichsabtei, die landesherrliche Befestigungsanlage zu kaufen, endete im finanziellen Desaster und zog aufgrund der hieraus resultierenden Zahlungsunfähigkeit die Exkommunikation durch den Papst nach sich. Aus dem vorliegenden Bestand lässt sich ersehen, wie sich der Zugriff der Welfenherzöge auf die Stadt zunehmend intensivierte, Gandersheim Privilegien erhielt, aber auch enger an die im Ausbau befindliche Landesherrschaft gebunden wurde. Nach dem Bau eines Schlosses war die Stadt vom 15. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts Nebenresidenz des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel. Als Streitobjekt zwischen Herzögen und Äbtissinnen stieg Gandersheim im Gegensatz zu einer ganzen Reihe von Städten des niedersächsischen Raumes (Braunschweig, Einbeck, Göttingen, Hameln, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Northeim u.a.) nicht zu einer „Autonomiestadt“ (Heinz Schilling) mit weitreichenden Freiheitsrechten auf, sondern unterstand von Anfang an der direkten Herrschaft des Landesfürsten und seiner Beamten.

Im 14. und 15. Jahrhundert hatten aber auch das Stift und ihre Äbtissin nicht unerheblichen Einfluss auf die Geschicke der Stadt, wie zahlreiche von ihnen ausgestellte Urkunden illustrieren. Im Laufe des 14. Jahrhunderts wurden auch die Gandersheimer Neustadt und der Hagen angelegt, die nun ebenfalls als Orte des Geschehens in den Urkunden genannt werden. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts musste Herzog Heinrich der Jüngere dann die Schulden, die sein Vater angehäuft hatte, gegenüber der Stadt abtragen, da seine Mutter Katharina hier ihren Witwensitz beziehen wollte und folglich aus den Erträgen des Wittums ihren Unterhalt zu beziehen hatte. Das Gros des Bestandes 41 Urk entstammt dem 16. Jahrhundert. Die Konjunkturen dieses turbulenten Säkulums, wie etwa die Hildesheimer Stiftsfehde oder die Unterwerfung Braunschweig-Wolfenbüttels durch den Schmalkaldischen Bund, finden ihren Niederschlag in den Urkunden, die nun zunehmend als Ergänzung einer einsetzenden Aktenüberlieferung (vor allem NLA WO 17 N, aber auch einige der Alt-Bestände) dienen können. Plastisch zeichnen sich in der Folgezeit auch die desaströsen finanziellen Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges ab, die sich in zahlreichen Schuldverschreibungen, ja sogar in Hypotheken auf Stadtwall und Stadtgraben widerspiegeln.

Bei der Masse der Urkunden handelt es sich allerdings um Lehens- und Rentenbriefe, Kaufverträge, Testamente, Seelgeräte und (fromme) Stiftungen, die aber nichts desto trotz ein anschauliches Bild vom städtischen Leben in Spätmittelalter und Früher Neuzeit liefern. Lehens- und Rentenbriefe prägen dann die weitere Überlieferung bis ins 19. Jahrhundert, wobei mitunter weite Familien- und Beziehungsgeflechte aus diesen ersichtlich werden.

Bestandsgeschichte 

Im Jahre 1755 verzeichnete der Archivsekretär Jakob Paul Wöhner erstmals die Urkunden der Stadt Gandersheim. Ein entsprechendes Verzeichnis der Gandersheimer Kämmerei aus dem Jahre 1643 (laut handschriftlichem Findbuch: in den Akten der Geheimrats-Register Nr. 1403a) zeigt an, dass die Stadt bereits eine eigene Urkundensammlung unterhielt und diese nicht erst nachträglich durch Wöhner als archivisches Selekt gebildet wurde. Wöhners Regesten liegen noch immer als blau Zettel den von ihm verzeichneten Urkunden anbei.
Der Archivsekretär und nachmalige Leiter des Braunschweigischen Landeshauptarchivs Dr. Paul Zimmermann unterzog den Bestand im Jahre 1880 einer Neuerschließung, die aber weitgehend auf der vorhandenen Verzeichnung Wöhners basierte. Anlass war eine Abgabe des Magistrats der Stadt Gandersheims im Vorjahr (Empfangsbescheinigung vom 15. April 1880). Die Urkunden mit folgenden Nummern fügte Zimmermann dem Bestand hinzu und fertigte dementsprechend die jeweilige Verzeichnung an:

1, 13, 15, 18, 20, 21, 26, 28, 37, 38, 40, 41, 52, 54, 55, 56, 64, 75, 81, 83, 85, 91, 97, 99, 102, 104, 105, 107, 109, 112, 113, 124, 126, 127, 129, 131, 132, 136, 142, 143, 147, 149, 149a, 151, 156, 157, 158, 163, 172, 184, 186, 189, 194, 195, 197, 198, 200, 202a, 206, 208, 216, 218, 220, 222, 223, 225, 229a, 229b, 232a, 249, 251, 253, 255, 256a, 292.

Die Zählung folgt einer chronologischen Anordnung, wobei der Numerus Currens durch Stücke mit alphabetischer Ergänzung der Signatur durchbrochen wird. Offenbar war bereits Zimmermann bei seiner Überarbeitung dazu gezwungen, Urkunden in dieser Weise nachträglich beizuordnen. Abgaben des Stadtarchivs Braunschweig (142a), des Amtsgerichts Gandersheim (102a, 102b, 153a, 191, 193b, 206a, 207a, 207b, 269a, 269b und privater Provenienz (176a, 261a, 264a, 272a) sowie aus Akten entnommene Urkunden (214a) wurden später noch in den Bestand eingegliedert.

Da das Findbuch des Jahres 1880 aus der Feder Dr. Zimmermanns in Kurrentschrift gehalten ist, ließ sich dieses nicht einfach retrokonvertieren. Im Jahre 2020, während der „Corona-Krise“ übertrug der Archivrat Dr. Philip Haas aus dem Homeoffice das Repertorium nach Arcinsys. Im Zuge dieser Arbeit wurden die Regesten sprachlich komplett überarbeitet. Der verschachtelte, nur schwer verständliche Stil wurde umgestaltet, dem heutigen Sprachgebrauch angenähert und der gegenwärtigen Orthografie angepasst. Eine nennenswerte Zahl von Regesten wurde mittels vorhandener Digitalisate und später auch der Originale überprüft und ggf. modifiziert. Eine komplette Überprüfung und Neuverzeichnung war aus Gründen der Arbeitsökonomie nicht möglich und angesichts der Hochwertigkeit der bestehenden Regesten auch nicht nötig. Zugrunde gelegt wurden die Erschließungsgrundsätze des Niedersächsischen Landesarchivs (Stand: 2015), wobei zum Zeitpunkt der Erschließung noch keine spezifische Richtlinie für Urkunden vorhanden war.

Bei der vorliegenden Verzeichnung handelt es sich um ausführliche Archivregesten, mitunter sogar Vollregesten inklusive Zeugenlisten. Wo nicht sämtliche (rechtsrelevanten) Inhalte detailliert abgehandelt wurden, wird dies in der Regel kenntlich gemacht (z.B. „in näher beschriebener Weise“). Ein editionswissenschaftlicher Anspruch wird mit den Regesten gleichwohl nicht verfolgt, handelt es sich doch primär um Repertorien zum Auffinden von Archivalien, die nicht das Original ersetzen sollen. Dennoch ergänzt diese ausführliche Erschließung die mustergültige Regestierung durch Dr. Hans Goetting für die Reichsabtei Gandersheim (NLA WO 6 Urk) aus den Jahren 1948-1957.

Literatur 

- Althoff, Gerd: Gandersheim und Quedlinburg. Ottonische Frauenklöster als Herrschafts- und Überlieferungszentren, in: Frühmittelalterliche Studien 25 (1991), S. 123-144.

- Ehlers, Caspar: Bad Gandersheim, in: Die deutschen Königspfalzen. Band 4 Niedersachsen. Dritte Lieferung: Buxtehude - Gieboldshausen. Göttingen 1999, S. 247-333.

- Goetting, Hans: Die Gandersheimer Originalsupplik an Papst Paschalis II. als Quelle für eine unbekannte Legation Hildebrands nach Sachsen, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 21 (1949), S. 93-122.

- Goetting, Hans: Die Anfänge des Reichsstifts Gandersheim, in. Braunschweigisches Jahrbuch 31 (1950), S. 5-52.

- Goetting, Hans: Die Anfänge der Stadt Gandersheim. Wik, mercatus und forum als Stufen der frühstädtischen Entwicklung, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 89 (1952), S. 39-55.

- Goetting, Hans: Findbuch (Regesten) zu 6 Urk, in Arcinsys-Niedersachsen.de (http://www.arcinsys.niedersachsen.de/arcinsys/detailAction?detailid=b4347). Stand: 1957.

- Goetting, Hans: Gandersheim und das Reich, in: Johann Karl Rippel (Hg.): Der Landkreis Gandersheim. Bad Gandersheim 1958, S. 119-141.

- Goetting, Hans: Das Bistum Hildesheim. Teil 1: Das reichsunmittelbare Kanonissenstift Gandersheim (Germania Sacra Neue Folge 7). Berlin / New York 1973 [grundlegend].

- Goetting, Hans: Das Bistum Hildesheim. Teil 2: Das Benediktiner(innen)kloster Brunshausen, das Benediktinerinnenkloster St. Marien vor Gandersheim, das Benediktinerkloster Clus, das Franziskanerkloster Gandersheim (Germania Sacra Neue Folge 8). Berlin u.a. 1974.

- Haas, Philip: Im langen Schatten von Äbtissinnen und Forschungsgeschichte. Die Urkunden der Stadt Gandersheim. In: Archiv-Nachrichten Niedersachsen 24 (2020). S. 44-50.

- Haas, Philip: Quellenerschließung als Beitrag zur historischen Forschung. Hans Goetting und die Geschichte von Reichsstift und Stadt Gandersheim. In: Archiv für Diplomatik 67 (2021). S. 402-430.

- Hoernes Martin /Röckelein, Hedwig (Hg.): Gandersheim und Essen. Vergleichende Untersuchungen zu sächsischen Frauenstiften. Essen 2006.

- Kallen, Gerhard: Das Gandersheimer Vogtweistum von 1188, in: Historische Aufsätze. Aloys Schulte zum 70. Geburtstag gewidmet von Schülern und Freunden. Düsseldorf 1927, S. 149-170.

- Kronenberg, Kurt: Chronik der Stadt Bad Gandersheim. Bad Gandersheim 1978.

- Kuper, Gaby: Gandersheim. Zwischen Landesherrschaft und Reichsstift, in: Claudia Märtl u. a. (Hg.): Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Braunschweigischen Landes vom Mittelalter bis zur Gegenwart 1: Mittelalter. Hildesheim u. a. 2008, S. 509-536.

- Mühe, Adolf: Geschichte der Stadt Bad Gandersheim. 2. Aufl. Bad Gandersheim 1950 [ursprünglich 1936].

- Popp, Christian: (Bad) Gandersheim – Kanonissenstift (Reichsstift), in: Josef Dolle (Hg.): Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, 4 Bde. Bielefeld 2012, Bd. 1, S. 432-450.

- Röckelein, Hedwig (Hg.): Der Gandersheimer Schatz im Vergleich. Zur Rekonstruktion und Präsentation von Kirchenschätzen. Regensburg 2013.

- Röckelein, Hedwig: Geistliche Frauen im Kampf um die Stadtherrschaft und gegen die welfische Landesherrschaft: das Frauenstift Gandersheim im 15. und 16. Jahrhundert, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 88 (2016), S. 73-82.

- Römer, Christof: Gandersheim als Residenzstadt (1495–1580), in: Harz-Zeitschrift 34 (1982), S. 1-15.

- Scholz, Michael: Reichsfreies Stift und herzogliche Landstadt. Gandersheim als weltliche und geistliche Residenz im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Harz-Zeitschrift 50 /51 (1998 /99), S. 59-81.

Findmittel 

Neben diesen EDV-Repertorium existieren noch ein handschriftliches Findbuch in deutscher Kurrentschrift aus dem Jahr 1880, abgefasst von Dr. Paul Zimmermann, und auf Zettel angefertigte Regesten des Archivars Jakob Paul Wöhner von 1755, die den einzelnen Urkunden beiliegen.

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

NLA WO 17 N, Aktenbestand Stadt Gandersheim.
NLA WO 6 Urk, Urkundenbestand des Reichsstifts Gandersheim.
NLA WO 10/11 Urk, Urkunden der Benediktinerklöster Clus und Brunshausen.
NLA WO 2 Alt: Kanzlei, Geheimer Rat.
NLA WO 8 Alt Gand, Amt Gandersheim

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M. 

6,5 (321 Urkunden in 319 Verzeichnungseinheiten)

Bearbeiter 

Dr. Philip Haas (Stand: Juli 2020)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Abgeschlossen: Ja