NLA HA Hann. 301/17

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Description: Fonds

Identification (short)

Title 

Nachlass Ludwig Freiherr von Ompteda

Life span 

1874-1912

Fonds data

History of creator 

Ludwig Adolf Karl Freiherr von Ompteda (geb. 10. Januar 1855 in Lüneburg; gest. 15. Januar 1915 in Challerange, Frankreich) entstammte einer ursprünglich friesischen, später ab etwa 1600 aber auch gesamtniedersächsischen Adelsfamilie, deren Mitglieder zumeist in hannoverschen Diensten standen. Sein Vater August Christian (1802-1873) war Flügeladjutant des Königs Ernst August (1771-1851) während ein weiterer Verwandter, Christian Friedrich Wilhelm (1769-1815), in der King’s German Legion Dienst tat und schließlich als Oberst in der Schlacht bei Waterloo fiel. Ompteda selbst trat, nachdem das Königreich Hannover bereits 1866 von Preußen annektiert worden war, vermutlich 1872 als Infanterist in die preußische Armee ein und durchlief bis 1904 alle typischen Verwendungen eines Generalstabsoffiziers, inklusive Kriegsakademie und Großem Generalstab in Berlin. Omptedas militärische Verwendungen zeichnen sich vor 1904 und nach 1906 bis auf wenige Ausnahmen in homogenen und erwartbaren Aufzeichnungen zu Kommandotätigkeiten und Manövern ab. Seine Persönlichkeit tritt hierbei nur selten in Erscheinung.

1904 bis 1906 allerdings hatte er als Oberstleutnant bzw. Oberst das Kommando über das 2. Ostasiatische Infanterieregiment innerhalb der Ostasiatischen Besatzungsbrigade in Tientsin/China inne, was auch, abgesehen vom sachlichen Inhalt, den Charakter der Überlieferung stark veränderte. Es entsteht unweigerlich der Eindruck, dass Ompteda sein Kommando und vor allem das Erlebte in einer ungewöhnlichen Umgebung besonders dokumentieren wollte. Entsprechend enthält das gesammelte Schriftgut neben vermehrter Korrespondenz mit internationalen Partnern auch viele „Souvenirs“ im wörtlichen Sinne, wie etwa Zeitungsausschnitte, Menü-, Visiten- und Eintrittskarten sowie Pläne, Quittungen und vor allem zahlreiche, nun in der Bildgutsammlung des Niedersächsischen Landesarchivs verwahrte Fotografien. In ihrer Gesamtheit dokumentieren die Unterlagen den Aufenthalt Omptedas von der Planung bis zur Rückreise und zeichnen in groben Zügen das Leben der ausländischen Offiziersschicht im chinesischen Tientsin nach.

Der Aufenthalt des preußischen Offiziers Ompteda ist einzubetten in den deutschen und internationalen Imperialismus und die kolonialen Bestrebungen auf chinesischem Boden. In dem genannten Themenkomplex hat zweifelsohne das sogenannte Pachtgebiet Kiautschou mit der deutschen „Musterstadt“ Tsingtau (heute Qingdao) die größere Bekanntheit erlangt. Doch ist für den engeren historischen Kontext um den „Boxerkrieg“ und seine Nachwirkungen das kleinere Konzessionsgebiet in Tientsin nicht weniger von Bedeutung. Geografisch betrachtet kann Tientsin (heute Tianjin), etwa 60 Kilometer von der Mündung des Pei-Ho (heute Hai He) entfernt, zudem gelegen am Kaiserkanal, von jeher als der Hafen Pekings (Beijing) betrachtet werden. Beide Städte liegen etwa 140 Kilometer auseinander. Ein weiteres derartiges kleines Konzessionsgebiet befand sich in Hankou am Zusammenfluss von Han und Jangtse (heute Stadtgebiet von Wuhan).

Ohne auf die „Opiumkriege“ im Detail einzugehen, erzwang Großbritannien 1860 die Öffnung des Hafens von Tientsin für den Europäischen Handel. Diesem Vorgehen lag in der Pekinger Konvention vom 18. Oktober 1860 zwar ein Vertrag zu Grunde, doch war dessen für die Europäer vorteilhafter Inhalt das Ergebnis militärischer Interventionen, die bereits Mitte der 1850er Jahre begonnen hatten. In der Folge errichteten nicht nur die Briten und Franzosen, sondern auch Russen Japaner, Österreicher, Belgier, Italiener und schließlich das Deutsche Reich Konzessionsgebiete in Tientsin. Die jeweiligen Stadtviertel orientierten sich hierbei stark an der Architektur der Herkunftsländer und gaben Tientsin – zeitweilig immerhin Sitz des Generalgouverneurs für die nördlichen Chinesischen Provinzen Li Hongzhang (1823-1901) – ein heterogen europäisches Antlitz.

Mit dem Ausbruch des Boxerkrieges stellte das Deutsche Reich im Jahr 1900 ein Expeditionskorps auf, welches aber erst rund sechs Wochen nach der zerstörungsreichen Rückeroberung Tientsins (14. Juli 1900) durch die internationalen Truppen am 31. August 1900 an der Pei-Ho-Mündung ankam. Nichts desto weniger beteiligten sich die deutschen Truppen in der Folge an der gewaltsamen Niederschlagung von Aufständen im sogenannten Demarkationsgebiet, die auch den Charakter von Strafaktionen zur kolonialen Durchdringung Chinas hatten. In der Folge war die 1. Brigade des Expeditionskorps in Peking, die 2. Brigade in Pao-Ting-Fu und die 3. Brigade mit samt dem Korpskommando in Tientsin stationiert, wo bis 1902 auch eine provisorische (Militär-)Regierung der Besatzungsmächte installiert wurde. Im Sommer räumten die internationalen Truppen Peking und das deutsche ostasiatische Expeditionskorps löste sich auf.

An seiner statt verblieb die Ostasiatische Besatzungsbrigade, bestehend aus 2. Regimentern, deren eines 1904 unter das Kommando Ludwig Freiherr von Omptedas fiel. Auch der Stab der Brigade, deren Aufgabe die Sicherung der deutschen Interessen in China war, verblieb in Tientsin. Da die anderen genannten Nationen ebenfalls weiterhin Truppen in Tientsin stationiert hatten, fand in der Stadt eine rege internationale Zusammenarbeit statt, die sich nicht zuletzt auch im von Ompteda detailliert dokumentierten großen Manöver von 1905 manifestierte. Die Brigade wurde am 6. März 1906 aufgelöst und durch das Ostasiatische Detachement - lediglich in Bataillonsstärke - ersetzt. Ompteda fungierte als Transportführer der übrigen Truppen bei der Rückkehr nach Europa.

Nach zwei weiteren Friedenskommandos in Deutschland fiel Ludwig Freiherr von Ompteda - zwischenzeitlich von einer Verwundung genesen - im Range eines Generalleutnants als Kommandeur der 42. Reserve-Infanterie-Brigade an der französischen Front im Ersten Weltkrieg.

Custodial history 

Der Bestandsbildner hatte das Schriftgut bereits in thematisch einschlägige Akten zusammengefügt. Diese Ordnung konnte weitgehend übernommen werden. Zu Beginn des Jahres 2022 wurde das Konvolut von Ehrhard Krafft von Dellmensingen, einem Urenkel Ludwig von Omptedas dem Niedersächsischen Landesarchiv, Abteilung Hannover angeboten und schließlich von der Familie Anfang 2023 als Schenkung übergeben.

Includes 

Militärische Aufzeichnungen, Manöverunterlagen, Drucke, Karten, Rechnungen, Briefe

Literature 

Zum Leben Ludwig Freiherr von Ompteda:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_von_Ompteda_(Offizier)#:~:text=Ludwig%20Freiherr%20von%20Ompteda%20(*,Infanterie%2DBrigade%20im%20Ersten%20Weltkrieg.
(leichte Ungenauigkeiten)

Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser. Zugleich Adlesmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft, Teil A, 92. Jg. Gotha 1942, S. 350-352.

Zu Tientsin als Kolonialgebiet:
Afflerbach, Holger, Falkenhayn, Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich, München 1996, v.a. S. 17-45.

Falser, Michael, Habsburgs going Global. The Austro-Hungarian Concession in Tientsin/Tianjin in China (1901-1917), Vienna 2022.

Nuzzo, Luigi, The birth of a colonial city. Tianjin 1860–1895. In: Dauchy, Serge et al. (Hg.): Colonial adventures. Commercial law and practice in the making. Leiden 2020, S. 344–396.

Finding aids 

EDV-Findbuch (2024)

See

Corresponding archival items 

Die beiden Erinnerungsalben sowie diverse Fotos aus der Zeit des China-Aufenthaltes finden sich in der Bildgutsammlung unter den Signaturen NLA HA BigS Nr. 33870 - Nr. 33922.

Bundesarchiv Militärarchiv Freiburg, Bestand RW 61 (Ostasiatisches Expeditionskorps und Ostasiatische Besatzungsbrigade)
Weitere einschlägige Bestände des Bundesarchivs sind aufgelistet unter: https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Artikel/Entdecken/kolonialbestaende-geographisch.html

s. zu weiterführenden Dokumenten im Kontext außerdem die Kooperation der Fachhochschule Potsdam mit dem Auswärtigen Amt: https://archivfuehrer-kolonialzeit.de/

Further information (fonds)

Size in m 

0,9

Person in charge 

Dr. Arne Hoffrichter

Access 

Das Archivgut kann im Niedersächsischen Landesarchiv Hannover unter Berücksichtigung der Einhaltung von Schutz- und Sperrfristen nach §5 Niedersächsisches Archivgesetz (NArchG) eingesehen werden.