StadtA EMD Municipal-Registratur

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Napoleonische Herrschaft in Emden

Laufzeit 

1806-1815

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung 

Aktenüberlieferung zur Zeit der Zugehörigkeit der Stadt Emden zum Kgr. Holland und zum Kaiserreich Frankreich

Geschichte des Bestandsbildners 

Zwischen 1806 und 1815 durchlief die Stadt Emden innerhalb von acht Jahren drei unterschiedliche Herrschaftssysteme.
Mit dem Frieden von Tilsit am 9. Juli 1807 musste das Kgr. Preußen das 1744 erworbene Fürstentum Ostfriesland zusammen mit seinen westlich der Elbe gelegenen Territorien abtreten. Ostfriesland und seine größte Stadt Emden fielen dabei an das neue Kgr. Holland, wo der Bruder des französischen Kaisers Napoleon I., Louis (ndl. Lodewijk) am 5. Juni 1806 als König inthronisiert worden war. Im holländischen Staatsverband bildete Ostfriesland das Departement Oostfreesland, das von einem Landdrosten verwaltet wurde. Sein Dienstsitz war Aurich. Die alte ostfriesische Residenzstadt behielt also ihre bisherige zentrale Funktion. Zum Department Oostfreesland gehörten 1807 die vom russischen Zaren regierte Herrschaft Jever und die Herrlichkeit Knyphausen an der Jade.
Ostfriesland wurde 1807 teil eines zentralistischen Staatssystem. Die unter der preußischen Herrschaft schon beschnittenen Autonomierechte der ostfriesischen Landstände und der Stadt Emden wurden noch weiter abgebaut. Die innere Struktur der Emder Magistratsverwaltung blieb unter der bis 1811 dauernden Zugehörigkeit zum Kgr. Holland bestehen.
Mit dem Herrschaftswechsel 1807 wurden Ostfriesland und Emden Teil des napoleonischen Systems der Kontinentalsperre gegen England. Die Emder Handelsverbindungen nach Großbritannien wurden nachhaltig unterbrochen. Zugleich litten die Emder Reeder und Kaufleute unter Gegenmaßnahmen der Royal Navy (Arretierung von Emder Schiffen als "gute Prise"). Auch die Emder Heringsfischerei musste ihren Betrieb einstellen. In der Folge verödete der Emder Hafen und die Stadtgesellschaft geriet in eine tiefe Rezession. Einquartierungen holländischer Truppen und von französischen Douanen, die das boomende Schmugglerwesen mit englischen Waren bekämpfen sollten, verschärften die ökonomische Krise weiter.
1810 kam es zwischen Napoleon I. und seinem Bruder Louis zum offenen Bruch, als sich Louis mit seinem holländischen Königreich von seinem Bruder emanzipieren wollte und eine Lockerung der Kontinentalsperre anstrebte. Gegen den übermächtigen französischen Kaiser waren diese Bestrebungen allerdings zum Scheitern verurteilt. Am 1. Juli 1810 dankte Louis als holländischer König zugunsten seines ältesten Sohnes ab. Dieser Schritt konnte das Königreich nicht retten. Mit dem Dekret von Rambouillet vom 9. Juli 1810 annektierte Napoleon I. das Territorium als Teil des französischen Kaiserreichs (Empire Francaise).
Das ehemalige Königreich wurde zunächst durch seine bisherigen Ministerien unter der Leitung eines französische Gouverneurs weiter verwaltet. Bis 1811 erfolgte die Einführung französischer Verwaltungsstrukturen. Das holländische Departement Ostfriesland wurde zum Departement de l'Ems Oriental umgebaut. Das westlich der Ems gelegene Reiderland wurde Teil des Departements de 'Ems Occidental. An der Verwaltungsspitze des Departements stand der Präfekt (Prefet) Jannesson, der in Aurich residierte. Das Departement untergliederte sich in Arrondissements. Die Stadt Emden wurde Teil des Arrondissements Emden, welches das alte preußische Amt Emden umfasste. An dessen Spitze stand der Sousprefet Rhys-Gangault.
Auch die ostfriesischen Städte wurden dem französischen Kommunalsystem angepasst. Sie verloren jegliche Polizeibefugnis, indem sie einem vom Departement eingesetzten Commissaire de Police unterstellt wurden. Die bisherigen Stadtgerichte wurden in "Friedensgerichte" umgewandelt, die nicht mehr den Städten unterstanden. Die Stadtverwaltungen waren ausführende Organe der französischen Verwaltungsbehörden. An ihrer Spitze stand der Maire. In Emden übte ab dem Sommer 1810 des bisherige Bürgermeister Hieronymus Ibeling van Santen (französiert als Jérome I. de Santen) dieses Amt aus. Mit dem Conseil Municipal entstand ein Mitbestimmungsgremium der Bürgerschaft, das allerdings nur begrenzte Befugnisse hatte. Wichtige Entscheidungen, wie z.B. die Festsetzung des städtischen Budgets, oblagen der französischen Zentralverwaltung bis zum jeweiligen Ministerium in Paris.
Französisch bildete ab 1811 die Amtssprache in Ostfriesland. Außerdem wurde die französische ZIvilstandsverwaltung eingeführt. Alle Ostfriesen mussten nun feste Familiennamen führen. Zur Durchführung kam auch die französische Wehrpflicht, die Konskription. Wohlhabende Väter konnten ihre Söhne durch die Stellung eines Stellvertreters freikaufen.
Die Einführung der französischen Wirtschaftsverfassung führte zur Auflösung der Zünfte, Amter und Gilden im Handwerk und Gewerbe. An ihrer Stelle trat ein System von Zulassungen durch Lizenzen (Octroi), die mit Geldzahlungen verbunden waren. Die Emder und die ostfriesische Wirtschaft unterlagen bis zum Ende der napoleonischen Herrschaft den Restriktionen der Kontinentalsperre. Sie wurde auch zur Finanzierung der Kriege des französischen Kaisers herangezogen. Die Steuerlast für die Emder und ostfriesische Bevölkerung nahm immer drückendere Ausmaße an.
Mit der Niederlage der französischen Armee in der Völkerschlacht von Leipzig vom 16. bis zum 19. Oktober 1813 endete die französische Herrschaft in Ostfriesland und Emden abrupt. Die Angehörigen der französischen Verwaltung in Ostfriesland und in Emden verließen fluchtartig das Land über den Dollart. Die Emder Stadtverwaltung stellte dazu die notwendigen Fahrzeuge.
Bis Mitte November rückten russische und preußische Truppen der Nordarmee in Ostfriesland und Emden ein. Ostfriesland und Emden wurden bis zum Frühjahr 1814 einem Militärgouverneur unterstellt. Im Frühjahr 1814 bildete Ostfriesland mit Emden die preußische Provinz Ostfriesland. Aus dem Arrondissement Emden entstand der Kreis Emden, an dessen Spitze ein Landrat stand. Die französischen Verwaltungsstrukturen blieben erhalten, was durch die Bezeichnung des Maires als Bürgermeister und durch die Wiedereinführung der Ratsbezeichnung bemäntelt wurde.
Die zweijährige Phase zwischen November 1813 und der offiziellen Abtretung der preußischen Provinz Ostfriesland an das Kgr. Hannover gemäß den Beschlüssen des Wiener Kongresses waren für die Betroffenen ein Schwebezustand.
Das Ende der napoleonischen Herrschaft bedeutete nicht die Restauration der Verhältnisse vor dem fatalen Ausgang der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806.

Bestandsgeschichte 

Der Bestand der Municipalregistratur ist mit 15 lfden Metern ein relativ kleiner Bestand im Stadtarchiv Emden. Er wurde der II. Registratur des Stadtarchivs angeschlossen und nach den vom Registrator Scipio Nellner in den 1780er Jahren geschaffenen Strukturen der Emder Registratur (Ratsarchiv) gegliedert. Der Bestand bildet die Brücke zur III. Registratur, den Akten aus der Zeit der Hannoverschen Landesherrschaft von Ende 1815 bis 1866.

Literatur 

Zur napoleonischen Ära in Ostfriesland und Emden gibt es nur wenige übergreifende Werke. Aufsätze und Publikationen berühren meist nur einzelne Aspekte. Eine Auswahl:

Dunkmann, Adolf, Ostfriesland in der Zeit der Befreiungskriege 1813-1845, ein Gedenkbuch zur Jahrhundertfeier, Aurich 1913

Joor, Johan, de Adelaar en het lam, onrust, opruiling en unwilligkeit in Nederland ten tijde van het Koninkrijk Holland ende inlijving bij hei Franse Keizerrijk (1806-1813), Amsterdam 2000

Meiners, Dieter, Es blühte der Schmuggel, Napoleons Kontinentalsperre an der oldenburgischen und ostfriesischen Küste, Oldenburg 2018

Randig, Christine, Steuerplage und schwere Not an der Nordseeküste, die Kontinentalsperre und die Folgen für Ostfriesland und das Jeverland, in: Heimat am Meer, Nr. 20, 2010

Schmidt, Burghard, Die ostfriesischen Inseln zu Beginn des 19. Jahrhunderts, ein französischer Militärbericht zur strategischen Lage, Geographie, Demographie, Wirtschaft und Sozialstruktur im Rahmen der napoleonischen Kontinentalsperre, in: Emder Jahrbuch, Bd. 78, 1998/99, S. 188-231

Schmidt Heinrich, Ostfriesland zwischen 1806 und 1815, in: Politische Geschichte Ostfrieslands, (Jannes Ohling, Hg., Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 5), Leer 1975, S. 368-378

Wall de, Karl-Heinz, Auswirkungen der Napoleonischen Kriege auf Ostfriesland, in: Friesische Heimat, 7, 2001

Findmittel 

Findbuch der Municipalregistratur, 1977 (Bearbeiter: Dr. Eichhorn)