StAB 7.1122

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Sammlung Betrieblich Alternative Liste/Betrieblich Alternatives Bündnis

Laufzeit 

1981-1991

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

Am 25. September 1983 fanden in Bremen und Bremerhaven Bürgerschaftswahlen statt, rund ein Jahr nach der Regierungsübernahme durch die CDU/CSU/FDP-Koalition und nur wenige Monate nach den Bundestagswahlen im März 1983.

Die SPD erhielt, trotz der Pleite gegenüber der CDU/CSU/FDP-Koalition, erstaunlich schnell neue Integrationskräfte und konnte somit ihr aus der Vergangenheit gewohntes Wählerpotenzial voll für die Bürgerschaftswahlen ausschöpfen. Die Bremer Wahlen wiesen kleine aber wichtige Besonderheiten auf, deren wichtigste die Kandidatur eines Personenbündnisses mit der Bezeichnung Betrieblich Alternative Liste (BAL) war. In ihr vereinten sich betriebliche Funktionäre, Betriebsräte, Personalräte und Vertrauensleute aus Bremer und Bremerhavener Großbetrieben und griffen, neben den etablierten Parteinen, in den Wahlkampf mit ein. Dabei entwickelte sich der Anspruch, ein Bündnis darzustellen, dass die fortschrittlichen Bremer Arbeiterbewegungen und die neuen sozialen Bewegungen lenken und aktiv in die Wahlkampfauseinandersetzungen eingreifen sollte. In dieser Größenordnung scheiterte das Projekt zunächst. Doch trug es vor allem dazu bei, betriebliche Diskussionen zu entfachen und eine Politisierung des betrieblichen Bereichs herbeizuführen.
Die wichtigsten Interessenspunkte der BAL lagen in der sozialökonomischen Situation des Landes Bremen. Die besonders ausgeprägten Krisenauswirkungen, die politischen Prozesse in Bremer Großbetrieben, die Zuspitzung der Probleme des einzelbetrieblichen Kampfes angesichts der langanhaltenden ökonomischen Krise und die besondere politische Situation im Herbst 1982 waren die vielversprechendsten Interessenspunkte.

Die sozialökonomische Krise Bremens zeigte sich vor allem in der Massenarbeitslosigkeit. Von 10,4% im Jahre 1982 stieg diese 1983 auf 13%. Freie Arbeitsstellen wurden drastisch zurückgestrichen und die Arbeitslosenzahl lag 1983 bei 36743 Menschen. Der Arbeitsplatzabbau vollzog sich im bedeutendem Umfang in den erfolgreichsten Branchen Bremens (Schiffbau, Stahl-, Luft- und Raumfahrtindustrie, Nahrungs- und Genussmittelindustrie, Fischverarbeitung). Auch die Arbeitslosenquote der Jugendlichen war erschreckend (1983: <20%). Die Ausbildungskapazitäten waren unterproportional ausgeschöpft und teilweise wurden Ausbildungsplätze wieder abgebaut.
Gleichzeitig entwickelten sich in Bremen schon seit Mitte der Siebziger Jahre Bürgerbewegungen für den Umweltschutz. Der Widerstand gegen die Umwandlung des Naherholungsgebietes Garlstedter Heide in einen NATO-Truppenübungsplatz, die erfolgreiche Opposition gegen die Verlegung einer Stadtautobahn quer durch das Ostertor-Viertel und die Anti-AKW-Bewegung erfassten Tausende.
Die wirtschaftliche Entwicklung Bremens war gekennzeichnet durch ein unterdurchschnittliches Wachstum und einen überdurchschnittlichen Beschäftigungsabbau.
Das 1982 gegründete BAB (Betrieblich Alternatives Bündnis), ein Zusammenschluss in der Betrieblich Alternativen Liste, hatte zu seiner Gründungsphase 400 Unterzeichner aus über 50 Bremer und Bremerhavener Betrieben, wobei sich der Großteil aus 8 Bremer Großbetrieben, vor allem aus der Klöckner-Hütte Bremen, zusammensetzte. Es gelang dem BAB jedoch nicht, Mitarbeiter, Vorsitzende oder Personalräte aus dem Bremer Vulkan und der AG-Weser in das Bündnis mit einzubeziehen.

Eine wesentliche Stütze erfuhr das BAB durch einen Kreis von Vertrauensleuten des Bremer MBB-Betriebes (Flugzeugindustrie). Die wichtigsten Beteiligten des BAB kamen zwar aus der Metallindustrie, aber auch Betriebe aus dem Druckbereich, wie die Bremer Tageszeitung AG, wo ähnlich wie bei Klöckner seit vielen Jahren eine fortschrittliche Betriebsratsmehrheit die Interessenvertretung innehatte, schlossen sich dem BAB an. Dasselbe galt auch für den Bereich der Krankenhäuser, das Jugendamt und einige Schulen sowie verschiedene Zweige des Einzelhandels, in denen Unterstützer des BAB's respektable Positionen innerhalb der Interessenvertretung bzw. ihrer Gewerkschaft vertraten.
Die betriebliche Bündnisentwicklung konnte zwar eine beachtliche Breite erreichen, aber es blieb festzuhalten, dass die Einstellung und der Bereitschaft, sich in das Bündnis einzubringen, von abwartendem Wohlwollen und Skepsis begleitet wurde, ob nicht doch eine solche Bündnisentwicklung von dem notwendigen Engagement in den Betrieben und Gewerkschaften ablenken würde. Dies war auch der Grund dafür, warum das BAB, das tragende Gerippe der BAL, nicht jene Großbetriebe erreichen konnte, die ganz besonders von der ökonomischen Krise betroffen waren. Viele Kollegen des BAB standen einem Auftreten bei den Wahlen eher skeptisch gegenüber, weil sie zwar die Notwendigkeit betrieblicher und überbetrieblicher politischer Zusammenarbeit bejahten, den Ausflug in die "hohe Politik" aber scheuten. Viele Mitglieder haben der BAL eine konsequente Interessenvertretungspolitik in den Betrieben zugetraut, aber kein Vertrauen darin gesehen, dass die BAL auf Parlamentsebene Entscheidendes im Sinne der Belegschaftsinteressen bewegen könnte. Mobilisiert wurde dadurch vor allem die Angst, die Rechtskräfte könnten als eindeutige Gewinner aus diesen Wahlen hervorgehen und in Bremen könnte sich eine CDU/FDP-Koalition durchsetzen.

Die BAB arbeitete weiter und skizzierte ein Wahlprogramm, indem die wichtigsten Felder, die angegangen werden mussten, beschrieben wurden. Darunter fanden sich die Diskussionen um die Auseinandersetzung mit der Wirtschaftskrise, der Massenarbeitslosigkeit und der Subventionspolitik, der Kampf um die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, die Erarbeitung der Kampfforderungen für die alternative Produktion, die Auseinandersetzung mit Chancen und Problemen einer Nationalisierung der Stahlindustrie und des Schiffbaus, die Ausarbeitung von Ansatzpunkten des Widerstandes gegen betriebliche Überwachungssysteme und die betriebliche Unterstützung des Kampfes gegen die Jugendarbeitslosigkeit durch den Einsatz eines größeren Lehrstellenangebots.
Diese Momente der gemeinsamen Diskussionen und Aktionen haben bewirkt, dass das BAB auch nach den Bürgerschaftswahlen 1983 seine Stabilität wahren konnte.
Außerdem entwickelte das BAB eine Perspektive von alternativer Produktion, die sich nicht in erster Linie am Kleingewerbe, sondern an der Auseinandersetzung mit den Konzernen um die Umwandlung von Rüstung in zivile Produktion, um umweltfreundliche Produkte und um ein nationales Schiffbauprogramm orientierte.
Aufgrund des Kandidaturbeschlusses der BAL zog die DKP ihre Kandidatur für die Bürgerschaftswahlen 1983 zurück. Sie erklärte, dass sie zwei Aussagen des Programms der BAL, die zum Schluss aufgenommen worden waren und sich auf die Einschätzung, der Außenpolitik der Sowjetunion sowie die grundsätzliche Einschätzung neuer Technologien bezogen, nicht teilen könne und hierüber den solidarischen Diskussionsprozess weiterführen werde.

Die Verankerung des BAB und der BAL im aktiven Kern der betrieblichen und außerbetrieblichen Linken machte die BAL-Wählerinitiative deutlich, die von fast 1000 Personen, darunter 500 Arbeitern und Angestellten und ca. 250 Lehrern, zumeist gewählten Interessensvertretern, unterzeichnet wurde. Trotzdem gelang es auch in der grün-alternativen Strömung nicht, ein nennenswertes Stimmpotential zu gewinnen. Am 25. September 1983 wurde dann folgendes Stimmergebnis ausgezählt:
SPD 51,3%
CDU 33,3%
BAL 1,3%
Die Grünen 5,3%
Der Wahlkampf und das Ergebnis der Bürgerschaftswahl sind nicht spurlos an der BAL verübergegangen. Dennoch wurde die BAL bis zur Betriebsratswahl 1984 fortgeführt und die einzelbetrieblichen Auseinandersetzungen, v.a. der Kampf um die 35-Stunden-Woche, weiter diskutiert.
Dies hatte zur Folge, dass nach der Wahl 1984 in allen Betrieben fortschrittliche Bündnisse entstanden. Bei Daimler, den Bremer Tageszeitungen, bei Hapag-Lloyd und einer ganzen Reihe von Mittel- und Kleinbetrieben haben die Mitglieder, die im BAB mitwirkten, ihre Position halten oder gar verbessern können.

Bestandsgeschichte 

Der Bestand der Sammlung Betrieblich Alternative Liste/Betrieblich Alternatives Bündnis wurde dem Staatsarchiv Bremen im Juli 2002 übergeben und in der Zeit von Oktober bis November 2010 bearbeitet.
Die Sammlung enthält Unterlagen zum Aufbau, zur Gründung und Entwicklung der Betrieblich Alternativen Liste (BAL) und des Betrieblich Alternativen Bündnisses (BAB) sowie zur Bürgerschaftswahl 1983 der Freien Hansestadt Bremen. Sie wurde in drei Kartons, völlig unsortiert und unstrukturiert, abgegeben.
Sie umfasst neben Zeitungen und Zeitschriften, Presseinformationen und Mitgliederlisten, Flugblättern und Flugschriften, Programmheften und Programmentwürfen sowie einer Flagge der BAL und diversen Aufklebern auch ein Poster der "IG Metall".
Die Bearbeitung beinhaltete eine komplette Neuordnung der Unterlagen (Blatt für Blatt) sowie eine erneute Kassation von Doppelstücken und zahlreichen Kopien. So wurden u.a. alle Flugblätter der BAL, des BAB und der Grünen, die Presseinformationen, die Mitgliederlisten und die Programmhefte zu Akteneinheiten zusammengefasst.
Auf Klassifikationsgruppen wurde aufgrund der geringen Menge an Verzeichnungseinheiten verzichtet. Die vorläufige Bestandbezeichnung 9,S 9-43 der Sammlung wurde dem Nichtamtlichen Schriftgut unter der neuen Bestandbezeichnung 7,1122 - Betrieblich Alternative Liste/Betrieblich Alternatives Bündnis zugeordnet.

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M. 

0,3