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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Kaisen, Wilhelm und Helene

Laufzeit 

1883-2013

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

Der SPD-Politiker und erste Nachkriegsbürgermeister Carl Wilhelm Kaisen (* 22. Mai 1887 in Hamburg; † 19. Dezember 1979 in Bremen) zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten Bremens im 20. Jahrhundert.
In Hamburg-Eppendorf, in sozialdemokratischem Arbeitermilieu geboren, verbrachte er Kindheit und Jugend in der Landgemeinde Alsterdorf. Nach einer Ausbildung zum Stuckateur-Facharbeiter und seiner Militärdienstzeit, wandte er sich der Arbeiterbildung und Arbeiterorganisation zu. Prägend waren für ihn die Monate auf der SPD-Parteischule in Berlin (1913/14), wo er auch seine spätere Ehefrau, Helene Schweida aus Bremen, kennen lernte.
Den Ersten Weltkrieg verbrachte Kaisen als Artillerist in Frankreich. Sein politischer Aufstieg begann 1919 in Bremen. Als Redakteur des "Bremer Volksblattes", später als Chefredakteur der "Bremer Volkszeitung" gehörte er seit 1920 der Bremischen Bürgerschaft an. Von 1928 bis 1933 leitete er im Senat das Ressort Wohlfahrtswesen.

Nach Ausscheiden aus dem Senat und kurzer Haft, überlebte er die Zeit des Nationalsozialismus mit seiner Familie als Landwirt auf einer 1933 erworbenen Siedlerstelle in Bremen-Borgfeld. 1945 beriefen ihn Vertreter der amerikanischen Militärverwaltung erneut in den Senat der Freien Hansestadt Bremen, dem Kaisen als Präsident von 1945 bis 1965 vorstand. Kaisen verkörpert den Typus des pragmatischen, bodenständigen Landesvaters und gilt als Symbol des Wiederaufbaus.
Auch Helene Francisca Kaisen, geb. Schweida (* 11. Mai 1889 in Braunschweig; † 6. September 1973 in Bremen) war eine politisch aktive und geachtete Persönlichkeit. Nach dem Besuch der Volksschule und der Handelsschule, absolvierte sie eine kaufmännische Lehre und arbeitete als Buchhalterin. Ihr gewerkschaftlich orientierter Vater, Anton Schweida, förderte die politischen Ambitionen seiner Tochter. Sie wurde mit 18 Jahren Mitglied der SPD und 1912 in den Vorstand des Sozialdemokratischen Vereins gewählt. Sie übernahm diverse Parteiämter und war eine gefragte Rednerin. Ihren Mann lernte sie 1913/14 auf der SPD-Parteischule in Berlin kennen. Während des Ersten Weltkriegs wandte sie sich mehr und mehr von der Parteilinie ab und trat zeitweise der USPD bei. Mit der Geburt der Kinder zog sich Helene Kaisen jedoch aus dem öffentlichen politischen Leben zurück. Den Gründerinnen des Ortsausschusses der AWO nahe stehend, betätigte sie sich vor allem im sozial-karitativen Bereich. Als Frau des Bürgermeisters und Bremer Landesmutter übernahm sie nach 1945 zahlreiche Ehrenämter. Von 1954 bis 1969 war sie Referentin an der Bremer Volkshochschule. Auf ihr Engagement geht unter anderem die Gründung des Nachbarschaftshaus Ohlenhof zurück, dessen Trägerverein sie von 1951 bis 1964 vorsaß.

Das Ehepaar Kaisen hatte zwei Töchter und zwei Söhne. Der älteste Sohn Niels (* 6. März 1919) absolvierte nach dem Besuch der Versuchsschule an der Helgolander Straße und der Deutschen Aufbauschule, von 1935 bis 1938 eine Ausbildung bei der Gärtnerei Wiechmann. 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und fiel am 16. März 1942 bei Kiet auf der Krim.
Der zweitgeborene Sohn Franz Kaisen (* 11. Juli 1922) kam mit einer Behinderung zur Welt. Auch er besuchte die Versuchsschule an der Helgolander Straße und wechselte nach dem Umzug der Familie nach Borgfeld an die dortige Volksschule. 1940 wurde er zum Arbeitsdienst zunächst bei der Deutschen Zement Industrie, dann bei der Firma Carl F.W. Borgward herangezogen. Nach der Rückkehr Wilhelm Kaisens ins politische Leben übernahm Franz 1945 zusammen mit seinem Vater die Bewirtschaftung der Siedlerstelle in Borgfeld. 1995 gründeten Franz und Ilse Kaisen die Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung. Franz Kaisen verstarb am 16. Juni 1998.

Ilse Kaisen, geboren am 4. Oktober 1923, war das dritte Kind und die älteste Tochter von Wilhelm und Helene Kaisen. Auch sie wechselte mit ihrem Bruder Franz 1933 von der Versuchsschule Helgolander Straße zur Volksschule Borgfeld. Von 1939 bis 1942 absolvierte sie eine kaufmännische Ausbildung zur Buchhalterin bei der Firma Eberhard Peters in Bremen. Ihre berufliche Laufbahn wurde unterbrochen durch eine Tuberkulose-Erkrankung. 1947 verbrachte sie mehrere Monate in einer Lungenheilstätte in Davos, Schweiz. Von 1953 bis 1955 leitete sie das Erholungsheim der Bremer Stadtwerke im Harz. Anschließend kehrte sie zurück zu den Eltern nach Borgfeld. Ehrenamtlich engagierte sie sich im Nachbarschaftshaus Ohlenhof. Ihr persönliches Interesse galt den schönen Künsten, besonders der Musik und der Literatur. Nach dem Tod der Mutter 1973 begleitete sie ihren Vater bei zahlreichen Reisen und Veranstaltungen und verwaltete die Finanzen der Familie. Von 2005 bis zu ihrem Tod am 5. November 2013 lebte sie im Pflegeheim Forum Ellener Hof in Bremen-Osterholz.
Die jüngste Tochter Ingeborg wurde am 6. Januar 1930 geboren. Nach ihrer Ausbildung zum Industriekaufmann war sie über zehn Jahre als kaufmännische Angestellte in der Bremer Maschinenfabrik "KSB Aktiengesellschaft" beschäftigt. Seit 1955 war sie mit Gerhard Menze verheiratet. Nach dem Ausscheiden Wilhelm Kaisens aus dem Senat führte sie die Korrespondenz des Vaters. Politisches und soziales Engagement prägten Inge Menzes Leben. Sie war im Vorstand der von ihrem Vater gegründeten Bremer Volkshilfe. Seit 1978 zunächst Schriftführerin, bekleidete sie für mehr als zehn Jahre das Amt der Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins in Borgfeld. Als Vorstandsmitglied des Bremer Frauenausschusses war sie regional und überregional tätig. Inge Menze starb am 23. März 1991 nach schwerer Krankheit.

Hartmut Müller, März 2001
Eva Determann, März 2015

Bestandsgeschichte 

Der Nachlass der Familie Wilhelm und Helene Kaisens setzt sich aus verschiedenen Ablieferungen zusammen.
Bürgermeister Wilhelm Kaisen (1887-1979) hat schon zu seinen Lebzeiten gegen Ende seiner Amtszeit Teile seines schriftlichen Nachlasses in die Obhut öffentlicher Archive gegeben. Ein Teil seiner Unterlagen war als Nachlass Wilhelm Kaisen ins "Archiv der sozialen Demokratie" nach Bonn gelangt, in dem es einen kleineren Sammlungsbestand "Personalia Wilhelm Kaisen" gibt.
In den Jahren 1973 und 1975 gab Wilhelm Kaisen weitere Teile seiner Unterlagen und die seiner Frau Helene als Depositum an das Staatsarchiv Bremen. Der erste Teil dieses Schriftguts ist mit der Signatur 7,97/0 versehen. Beim zweiten Teil handelt es sich um eine umfangreiche Überlieferung, welche Helene Kaisens Tätigkeit als Vorsitzende des "Vereins Nachbarschaftshaus Bremen e.V." am Ohlenhof von 1951 bis 1964 betrifft. Diese Unterlagen bilden den Teilbestand 7,97/1.
Nach dem Tod Wilhelm Kaisens übergaben seine Töchter einen weiteren Teilnachlass (Bestandssignatur 7,97/2) an die damalige "Forschungs- und Bildungsstätte zur Geschichte der Arbeiterbewegung im Lande Bremen e.V.". Nach deren Auflösung ging dieses Schriftgut 1995 satzungsgemäß an das Staatsarchiv Bremen über.
Nach der Gründung der Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung im Jahre 1995 sowie nach dem Tode Ilse Kaisens im Jahre 2013 gelangten eine vierte und fünfte Ablieferung ins Staatsarchiv Bremen. Hierbei handelt es sich vor allen um persönliche Unterlagen der einzelnen Mitglieder der Familie Kaisen, d.h. neben Wilhelm und Helene Kaisen auch um solche der Kinder Niels, Franz, Ilse und Ingeborg Kaisen sowie der Väter Anton Schweida (1865-1938) und Hans Henrik Kaisen (1860-1939).

Die Nachlassunterlagen der Familie Kaisen reichen grundsätzlich bis zum Tode Wilhelm Kaisens im Jahre 1979. Bei den Kindern der Familie Kaisen gehen sie in einzelnen Fällen darüber hinaus. Das gilt u. a. für die Unterlagen zur Siedlerstelle Katrepel im Teilbestand 7,97/5, die aus kulturhistorischen Gründen zur Dokumentation von Anlage, Bestand und Bewirtschaftung einer ländlichen Siedlerstelle im Bremer Landgebiet übernommen wurden.
Um ein Gesamtfindbuch zum Nachlass der Familie Kaisen zu erstellen, wurde das Schriftgut sämtlicher Teilablieferungen in einem Bestand zusammengezogen und neu in mehrere Hauptgruppen aufgeteilt und geordnet. Dabei wurden die zuvor vergebenen Signaturen beibehalten, da die älteren Unterlagen seit ihrer Abgabe an das Staatsarchiv bereits mehrfach benutzt und in der Literatur als solche zitiert worden sind. Eine Ausnahme macht der bisherige Bestand 7,195 Ingeborg Kaisen, der in den jetzigen Teilbestand 7,97/5 integriert wurde. Für jedes Familienmitglied wurden folgende Hauptgruppen angelegt:
1. Personenstandunterlagen
2. Unterlagen aus politischer und gesellschaftlicher Tätigkeit (Reden, Veröffentlichungen)
3. Korrespondenz
4. Zur Person
5. Fotos
Das Schriftgut wurde im Provenienz-Zusammenhang belassen und in sachliche und chronologische Gruppen geordnet, deren Klassifikation aus dem Inhaltsverzeichnis hervorgeht. Die im Rahmen früherer Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten vergebenen Sachtitel wurden übernommen. Der Gesamtumfang des Nachlasses beträgt XXXX Verzeichnungseinheiten.
Im Staatsarchiv Bremen befinden sich zudem die Handakten Wilhelm Kaisens, die während seiner Amtszeit als Bürgermeister und Präsident des Bremer Senats (1945-1965) entstanden sind. Sie sind unter der Teilbestandssignatur der Senatsregistratur 3/4 zu finden. Ferner ist auf die umfangreiche Dokumentation im Pressesammler 9,S-3 zu den Mitgliedern der Familie Kaisen zu verweisen.

Die im Rahmen der Erarbeitung einer politischen Biografie über Wilhelm Kaisens durch Karl Ludwig Sommer angelegte Materialsammlung enthält vorwiegend Fotokopien. Sie wurde dem Bestand unter der Signatur 7,97/4 angehängt.
Sämtliche Unterlagen aus dem Nachlass der Familie Wilhelm Kaisen sind nach den Bestimmungen des Bremischen Archivgesetzes öffentlich und frei zugänglich. Für Unterlagen, die hinsichtlich ihrer Entstehung jünger als dreißig Jahre sind, muss vor ihrer Benutzung die Einwilligung der Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung eingeholt werden.

Literatur 

Wilhelm Kaisen: Bereitschaft und Zuversicht. Reden. Bremen 1947
Wilhelm Kaisen: Meine Arbeit, mein Leben. München 1967
Hans Koschnick (Hrsg.): Zuversicht und Beständigkeit. Wilhelm Kaisen. Eine Dokumentation. Bremen 1977
Hartmut Müller (Hrsg.): Begegnungen mit Wilhelm Kaisen. Bremen 1980
Karl-Ludwig Sommer: Wilhelm Kaisen. Eine politische Biographie. Bonn 2000
Ilse Kaisen: Unser Leben in Borgfeld. Zur Erinnerung an meine Eltern und Geschwister. Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung Bremen (Hrsg.), Bremen 2009
Hannelore Cyrus u.a. (Hrsg.): Bremer Frauen von A bis Z. Kurzbiografien. Bremen 1991
Hartmut Müller: "Helene Kaisen. Annäherung an eine Biographie." Kaisen-Lesung am 22. Mai 2013 im Rathaus zu Bremen. Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung Bremen (Hrsg.), Bremen 2013
Ders.: "Wieder einmal habe ich vergessen, daß ich nur eine Frau bin" Frauenalltag zwischen Politik und Liebe - Helene Kaisen im Ersten Weltkrieg. In: Bremisches Jahrbuch Bd. 85, 2006, S. 208-230
Ders.: "Bei Rosa Luxemburg lernten sie Nationalökonomie" Helene Schweida und Wilhelm Kaisen 1913/14 auf der Parteischule in Berlin. Eine Zeitreise. In: Bremisches Jahrbuch Bd. 82, 2003, S. 205-223

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M. 

8,6