StAB 9.S 9-53

  • Zugeordnete Objekte zeigen
  • Drucken
  • Verlinken
  • Versenden
  • Verbessern

Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Sammlung Rothe: Universität Bremen

Laufzeit 

1947-1997

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

1. Hans-Werner Rothe - zur Biographie
In der öffentlichen Erinnerung ist der Name Hans Werner Rothe heute kaum noch ein Begriff. Dabei ist sein Name eng mit der Gründung der Universität Bremen verbunden. Allerdings schied er früh, das heißt tatsächlich noch vor der Eröffnung der Universität im Jahr 1971 aus seinem Amt als Universitätskurator aus.
Wer war dieser Mann, über den bis heute nur wenig bekannt ist? Hans Werner Rothe wurde am 8.5.1920 in Breslau geboren. Sein Abitur legte er im Februar 1938 ab und absolvierte anschließend von April bis Oktober 1938 den Arbeitsdienst bevor er noch im gleichen Jahr zum Wehrdienst eingezogen wurde. Kurz vor Kriegsende heiratete Rothe 1944 Ruth Meitner in Bad Salzbrunn (Szczawno-Zdrój). Nach dem Krieg konnte er sich in den Jahren 1946-1952 an den Universitäten Rostock und Göttingen Geschichte, Germanistik, Soziologie, Geographie und Archäologie studieren. Seine wissenschaftliche Ausbildung schloss 1953 eine Promotion zu einem sozialgeschichtlichen Thema ab: "Lindhorst in Schaumburg-Lippe: ein Beitrag zur Geschichte der ländlichen Gesellschaft des niedersächsischen Bergvorlandes zwischen Weser und Leine". Rothe war anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Arbeitsgemeinschaft für Osteuropaforschung in Göttingen, bevor er sich entschloss, den Göttinger Musterschmidt-Verlag zu übernehmen, dessen Leiter er von 1954 bis 1959 gewesen ist.
Seine berufliche Laufbahn führte Rothe wieder zur Göttinger Universität zurück, in deren Kuratorium er von Februar bis Dezember 1959 mitwirkte, wobei er mit Neubaumaßnahmen an der Universität Göttingen in dieser Zeit befasst war.

Ender der 1950er Jahre wurden die Ideen zur Gründung einer weiteren Universität im Norden der Bundesrepublik, vorzugsweise in Bremen, wieder aktuell, nachdem die Bemühungen der Nachkriegszeit um die Gründung einer internationalen Universität in Bremen sang- und klanglos zu Grabe getragen wurden. Der Wissenschaftsrat konstatierte den großen Bedarf an Hochschulen und Universitäten im norddeutschen Raum, im Ruhrgebiet und im süddeutschen Raum um München. Die Wissenschaftliche Kommission des Wissenschaftsrates empfahl bereits 1959 Bremen als geeigneten Standort für eine neue Universität. Der Bremer Senat beauftragte daher im Januar 1960 den Mitarbeiter des Kurators der Göttinger Universität, Hans Werner Rothe, im Januar 1960 mit einer umfassenden Untersuchung zur Frage einer Universitätsgründung in Bremen. Ein Jahr später, im Februar 1961 legte Rothe sein Gutachten "Über die Gründung einer Universität zu Bremen" dem Bremer Senat vor. Rothes Vorstellungen über die künftige Bremer Universität fußten im Wesentlichen auf folgenden Punkten: Planung und Bau einer Campus-Universität, Neukonzeption einer Universitätsbibliothek, Bau von Universitätshaus und Studentenwohnheimen und Aufnahme der Betreuung der Erwachsenenbildung. Außerdem befürwortete Rothe die Einbeziehung der Volksschullehrerbildung und der Pädagogischen Hochschule in die neue Bremer Universität. Rothe schwebte die Einrichtung von sechs Fakultäten vor: Evangelische Theologie, Rechtswissenschaft, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Medizin, Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften. Den Planungen Rothes wurde von Senat und Bürgerschaft zugestimmt, sodass in den kommenden Jahren vor allem die Verhandlungen über die Finanzierung der Universität im Mittelpunkt standen.

1961 wurde Hans Werner Rothe beim Senator für das Bildungswesen (Willy Dehnkamp) die Leitung der Abteilung 25 "Hochschulplanung" übertragen, zum 1.1.1962 erfolgte seine Ernennung zum Oberregierungsrat, zum 27.4.1965 zum Leitenden Regierungsdirektor und zum 11.1.1966 schließlich zum Universitätskurator der geplanten Universität.
1963 erwarb Rothe ein Haus in Bremen und holte seine Frau und die drei Kinder, die noch in Göttingen wohnten, nach.
Im Februar 1967 trat der erste Gründungsausschuss für die Universität Bremen zurück. Dieser war im November 1961 als Universitäts- Beratungsausschuss vom Bremer Senat berufen und 1964 in "Gründungsausschuss für die Universität Bremen" umbenannt worden. Vorsitzender war zunächst Prof. Dr. Otto Weber, dem im Juli 1966 Prof. Dr. Wolfgang Bargmann aus Kiel ins Amt folgte, der, wie sein Vorgänger, zugleich auch die Geschäfte des Gründungsrektors der Universität Bremen wahrnahm. Hintergründe des Rücktritts waren vor allem Unstimmigkeiten mit dem Bremer Senat z.B. über den Inhalt des Universitätsgesetzes, die Rolle des Landes Bremen in der künftigen Personalverwaltung der Universität, das Universitätsklinikum und die Einbindung der Pädagogischen Hochschule, wie sich Bargmann in der "Deutschen Universitätszeitung" später äußerte.

Dem neu berufenen, paritätisch besetzten Gründungssenat, dem Professoren, Assistentenvertreter und Studenten angehörten stand nun Prof. Dr. Walther Killy vor. Diese neue Zusammensetzung war eine schwere Herausforderung, wie sich bald zeigen sollte. Die Vorstellungen der beteiligten "Parteien" über die zukünftige Gestalt der Bremer Universität konnten kontroverser kaum sein. Ständiger Streitpunkt war das Machtverhältnis zwischen dem Leiter der Abteilung Hochschulplanung, Hans Werner Rothe, und dem Gründungssenat. Dieser Konflikt gipfelte nach nur neun Monaten gemeinsamer Arbeit in einer öffentlichen Auseinandersetzung, in der sich der Vorsitzende des Ausschusses, Prof. Dr. Walther Killy öffentlich in der Presse beschwerte, dass eine Zusammenarbeit mit Rothe nicht möglich sei. Er stellte den Senat vor die ultimative Wahl zwischen dem Universitätskurator oder dem Gründungssenat und drohte im Falle eines Verbleibs von Rothe im Amt mit dem Rücktritt des Gründungssenats. Anfang Juli 1969 gaben Bürgermeister Koschnick und Bildungssenator Thape die Abberufung Rothes öffentlich bekannt. Die Beurlaubung Rothes vom Dienst aufgrund des Zerwürfnisses mit dem Gründungssenat erfolgte, ohne dass je wieder ein neuer Kurator eingesetzt wurde - das Amt wurde gestrichen. Rothe wurde auch seiner Verantwortung für die Vertretung Bremens in Ausschüssen wie z.B. dem Wissenschaftsrat, dem Hochschulausschuss der Ständigen Konferenz der Kultusminister und der Deutschen UNESCO-Kommission enthoben. Zunächst war ins Auge gefasst worden, Rothe beim Ressort des Bildungssenators mit anderen Aufgaben zu betrauen, jedoch kam es hier zu keiner einvernehmlichen Lösung. Das Vertrauen war nachhaltig zerstört. Achtzehn Monate später, Ende 1970, wurde Rothe vom Senat als Direktor des Überseemuseums ins Auge gefasst, er sollte zum 1. Februar 1971 die Nachfolge des in den Ruhestand getretenen Prof. Dr. Hermann Friedrich antreten, was nicht nur auf den Widerstand Rothes, sondern auch auf Proteste in der

bundesdeutschen Museumslandschaft stieß. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Rothe noch in rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Bremer Senat wegen seiner Abberufung im Juli 1969. Ergebnis der Rechtsstreitigkeiten war, dass Hans Werner Rothe 1972 auf eigenen Wunsch aus dem Bremer Staatsdienst ausschied und zum Pensionär wurde, weil das Land Bremen ihn nicht adäquat beschäftigen konnte. Besonders bitter muss für Rothe gewesen sein, dass nur ein halbes Jahr nach seinem Ausscheiden Prof. Dr. Killy zusammen mit anderen Hochschullehrern den Gründungssenat verließ, weil die Auffassungen zwischen den Professoren, Assistenten und Studenten über die zu gründende Universität nicht in Einklang gebracht werden konnten.
Dr. Hans Werner Rothe lebte fortan im Ruhestand in Bremen, er verstarb dort am 27. April 2013, seine Frau Ruth war bereits am 9. April 1996 verstorben.

Bestandsgeschichte 

Das Staatsarchiv Bremen stand seit Ende der 1990er Jahre mit Hans Werner Rothe in Verbindung, um den Verbleib seiner Materialsammlung zur Geschichte der Gründung der Universität Bremen zu klären. Die Verhandlungen zogen sich über viele Jahre hin, da es Rothe offenbar sehr schwerfiel, sich von seinen in den langen Jahren des Ruhestands akribisch gesammelten Dokumenten zur Geschichte der Universität zu trennen.

Im Sommer 2005 gelangte vorab eine kleine Sammlung von Unterlagen Rothes zur Lehrerbildung an das Staatsarchiv, weitere Unterlagen waren angekündigt. Nachdem er im Frühjahr 2013 verstorben war, übernahm sein Sohn die Auflösung des Haushalts und übergab die Materialsammlung im Sommer 2013 dem Staatsarchiv. Damit begann für die Bearbeiter/innen im Staatsarchiv Bremen eine große Herausforderung. Rothe hatte akribisch alles ihm zugängliche Material über die Universität zusammengetragen, Kopien angefertigt und stapelweise abgelegt, eine Ordnung nach Sachbetreffen nahm er dabei im Allgemeinen nicht vor. Gerne hat Rothe seine Fundstücke mit persönlichen Kommentaren versehen, die für heutige Betrachter sehr aufschlussreich sein können.
Nach zwei Jahren Bearbeitungszeit konnte die Ordnung und Verzeichnung des Bestandes mit Hilfe der Auszubildenden Anna Czech und Sven Wagner abgeschlossen und das Findbuch fertiggestellt werden. Die Sammlung Rothe besteht zu einem großen Teil aus einer Zeitungsausschnittsammlung mit der Presseberichtserstattung zur Gründung der Universität Bremen sowie zu allgemeinen Fragen der Hochschulpolitik von 1959 bis 1980. Hier lassen sich gut der jeweilige Stand der Diskussion um die Universitätsgründung und die außerbremischen Einflüsse nachvollziehen.

Besondere Erwähnung verdienen aber die Handakten Rothes zur Planung der Universität Bremen und seine Korrespondenzen mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Welt", in der es vor allem um die Beförderung der Gründungsaktivitäten der Universität in Bremen durch öffentlichen Druck geht. Gut dokumentiert sind auch die Sitzungen des ersten Gründungsausschusses von 1962 bis 1967 und des Gründungssenats von 1968 bis 1972 sowie die Bauplanung für die Universität von 1959 bis 1969. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bremer Staatsdienst nahm Rothe Kontakt zum Bund Freiheit der Wissenschaft auf, von dessen Korrespondenzen Rothe von 1971 bis 1994 Durchschriften erhielt, die ebenfalls im Bestand enthalten sind.
Rothe sammelte unermüdlich Zeitschriften, Flugblätter, Plakate und Infomaterialien in der Universität und in ihrem Umfeld, er bemühte sich auch um Schriftgut anderer Personen, die mit der Universitätsgründung in Zusammenhang standen. So finden sich in der Sammlung auch Unterlagen von Oberschulrat Wilhelm Berger und dem Direktor des Gymnasiums an der Hermann-Böse-Straße, Friedrich Walburg, sowie von Dr. Herbert Abel als damaligen Direktor des Überseemuseums über die Planungen zur Errichtung einer internationalen Universität in Bremen von 1947-1949.
Dieter Mützelburg, den die Universität 1976 entlassen wollte, weil man ihm vorgeworfen hatte, die verfassungsfeindlichen Ziele des kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) zu vertreten, damit aber scheiterte, weil das Verwaltungsgericht einen formalen Fehler bei der Kündigung feststellte , bat er um seine Unterlagen zu Fragen der Lehrerbildung von 1971-1977 und von Prof. Dr. Bargmann, dem letzten Vorsitzenden des ersten Bremer Universitätsgründungsausschusses bis Februar 1967 erhielt er 1973 dessen Unterlagen über die Arbeit des Gründungsausschusses von 1961 bis 1966.

Nach dem Bruch der Koalition zwischen SPD und FDP 1971 aufgrund der Berufung des Berliner Erziehungswissenschaftlers Prof. Dr. Wilfried Gottschalch, den die FDP wegen angeblicher linksradikaler Äußerungen und seiner Befürwortung des Rätesystems für unannehmbar hielt, bemühte sich Rothe auch um die Unterlagen von Dr. Ulrich Graf, der von 1959 bis 1971 Senator für Justiz und Verfassung war und die Berufung von Hochschullehrern von 1969 bis 1971 gut dokumentiert hatte.
Die Sammlung Rothe enthält neben diesen Schriftgutkomplexen auch Publikationen, Reden, Vorträge, Mitschriften von Radiosendungen zur Universitätsgründung sowie eine umfangreiche Flugschriftensammlung, deren Schwerpunkt auf den Jahren 1969 bis 1979 liegt, die aber bis in das Jahr 1997 reicht.
Die Sammlung umfasst insgesamt ca. 16 lfm Archivgut mit über 500 Verzeichnungseinheiten in 158 Archivkartons.

Literatur 

Rothe schrieb neben seiner Dissertation der Denkschrift über die Gründung der Universität Bremen einige kleinere Publikationen zur Bremer Universitätsgeschichte, z.B.:
"Wird Bremen Universitätsstadt? Zusammenfassende Übersicht über die Bremer Universitätsdenkschrift", in: Göttinger Tageblatt, Nr. 43, 1961.
"Über die Gründung einer Universität zu Bremen", in: Hochschuldienst, XIV. Jg., Nr. 5, 1961, S. 2-4.
"Der Bremer Universitätsplan", in: Universität neuen Typs, Schriften des Hochschulverbandes, Heft 11, Göttingen, 1961, S. 103-132.
"Die Universität zu Bremen: die zweite Universität im niedersächsischen Raum - Göttingen und die Hansestadt", in: 225 Jahre Georgia Augusta, Sonderausgabe des Göttinger Tageblatts, 1962.
"Bericht über die Bremer Universitätsplanung", in: Over de structuur van universitair onderwijs, Rotterdam, 1963, S. 18-27.
"Eine Universität aus dem Geiste Humboldts", in: Bremen, Merian Band 7/XVIII, Sonderausgabe 1965, S. 89f.
"Die Bremer Universität", in: Bremen ein Jahrtausend Schlüssel zur Welt, Sonderausgabe der Bremer Nachrichten, Juli 1965, S. 70f.

"Die Universitätsplanung in Bremen", in: Wachsende Städte an der Unterweser, Bremen und Bremerhaven im Aufbau 1958-1964, Bremen, 1965, S. 208-211.
"Bericht über die Neugründung der Universität Bremen", in: Zwischenbilanz der Bildungspolitik, Schule und Universität in der Bildungspolitik, München, 1967, S. 170-176.
"Der Bremer Universitätsplan", in: Bremen heute, Stadt, Wirtschaft, Häfen, 1966, S. 31-35.
"Der Bremer Universitätsplan", in: Der Convent, akademische Monatsschrift, 1966, Jg. 17, H. 8, S. 169-171.
"Geschichte und bisherige Entwicklung der Universität in Bremen", in: Universität Bremen, Ideenwettbewerb zur Erlangung von Vorschlägen für einen Generalbebauungsplan, 1966, S. 93-95.
"Die Universität Bremen im Aufbau", in: Bremen heute, Sonderausgabe der Bremer Bürgerzeitung, 18.2.1967.
"Die Universität Bremen im Aufbau", in: Sonderausgabe 225 Jahre Bremer Nachrichten, 28.8.1968, S. 51.

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M. 

16,2