NLA HA Hann. 155 Lüneburg

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Landes-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg

Laufzeit 

1869-1963

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

Nachdem die Irrenanstalten in Göttingen im Jahre 1866 und die in Osnabrück im Jahre 1868 eröffnet wurden, vermied es die Provinz Hannover, den Neubau einer Anstalt in Angriff zu nehmen. Sie entschied sich vielmehr dafür, Verträge mit den Privatanstalten in Liebenburg und Ilten zu schließen, damit diese Geisteskranke übernehmen sollten. Auf die Dauer ließ sich diese Regelung aber nicht aufrecht erhalten, weil sie den wachsenden Bedürfnissen nicht mehr standhalten konnte. Schließlich beschloss der Provinziallandtag im Februar 1896 den Neubau einer Anstalt. Diese wurde am 29. Juni 1901 als Provinzial-Heil und Pflegeanstalt Lüneburg eröffnet.

Zunächst plante man einen Bau für 800 Betten, der jedoch jederzeit auf 1.500 Betten hätte erweitert werden können. Die Anstalt sollte im Pavillonsystem gebaut werden, wobei der wichtigste Gesichtspunkt war: Alles, was an ein Gefängnis erinnert, wegzulassen wie z.B. Umfassungsmauern, Fenstergitter usw. Die einzelnen Häuser sollten nicht in einer Reihe, sondern verstreut in den Parkanlagen gebaut werden.

Die Parkanlagen, der Obst- und Gemüsegarten, sowie das nordwestlich von der Anstalt gelegene Provinzialgut Wienebüttel boten wie die Werkstätten und die sonstigen Wirtschaftsanlagen für die therapeutisch so wichtige Beschäftigung der Kranken genügend Gelegenheit. Die Kranken wurden nicht nur zur Arbeit in den Werkstätten und auf den Gütern herangezogen, sondern ihnen wurde auch Unterricht erteilt. Der Direktor hatte die Entscheidung zu treffen, in welcher Weise die einzelnen Kranken beschäftigt wurden und an den Unterrichtsstunden teilnehmen sollten. Der Unterricht wurde von einem eigens dazu angestellten Lehrer erteilt.

Im Jahre 1911 pachtete die Provinz das Gräflich Schwicheldtsche Rittergut Brockwinkel auf 25 Jahre. Es wurde dem Provinzialgut Wienebüttel ausgegliedert. Außer der Gutswirtschaft Wienebüttel/ Brockwinkel sind drei weiter entfernt liegende Provinzialgüter der Anstalt angeschlossen und zur Beaufsichtigung unterstellt gewesen: der Heidehof Trauen bei Munster und die landwirtschaftlichen Forstgüter Lopau und Oerrel. Auf sämtlichen Gütern waren Krankenstationen eingerichtet, deren Insassen in der Landwirtschaft beschäftigt wurden.

Der Erste Weltkrieg ging nicht spurlos an der Anstalt vorüber. Die schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zwangen die Provinzialverwaltung die Anstalt teilweise zu räumen, daraufhin sank die Zahl der Kranken um fast die Hälfte. Ein Teil der Krankenhäuser wurde zu Notwohnungen für das Pflegepersonal umgebaut, ein anderer Teil der leerstehenden Häuser in den Sommermonaten dem Landesverein für Volkswohlfahrt zur Unterbringung erholungsbedürftiger Kinder zur Verfügung gestellt. Nach dem Krieg stieg die Zahl der zu verpflegenden Kranken langsam wieder an. Es erfolgte eine Vergrößerung der Anstaltswerkstätten und des Gartenbetriebs, womit die Beschäftigungstherapie noch mehr gefördert wurde. In dem Anstaltsgebäude waren folgende Werkstätten untergebracht: Schlosserei, Schuhmacherei, Buchbinderei, Tischlerei, Korbflechterei und Schneiderei sowie Zigarrenmacherei, Sattlerei, Bürstenbinderei und eine Malerwerkstatt.

Schließlich ist noch die Infektionsabteilung zu erwähnen, in der alle weiblichen Typhusbazillenträger der Provinz untergebracht wurden.

Die Fürsorge für Geisteskranke beschränkte sich nicht nur auf die Anstaltsinsassen, sondern man übte eine gewisse Außenfürsorge, die sich in erster Linie auf die entlassenen Kranken erstreckte. Bei der großen Ausdehnung des Aufnahmebezirks und dem Mangel an geeigneten Fürsorgerinnen stieß man in einigen Landkreisen noch auf erhebliche Schwierigkeiten.

Die Kosten zur Unterhaltung der Anstalt wurden aus verschiedenen Quellen gedeckt. Es dienten die Beiträge der Unterhaltungspflichtigen der Geisteskranken sowie die Erträge aus den Grundstücken und der Erlös der Arbeit der Kranken, die in den gewerblichen Betrieben und auf den Provinzialgütern beschäftigt waren, dazu. Weiterhin wurde sie durch Zuschüsse aus dem hannoverschen Provinzialfond und durch Geschenke und sonstige Zuwendungen unterstützt. Die Oberaufsicht über die Anstalt führte der Provinzialausschuss und das Landesdirektorium gemäß den Bestimmungen der Provinzialordnung vom 7. Mai 1884.

Stand: Dezember 1977

Einen gravierenden Bruch in der Geschichte des Krankenhauses stellt die Behandlung der Patienten im Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg dar. Schon ab 1934 wurden auf Beschluss des "Erbgesundheitsgerichtes" Lüneburg im Sinne des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" eine große Anzahl von Zwangssterilisationen durchgeführt, denen mehr als 300 Patienten der Anstalt Lüneburg zum Opfer fielen.

Mit Kriegsbeginn erweiterte sich die Form der NS-Verbrechen. Die frühere Landes- Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg nimmt für diese Zeit eine Sonderstellung unter den Anstalten des heutigen Niedersachsens ein, da nur ihr in nachträglichen Ermittlungen ab 1945 zweifelsfrei das Bestehen als Tötungsstätte zugewiesen wurde. Betroffen waren in der im Herbst 1941 eingerichteten "Kinderfachabteilung" über 300 geistig und körperlich behinderte Kinder aus ganz Norddeutschland.

Im Rahmen der "T4-Aktion" wurden außerdem im Jahr 1941 aus der Anstalt Lüneburg etwa 500 Patienten zu einer Tötungsanstalt transportiert. Für weitere hundert Patienten anderer Anstalten und etwa 70 ausländische Patienten aus Norddeutschland stellte Lüneburg eine Sammelstelle und 'Durchgangsanstalt' zur zentralen Tötungsanstalt Hadamar dar. Nirgends in Niedersachsen war die Zahl der Opfer der "T4-Aktion" unter den Patienten so hoch wie in der Anstalt Lüneburg.

Aus diesem Grunde wurde im November 2004 die Bildungs- und Gedenkstätte "Opfer der NS-Psychiatrie" eröffnet, die sich auf dem Gelände der heutigen Psychiatrischen Klinik Lüneburg im alten Badehaus am Wasserturm befindet. Aufgrund der überdurchschnittlich hohen Zahl der Opfer im Kindesalter wurde ein inhaltlicher Schwerpunkt auf die "Kinderfachabteilung" Lüneburg gelegt.

Stand: Juni 2015

Zur weiteren Geschichte der Einrichtung siehe das Vorwort zum Nachfolgebestand Nds. 330 Lüneburg.

Bestandsgeschichte 

Eine erste Abgabe von Akten der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg wurden dem Staatsarchiv Hannover in den Jahren 1954/1955 vom niedersächsischen Landeskrankenhaus Lüneburg übergeben (vgl. Acc. 63/54, Acc. 81/55, Acc. 102/55, jetzt Hann. 155 Lüneburg Nr. 1-338). Die Masse dieser Akten umfasst den Zeitraum 1900 bis 1935. Auf eine Kassation wurde verzichtet, um am Beispiel der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg die Aufgaben und die innere Verwaltung einer derartigen Institution möglichst umfangreich zu dokumentieren.

Der Registraturzusammenhang war trotz der vorhandenen Altsignatur nicht mehr klar zu erkennen. Es handelte sich um einen vergleichsweise wenig gegliederten Aktenplan, der in acht Obergruppen eingeteilt war:

A: Allgemeines und Verschiedenes
B: Bestallungssachen
C: Geisteskranke
D: Kassen- und Rechnungswesen
E: Bau- und Lokalsachen
F: Inventariensachen
G: Haushalt
H: Gut Wienebüttel.

Die Untergliederung dieser Gruppen war anhand der Signatur nicht ersichtlich. Bis 1936 war dieses Registraturschema in Gebrauch. Danach wurde ein tief gegliederter und weit gefächerter Aktenplan mit Dezimalklassifikation eingeführt (vgl. Kopie des Aktenplans in Spez E 1582), der auch bei der archivischen Gliederung zugrunde gelegt wurde. Um den Aufbau des Aktenplans vor 1936 zu dokumentieren, wurde die Altsignatur ebenfalls erfasst. Außerdem ermöglicht diese Signatur eine zusätzliche Identifizierung der Akten für den Fall, dass eine aus dem Bestand zu ermittelnde Akte nur nach ihrer bis 1936 gültigen Signatur bekannt ist.

Stand: Dezember 1977

Eine weitere Abgabe des Niedersächsischen Landeskrankenhauses Lüneburg wurde 1983 vom Hauptstaatsarchiv Hannover unter der Acc. 56/83 übernommen (vgl. Tgb.-Nr. 654/83), die den Zeitraum vom 1933 bis 1945 umfasst.

In den vorliegenden Bestand Hann. 155 Lüneburg sind bislang vier Ablieferungen eingegangen.

Stand: Juni 2011

Enthält 

Patientenakten

Literatur 

Ebert von Campe, Handbuch der hannoverschen Provinzialverwaltung 1906, Hannover und Leipzig 1906.

Festschrift des Niedersächsischen Landeskrankenhauses Lüneburg, 100 Jahre Niedersächsisches Landeskrankenhaus Lüneburg, Lüneburg 2001.

Landesdirektorium Hannover (Hg.), Sechzig Jahre hannoversche Provinzialverwaltung, Hannover 1928.

Raimond Reiter, Die "Kinderfachabteilung" in Lüneburg, in: Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 3 (1996), S. 55-67.

Ders., Psychiatrie im Dritten Reich in Niedersachsen (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 39), Hannover 1997.

Ders., Vollständige Überlieferung zur 100-jährigen Geschichte des Landeskrankenhauses Lüneburg. Ein Beispiel zur Aktenlage über die Geschichte der Anstaltspsychiatrie, in: Archivar 53,1 (2000), S. 43-45.

Thorsten Sueße und Meyer Heinrich, Abtransport der "Lebensunwerten". Die Konfrontation niedersächsischer Anstalten mit der NS-"Euthanasie", Hannover 1988.

Dies., Die "Kinderfachabteilung" in Lüneburg. Tötung behinderter Kinder zwischen 1941 und 1945, in: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 42 (1993), S. 234-240.

Quellen:
Hann. 150 Nr. 260, Nr. 261, Nr. 262, Nr. 263
Hann. 122 a X Nr. 37 k, l, m

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

Nds. 330 Lüneburg

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M. 

30,9

Bearbeiter 

Sabine Ahlborn (geschiedene Miehe, verheiratete Maehnert) (1977)

Marina Laube (2015)

Benutzung 

Findmittel zu Archivgut mit Daten, die dem Sozialgeheimnis, der ärztlichen Schweigepflicht oder vergleichbaren Rechtsvorschriften unterliegen, können nicht online präsentiert werden. Sowohl Findmittel als auch Archivgut können im Hauptstaatsarchiv Hannover unter Berücksichtigung der Einhaltung von Schutz- und Sperrfristen nach §5 NArchG eingesehen werden.

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

verzeichnet

Abgeschlossen: Nein. Der Bestand kann noch Zuwachs erfahren.

Georeferenzierung

Bezeichnung 

Stadtkreis Lüneburg

Zeit von 

1885

Zeit bis 

1943

Objekt_ID 

3232044

Ebenen_ID 

20

Geo_ID 

20-3232044

Link 

Stadtkreis Lüneburg

Georeferenzierung

Bezeichnung 

Lüneburg, Stadt [Wohnplatz]

Zeit von 

1

Zeit bis 

1

Objekt_ID 

7776

Ebenen_ID 

1

Geo_ID 

1-7776

Link 

Lüneburg, Stadt [Wohnplatz]