StadtA HI Best. 253

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Stadtgericht Hildesheim

Laufzeit 

1783-1890

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

ZUR GESCHICHTE DES STADTGERICHTS seit 1803

Bis zur Stiftssäkularisierung und der damit verbundenen Machtergreifung Preußens (1802/3) existierte in Hildesheim noch das alte Ratsgericht. Es war sowohl für die Zivil- als auch Kriminalgerichtsbarkeit zuständig – der ehemals hierzu verordnete bischöfliche Vogt war bis 1800 nahezu vollständig aus der Gerichtsbarkeit verdrängt worden. Eine (wenn auch nicht vollständige) Trennung von Rat und Gericht erfolgte erst im Zuge der Reformen, welche die neuen preußischen Machthaber in Hildesheim seit 1806 durchführten. Am 5. Januar 1806 wurde in Berlin das „Ratshäusliche Reglement“ verabschiedet, welches die städtische Autonomie nahezu vollständig beendete. Dem Hildesheimer Rat wurde mit dem Reglement rechtlich jene Justizbefugnis genommen, die ihm faktisch schon seit September 1805 entwendet worden war. Magistrat und Gerichtsbarkeit wurden nun getrennt und ein gesondertes „Königliches Stadtgericht“ geschaffen. Diesem gehörten ein Direktor, zwei Stadtrichter und ein Protokollführer an. Gerichtet wurde hier indessen nur bei Zivilprozesssachen, während dem Stadtgericht die Kriminalgerichtsbarkeit „weder bey großen noch bey kleinen Verbrechen“ zustand (StadtA HI Best. 101-17, Nr. 3).
Mit der Niederlage der Alliierten und dem Sieg der Franzosen bei Jena und Auerstedt (14.10.1806) wandelte sich auch das Gerichtswesen im Hildesheimer Gebiet erneut drastisch. Hildesheim wurde 1807 Distrikthauptstadt im neuen Königreich Westfalen und damit zugleich Sitz des in jedem Kanton eingerichteten Friedensgerichtes. Das Stadtgericht wurde aufgelöst (Akten des Hildesheimer Friedensgerichts u.a. unter NLA HA, Hann. 72 Hildesheim Nr. 1811-1820). Besetzt war das Friedensgericht mit einem Richter, zwei Gehilfen und einem Sekretär; als nächsthöhere Instanz wurde in Hildesheim zudem ein Distrikttribunal für höhere Strafgerichtssachen eingerichtet. Für alle Hypothekensachen war künftig bis 1815 das „Bureau der Hypothekenaufbewahrung“ zuständig.
Mit der Niederlage Napoleons und der Auflösung des Königreiches Westfalen gelangte Hildesheim gemäß des Wiener Kongresses an das Königreich Hannover. Mit der neuen Stadtverfassung, die am 22.04.1815 beschlossen und am 04.05.1815 proklamiert wurde, ließ man durch § II 7-13 das Stadtgericht gemäß des preußischen Vorgängers wieder aufleben (StadtA HI Best. 101-38, Nr. 1). Im Erdgeschoss des Altstadtrathauses wurden hierfür drei Kammern zur Verfügung gestellt, doch musste das Kommissionszimmer schon bald (1816) in den ersten Stock verlegt werden, da es sich um ein „nicht gar großes, schmales Zimmer“ handelte und aufgrund des Sitzungslärms die Arbeit der Kanzlei gestört worden war (StadtA HI Best. 101-261 Nr. 1, Promemoria vom 23.08.1815). Besetzt war das Stadtgericht gemäß § II 10 der Stadtverfassung (u.a. StadtA HI Best. 101-38, Nr. 1) wie schon 1806 mit einem Bürgermeister als Direktor, zwei Stadtrichtern und einem (später zwei) Assistenten; hinzu kamen ein Sekretär, ein Registrator, zwei Schreiber, zwei Zitationsdiener und ein Schließer (Gefängniswärter). Die örtliche Zuständigkeit umfasste das Hildesheimer Stadtgebiet, inkl. der beiden Freiheiten, die umfriedeten Gärten außerhalb der Stadt, die Wirtshäuser und Fabriken vor den Toren sowie die Steingrube, die Schützenwiese und das ehemalige Kloster zur Sülte (§ I 2-3).

Inhaltlich behandelte das Stadtgericht „alle Civil=Processe in erster Instanz“, während Appellationen an die königliche Justizkanzlei nach Hildesheim gestellt werden mussten (StadtA HI Best. 101-38, Nr. 1, § II 7). Hinzu kam die Zuständigkeit für Vormundschaften, freiwillige Gerichtsbarkeit und das Hypothekenwesen. Auch eine beschränkte Kriminalgerichtsbarkeit war dem Stadtgericht seit 1815 vorbehalten, allerdings beschränkte sich diese auf jene Fälle, die mit keiner höheren Haftstrafe als sechs Wochen zu ahnden waren. Bei Prozessen, die darüber hinaus gingen, waren „die instruirten Acten an die hildesheimische Justiz=Canzlei zum Erkenntniß einzusenden“ (§ II 7). Der Versuch des Magistrats, die volle Kriminalgerichtsbarkeit zu erhalten, schlug 1821/22 fehl (StadtA HI Best. 101-17, Nr. 3). Der dem Gericht vorsitzende Bürgermeister durfte überdies Strafen von unter 5 Reichstalern und bis zu 24 stündigem Gefängnis selbst in einer täglich hierfür eingerichteten Audienz verhängen. Pro Woche sollte das Stadtgericht mindestens an zwei Terminen tagen und die Prozesse – soweit möglich – mündlich durchführen sowie schriftlich protokollieren (II §11).

Die oben beschriebene Ordnung des Stadtgerichtes wurde mit der neuen Stadtverfassung vom 16.01.1845 zwar noch einmal leicht revidiert, doch blieben die wesentlichen Aspekte so bestehen, wie sie 1815 beschlossen worden waren. Einzig die Hinzuziehung des Stadtsyndikus und eines Senators bei strittigen Zivilprozessen sowie die Möglichkeit einer Exemtion bestimmter Gebäude aus der Gerichtszuständigkeit stellten hier nennenswerte Neuerungen dar. Mit der königlichen Verfügung vom 07.08.1852 wurde das Stadtgericht in Hildesheim schließlich aufgehoben und durch das „Amtsgericht Stadt Hildesheim“ ersetzt, welches 1856 mit dem für das Amt zuständigen Amtsgericht Hildesheim zum neuen „Amtsgericht Hildesheim“ vereinigt wurde – dem damals größten Amtsgericht im Königreich Hannover.

Bestandsgeschichte 

BSTANDSGESCHICHTE

Der Bestand gelangte zunächst an das Niedersächsische Staatsarchiv Hannover, da die Stadtgerichtsakten in den Besitz des Amtsgerichts Hildesheim als Nachfolgeinstitution gekommen waren, welches wiederum dem Land (bzw. Landesarchiv) unterstand. Im Januar 1961 wurde zwischen dem damaligen Niedersächsischen Staatsarchiv in Hannover und dem Stadtarchiv Hildesheim eine Rückgabe des Bestandes (Abt. 150) vereinbart, da er fast ausschließlich städtische Belange betraf. Am 20. Januar 1961 gelangte der Bestand dann als Dauerleihgabe (Expositum) an das Stadtarchiv Hildesheim (StadtA HI Best. 54 Nr. 54). Ausgenommen hiervon waren lediglich die Akten der Militärgerichte in Hildesheim (= Abt. 150/201-220), welche zuvor nach Hannover überführt und dort in die Abt. Hann. 72 Hildesheim eingegliedert worden waren.

Enthält 

Der Bestand 253 enthält überwiegend Akten des Stadtgerichtes aus der Zeit von 1806-1807 sowie von 1815-1852. Hinzu kommen Akten des Bureaus der Hypothekenaufbewahrung, welches sich während des westfälischen Intermezzos (1807-1815) um sämtliche Hypotheken- und Pfandgeschäfte zu kümmern hatte. Daneben sind einige Akten aus der frühen Zeit des Hildesheimer Amtsgerichts (1852-1890) in den Bestand gelangt. Am weitesten zurück reichen die Akten hinsichtlich der Ratspfandbriefbücher: Diese beginnen für die Neustadt bereits im Jahr 1783.

Der Bestand 253 umfasst insbesondere die Bestätigung von Immobilienkauf-, Schuld- und Hypothekengeschäften sowie Eheverträge, Beglaubigungen und Atteste. Bei der Übertragung einer Immobilie musste der Verkäufer vom Stadtgericht an einem hierfür angesetzten Termin gegen Vorzeigung des notariellen Vertrages in das „Häuser- oder Verlassungsbuch“ eingetragen werden. Diese „Verlautbarung“ wurde in entsprechenden Gerichtsbüchern protokolliert. Gleiches traf auf Ehekontrakte zu, in welchen auch zumeist eine Grundstücksübertragung stattfand (Verlautbarungsprotokolle der Ehestiftungen). Bei einem Kredit- oder Hypothekengeschäft musste der Gläubiger mit all seinen weiteren Schulden aus Transparenzgründen in das „Ratspfand(brief)buch“ sowie in das „Hypothekenbuch“ eingetragen werden. Spezialhypotheken (also Hypotheken auf fest definierten Besitz, meist Immobilien) wurden im „Contradictionsbuch“ verzeichnet, Atteste und Beglaubigungen in den „Generalia“-Bänden. Hinzu kommen Bände mit Obligationen und Schenkungen. Nicht im Bestand enthalten sind die Akten der Vormundschaftspflege. Auch kriminalgerichtliche Akten enthält der Bestand 253 nicht. Einige wenige Informationen hierzu finden sich im Landesarchiv Hannover (NLA HA Hann. 80 Hildesheim, Nr. 13016).

Literatur 

LITERATUR

Blazek, Matthias: Die Hinrichtungsstätte des Amtes Meinersen. Eine Quellensammlung, Stuttgart 2012, S. 128ff.

Borck, Heinz-Günther: Bürgerschaft und Stadtregierung. Das Beispiel Hildesheim, in: Zeitschrift für Staatslehre öffentliches Reicht und Verfassungsgeschichte. Beiheft 8 (1987). Res publica. Bürgerschaft in Stadt und Staat, S. 95-133.

Ders,: Bürgerschaft und Stadtregierung in Hildesheim von den Anfängen bis 1851, in: Alt-Hildesheim 59 (1988), S. 3-32.

Dölemeyer, Barbara: Repertorium ungedruckter Quellen zur Rechtsprechung. Deutschland 1800-1845, Bd. 9, Ausgabe 2, Frankfurt a.M. 1995, S. 717.

Gebauer, Johannes Heinrich: Geschichte der Stadt Hildesheim, Bd. 2, Hildesheim/Leipzig 1924, S. 265-266 u. 311-312.

Kroeschell, Karl: Recht unde unrecht der sassen. Rechtsgeschichte Niedersachsens, Göttingen 2005.

Meier, Ernst von: Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte 1680-1866. Erster Band: Die Verfassungsgeschichte, Leipzig 1898.

Rahn, Kerstin: „Vor einem Geheimen Gerichte … gerichtet“. Hildesheimer Rechtsprechung im Wandel, in: Niedersächsisches Jahrbuch 77 (2005), S. 305-314.

Raubold, Dietrich: Das Landgericht Hildesheim und sein Bezirk. Teil 1. Die Vorgängerinstitutionen, ihre Tätigkeit und ihre Entwicklung bis zur Einrichtung des Landgerichts und der Amtsgerichte, Hildesheim/Zürich/New York 2003, S. 486-487 u. 502-503.

[o.A.]: Hannoversche Gesetzgebung über Staats= und Gemeindeverwaltung, Hannover 1852, S. 42.


ERGÄNZENDE BESTÄNDE

NLA HA, Hann. 72, Nr. 1612-1613.
NLA HA, Hann. 72, Nr. 1882-1901 (Garnisionsgericht u.a.)
NLA HA, Hann. 80 Hildesheim, Nr. 13016, Nr. 13071, Nr. 13079-80, Nr. 13099, Nr. 13136-54.

Findmittel 

Findbuch, maschinenschriftlich