NLA HA Dep. 151

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Familienarchiv Crusius

Laufzeit 

1900-1957

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

Die Lindener Pastorenfamilie Crusius geht auf den aus Werdau gebürtigen evangelischen Theologen, Pfarrer und Schulrektor Balthasar Crusius (1550–1630) zurück. Sein Nachfahre, der Pfarrer, Schriftsteller und Historiker Eduard Crusius (1797–1861), wanderte in das Königreich Hannover aus und ließ sich 1837 in Immenrode bei Goslar nieder. Der aus der Verbindung mit seiner Nichte Johanna Theresia Crusius (1815–1894) stammende Sohn Ernst-August Crusius (1854–1935) wurde Pastor an der St.-Martinskirche in Linden. Am 9. Juli 1881 heiratete er Auguste Münchmeyer (1857–1944) aus Diemarden, mit der er sechs Söhne hatte: Johannes (1882–1934), Ernst August (1883–1957), Hermann (1887–1970), Paul (1889–1959), Friedrich August (1890–1953) und Martin (1894–1916).

Bis auf Hermann studierten alle Brüder Theologie. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldeten sich Hermann und Martin Anfang August 1914 freiwillig für den Einsatz an der Front. Paul wurde nach dem zweiten theologischen Examen noch im gleichen Jahr eingezogen. 1916 zum Feldprediger ordiniert, war er bis Ende des Krieges vorwiegend an der Westfront eingesetzt. Friedrich August diente seit 1915 als Kanonier der Fliegerabwehr an der Westfront und in Mazedonien. Johannes wurde erst 1917 einberufen und zum Feldprediger in Südrussland und an der Krim bestellt. Von den sechs Brüdern war nur Ernst August als Pastor in Neuenkirchen bei Melle vom Militärdienst freigestellt.

Während die Mutter Auguste den daheimgebliebenen Sohn Ernst August in zahlreichen Briefen über das Wohlergehen seiner Brüder informierte und immer wieder von den Sorgen und Nöten der Zivilbevölkerung berichtete, verarbeitete Ernst August seine Gedanken über den Krieg in mehreren Tagebüchern. Die im Felde stehenden Brüder wiederum hielten mithilfe von Rundbriefen miteinander Kontakt, die drei- bis viermal pro Jahr unter ihnen kursierten und ihren Zusammenhalt stärken sollten. Gleichzeitig wollte der Wortführer Johannes mit den Briefen ein „Zeitdokument“ erschaffen, um „späteren Lesern einen Eindruck davon [zu] vermitteln, wie eine große Zeit sich in einem kleinen Kreise von deutschen Männern widergespiegelt habe“ (Johannes Crusius, Rundbrief vom 14. Februar 1915).

In sehr viel schonungsloserer Weise als gegenüber den Eltern tauschten sich die Brüder in den Rundbriefen über ihre Kriegserlebnisse sowie die aktuelle politische und militärische Lage aus und diskutierten die Position der evangelischen Kirche. Hatten sie den Krieg zu Beginn als eine Notwendigkeit und ihren Dienst an der Front als ihre vaterländische Pflicht begriffen, so wurden die kritischen Töne gegen den getreu der welfisch gesinnten Familientradition als „preußischen Größenwahn“ (Johannes Crusius, Rundbrief vom 27. November 1918) begriffenen Militarismus mit der Zeit immer lauter. Dass der jüngste Bruder Martin am 30. Juni 1916 in Wolhynien tödlich verwundet wurde, dürfte nicht unwesentlich zu diesem Umdenken beigetragen haben.

Nach dem Ende des Krieges traten die Brüder Johannes, Paul und Friedrich August verschiedene Pfarrstellen an. Während Johannes nacheinander als Pastor in Bückeburg, Lüneburg, Bad Lauterberg/Harz, Breinum, Hildesheim und Banteln tätig war, erhielten Ernst August und Paul die Pfarreien in Neuenkirchen bei Melle bzw. in Meyenburg. Friedrich August ließ sich als Pastor in Groß-Freden bei Alfeld nieder, und Hermann Crusius wurde Studienrat in Tilsit und Nienburg an der Weser. Neben Briefen und Tagebüchern aus der Zeit von 1908 bis 1957 enthält der Bestand daher auch Vorlesungsmitschriften, Predigten und sonstige Schriften aus der beruflichen Tätigkeit der Brüder, die bis in die 1930er und 1940er Jahre hineinreichen.

Wie sehr sich die Welt der Familie Crusius durch die in ihren Schriften niedergelegten Erlebnisse gewandelt hat, klingt in der von Ernst August Crusius nach dem Zweiten Weltkrieg für das Kriegerdenkmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege auf den Friedhof in Neuenkirchen verfassten Inschrift an: „In zwei Kriegen uns entrissen, ruhen sie in Gottes Hand und mahnen uns und unser Land zum Frieden.“
Juliane Henzler, März 2018

Bestandsgeschichte 

Der Bestand wurde im September 2016 von Frau Dr. Irene Crusius, der Tochter des Studienrates Hermann Crusius (1887–1970), an das Niedersächsische Landesarchiv übergeben. Teile des Bestandes waren zuvor als Depositum im Landeskirchlichen Archiv in Hannover aufbewahrt, dann jedoch von Frau Dr. Crusius abgezogen worden, um sie im Niedersächsischen Landesarchiv zu hinterlegen. Die Bände 1 bis 4 sowie 8 bis 14 der Rundbriefe befinden sich noch im Besitz der Depositarin und sollen dem Bestand nach ihrem Tod hinzugefügt werden. Der Bestand setzt sich derzeit aus einer Akzession (Acc. 2016/115) zusammen und ist vollständig verzeichnet.

Enthält 

1. Auguste Crusius (1857–1944): Briefe
2. Johannes Crusius (1882–1934): Predigten und sonstige Schriften
3. Ernst August Crusius (1883–1957): Tagebücher, Briefe, Predigten und sonstige Schriften
4. Hermann Crusius (1887–1970): Briefe
5. Paul Crusius (1889–1959): Vorlesungsmitschriften
6. Friedrich August Crusius (1890–1953): Predigten
7. Martin Crusius (1894–1916): Briefe
8. Brüder Crusius: Rundbriefe (1914–1918)

Literatur 

Crusius, Irene (Hg.): Der Alltag des Krieges in Briefzeugnissen der Familie Crusius aus Hannover-Linden. (= Schriften des Historischen Museums Hannover 43). Hannover 2014.

Internet: Neuenkirchen. Ein Zeitzeugenbericht von Michael Malsch auf der Internetseite der Erinnerungswerkstatt Norderstedt, http://www.ewnor.de/mm/912_mm.php.

Findmittel 

EDV-Findbuch (Arcinsys Niedersachsen)

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

Zu dem Bestand zählt ein großformatiges Foto, das aus bestandserhalterischen und lagerungstechnischen Gründen der Bildgutsammlung hinzugefügrt wurde (Signatur: BigS Nr. 16677).

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M. 

1,0

Benutzung 

Die Benutzung des Bestandes erfolgt nach den Bestimmungen des Niedersächsischen Archivgesetzes.