Drucken

Nds. Landesarchiv, Abt. Hannover > Amtsgerichte im Landgerichtsbezirk Verden

Beschreibung

Identifikation (Gliederung)

Titel

Amtsgerichte im Landgerichtsbezirk Verden

Kontext

Geschichte des Bestandsbildners

Die Amtsgerichte des Landes Niedersachsen gehen größtenteils zurück auf die Einrichtung gleichnamiger Behörden durch die einheitliche Gerichtsverfassung des Königreichs Hannover vom 1. Oktober 1852 und die großen Reichsjustizgesetze der Provinz Hannover von 1879. Eine Festlegung der Sitze und Bezirke der Amtsgerichte wurde durch Verordnungen vom 26. Juli 1878 und 5. Juli 1879 vorgenommen (PreußGslg 1878 S. 280; 1879 S. 506ff.) und hatte über Jahrzehnte Bestand. Während die Amtsgerichte unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder in Betrieb genommen wurden, erfuhren ihre Zuständigkeitsbereiche erst infolge der Gebiets- und Verwaltungsreform der 1970er Jahre eine Veränderung. Derzeit liegen die 80 Amtsgerichte in den Bezirken der ihnen übergeordneten elf Landgerichte, mit denen sie gemeinsam die ordentliche Gerichtsbarkeit des Landes Niedersachsen bilden.

Aufbau, Zuständigkeiten und Aufgaben der Amtsgerichte werden durch das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10), in den §§ 22-27 geregelt.

Innerhalb ihres jeweiligen Bezirks sind Amtsgerichte zuständig für die Verhandlung von Zivil- und Strafsachen. Bei Zivilsachen entscheiden sie in erster Instanz über bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, deren Gegenstandswert 5000,- Euro nicht übersteigt (§ 23 Nr. 1 GVG). Auch werden im Rahmen von Zivilprozessen alle privatrechtlichen Streitigkeiten, die beispielsweise aus Miet- und Kaufverträgen hervorgehen, verhandelt. Mit dem Inkrafttreten der Neuregelung des Scheidungsrechts wurde 1977 das Familiengericht dem Amtsgericht angegliedert; zuvor lag die Zuständigkeit für Scheidungen und Scheidungsfolgesachen bei den Landgerichten. Des Weiteren fungieren sie bei entsprechender Sachlage als Betreuungs-, Nachlass-, Landwirtschafts-, Schifffahrts-, Vollstreckungs- und Insolvenzgerichte. Der Verfahrensablauf an Amtsgerichten wird durch die Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmt.

In Strafsachen sind die Amtsgerichte zuständig für leichtere und mittlere Straftaten, d.h. für Vergehen, die eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren erwarten lassen (§ 25 Nr. 2 GVG). Außerdem sind sie zuständig für Straftaten, die im Wege der Privatklage verfolgt werden, und für Ordnungswidrigkeiten, wenn Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid eingelegt wurde. Der Verfahrensablauf wird hierbei neben dem GVG durch die Strafprozessordnung (StPO) geregelt.

Bei Vergehen, bei denen mit einer Freiheitsstrafe von zwei bis vier Jahren und keiner Unterbringung in der Psychiatrie oder in der Sicherungsverwahrung zu rechnen ist, sind Schöffengerichte zuständig. Gleiches gilt bei Straftaten, die zwar als Verbrechen klassifiziert werden, sich aber nicht gegen das Leben richten oder einem ähnlich schweren Schuldvorwurf unterliegen. Bei Jugendlichen und Heranwachsenden werden Jugendschöffengerichte tätig, wobei der Jugendrichter gleichzeitig Vollstreckungsleiter ist.

Die Entscheidung bei Prozessen am Amtsgericht wird in der Regel von einem Einzelrichter als Zivil-, Familien- oder Strafrichter getroffen. Bei einem Schöffengericht kommen zwei ehrenamtliche Schöffen hinzu. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft können Amtsrichter auch als Ermittlungs- und als Haftrichter aktiv werden.

Über Zivil- und Strafsachen hinaus sind Amtsgerichte auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig. Diese dient vorrangig der Feststellung, Fortbildung und dem Schutz privater Rechtsverhältnisse und bezieht sich auf Grundbuch-, Nachlass-, Vormundschafts-, Betreuungs- oder Registerangelegenheiten (darunter Handels-, Vereins-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister). Entscheidungsbefugt sind hierbei meist Rechtspfleger. Lediglich in Fällen mit besonderer persönlicher Tragweite wird die Entscheidung von einem Richter getroffen.

Bei den Amtsgerichten besteht – mit Ausnahme bestimmter Familiensachen – kein Anwaltszwang für die Prozessteilnehmer.

Stand: 1. Juli 2015

Literatur

150 Jahre Amtsgerichte im Bereich des ehemaligen Königreichs Hannover. 1852-2002. Festschrift hrsg. v. Landgericht Hildesheim. Hildesheim 2002.

Staatshandbuch: Die Bundesrepublik Deutschland. Niedersachsen. Handbuch der Landes- und Kommunalverwaltung mit Aufgabenbeschreibungen und Adressen. Köln u.a. 2014.

Landesjustizportal Niedersachsen

Bearbeiter

Regina Schleuning (2015)