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WirtA NW WAN F 7

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Holzhandel J. H. Garrels Lud. Sohn, Leer

Laufzeit

1760 - 2009

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung

HOLZIMPORT UND -VERKAUF J. H. GARRELS LUD. SOHN, LEER

Beschreibung

Der Bestand, der sich auf den Zeitraum von 1760 bis 2003 bezieht, umfasst Unterlagen der Geschäftsleitung bzw. privates Schriftgut der Familie Garrels. Außerdem enthält er die erhalten gebliebenen Grund-, Haupt- und Nebenbücher aus der Buchführung der Firma sowie ihre Jahresabschlüsse. Daneben finden sich darin einige Personalakten und Unterlagen zum Einkauf, zur Lagerung, zur Produktion und zum Verkauf. Darüber hinaus finden sich in dem Bestand Fotos und metallene Druckvorlagen. Der Bestand ist gesperrt. Zur Verkürzung der Sperrfrist kann bei der Geschäftsführung des Wirtschaftsarchiv Nord-West-Niedersachsen ein entsprechender Antrag gestellt werden. Erst nach Prüfung und Rücksprache mit dem Eigentümer des Bestandes, der Fa. J. H. Garrels Lud. Sohn, entscheidet das Wirtschaftsarchiv über diesen Antrag.

Geschichte des Bestandsbildners

Das Unternehmen wurde als Holz- und Nahrungsmittelimporthaus im Jahr 1759 von Johann Hinrich Garrels sr. gegründet, dessen Familie schon Ende des 17. Jahrhunderts aus Friesoythe nach Leer gezogen war. Als Firmensitz bestimmte der Gründer ein Haus in der Neuen Straße in Leer. Johann Hinrich Garrels sr. eröffnete im Gründungsjahr auch schon eine Sägemühle an der Leda. Damit war er in der Lage, das von seiner Firma vornehmlich aus Nord- und Osteuropa importierte Holz selbst auch zuzuschneiden.

Die so von der Firma Garrels hergestellten Holzprodukte scheinen auf eine große Nachfrage am Markt gestoßen zu sein: Schon kurz nach der Gründung seines Unternehmens konnte Johann Hinrich Garrels sr. eine weitere Sägemühle errichten und so wahrscheinlich seine Produktionskapazitäten verdoppeln. Zudem gewann Johann Hinrich Garrels mit den von seinen Söhnen Peter und Hermann Jacob gegründeten Firmen Schröder, Garrels & Co. in Amsterdam und Garrels & Hinrichs in London wertvolle Geschäftsbeziehungen ins Ausland.

Nach dem Tod von Johann Hinrich Garrels sr. im Jahr 1802 führte seine Witwe Elisabeth Margaretha, geb. Oltmanns, das Geschäft zunächst erfolgreich fort. In größere Schwierigkeiten geriet das Unternehmen erst in der ab 1806 einsetzenden Napoleonischen Herrschaft über Ostfriesland, da die französische Besatzungsmacht über die Kontinentalsperre hinaus Handelsbarrieren auch für Ostfriesische Unternehmen errichtete. Zusammen mit ihren Söhnen konnte Elisabeth Garrels die Firma jedoch erhalten. Nach ihrem Tod im Jahr 1825 kam das Unternehmen an ihren Enkel, Johann Hinrich Garrels Lud. Sohn, der das Unternehmen zunächst nur im Rahmen der städtischen Wirtschaft in Leer fortführen konnte.

Einen spürbaren Aufschwung erfuhr die Firma nach dem Eintritt von J Claas Hermann Garrels , dem Sohn von J. H. Garrels Lud. Sohn, in das Unternehmen im Jahr 1847 und vor allem nach der Fertigstellung der sog. "Westbahn" im Jahr 1856, welche dem Unternehmen den infolge der Industrialisierung stark expandierenden westfälischen Markt erschloss. Dadurch konnten deutlich größere Aufträge mit den dort aktiven Kunden getätigt werden, was zu einer deutlichen Zunahme der Umsätze führte. Einen Rückschlag erfuhr diese Entwicklung nach dem sog. "Gründerkrach" im Jahr 1873, als in der Phase der von den Zeitgenossen so bezeichneten Phase der "Großen Depression" von 1873 bis 1890 die Schutzzölle auch für Importholz stark angehoben wurden. Daher errichtete Hermann Wilhelm Garrels, der jüngste Sohn und Nachfolger des inzwischen zum norwegischen Konsul ernannten Claas Hermann Garrels erst 1890 ein eigenes Hobelwerk an der Neuen Straße.

Unter der Führung von Wilhelm Hermann Garrels hatte das Unternehmen die bis dahin größten Probleme zu bewältigen: Zunächst vernichtete im Jahr 1897 ein Feuer das Hobelwerk an der Neuen Straße. Zwar konnte Wilhelm Hermann Garrels das Unternehmen retten und das Hobelwerk an einem neuen expansionsfähigen Standort, an der heutigen Sägemühlenstraße, wieder aufbauen, doch Überschwemmungen infolge der Sturmfluten in den Jahren 1898 und 1901 beschädigten das neue Werk erheblich. Doch schon beim Tod seines Vaters im Jahr 1906 hatte der im Jahr 1903 zum Senator der Stadt Leer ernannte Hermann Wilhelm Garrels das Familienunternehmen aus der Krise geführt und die Geschäftsentwicklung wieder in erfolgreichere Bahnen gelenkt. Diese Entwicklung endete erst mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, teils weil während des Krieges der Holzimport stark zurückging, teils weil in dieser Zeit auf dem Gelände der Firma eine Heereslagerstelle für Holz eingerichtet wurde.

Nach Kriegsende und größtenteils aufgrund der aus Finanz- und Steuerpolitik der kaiserlichen Regierungen resultierenden Inflation verlor das Unternehmen bis 1924 einen Großteil seines Eigenkapitals. Dank der Umwandlung des bis dahin als OHG betriebenen Unternehmens in eine KG im Jahr 1920 und aufgrund des zumeist erhalten gebliebenen Anlage- und Umlaufvermögens waren nach Einführung der Rentenmark die Grundlagen für den Wiederaufbau des Geschäfts geschaffen. Der Wiederaufbau vollzog sich aber in den folgenden Jahren nur mühsam und langsam. Seinen Ausdruck fand dieser Prozess in der Rückumwandlung der Firma in eine OHG sowie in dem Erhalt und in der Neugründung von Zweigstellen. Dies waren die schon 1893 gegründete Filiale in Norderney, die 1922 gegründete Filiale in Stickausen und die 1927 gegründete Filiale in Weener. Die im Jahr 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise scheint das Unternehmen relativ unbeschadet überstanden zu haben, denn das 175-jährige Firmenjubiläum konnte 1934 in relativ großem Stil gefeiert werden. Zuvor hatte J. H. Garrels Lud. Sohn auch seine Bereitschaft bekunden können, die in finanzielle Schwierigkeiten geratene Firma Garrels & Börner in Hamburg, die damals von Otto Garrels geleitet wurde, zu unterstützen. Vermutlich von der interventionistischen Wirtschaftspolitik der Nationalsozialistischen Machthaber ("neuer Plan", "Vierjahresplan") gefördert, entwickelte sich das Unternehmen besonders günstig. Es verfügte über ausreichende finanzielle Mittel, große Lagerhallen zu bauen und die seinerzeit modernsten Maschinen kaufen.

Mitte 1939, also kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs, verstarb Hermann Wilhelm Garrels. Seine beiden Nachfolger, seine Söhne Wilhelm und Ludwig Garrels, wurden in die deutsche Wehrmacht eingezogen. Ludwig Garrels, der schon Ende 1939 aus der Armee entlassen worden war, konnte bis 1944 das Geschäft mit verhältnismäßig großem Erfolg weiterführen. Nach der Errichtung der schwedischen Ausfuhrsperre begann jedoch ein dramatischer Niedergang, der Ende April 1945 in der Zerstörung des größten Teils des Werks an der Sägemühlenstraße durch Bombenangriffe seinen Höhepunkt fand. Doch schon unmittelbar nach dem 08. Mai 1945 konnte die Produktion - wenn auch nur sehr eingeschränkt - wieder aufgenommen werden. Produziert wurde zwischen 1946 bis 1948 aber nur für die englische Besatzungsmacht, die das Werk der "North German Timber Control" unterstellt und damit faktisch requiriert hatte. Nach der Währungsreform begann trotz der dadurch bedingten Entwertung des Firmenkapitals mit der Beteiligung von Wilhelm Garrels der Wiederaufbau: Beschädigte Gebäude wurden repariert, neue erbaut und moderne Maschinen angeschafft. Alte Geschäftsverbindungen wurden wiederhergestellt und neue geknüpft. Im Jahr 1958 wurde zudem im nahegelegenen Loga eine weitere Zweigstelle eröffnet. Die Söhne von Wilhelm und Ludwig Garrels, Johann Hinrich und Tjard Ludwig, die den 2. Weltkrieg überlebt hatten und die gegen Ende der 50er Jahre des letzen Jahrhunderts in die Firma eingetreten waren, fanden also günstige Bedingungen vor, um das Unternehmen in den folgenden Jahrzehnten erfolgreich weiter zu entwickeln.

Aufgrund der allgemeinen schwierigen wirtschaftlichen Situation und insbesondere wegen der Probleme in der ostfriesischen Wirtschaft in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts musste sich J. H. Garrels Lud. Sohn gleichwohl zwischen 1985 und 1990 sanieren. Erst danach konnte das Unternehmen wahrscheinlich gestützt durch den "Wiedervereinigungsboom" expandieren und 1994 eine moderne Hobelstraße bauen. Im Jahr 1998 erfolgte mit dem Brand einer großen Lagerhalle erneut ein großer Rückschlag, den das Unternehmen aber nutzte, um sich weiter zu modernisieren. Seit 2003 leitete der Vertreter der 8. Generation, Tjard-Ludwig Garrels das Unternehmen. Auch er führte verschiedene Neuerungen in die Firma ein.

Bestandsgeschichte

In der langen Geschichte des Unternehmens wurden vermutlich schon viele Unterlagen vernichtet. Dafür spricht beispielsweise die Tatsache, dass für die Zeit nach 1750 und nach 1800 verhältnismäßig wenig Archivgut vorhanden ist. Eine Analyse oder Beratung durch eine Archivkraft hat weder im 18., noch im 19., noch im 20. Jahrhundert stattgefunden. Erst 2010 erfolgte eine Bewertung durch Dr. C. R. Salewski von der Stiftung "Wirtschaftsarchiv Nord-West-Niedersachsen". Dr. Salewski bewertete einen Teilbestand von 5 laufenden Metern als archivwürdig. Dessen Konservierungszustand stufte er als im Ganzen befriedigend ein. Der heutige Inhaber des Unternehmens Tjard-Ludwig Garrels entschied, auf die Überführung in Archiv zu verzichten und die alten Unterlagen zum Grundstock eines kleinen Unternehmensarchivs zu machen. Dr. Salewski befreite daher die Unterlagen direkt im Unternehmen vom Eisen und überführte sie auch dort in archivgerechte Aufbewahrungsmittel. Zudem ordnete er dort lose Dokumente und Fotos themenbezogen und fasste sie so zu Konvoluten zusammen, der auch als solche verzeichnete.

Der Bestand der Fa. Garrels wurde von Dr. Salewski in der Zeit von Oktober bis Dezember 2010 verzeichnet. Die Verzeichnung erfolgte nach dem Bär'schen Prinzip und mithilfe der Archivsoftware "IZN-AIDA". Auf diese Weise konnten 164 Verzeichungseinheiten bis auf die Titelebene erschlossen werden.

Der Bestand musste völlig neu gegliedert werden, da Ordnungsmittel fehlten. Die Gliederung berücksichtigte die Aufgaben eines familiengeführten Unternehmens in der Holzbranche. Daher enthält sie Abschnitte zu den Unterlagen der Buchführung, d. h. zu den Geschäftsbüchern, zu den Personalakten, zu den Unterlagen der Vermögensverwaltung und zu Akten verschiedene Rechtsgeschäfte betreffend. Außerdem beinhaltet sie Kapitel zum Schriftgut über den Einkauf und über die Lagerung von Holz. Ferner enthält die Gliederung Abschnitte zu Unterlagen über Produktion und über den Verkauf von Holzwaren. Darüber hinaus strukturiert sie die Akten der Geschäftsleitung in Unterlagen zur Familie Garrels, zur Firmengeschichte und zu von einzelnen Familienmitgliedern ausgeübten Ehrenämtern im Rahmen des Holzimportes.

Die Gliederung unterstellt eine hierarchische Unternehmensstruktur. Deshalb finden sich die Kapitel zu den Unterlagen der Unternehmensleitung und zu den von ihr erstellten Geschäftsbüchern in den ersten Abschnitten der Gliederung. Die Abschnitte zu Unterlagen, die zu den verschiedenen Teilgebieten der unternehmerischen Aktivitäten des familiengeführten Unternehmens erzeugt worden sind, folgen erst danach.

Emden, den 05.01.2011, Dr. C. R. Salewski, Dipl.-Arch.

Im März/ April 2011 wurde von Herrn Czapski und Herrn Nithack (Wirtschaftsarchiv Nordwest) eine weitere Tranche Akten nachverzeichnet und in die Archivsoftware AIDA eingearbeitet.

Emden im Mai 2011
H. Czapski; D. Nithack

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Abgeschlossen: ja

vollständig verzeichnet