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StadtA GOE F 2

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

F 2 - Geheimer Rat/Konsistorium

Laufzeit

1569-1864

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte

1. Im Frühjahr 1936 erfuhr Dr. Wilhelm van Kempen, der damalige Leiter des Stadtarchivs Göttingen, "vom Vorhandensein umfangreicher, für die Göttinger Stadtgeschichte wesentlicher alter Aktenbestände auf dem Boden des Regierungsgebäudes zu Hildesheim, an denen das Staatsarchiv nach einer vor längerer Zeit erfolgten Durchsicht kein Interesse habe." (1) Diese Akten waren 1932 durch den damaligen Leiter des Staatsarchivs Hannover, Dr. Otto Grotefend, durchgesehen worden und sollten der Vernichtung anheimfallen.

In den nun folgenden Verhandlungen mit dem Preußischen Staatsarchiv und dem Regierungspräsidenten in Hildesheim erhielt Dr. van Kempen die Genehmigung, diesen Aktenbestand zur dauernden Aufbewahrung in das Stadtarchiv Göttingen übernehmen zu dürfen. Zuvor wurde ihm jedoch aufgetragen, "ein genaues Verzeichnis der einzelnen Aktenstücke" dem Staatsarchiv zuzusenden, anhand dessen insgesamt 19 Akten an Hannover abgegeben werden mussten. Aus der Korrespondenz wird nicht deutlich, ob bzw. inwieweit Dr. Grotefend schon vorher Akten entnommen hatte. Der Bestand war in Untergruppen gegliedert und innerhalb dieser Gruppen nach laufender Nummer geordnet. Da zahlreiche Lücken bei der Zählung aufreten, müssen Akten fehlen, und zwar wesentlich mehr als die bereits erwähnten 19, die nach Hannover abgegeben worden sind. Der Bestand war demnach bereits bei der Verzeichnung durch Dr. van Kempen nicht mehr vollständig.

Die Übernahme der Akten nach Göttingen als Dauerdepositum erfolgte im Dezember 1936. Im Tätigkeitsbericht des Archivs für das Jahr 1936 (GöttBII NF 3, H. 2 S. 47 - 50) schreibt van Kempen:

"Im Dezember wurden nach Übereinkunft mit dem Staatsarchiv Hannover 331 Aktenstücke der reponierten Boden-Registratur der Regierung zu Hildesheim als staatliche Leihgabe übernommen."

Die durch van Kempen vorgenommene Verzeichnung musste zügig vor Ort vorgenommen werden und konnte von daher nur provisorischer Art sein. Van Kempen hielt sich weitgehend an die alte vorgegebene Ordnung, bildete zwei Hauptgruppen (I: Gemeindesachen; II: Schul-Sachen) und verzeichnete den Bestand nach laufender Nummer, allerdings nicht ganz einsichtig in fünf verschiedenen Zählungen, die sich nur zum Teil mit den Untergruppen decken:

Hauptgruppen Untergruppen
I Gemeinde-Sachen 1. - 3. Generalia u. Varia/Bestallungen/Jura u. Streitigkeiten (= Nr. 1 - 63)
4. Kämmerei-Sachen (= Nr. 1 - 93)
5. Armen-Sachen (= Nr. 1 - 59)
6. Bausachen (= Nr. 1 - 74)
II Schul-Sachen
1. - 3. Das Göttinger Gymnasium betr./Allgemeine Schulsachen/
Sonstige Schulsachen (= Nr. 1 - 42)

In einem Punkt wich Dr. van Kempen von der vorgefundenen Ordnung ab. Er löste die Bausachen, die ursprünglich innerhalb der Kämmereisachen eingeordnet waren, heraus und bildete aus ihnen einen eigenen Unterbestand. Eine Überprüfung der Akten bezüglich ihres Inhalts oder der Laufzeiten wurde vermutlich wegen der geringen Zeit, die zur Verfügung stand, nicht vorgenommen. Dieses Aktenverzeichnis konnte ein Findbuch nicht ersetzen.

1959/60 wurde der Bestand von Dr. Walter Nissen, dem Amtsnachfolger Dr. van Kempens, neu verzeichnet. In seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 1960 (GöttJb 9, 1961, S. 155 - 157) schreibt er:

"... 2. Der Bestand "Kgl. Großbritannisches und Kurfürstlich Braunschweig-Lüneburgisches Consistorium und Consistorial- und Kirchenräthe zu Hannover" (17. - 18. Jh.) wurde geordnet und verzeichnet. Hieraus sind hervorzuheben: Bestallungsurkunden des Göttinger Pädagogiums. Insgesamt 44 Akteneinheiten. Der Bestand "Kgl. Großbritannische und Kurfürstliche Braunschweig-Lüneburgische Landesregierung und Wirkliche Geheime Räte zu Hannover" (17. - 18. Jh.) wurde geordnet und verzeichnet nach dem alten Registratur-Schema: "Generalia et Varia", "Bestallungen", "Jura und Streitigkeiten", "Kämmerei-Sachen", "Verpachtungen", "Bausachen", "Armen-Sachen" und "Commissionsakten über die Organisation der Stadt Göttingen". Insgesamt 234 Akteneinheiten."

Er bildete somit 3 Einzelbestände:

1) Geheimer Rat,
2) Kommissionsakten Lüder-Weende,
3) Konsistorium.

Er hielt sich weitgehend an die alte Registraturordnung und übernahm die dort vorgenommenen Zählungen in den Einzelgruppen als Signaturen. Diese Zählungen bezeichnete er in seinen Findbüchern als "laufende Nummern". Dies ist jedoch falsch, da zum einen, wie schon erwähnt, zahlreiche Akten fehlen, deshalb Lücken festzustellen sind und die Signaturen daher gleichfalls springen. Zudem hat Dr. Nissen in vielen Fällen einige kleinere Akten unter einer "laufenden Nummer" verzeichnet (vgl. etwa altes Findbuch Geheimer Rat S. 7), wobei dies jedoch nicht konsequent durchgeführt wurde, so dass die Neuordnung etwas willkürlich erscheint.

Die Aktentitel wurden von Dr. Nissen modernisiert, doch geschah dies in der Regel anhand der alten Aufschriften auf den Aktendeckeln. Überprüft wurden die Akteninhalte nur in den seltensten Fällen, so dass hier zahlreiche Fehler, insbesondere auch bei den Laufzeiten festzustellen sind. Möglicherweise steht die Verzeichnung mit Dr. Nissens Arbeit über das Göttinger Stadtarchiv in Zusammenhang (2), hat er doch diesen Aktenbestand darin verwertet. Nur in Einzelfällen, vermutlich bei den Akten, die ihn inhaltlich interessierten, sind die Angaben in seinem Findbuch genauer. Zudem gab es noch einige kleinere Unstimmigkeiten.

Angesichts dieser Mängel erschien eine Neuverzeichnung sinnvoll. Um nicht eine dritte Neuordnung vorzunehmen und die Verwirrung komplett zu machen, wurde entschieden, die von Dr. van Kempen vorgefundene Gliederung mit wenigen behutsamen Veränderungen/Modernisierungen wiederherzustellen, da sie zum einen in sich logischer erscheint als diejenige von Dr. Nissen, zum zweiten, weil sie der vorgefundenen Aktenordnung der Hildesheimer Registratur entsprochen haben dürfte, die hier rekonstruiert werden soll. Nicht alle Akten, die van Kempen nennt, ließen sich rekonstruieren, teils weil sie offensichtlich zusammengeführt wurden.

Die Vorgänge sind in der Regel an das Konsistorium bzw. die Geheimen Räte in Hannover (Wolfenbüttel) gerichtet, und zwar bis ins 19. Jh. hinein. Vermutlich sind sie bei einer Dezentralisierung/Kompetenzverlagerung an die Mittelbehörde in Hildesheim gelangt. Die Gegenüberlieferung findet sich im Alten Aktenarchiv des Stadtarchivs Göttingen.

Die Akten des Geheimen Rates, der seit Ende des 18. Jahrhunderts als Staats- und Kabinettsminsterium bezeichnet wurde und das zentrale landesherrliche Verwaltungsorgan des Kurfürstentums bzw. Königreiches Hannover bildete, sind nicht in einer geschlossenen Registratur überkommen. Durch Abspaltungen entstanden zentrale Fachbehörden bzw. Fachministerien, in die sich der Geheime Rat seit 1831 auflöste. Diese haben die für ihre Tätigkeit notwendigen Akten zum Teil an sich gebracht und fortgeführt, eigene Registraturen gebildet und die Altregistraturen schubweise an das Archiv abgegeben, so daß heute eine Aufsplitterung von einst geschlossenen Registraturkörpern festzustellen ist (Ernst Pitz, Übersicht über die Bestände des Niedersächsischen Staatsarchivs in Hannover, Bd. 2 (VeröffNdSächsArchivV 25), 1968, S 7 f.). Die seit 1831 neu gebildeten Fachministerien sowie die älteren und jüngeren oberen Landesbehörden übernahmen die Registratursparten des Geheimen Rates, die zu ihrer Tätigkeit gehörten.

Der heute in Göttingen liegende Bestand könnte dem Staatsarchiv-Bestand Hann. 2, Abteilung III.: Provinzialarchive: 2. Generalia, 2. - 5.: Landdrosteien Stade, Hildesheim, Osnabrück, Aurich zuzuordnen sein (vgl. Schreiben von Grotefend). Diese Abteilung entstand erst in preußischer Zeit. Die Akten sind 1943 verbrannt. (Pitz S. 41).

2. In den welfischen Territorien entstanden die Konsistorien in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts; die Herzöge als summi episcopi bzw. ihre zu den Kirchensachen deputierten Räte traten zum Zweck der Kirchenleitung zusammen. Das Konsistorium in Wolfenbüttel wurde 1569 errichtet. Die Konsistorien waren zuständig für Kirchen- und Schulsachen, Prüfungen und Bestallungen der Pfarrer und Lehrer, Lehrstreitigkeiten und Anklagen gegen Geistliche, Ehesachen, kirchliches Vermögen u. alle anderen Bereiche, die man der Kirche zuordnete. Im Fürstentum Wolfenbüttel, also von 1584 bis 1635, waren die theologischen Kirchenräte Generalsuperintendenten bzw. Superintendenten.

1636 wurde im wieder selbständigen Calenberg das Konsistorium in Hannover eingerichtet; dieses war auch für Göttingen zuständig. An der Spitze saß ein Präsident, der in der Regel auch im Geheimen Rat saß. 1885 wurden die Schulsachen auf die neuorganisierten preußischen Regierungen (= frühere Landdrosteien) übertragen, die auch die Schulakten übernahmen. Sie wurden 1902 bis 1950 an das Staatsarchiv abgegeben (S. 150 f.).

Die Landdrosteien als hannoversche Mittelbehörden wurden, bei einigen Vorläufern, im wesentlichen mit dem Gesetz vom 15. Mai 1823 eingeführt; die Geschäfte gingen von der Provinzialregierung an Hannover an sie über. Die Landdrostei Hildesheim war zuständig für die Fürstentümer Hildesheim, Göttingen und Grubenhagen (ohne den Harz). Als wichtigste Aufgabe sollten die Landdrosten die Distrikte bereisen und über deren Zustand berichten. Die Geschäfte der Landdrosteien bezogen sich auf Regiminalsachen sowie mit Einschränkungen auch auf die Dominial- und Militärsachen, doch waren die "eigentlichen Justiz- und geistlichen Sachen" ausgenommen. Auch das kann jedoch nur mit Einschränkungen gelten, hatten die Landdrosteien doch die Aufsicht über sämtliche Bedienstete der Unterbehörden und deren Geschäftsführungen. Hinsichtlich der technischen und finanziellen Fragen besaßen sie eine Kontrollfunktion auch bei der Justizverwaltung sowie den Kirchen- und Schuldienern (Manfred Hamann (Bearb.), Übersicht über die Bestände des Niedersächsischen Hauptstaatsarchivs in Hannover, Bd. 3 (VeröffNdSächsArchivV 42/1), 1983, S. 55 - 57; Einzelaufgaben: daselbst S. 57 ff.). Insgesamt blieben die Zuständigkeiten, verglichen mit Preußen, eingeschränkt, da man den oberen Landesbehörden wie Kammer, Kriegskanzlei, Obersteuerkollegium und Konsistorien nicht die Aufgaben entziehen wollte (Hamann S. 59).

3. Im Bestand befinden sich auch Karten und Pläne, die in der Karten- und Plan-Sammlung (D 2) des Stadtarchivs genauer erschlossen und katalogisiert sind.

Der Gesamtumfang des Göttinger Bestands "Geheimer Rat/Konsistorium" beträgt 4,5 lfd. m. Die Überarbeitung wurde 1996 im weasentlichen von dem Praktikanten Dr. Dolle besorgt (mit redaktionellen Änderungen/Ergänzungen seitens des Stadtarchivs 2004).

August 2004


(1) StadtA Göttingen 321-120-2, Brief van Kempens vom 31. März 1936 an das Preußische Staatsarchiv in Hannover.
(2) Walter Nissen, Das Göttinger Stadtarchiv. Seine Geschichte und seine Bestände, Göttingen 1969.

Literatur

Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815 - 1945, Reihe A: Preußen, hg. v. Walther Hubatsch, Bd. 10: Hannover, bearb. v. Iselin Gundermann und Walther Hubatsch, Marburg 1981

Rudolf Vierhaus, Das Verfassungs- und Verwaltungsreglement für die Universität Göttingen von 1831, in: Die Städteordnungen des 19. Jahrhunderts, hg. v. Helmut Naunin (Städteforschung, Reihe A, 19), 1984, S. 190 - 202, besonders S. 194ff (bezieht sich auf Bestellnr. 16, früherer Bestand Lüder-Weende)

Heinz Mohnhaupt, Die Göttinger Ratsverfassung vom 16. bis 19. Jahrhundert, Göttingen 1965 (= Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen, Bd. 5)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Die 1996 mit dem Archivprogramm "Sach-AV" erstellte Neuverzeichnung des Bestands wurde 2004 in das Programmformat "AIDA" übertragen, das seit 1997 vom Stadtarchiv benutzt wurde. Im Mai 2015 wurden die Datensätze von AIDA in die nunmehr verwendete Archivsoftware "Arcinsys" übertragen.