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StadtA GOE B 50 - Pol. Dir.

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

B 50 - Pol. Dir. - Polizeidirektion

Laufzeit

1782-1961

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners

Für sämtliche Polizeibereiche, besonders aber für die Fremdenpolizei, d. h. für die Erteilung und Nachprüfung von Pässen, Wanderbüchern und Legitimationsbescheinigungen, und die Aufsicht über Vagabunden und verdächtige Personen, bestand in Göttingen seit dem 18. Jahrhundert eine Polizeikommission (vgl. Hannoversche Staatskalender). An deren Stelle trat durch das Verfassungs- und Verwaltungsreglement für Göttingen vom 8. April 1831 (Hannoversche Gesetz- und Verordnungssammlung III, S. 39 ff., speziell § 152) ein vom königlichen Ministerium eingesetzter Polizeidirektor. Wohl auch als Antwort auf die Göttinger Unruhen vom Januar 1831 wurden durch das am 6. Mai 1831 erlassene Göttinger Polizeireglement sämtliche Polizeiaufgaben von der Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung über die Sitten-, Fremden- und Baupolizei bis zur Feuer-, Gesundheits- und Armenpolizei in seinen Händen vereinigt (§§ 69-132 Polizeireglement) und ihm insbesondere auch die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung gegenüber der Universität und ihren Angehörigen übertragen (§§ 28-30 Polizeireglement). Der königliche Polizeidirektor war Kraft Amtes Mitglied des städtischen Magistrats und der akademischen Gerichte (§ 7 Polizeireglement). Als beratendes und kontrollierendes Gremium stand ihm ein aus je drei Angehörigen des Magistrats und der Universität sowie dem Stadtkommandanten gebildeter Polizeirat zur Seite, dem der Polizeidirektor selbst auch angehörte (§§ 59-68 Polizeireglement) (Archivbibliothek: III A 8; Altes Aktenarchiv (AA), Stadtverwaltung, Stadtverfassung Nr. 21).

Diese erste königliche Polizeidirektion wurde als Folge der Revolution von 1848 mit Bekanntmachung des Ministeriums der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten vom 14. April 1848 aufgehoben, die städtische Polizei dem Magistrat übertragen und von der akademischen Polizei- und Disziplinargewalt wieder strikt getrennt. Die damit neugeschaffene erste städtische Polizeidirektion bestand bis 1859, als sie im Zuge der Beseitigung der Errungenschaften der Achtundvierzigerrevolution durch die Polizeiordnung für die Stadt Göttingen vom 25. Mai 1859 (Hannoversche Gesetz- und Verordnungssammlung I, S. 641 ff.) ihrerseits aufgelöst und erneut eine königliche Polizeibehörde mit der Behördenbezeichnung "Polizeidirektion Göttingen" geschaffen wurde. Diese unterstand unmittelbar der Landdrostei Hildesheim. Der Sprengel dieser Polizeidirektion umfasste die Stadt Göttingen und die umliegenden Gemeinden Weende, Nikolausberg, Roringen, Herberhausen, Geismar, Rosdorf und Grone. Ihre Kompetenz bestand grundsätzlich in der Wahrnehmung der gesamten Polizei im oben genannten Gebiet. Dabei sollte sie eng mit der weiterbestehenden Polizeigewalt des städtischen Magistrats - der dafür z. B. im Bau- und Forstbereich besondere Behörden unterhielt und eigene Schutzmänner, Nachwächter und Feldaufseher angestellt hatte - zusammenarbeiten.

Zwar hat man versucht, diese städtische Polizeigewalt (u. a. Handels- und Gewerbepolizei, Baupolizei, Feuerpolizei, Armenpolizei, Gesundheitspolizei) von der der Polizeidirektion näher abzugrenzen und hat dieser letzteren besonders die Paß- und Fremdenpolizei, das Verfahren gegen Vagabunden und Bettler, die Sorge für die Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die Überwachung von Vereinen, das Verfahren gegen unerlaubte Verbindungen und die Erlaubnis für öffentliche Tanzgesellschaften, Lustbarkeiten und Schaustellungen zugewiesen, doch sind in Einzelfällen ständig Kompetenzkonflikte zwischen städtischer und königlicher Polizeigewalt aufgetreten. Das hat in preußischer Zeit zu einem allmählichen Abbau der königlichen Polizeidirektion Göttingen beigetragen, bis diese zum 1. April 1900 gänzlich aufgehoben wurde. Mit Erlass vom 17. März 1900 wurde zu diesem Termin die gesamte Ortspolizei im Stadtgebiet der Stadtgemeinde übertragen (Preußische Gesetzessammlung, S. 51). Die Polizeigewalt über Weende, Nikolausberg, Roringen, Herberhausen, Geismar, Rosdorf und Grone erhielt der zuständige Landrat.

Als Konsequenzen aus der Übertragung dieser erweiterten Polizeibefugnisse auf die Stadt wurde durch Nachtrag vom 27. März 1900 in das Göttinger Ortsstatut vom 8. Februar 1898 die Bezeichnung "Polizeidirektion" (statt bisher "städtisches Polizeiwesen") eingeführt und die neue Behörde personell beträchtlich ausgebaut. Hatte das alte städtische Polizeiwesen aus einem Stadtwachtmeister, zwei bis drei Stadtwächtern und zwei Feldaufsehern bestanden, so wurde für die neue Behörde jetzt folgende Zusammensetzung beschlossen: ein Polizeikommissar (später: Polizeiinspektor), ein technischer Bürovorsteher des Baupolizeiamtes, ein Polizeiwachtmeister, 12 Schutzmänner und zwei Feldaufseher (AHR I A Fach 2 Nr. 23 Bd. 1). Sechs der Schutzmänner übernahm die Stadt aus staatlichem Dienst. Untergebracht war die neue Behörde zunächst in den von der Stadt angemieteten Räumen der bisherigen königlichen Polizeidirektion im Haus Kurze Straße 15 (Pol. Dir. Fach 3 Nr. 13). 1901/1902 residierte sie Kurze Geismar Straße 11, danach im neuerbauten Stadthaus in der Gotmarstraße (Adressbücher).

Die Zuständigkeit der städtischen Polizeidirektion umfasste im Sinne des traditionellen Polizeibegriffs sämtliche Bereiche des Ordnungswesens und der Gefahrenabwehr vom Verkehrswesen über die Ordnungs- und Sitten-, die Religions- und Schulpolizei, die Bau-, Gesundheits-, Handels- und Vereinspolizei bis hin zur Fremden-, Schutz-, Kriminal- und politischen Polizei. Zwar wurde die Polizeidirektion schon in den folgenden Jahren personell aufgestockt, zu einer grundlegenden organisatorischen Umgestaltung kam es aber erst 1929, als, um den gewachsenen und veränderten Aufgaben gerecht zu werden, die drei Abteilungen Verwaltungspolizei, Ordnungs- und Sicherheitspolizei sowie Kriminalpolizei gebildet wurden.

Mit der militärischen Niederlage des Deutschen Reiches am 9. Mai 1945 hörte auch die deutsche Polizei und damit die Polizeidirektion Göttingen auf zu bestehen. Noch im Mai 1945 begannen allerdings die Besatzungsmächte mit dem Neuaufbau einer demokratischen Polizei, wobei diese in der Britischen Zone bis 1946 eine Einrichtung der Besatzungsmacht blieb. Die Verordnung der britischen Militärregierung Nr. 57 vom 1. Dezember 1946 (Amtsblatt der Britischen Militärregierung Nr. 15, S. 344) machte dann den Weg zur Übernahme in deutsche Verantwortung zum 1. Januar 1947 frei. Ziel war dabei immer die Trennung der Schutz- und der Kriminalpolizei von der bisherigen Verwaltungspolizei, die auf der unteren Ebene auf die Kommunen übertragen wurde. Dieses Ziel wurde in der folgenden Gesetzgebung der Bundesländer umgesetzt, in Niedersachsen beginnend mit dem Gesetz vom 23. April 1947 (Nds. GVBl, S. 58). In Göttingen wurden für die kommunalisierten Bereiche zunächst drei getrennte Verwaltungseinheiten gebildet (Verwaltungspolizei, Gewerbepolizei und Straßenverkehrsamt), die 1949 im Ordnungsamt zusammengefasst wurden (Pol. Dir. Fach 3 Nr. 3).

Leiter der städtischen Polizeidirektion mit dem Titel eines Polizeidirektors waren zunächst die jeweiligen städtischen Syndici Hermann Bunge (1900 bis 1905), Dr. Ludwig Weber (1905 bis 1908), Dr. Paul Arnold (1908 bis 1909), Oskar Sempell (1909 bis 1911) und ab 1911 Dr. Paul Warmbold. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde Polizeidirektor Warmbold am 6. April 1933 durch Albert Gnade abgelöst, der als Gastwirt und ehrenamtlicher Senator zwar keinerlei fachliche Vorkenntnisse, als prominenter Göttinger Nationalsozialist aber die verlangte politische Zuverlässigkeit mitbrachte. Nachdem Gnade 1938 zum Oberbürgermeister ernannt worden war, wurde im folgenden Jahr die Polizeidirektion seiner unmittelbaren Verwaltung unterstellt und der hauptamtliche Beigeordnete Karl Ihle mit der Wahrnehmung der Geschäfte betraut. Nach Ihles Einberufung zum Kriegsdienst 1943 übernahm wiederum Gnade diese Funktion. Seit Oktober 1945 lag die Zuständigkeit für die Polizei, seit 1947 nur noch für die Verwaltungspolizei, bei den jeweiligen leitenden Verwaltungsbeamten (Oberbürgermeister bzw. Oberstadtdirektor) der Stadt (AHR I A Fach 10 Nr. 8 Bd. 1, 2; Pol. Dir. Fach 1 Nr. 2).

Bestandsgeschichte

Der Bestand "Polizeidirektion Göttingen" (Umfang: 41 lfd. Meter) wurde in drei Abgaben in das Stadtarchiv übernommen. Die erste Abgabe gelangte wahrscheinlich bereits vor 1945 aus der Polizeidirektion in das Archiv (AHR I A Fach 28 Nr. 31). Die zweite Übernahme mit 468 Aktenbänden erfolgte aus dem Ordnungsamt im Jahre 1953 (Göttinger Jahrbuch 4, 1956, S. 102), eine dritte Ablieferung gab das Ordnungsamt 1964 vor seinem Umzug aus dem Stadthaus an den Ritterplan an das Archiv ab (acc. 54/1964). Damals wurden im Archiv alle drei Abgaben zu einem einheitlichen Bestand formiert, wobei die Ordnung nach dem Registraturschema der Polizeidirektion mit Titel (römische Ziffern I-XXXIII), Fach (arabische Ziffern 1-200) und Nummer (arabische Ziffern) beibehalten und nach dem Vorbild eines im Ordnungsamt vorhandenen Aktenverzeichnisses ein Findbuch erstellt wurde. Die Abschnitte "Mobilmachung und Kriegswirtschaft 1914-1918/Nachkriegswirtschaft", "Demobilmachung und Erfüllung des Friedensvertrages" und "Personalsachen" (Titel XXVIII, XIX und XXX des Findbuches von 1964), die vermutlich bereits vor 1945 ins Archiv gelangt waren, sind dort künstlich gebildet worden. Das gleiche gilt für den Abschnitt "Kriminalpolizeistelle Hannover - Außenstelle Göttingen" (Titel XXXI des Findbuches von 1964), der die Meldungen der Außenstelle an die städtische Polizeidirektion bzw. für die Jahre 1949 bis 1951 des Polizeikreises/der Polizeiinspektion an die Stadtverwaltung enthält.

Die "Baupolizei" (Titel XX des Findbuches von 1964) wurde seit 1945 von verschiedenen städtischen Dienststellen, gegenwärtig vom Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, wahrgenommen. Da das Bauordnungsamt nach Abbruch von Gebäuden die jeweiligen Hausakten an das Archiv abgibt, wurde dieser Abschnitt aus dem ursprünglichen Aktenbestand der Polizeidirektion herausgelöst und als selbständiger Bestand C 75 - Baupolizei aufgestellt. In diesen Bestand werden die laufend abgegebenen Hausakten eingeordnet. Die "Rechnungen und Belege" (Titel XXXIII des Findbuches von 1964) aus den Jahren 1739 bis 1859 wurden unter den Signaturen AB Pol 1 bis Pol 7 in den Amtsbuchbestand eingearbeitet.

Der Bestand Polizeidirektion speist sich aus verschiedenen Provenienzen. Neben den Akten der städtischen Behörde zwischen 1900 und 1945, die den Hauptteil ausmachen, finden sich darin Unterlagen der königlichen Polizeidirektion aus der Zeit vor 1900. Außerdem wurden nach 1945 Akten des Ordnungsamtes, die frühere Aufgaben der Polizeidirektion betrafen, nicht provenienzgerecht in diesen Bestand aufgenommen. In der Regel wird aber Schriftgut aus der Registratur der Polizeidirektion, das nach 1945 von anderen städtischen Dienststellen, beispielsweise dem Ordnungsamt oder dem Umweltamt, fortgeführt wurde und immer wieder in Abgaben auftaucht, in die jeweiligen anderen Bestände eingeordnet. Die Akten, die seit 1989 in das Programm der Sicherungsverfilmung aufgenommen worden sind, dürfen nur als Mikrofilm benutzt werden (siehe Film-Nr. unter dem Aktentitel). Bei den Vorbereitungsarbeiten für die Verfilmung wurde die Laufzeit dieser Akten kontrolliert und vervollständigt.

Im Dezember 1991 wurde eine Abschrift des bis dahin vorliegenden Findbuches vorgenommen, die fortlaufend ergänzt und seit 1999 in das EDV-Programm "AIDA" eingegeben wurde. Dabei wurden bei Auffälligkeiten Aktentitel und Laufzeiten überprüft sowie ein Orts-, Personen- und Sachregister sowie ein Register der Film-Nummern angelegt. Den Vorgaben des Programms folgend wurde dabei die römische Titel-Zählung und ihre Untergliederung nach Großbuchstaben in eine Dezimalklassifikation überführt (aus IV A wird 4.1.). Durch den Wegfall der Titel XX "Baupolizei" und XXXIII "Belege und Register" ergab sich in der Ziffernfolge der Klassifikation gegenüber den früheren Titeln eine Verschiebung (der frühere Titel XXI "Feuerpolizei" wird zur Klassifikationsnummer 20 usw.), die aber für die Benutzung ohne Folgen ist, da die Titel nicht Teil der Signatur sind.

Göttingen, Dezember 2002

Siehe

Korrespondierende Archivalien

Der Aktenbestand der beiden Vorgängerbehörden "Königliche Polizeidirektion" lagert im Hauptstaatsarchiv Hannover unter der Signatur Hann. 87 Göttingen (Laufzeit 1702 bis 1919). Eine Kopie des Findbuches zu diesem Bestand ist im Stadtarchiv Göttingen unter der Signatur H 8 vorhanden. Die Unterlagen der städtischen Polizeigewalt im 18. und 19. Jahrhundert einschließlich der ersten städtischen Polizeidirektion liegen vornehmlich im hiesigen Bestand Altes Aktenarchiv (AA), Protokolle über verhängte Polizeistrafen, Diarien über Einnahmen der verschiedenen Polizeidirektionen, ihre Jahresrechnungen und die Belege dazu finden sich in der Abteilung Amtsbücher (AB) unter der Signatur Pol 1-7.

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Der Bestand wurde mit Hilfe des EDV-Archivprogramms "AIDA" erschlossen. Die Datensätze dieses Bestandes wurden im Mai 2015 von AIDA in die nunmehr verwendete Archivsoftware "Arcinsys" übertragen.