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StadtA GOE Dep. 85

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Dep. 85 - Nachlass Kelterborn

Laufzeit

1903-1967

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners

Das in diesem (Teil-)Bestand des Depositums vereinigte Schriftgut dokumentiert die vielfältigen Aktivitäten des Göttinger Kaufmanns und Verlegers Ernst Kelterborn (geb. 20. Januar 1877, gest. 9. Oktober 1967).

Im Rahmen seiner 1900 begonnenen Geschäfte, die er ab 1912 von dem bis zuletzt beibehaltenen Büro in der Jüdenstraße 20 aus führte, gründete er zahlreiche Verbände und Vereine von teilweise überregionaler Bedeutung oder war bei ihnen Mitglied. Allein 12 Fachzeitschriften der Wirtschaft, des Gewerbes und des Verkehrs brachte der gelernte Buchhändler in seinem eigenen "Internationalen Zeitschriften-Verlag" heraus. Neben dem Verlag unterhielt er in der Jüdenstraße 20 noch ein Wach- und Schließinstitut, ein Reinigungs- sowie ein Blitz-Eilboten-Institut.

Ernst Kelterborn begann 1907 mit dem Aufbau eines Reisebüros und rief mit Kollegen nach einer Vorläuferorganisation, dem "Centralverband der Reisebüros", 1914 den "Internationalen Verband der Reisebüros" ins Leben. Dieser wollte durch den Zusammenschluss von gewerblichen Reisebüros die gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder in der Öffentlichkeit vertreten und den Fremdenverkehr fördern. Der Verband hatte seinen Sitz in Berlin und seine Hauptgeschäftsstelle in Göttingen. Landesgeschäftsstellen unterhielt er bei Reisebüros in London, Paris, Neapel, Wien und Budapest. In seiner Funktion als Geschäftsführer des Verbandes erledigte Ernst Kelterborn von Göttingen aus die gesamte Korrespondenz. Es entstanden weltweite Kontakte zu Reiseveranstaltern, Reisebüros und Hotels.

So bildet denn auch Kelterborns Tätigkeit für den "Internationalen Verband der Reisebüros", dessen Arbeit in der NS-Zeit zum Erliegen kam, den Schwerpunkt der Überlieferung dieses Bestandes. Zahlreiche Prospekte, Fotos, Ansichtskarten von beliebten, damals schon relativ gut erschlossenen Reisezielen des In- und Auslands vermitteln den Eindruck eines Tourismusangebots, das eher auf Luxusbedürfnisse zugeschnitten war und gehobenen Gesellschaftskreisen vorbehalten blieb. Gleichwohl wurde hier schon dem modernen Massentourismus der Weg geebnet.

Außerhalb dieser internationalen Beziehungen vermochte Ernst Kelterborn aber auch dem lokalen Umfeld seinen Stempel aufzudrücken. Über den von ihm gegründeten, 1934 verbotenen, 1949/50 kurzzeitig reaktivierten Bürgerverein versuchte er Einfluss auf die Kommunalpolitik zur Bewältigung stadtplanerischer Probleme zu nehmen. In leitenden Funktionen vertrat er unter anderem die Interessen der Holzberechtigten in der "Holzberechtigten Bürgerschaft zu Göttingen" und der Radfahrer im "Verein für Radfahrwege für Göttingen und Umgegend e.V." Auch als Autor tat sich Ernst Kelterborn mit verschiedenen Beiträgen zur Heimatgeschichte hervor, die er größtenteils selbst verlegte.

Nach dem 2. Weltkrieg blieb Kelterborn dem Wirtschafts- und Geschäftsleben verbunden. Er betrieb eine Verlags- und Versandbuchhandlung sowie eine Anzeigenvermittlung, später kam noch Dia- und Filmwerbung hinzu. Sein Sohn Gerhard zeichnete im gleichen Haus (weiterhin, seit 1938) für das Reisebüro verantwortlich.

Ernst Kelterborns Versuch, die Reisebüro-Verbandsarbeit wiederaufzunehmen und mitzugestalten, waren jedoch Grenzen gesetzt: aus dem Vorstand der "Wirtschaftsgenossenschaft internationaler Reisebüros" als Nachfolgeorganisation des "Internationalen Verbandes der Reisebüros" schied er 1951 aus und kündigte 1953 seine Mitgliedschaft in dem neuen Verband.

Die durch seinen Sohn Gerhard fortgesetzte unternehmerische Tätigkeit der Kelterborns in Göttingen fand 1989 ihr Ende mit der Übergabe des Reisebüros an die Firma Engelbrecht Reisen und Tagungsorganisation.

Bestandsgeschichte

Die hier vorliegenden Unterlagen (ca. 3,5 lfd. Meter) wurden dem Stadtarchiv 1996 von Gerhard Kelterborn aus den früheren Geschäftsräumen des Reisebüros und Verlags in der Jüdenstraße 20 übergeben (Acc. Nr. 1312/1996). Das Stadtarchiv hatte vor Ort Entscheidungen über die Archivwürdigkeit des angebotenen Materials getroffen, ein Großteil der damals zur Aussonderung anstehenden Geschäftsunterlagen wurde nicht berücksichtigt.

Der Bestand umfasst einen Zeitraum vom ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts bis 1967, dem Todesjahr Ernst Kelterborns. Bedingt durch die Einschränkung der Arbeit in der NS-Zeit mit der Einstellung der Verlagstätigkeit ist die Überlieferung dieser Periode eher spärlich.

Das Findbuch wurde mit dem EDV-Archivprogramm "AIDA" erstellt; zu beachten ist hier insbesondere die Erschließung und Registrierung vieler Unternehmen und Betriebe der Reisebranche aus etwa zwei Jahrzehnten Tätigkeit des "Internationalen Verbandes der Reisebüros".

Eine Verknüpfung zu Band 1 des Depositums ist nicht erfolgt. Dieses vor Einführung der EDV geschriebene Findbuch hat eine andere Einteilung und andere Inhalte als das AIDA-Findbuch. Vorwiegend sind dort Zeitungsausschnitte mit lokal- und regionalgeschichtlichen Themen gesammelt. Auch Ernst Kelterborns Arbeit an seinen heimatgeschichtlichen Aufsätzen ist dokumentiert. Korrespondenzen finden sich kaum. Der Umfang dieses nur grob erschlossenen Nachlass-Teils beträgt ca. 10 lfd. Meter; er ist nicht bewertet und dürfte archivisch von sekundärer Bedeutung sein.

November 2000

Literatur

Verschiedene Zeitungsartikel über Ernst Kelterborn zu Geburtstagen im "Göttinger Tageblatt" (19. Januar 1952: 75 Jahre; 19./20. Januar 1957: 80 Jahre; 20./21. Januar 1962: 85 Jahre; 19./21./22. Januar 1967: 90 Jahre); Nachruf im "Göttinger Tageblatt" vom 11. Oktober 1967)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Der Bestand wurde mit Hilfe des EDV-Archivprogramms "AIDA" verzeichnet. Die Datensätze dieses Bestandes wurden im Mai 2015 von AIDA in die nunmehr verwendete Archivsoftware "Arcinsys" übertragen.