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StadtA GOE B 62

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

B 62 - Städt. Alten- und Pflegeheime

Laufzeit

1883-1999

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners

Die Versorgung und Betreuung von alten und kranken Menschen gehört schon seit Jahrhunderten zu den Aufgaben eines städtischen Gemeinwesens, wenn auch ihre gesellschaftliche Bedeutung wegen der höheren Lebenserwartung und der Aufweichung traditioneller Familienstrukturen vor allem in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen ist.

So hat die Stadt Göttingen im 20. Jahrhundert lange Zeit mehrere Altenheime nebeneinander betrieben und verwaltet. Diese sind teilweise aus privaten, noch in den Bezeichnungen der Heime präsenten Stiftungen entstanden. Ihre historischen Wurzeln reichen mitunter bis ins Mittelalter zurück, wo man indessen kaum noch eine Trennungslinie zur institutionellen Krankenhilfe auszumachen vermag (vgl. den Bestand "Hospitäler und Stiftungen").

Bei den städtischen Altenheimen des 20. Jahrhunderts, um die es hier geht, handelt es sich meist um kleinere Einrichtungen, die nach und nach wegen Unwirtschaftlichkeit geschlossen oder privatisiert wurden. Für erforderliche Modernisierungen, Umbauten etc. aufgrund gestiegener objektiver Anforderungen (z. B. durch Einführung der Pflegeversicherung 1995) und individueller Ansprüche fehlten der Stadt zuletzt sowohl die finanziellen Mittel als auch die Investitionsbereitschaft. Außerdem stagnierte mit zunehmender Konkurrenz durch andere Betreiber die Nachfrage in einzelnen Häusern. Man entschloss sich deshalb im ausgehenden 20. Jahrhundert, die Kräfte zu bündeln und eine zeitgemäße altengerechte Versorgung - insbesondere auch im pflegerischen Bereich - von städtischer Seite nur noch in einem Heim (Altenzentrum Saathoffplatz, seit 2006 Seniorenzentrum Göttingen) anzubieten. Dieser Zustand ist nach Aufgabe aller anderen städtischen Altenheime seit Mitte 1995 verwirklicht.

Die einzelnen Heime, deren Schriftgut sich in diesem Bestand wiederfindet, seien hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit der Daten kurz skizziert (vgl. Bestell-Nr. 101 und Aufstellung vom 19. August 1970 in Bestell-Nr. 232; Bezeichnung und Schreibweise können im Laufe der Zeit variieren: man begegnet z. B. früher immer wieder der Bezeichnung "Altersheim", während heute "Altenheim" üblich ist):

Drewes-Stift (Am Goldgraben 14):
Gebäude 1908 errichtet; ab 1. Oktober 1932 Altenheim, zunächst privat geführt ("Vereinigung für Altersfürsorge e. V. in Göttingen"); nach dem 2. Weltkrieg unter städtischer Leitung, zum 1. Oktober 1991 geschlossen; seit 1. Dezember 1991 von der Stadt an den Verein "Freie Altenarbeit Göttingen e. V." vermietet, der dort mit einer Altenwohngemeinschaft neue Formen des gemeinsamen Wohnens im Alter praktiziert.

Walther-Richter-Stift (Dahlmannstraße 11):
1913 erbaut; seit dem 1. Oktober 1955 als Altenheim genutzt, Schließung am 31. März1992.

Haus Daheim (Theaterstraße 15):
1943 als privates Altenheim errichtet; ab 1. April 1948 in städtischer Verwaltung; Oktober 1955 durch Umzug der Bewohner zur Dahlmannstraße 11 aufgegangen im Walther-Richter-Stift.

Gudenberg- und Geschwister-Reinhold-Stift (häufig auch: "Geschwister-Reinhold- und Gudenberg-Stift" o. ä., Reinhäuser Landstraße 66/68):
Ursprünglich getrennte Einrichtungen (Geschwister-Reinhold-Stift: 1897/98 erbaut; seit 1. Oktober 1898 Altenheim, Umbau 1968 bis 1970; Gudenberg-Stift: 1967 bis 1970 erbaut; seit 1970 Nutzung als Alten- und Pflegeheim); nach Ratsbeschluss vom 11. Dezember 1970 Begründung einer gemeinsamen Stiftung für die unmittelbar aneinander grenzenden Heime; ab 1. Juni 1994 befristete Vermietung (bis 31. Mai 1995) an die Firma "ALPEG Alten- und Pflegeheim Göttingen Betriebsgesellschaft mbH", Auflösung der Stiftung; 1995 Verlegung der Bewohner/-innen zum Altenzentrum Posthof nach Fertigstellung des dortigen Neubaus, keine Nutzung als Alten- und Pflegeheim mehr; 1999 Verkauf des Grundstücks an die Städtische Wohnungsbau GmbH Göttingen, die dort ihren Verwaltungssitz nimmt und Altenwohnungen in einem Neubau vermietet ("Betreutes Wohnen").

Holborn-Stiftung (Rote Straße 34):
Stiftung besteht seit 1905; ursprünglicher Zweck "Unterkunft für bedürftige Angehörige der besseren Stände"; Altenheim für Frauen; der Stiftungszweck ist spätestens seit den 50er/60er Jahren des 20. Jahrhunderts nicht mehr erfüllt; heute Nutzung des Gebäudes durch die Stadtarchäologie.

Stift St. Crucis (Kreuzstift, Gartenstraße 13):
Haus 1877 erbaut; seit 1. April 1907 Altenheim für Frauen, aus dem vor 1877 bereits existierenden Hospital St. Crucis (Hospitalstraße 11) hervorgegangen; wie bei der Holborn-Stiftung nur Wohnungen für alte Menschen, keine sonstigen altenpflegerischen Leistungen; 1981 Räumung des Hauses, Abgabe der Verwaltung an das Amt für Wohnungswesen.

Altenheim Schillerstraße 6/8:
Am 1. Januar 1975 Ankauf und Übernahme des zuvor vom "Altenclub Göttingen e. V." (gegründet 1964) betriebenen, 1970 errichteten Heims durch die Stadt; Einstellung des Betriebs und Schließung des Heims am 30. Juni1995.

Altenheim "Dr. Anna Sjögren" (Düstere Eichenweg 19):
Haus 1928 erbaut; seit 1. August 1949 als Altenheim geführt; am 28. Februar 1977 geschlossen.

Altenheim "Lise Amrhein" (Keplerstraße 14):
Schenkung des 1907 erbauten Hauses an die Stadt durch Frau Elise Amrhein (Schenkungsvertrag vom 8. Juli 1948 zur Errichtung eines Altenheims für Frauen); seit dem 1. November 1950 Nutzung als Altenheim; Schließung am 30. April 1986, Umzug der Bewohnerinnen in das Alten- und Pflegeheim Gudenberg- und Geschwister-Reinhold-Stift.

Altersheim/Wohlfahrtsheim Angerstraße 2:
Ursprung: Armen-Arbeitshaus im 19. Jahrhundert; als "Städt. Wohlfahrtsheim" vor dem 2. Weltkrieg "Altersheim für ledige Männer und Frauen, auch für Pflegebedürftige" mit dem "Charakter eines Armenhauses" (Bestell-Nr. 203); Unterbringung von armen, geisteskranken und obdachlosen (alten) Menschen; 1965 Umbenennung des Wohlfahrtsheims in "Altersheim Angerstr. 2"; zum 31. März 1970 Schließung des Heims, Verteilung seiner Bewohner auf andere Heime; Altenbegegnungsstätte noch bis 31. Dezember 1972; Abbruch des Hauses im Januar 1974.

Altfrauenhaus (Siechenhaus, Düstere Straße 19):
Als "Siechenhaus" für arme alte und arbeitsunfähige Menschen im 19. Jahrhundert gegründet; etwa vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1920 "Arbeiterwohnhaus", dann Altersheim für alte Frauen (freie Wohnung ohne Verpflegung); mit Wirkung vom 1. Januar 1959 in das Eigentum der St. Johannis-Kirchengemeinde übergegangen, später von der Stadt zurück erworben, jedoch nicht mehr als Altenheim betrieben.

Stadtkrankenhaus (Groner Landstraße 75):
1912 errichtete frühe Form eines Pflegeheims "für chronisch Kranke" und zur Behandlung von Alterskrankheiten mit ständiger (stadt-)ärztlicher Betreuung; Vorgänger: Städtisches Hospital am Waageplatz, vor 1882 Stadtkrankenhaus am Albanitor; Neubau 1966; seit 1991 "Altenzentrum Posthof", ab 1. Juli 1993 in privater Trägerschaft.

Altenzentrum Saathoffplatz:
Eröffnung des Heims am 1. Oktober 1981 (Vereinigung von Altenbetreuung und Pflegeeinrichtungen); Umstrukturierung und Weiterführung unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten in mehreren Schritten ab Mitte der 1990er Jahre (budgetiertes Amt mit erweitertem Verantwortungsbereich 1995, Nettoregiebetrieb 1996, gGmbH 2005); 2006 Umbenennung des Saathoffplatzes in Ingeborg-Nahnsen-Platz, ebenso Umbenennung des Heims in "Seniorenzentrum Göttingen".

Das Sozialamt der Stadt (vor 1946: Wohlfahrtsamt) war als Heimträger für die Verwaltung der Heime bis zu ihrer Auflösung verantwortlich, zuletzt durch seine Abteilung "Städtische Alten- und Pflegeheime" (50.5; 50 = Kennziffer für das Sozialamt, 5 = Kennziffer für die Abteilung). Die jeweiligen Heimleitungen, die die Abläufe vor Ort zu regeln hatten, mussten bei Anschaffungen, baulichen Veränderungen, Aufnahme von Bewohnern etc. mit dem Sozialamt Rücksprache nehmen, das z. B. die Zuteilung der Geldmittel und Verträge mit den Heimbewohnern vornahm.

Durch die Schließung der Heime büßte die Abteilung 50.5 des Sozialamtes ihre Funktion ein - auch hatte sich das Altenzentrum Saathoffplatz verselbständigt (s. o.) - und erhielt 1996 einen anderen Aufgabenzuschnitt ("Förderung der Wohlfahrtspflege, Alten- und Behindertenhilfe"). Zum 1. August 1997 wurde sie mit der Abteilung 50.4 ("Hilfe für Kriegs- und Wehrdienstopfer/Schwerbehindertengesetz") zur neuen Abteilung 50.4 ("Wohlfahrtspflege, Alten- und Behindertenhilfe") zusammengelegt. Diese existiert heute als Fachdienst mit ähnlicher Aufgabenstellung fort. Bei den geschlossenen Heimen im Eigentum der Stadt übernahm das städtische Liegenschaftsamt die weitere Verwaltung mit der Maßgabe, nach neuen Verwendungs- oder Vermietungsmöglichkeiten für die Häuser zu suchen.

Bestandsgeschichte

Der Bestand setzt sich zunächst aus verschiedenen Abgaben von den (größtenteils aufgelösten) Registraturen der Alten- und Pflegeheime zusammen. Das Stadtarchiv hat die meisten städtischen Heime Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Schließungen besucht und dort archivwürdiges Schriftgut gesichert.

Wegen der größtenteils nicht strukturierten Schriftgutverwaltung in den Heimen ließen sich archivwürdige Inhalte nur schwer erkennen. Korrespondenzen waren bruchstückhaft; den Hauptanteil der schriftlichen Quellen stellte kassables, von Heim zu Heim sich wiederholendes Massenschriftgut (Rechnungen; Dienstpläne des Personals etc.). Heimchroniken waren so gut wie nicht vorhanden. Insgesamt schien im Dienstablauf der jeweiligen Heimleitungen die Schriftgutverwaltung von untergeordneter Bedeutung zu sein, da der entscheidende Schriftverkehr ja auch vom Sozialamt ausging und hier dokumentiert ist. Folgerichtig erstreckt sich die Bestandsbildung auch auf die einschlägigen Unterlagen des Sozialamtes (Generalakten und Abteilungs-Akten) und seiner Vorläufer (Wohlfahrtsamt und - stellenweise - Magistrat/Alte Hauptregistratur) als zuständiger städtischer Dienststellen, soweit diese Aktenvorgänge noch nicht (findbuchmäßig) erschlossen waren. So sind z. B. Einzelfall-Akten von Heimbewohner(n)/innen im Sozialamt geführt worden und in einer repräsentativen Auswahl (ca. 0,7 lfd. Meter) im Bestand verwertet.

Material aus dem schon vorhandenen Bestand "Alte Hauptregistratur" (AHR) ist ebenso wenig berührt wie der Bestand "Stadtbauamt", so dass die ältere und ergänzende Überlieferung (im wesentlichen vor 1945) dort weiterhin zu suchen wäre (AHR vor allem in den Abschnitten I G "Stiftungen" und I H "Armenwesen"; Stadtbauamt Abt. I Fach 12 und Fach 15). Zeitliche und - im Falle der "Alten Hauptregistratur" - auch sachliche Überschneidungen zum vorliegenden Bestand können dabei nicht umgangen werden. Unterlagen des Sozialdezernats (Dez. V, nach 1945) zum Thema verbleiben ebenfalls im dezernatseigenen Bestand. Für weitere Forschungen heranzuziehen sind evtl. auch noch Akten des Liegenschaftsamtes (stadteigene Grundstücke), des Hochbauamtes (bauliche Unterhaltung der Heime) sowie der Stadtkämmerei (Stiftungen).

Es sei nochmals klargestellt, dass nur die von städtischer Seite betriebenen Einrichtungen, nicht jedoch private, kirchliche oder ähnliche Altenheime in Göttingen im Bestand vertreten sind. Dieser ist als abgeschlossen zu betrachten, da in Zukunft nur noch vom Altenzentrum Saathoffplatz (Seniorenzentrum) Schriftgut zu erwarten ist. Wegen der besonderen und veränderten, vom Sozialamt (heute: Fachbereich Soziales) losgelösten Rechtsform dieses Heims sollte dafür jedoch ein eigener Bestand gebildet werden.

Somit sind bei einer Laufzeit von 1883 bis 1999 mit Schwerpunkt nach dem 2. Weltkrieg ca. 10 lfd. Meter Schriftgut im Bestand verarbeitet und erschlossen (Anteil der Unterlagen aus den Heimen selbst: ca. 30 %). Es handelt sich um folgende Akzessionen oder Teile davon: 407/1977, 434/1978 und 510/1979, 905/1988, 1052/1991, 1074/1991, 1106/1992, 1180/1993, 1223/1994, 1229/1994, 1282/1995, 1395/1998, 1466/1999, 1633/2002, 1661/2003, 1664/2003, 1669/2003, 1672/2003, 1693/2003, 1701/2003, 1821/2006, 1932/2008, 1936/2008, 1938/2008, 1987/2009.

Dezember 2006 und 2009

Literatur

Bernd H. Mühlbauer, Krankenhaus- und Unternehmensberatung: Organisations- und Wirtschaftlichkeitsanalyse der Alten- und Pflegeheime der Stadt Göttingen, Endbericht, Dortmund, den 15. Januar 1991 (Bibl. Sign. B 400)

Facetten des Alters. Gestern - Heute - Morgen. Ein Göttinger Stadt-Lesebuch. Hg. von Martin Heinzelmann - Geschichtswerkstatt Göttingen e. V. -, Göttingen 2002 (Bibl. Sign. A 1147)

Martina Mußmann: Kommunale Altersfürsorge in Göttingen am Beispiel der Gründung des Geschwister-Reinhold-Stifts, in: 100 Jahre Göttingen und sein Museum, hg. v. Städt. Museum Göttingen, Göttingen 1989, S. 117 ff. (Bibl. Sign. A 576)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Der Bestand wurde mit Hilfe des EDV-Archivprogramms "AIDA" im Laufe des Jahres 2006 mit Ergänzungen im Jahre 2009 erschlossen. Die Datensätze dieses Bestandes wurden im Mai 2015 von AIDA in die nunmehr verwendete Archivsoftware "Arcinsys" übertragen.