Drucken

WirtA BS NWA 6

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Reichswerke Hermann Göring

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung

Das NS-Regime beschloss im Rahmen seiner Autarkiebestrebungen und Kriegsvorbereitungen die Verwertung der lange als unrentabel eingestuften Erzvorkommen im Salzgittergebiet. Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Hermann Göring, befahl am 15. Juli 1937 die Gründung der "Hermann-Göring-Werke". Während des Zweiten Weltkriegs wuchsen die Reichswerke zum wohl größten Konzern der Welt mit zeitweise über 600 000 Beschäftigten, davon zahllose Zwangsarbeiter. Nach Kriegsende verfügte die britische Besatzung Demontagemaßnahmen und eine Entflechtung des Riesenkonzerns. Mit Wirkung zum 1. Januar 1953 wurde die Liquidation der Reichswerke beschlossen.

Geschichte des Bestandsbildners

Bereits für das Jahr 1311 lässt sich nachweisen, dass im Salzgittergebiet Eisenerz gefördert und verhüttet wurde. Die Größe des Salzgitter Erzvorkommens wurde seit den 1840er Jahren auf Veranlassung der Regierungen in Braunschweig und Hannover erkundet. Dies führte zum Aufbau von Hütten und Eisenverarbeitungsanlagen in Salzgitter-Bad und Othfresen. Nach der Annexion Elsaß-Lothringens infolge des Deutsch-Französischen Krieges gerieten diese Werke aber in Konkurrenz zu den erheblich günstiger produzierenden lothringischen Stahlerzeugern und wurden stillgelegt. Im begrenzten Umfang ging die Erzförderung aber auch danach weiter, um die Ilseder Hütte zu versorgen. Nach dem Verlust Elsaß-Lothringens durch den Versailler Vertrag kamen in den 1920er Jahren erneut Pläne auf zu einer großangelegten Nutzung der Salzgitter Erzvorkommens auf.

Die Umsetzung dieser Pläne erfolgte aber erst im Dritten Reich. Das NS-Regime beschloss 1937 im Rahmen seiner Autarkiebestrebungen und Kriegsvorbereitungen die Verwertung der lange als unrentabel eingestuften Erzvorkommen im Salzgittergebiet. Dank eines neuen, vom amerikanisch-deutschen Bergbauspezialisten Hermann A. Brassert entwickelten Verfahrens waren die Voraussetzungen dafür gegeben. Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Hermann Göring, befahl am 15. Juli 1937 die Gründung der "Hermann-Göring-Werke". Die Gesellschaft wurde am 29. Juli 1937 als "Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten Hermann Göring", Berlin, in das Handelsregister in Berlin mit einem Grundkapital von 5 Mio. Reichsmark eingetragen. Staatssekretär Paul Körner wurde Aufsichtsratsvorsitzender und Paul Pleiger mit der Leitung der Reichswerke beauftragt.

Das Unternehmen war eine Gründung des "Amtes für Deutsche Roh- und Werkstoffe", verantwortlich dafür war die Abteilung IV/1 (Abt. Bergbau und Energiewirtschaft) unter der Leitung von Paul Pleiger. Aus dieser Abteilung gingen eine Reihe leitender Personen der Reichswerke hervor. Aufgrund der deutschen Expansion 1938/39 (Österreich und Tschechoslowakei) dehnte sich der Konzern erheblich aus. Deshalb wurde am 7. Juli 1939 als Holding-Gesellschaft die Firma AG Reichswerke "Hermann Göring" gegründet.

Bis zum Juni 1941 blieb der Sitz der Hauptverwaltung der Reichswerke Berlin in Personalunion mit dem dortigen "Amt für Deutsche Roh- und Werkstoffe" verbunden. Die dann erfolgte Verlegung nach Salzgitter-Drütte geschah im Rahmen der am 17. Januar 1941 beschlossenen Aufteilung der Unternehmen der Reichswerke in drei Blöcke: Montan-, Waffen- und Schifffahrtsblock (NWA 2 Nr. 6901). Diese Blöcke wurden der AG Reichswerke als Holding unterstellt. Die Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten wurde der Montanblock-Holding, der Reichswerke AG für Berg- und Hüttenbetriebe, untergeordnet und ihr Aufgabengebiet ausdrücklich auf das Salzgitter-Gebiet beschränkt.

Am 15. Juli 1941 zog die Hauptverwaltung der Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten von Berlin-Halensee in das Hauptverwaltungsgebäude in Drütte um. Fortan gab es zwei Verwaltungsgebäude: Den sog. Glaspalast in Watenstedt, der im April 1938 bezogen wurde, und die Hauptverwaltung in Drütte, das heute der Salzgitter AG als Verwaltungsgebäude dient. Durch einen Fliegerangriff am 15. März 1944 wurde der "Glaspalast" völlig zerstört. Hier liegt der Grund für die große Lücke in der Überlieferung des Arbeits- und Sozialsektors (Personalakten). Während des Zweiten Weltkriegs hatten die Reichswerke zeitweise über 600 000 Beschäftigte. Der Zwangsarbeiteranteil betrug dabei ab 1943 wohl über die Hälfte.

Nach Kriegsende verfügte die britische Besatzung Demontagemaßnahmen und eine Entflechtung des Riesenkonzerns. Mit Wirkung zum 1. Januar 1953 wurde die Liquidation der Reichswerke beschlossen (vgl. NWA 2 Nr. 10100). (Grundlagen: "Vorschlag zur Neuordnung des Reichswerke-Komplexes gemäß Gesetz 27" der Militärregierung vom 15. August 1952 und "Memorandum zur Neuordnung des Reichswerke-Komplexes" vom 17. Oktober 1952, vgl. NWA 2 Nr. 10109). Das Vermögen der Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten wurde auf die AG für Berg- und Hüttenbetriebe übertragen, die als alte und neue Holding dem Konzern vorangestellt wurde. Am 1. Januar 1953 überführte man die Stahl- und Walzbetriebe und andere Konzernbereiche nach und nach in die seit dem 23. März 1950 bestehende "Hüttenwerk Salzgitter GmbH" bzw. nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft Hüttenwerk Salzgitter AG. (Detailliertere Angaben zur Konzernentwicklung und vor allem des Konzernarchivs bis 1970: Gisela Eckert, Das Konzern-Archiv der Salzgitter AG, in: Archiv und Wirtschaft. 3. Jg. 1970 Heft 1/2, S. 8-23).

1970 fusionierte die Salzgitter AG mit der Ilseder Hütte zu den "Stahlwerken Peine-Salzgitter". Zum 1. Oktober 1989 wurde die bundeseigene Salzgitter AG an die Preussag verkauft. Im Frühjahr 1998 wurde der inzwischen Salzgitter AG genannte Konzern von Land Niedersachsen und Nord/LB vorübergehend übernommen und am 2. Juni 1998 an die Börse gebracht. Die Archive der Reichswerke und der Salzgitter AG blieben jedoch im Besitz der Preussag, aus der im Jahre 2000 die TUI AG hervorging.

Stand: April 2007

Bestandsgeschichte

In Absprache mit dem Unternehmensarchiv der TUI AG wurde dieses Schriftgut der Reichswerke und der Salzgitter AG 2005 dem Niedersächsischen Wirtschaftsarchiv zur Bewertung und Übernahme angeboten. Im Januar 2006 wurden die als archivwürdig eingestuften Akten der Reichswerke Hermann Göring und der alten (bis 1998 existierenden) Salzgitter AG vom Niedersächsischen Wirtschaftsarchiv als Depositum übernommen. Da sich auch die alte Salzgitter AG nicht als Rechtsnachfolgerin der Reichswerke sah, erfolgte die Aufteilung der Archivalien in zwei verschiedene Bestände aufgeteilt. Eine absolut "saubere" Trennung war aufgrund der vielfältigen inhaltlichen Überschneidungen nicht möglich, so dass anzuraten ist, stets auch den Bestand NWA 2 (Salzgitter-Konzern) mit in die Forschungen einzubeziehen. Um eine aufwändige Umlagerung im Magazin zu vermeiden, bilden die Archivalien der Reichswerke zwar den Bestand NWA 6, sind jedoch im Magazin im Bestand NWA 2 zu finden und zu bestellen.

Eine provenienzgerechte Gliederung der Akten nach einzelnen Konzernbereichen war nicht immer möglich und auch eine sachthematische Zuordnung machte teilweise erhebliche Schwierigkeiten, weil häufig mehrere Sachbereiche berührt werden. Um hier eine forschungsfreundliche Lösung zu finden und vor allem auch die Besonderheit der enormen Expansion der Reichswerke während des Zweiten Weltkriegs hervorzuheben, wurde der Bestand in einen chronologisch-geographischen und einen sachthematischen Teil klassifiziert. Dieser Gliederungsansatz ist nicht immer stringent durchzuhalten gewesen, ist aber ein annehmbarer Kompromiss, um Zusammenhänge der Konzernentwicklung deutlich zu machen. Gliederung und vor allem der umfangreiche Index können auch hier dem Benutzer den Zugriff auf relevantes Material erleichtern. Schwierigkeiten machte mitunter auch die Sortierung zusammenhängender Archivalien in der Reihenfolge ihrer Bandzählung. Über den Index und die Kennzeichnung einzelner Bände in der Bestellsignatur durch nach Schrägstrich angehängte Bandnummern sind diese Zusammenhänge aber leicht erkennbar.

Der Bestand wurde von Herrn Jochen Druckenbrodt, Frau Elke Weyershausen und Frau Margit Zeitl mit dem elektronischen Archivalienerschließungsprogramm AIDA der Niedersächsischen Archivverwaltung verzeichnet und indiziert. Dr. Martin Fimpel führte die Fachaufsicht und nahm die Schlussredaktion vor. Die Stiftung Niedersächsisches Wirtschaftsarchiv Braunschweig dankt der Bundesagentur für Arbeit für die bewilligten Fördermaßnahmen zur Erschließung dieses für die deutsche und europäische Wirtschaftsgeschichte wichtigen Archivbestandes.

Wolfenbüttel, April 2007

Dr. Martin Fimpel

Abkürzungen

Abkürzungen wurden mit Blick auf die Benutzerfreundlichkeit und die sonst erschwerten EDV-Recherchemöglichkeiten weitgehend aufgelöst. Nur folgende Abkürzungen werden häufiger verwendet:

HGW Hermann Göring Werke

Dt. Deutsche

Ges. Gesellschaft

Literatur

Wolfgang Benz (Hrsg.), Salzgitter, Geschichte und Gegenwart einer deutschen Stadt 1942 - 1992, Verlag C. H. Beck München, 1992.

Erich Bünte (u.a.), Zwischen Gesetz und Gewissen. Die Polizei und die Demontage der Reichswerke in Salzgitter 1950, Braunschweig 2006.

Gisela Eckert, Das Konzern-Archiv der Salzgitter AG, in: Archiv und Wirtschaft 3 Jg. Heft 1/2 1970, S. 8-23.

Karl Fallend, Sklavenarbeit in den Reichswerken Hermann Göring am Standort Linz, Wien 2001.

Joseph König, Wirtschaftsgeschichtliche Quellen im Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel, in: Archiv und Wirtschaft 3 Jg. Heft 1/2 1970, S. 1-7.

Heinz Kolbe, Die Geschichte des Eisenerz-Bergbaus in Salzgitter, 1. Teil, darin: Die Reichswerke-Gründung 1937 und die Aufbauphase des Eisenerz-Bergbaus bis zum Zusammenbruch nach 1945 (S. 63 - 78), in: Salzgitter-Jahrbuch Bd. 4, 1982, S. 39 - 115.

Heinz Kolbe, Die Geschichte des Eisenerz-Bergbaus in Salzgitter, 2. Teil, in: Salzgitter-Jahrbuch Bd. 5, 1983, S. 7 - 91.

Heinz Kolbe, Die Geschichte des Eisenerz-Bergbaus in Salzgitter, 3. Teil, in: Salzgitter-Jahrbuch Bd. 6, 1984, S. 8 - 75.

Bernd Koltrowitz u.a., Die Gründung der Reichswerke "Hermann Göring" und der Stadt Watenstedt-Salzgitter (1937-1945). (Quellen zur Geschichte Salzgitters 1), Salzgitter 1991.

Dieter Lent, Das Land Braunschweig im Zweiten Weltkrieg, darin: Stahlwerke Braunschweig, Zwangsarbeiter, Häftlinge, Kriegsgefangene, in: Salzgitter-Jahrbuch 1995/1996, S. 166 - 168.

Jörg Leuschner, Die Bildung einer "Stadt des Erzes" um Salzgitter, darin: Aufbaugebiet der Reichswerke "Hermann Göring", in: Salzgitter-Jahrbuch Bd. 9, 1987, S. 81 - 123.

Jörg Leuschner, Die neue Stadt Salzgitter, in: Horst-Rüdiger Jarck und Gerhardt Schild, Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region, Braunschweig 2000, S. 1079-1100.

August Meyer, Hitlers Holding. Die Reichswerke "Hermann Göring", 2. Aufl., München 1999.

Gudrun Pischke, Der "Historisch-landeskundliche Atlas von Salzgitter", darin: Gründung der Reichswerke, Gründung der Stadt bis zur Gegenwart, in: Salzgitter-Jahrbuch 1991/1992, S. 471 - 475.

Gudrun Pischke, "Europa arbeitet bei den Reichswerken". Das nationalsozialistische Lagersystem in Salzgitter. (Salzgitter-Forschungen 2), Salzgitter 1995.

Christof Römer, Braunschweig, in: Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945 Reihe B. hrsg. v. Thomas Klein Bd. 16 Mitteldeutschland (Kleinere Länder), Marburg/Lahn 1981, S. 1-89: (hier S. 2: Territorialveränderung Braunschweigs durch den Aufbau der Reichswerke, die geschlossen im Land Braunschweig liegen sollten. Dafür trat Braunschweig den Landkreis Holzminden ab).

Schreuer, Salzgitter: Junge Stadt aus alten Orten, darin: Wohnungsbau, Demontage, in: Salzgitter-Jahrbuch Bd. 9, 1987, S. 147 - 151.

Georg Strickrodt, Identitätswahrung im Umbruch der Systeme. Die Stunde Null 1945 im Salzgittergebiet, in: Salzgitter-Jahrbuch Bd. 2, 1980, S. 53 - 76.

Vier Jahre Hermann-Göring-Werke Salzgitter (als geheim eingestuftes gedrucktes Manuskript), 1941 (zahlr. Abbildungen zum Aufbau der Reichswerke, S. 118: Erläuterung zum Firmenzeichen - "Gö-Ring"). (NWA 2 Nr. 11054).

Gerhard Wiegand, Die Großstadtgründung Salzgitter, in: Salzgitter-Jahrbuch Bd. 1, 1979, S. 7 - 22
Reichswerke, in: Salzgitter-Jahrbuch Bd. 12, 1990, S. 159 - 178.

Gerd Wysocki, Arbeit für den Krieg. Herrschaftsmechanismen in der Rüstungsindustrie des "Dritten Reiches": Arbeitseinsatz, Sozialpolitik und staatspolizeiliche Repression bei den Reichswerken "Hermann-Göring" im Salzgitter-Gebiet 1937/38 bis 1945, Braunschweig 1992.
(Bem.: Gerd Wysockis Vorarbeiten zu seinen Publikationen werden inzwischen bei der Stiftung für Sozialgeschichte im Universitätsarchiv Bremen verwahrt).

Siehe

Korrespondierende Archivalien

NLA WO
- 12 Neu (Staatsministerium) (u.a. 12 Neu 13 Nr. 7041)
- 69 Z (Die Hermann-Göring-Werke (Werkszeitung))
- 83 Slg Zg. 1/2005 Nr. 5 (Hermann Göring Werke im Westen)
- Kartenabteilung (enthält auch Luftaufnahmen des Salzgittergebiets), besonders: Atlas "Aufbaugebiet der Hermann-Göring-Werke" Salzgitter, Mehrfarbendruck Preußisches Neumessungsamt Hermann-Göring-Werke, Maßstab 1 : 5.000, 1 : 10.000

Nds. Wirtschaftsarchiv Braunschweig
- NWA 2 (Salzgitter-Konzern)

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M.

4886 Archivalien

Bearbeiter

Dr. Martin Fimpel (2007)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Abgeschlossen: ja

vollständig verzeichnet