Fremde Verordnungen
1540-1821
Landesherrliche Verordnungen und Amtsdrucke der Frühen Neuzeit, die nicht aus dem Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel stammen, sondern fast ausnahmslos aus den anderen Fürstentümern des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg (Braunschweig-Calenberg beziehungsweise Kurfürstentum Hannover, Fürstentum Braunschweig-Celle und Fürstentum Braunschweig-Grubenhagen)
Da es sich um einen Sammlungsbestand handelt, der zudem aus verschiedenen Territorien stammt, lässt sich kein einheitlicher Bestandsbildner angeben. Allerdings wurden landesherrliche Verordnungen, die den allergrößten Teil des Bestandes ausmachen, jeweils im herzoglichen Geheimen Rat und der eng damit verbundenen Kanzlei erarbeitet, anschließend von Hofdruckern verfertigt, den lokalen Beamten übermittel und von diesen publiziert (vgl. Haas, Druck der Obrigkeit).
Im Jahre 1838 berief das Braunschweigische Staatsministerium eine Kommission ein, welche die älteren Landesverordnungen (1500-1807) sammeln und eine Edition vorbereiten sollte (vgl. NLA WO 36 Alt Nr. 147 und Nr. 148). Der Kommission gelang es, bis zum Jahre 1854 insgesamt 12.842 Verordnungen zusammengetragen. Aus nicht genau ersichtlichen Gründen, die offenbar auf eine Verschiebung der politischen Prioritäten nach der Revolution von 1848 zurückzuführen sind, wurde die Arbeit damit als beendet betrachtet: Die Kommissionsmitglieder erhielten eine Belohnung, aber von einer Edition wurde dezidiert Abstand genommen und stattdessen die Kommission aufgelöst sowie die Amtsdrucke und Verordnungen in das Braunschweigische Landeshauptarchiv überführt.
Während der folgenden Jahrzehnte wurde aus dieser Sammlung dann der Bestand NLA WO 40 Slg gebildet und erschlossen. Im Jahre 1893 berichtet der Archivleiter Paul Zimmermann hierzu an das Braunschweigische Staatsministerium (NLA WO 36 Alt Nr. 290, Schreiben vom 21.12.1893, pag. 10): "Seit jener Zeit [also dem Jahre 1854] ist die Verordnungs-Sammlung des Archivs [...] durch Jahrzehnte langes Sammeln und Vergleichen beträchtlich vervollständigt worden. Von dieser legt zur Zeit Archivsekretär Fr[eiher]r von Bothmer ein kurz gefaßtes Repertorium an, das Raum für zahlreiche Nachträge bietet. Mit diesem Repertorium soll dann der Inhalt der sonst im Herzogthum vorhandenen Verordnungens-Sammlungen, wie die der Herzogl[ichen] Bibliothek, des Consistoriums, der Landschaft, der Kammer usw. verglichen werden und von den Stücken, die dem Archiv noch fehlen, soll eine Abschrift genommen werden. Auf diese Weise wird es erreicht, daß die Verordnungs-Sammlung des Archivs so vollständig und übersichtlich wie möglich wird und alle Behörden, die auf alte Verordnungen zurückgreifen müssen, sowie alle Geschichtsforscher, die ihrer bedürfen, von hieraus leicht Auskunft erhalten können. Ich glaube daher, daß man von der Drucklegung der Verordnungen selbst völlig absehen kann, daß es sich aber vielleicht später empfehlen dürfte, jenes Repertorium zu veröffentlichen".
Weder der großangelegte Abgleich der Verordnungssammlungen noch eine Drucklegung wurden vollzogen. Gleichwohl lässt sich ersehen, dass die Bildung und Erschließung der anderen Amtsdruckbestände (NLA WO 41 Slg bis 44 Slg), darunter auch des vorliegenden, in Abhängigkeit zu diesem Großprojekt standen und ihm zeitlich folgten. Im Zuge der archivischen Arbeit an DER Verordnungssammlung des Archivs (Paul Zimmermann verwendet hier den Singular!) fand mutmaßlich die Bildung der kleineren Nachbarbestände statt, indem Verordnungen, die hinsichtlich ihrer Provenienz oder Laufzeit nicht dem Profil der Sammlung entsprachen, aus diesem Bestand ausgesondert wurden. An NLA WO 43 Slg Nr. 2z ist dies noch zu ersehen, denn das Archivale trug bis zu seiner Überführung die Signatur NLA WO 40 Slg Nr. 2618. Wie ein Schriftabgleich beider Repertorien zeigt, wurde das ältere Findbuch zu NLA WO 43 Slg ebenfalls vom Freiherr von Bothmer verfasst.
Die im Bestand befindlichen Archivalien dürften auf dreierlei Weise in die Kanzlei des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel beziehungsweise das Braunschweigische Landeshauptarchiv gelangt sein:
1) Zu großen Teilen handelt es sich um Empfängerausfertigungen. Dies zeigt sich etwa an den Verordnungen des Fürstentums Braunschweig-Celle, die meist an das Amt Campen geschickt wurden, das 1705 beim Aussterben des regierenden Hauses an Braunschweig-Wolfenbüttel fiel. Entsprechende Notizen auf Verordnungen des Kurfürstentums Hannover zeigen, dass sie an die Gerichte Walle und Harxbüttel adressiert waren, die dem Stift Blasius in Braunschweig und somit indirekt dem Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel unterstanden. Ob die vorliegenden Stücke ursprünglich bereits als Sammlungen vorlagen oder ob sie von archivarischer Hand den Akten entnommen wurden, ist nicht mehr nachzuvollziehen.
2) Weitere Stücke wurden ausweislich von Notizen gezielt von diplomatischen Gesandtschaften gesammelt und als Anlagen zu den Berichten nach Braunschweig-Wolfenbüttel übermittelt (z.B. NLA WO 43 Slg Nr. 315a). Zudem war ein Austausch von gedruckten Verordnungen zwischen den benachbarten Welfenfürstentümern üblich, insbesondere ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (z.B. NLA WO 43 Slg Nr. 335).
3) Da es sich um einen Sammlungsbestand handelt, wurden diesem auch gedruckte Verordnungen beigefügt, die von privater Seite an das Archiv herangetragen worden sind. Auch ist zu vermuten, dass bei den Arbeiten der Kommission zur Sammlung der älteren Landesverordnungen Stücke auswärtiger Provenienz aufgenommen wurden.
Der Bestand enthält landesherrliche Verordnungen der Frühen Neuzeit aus den Fürstentümern des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg, außer Braunschweig-Wolfenbüttel. Der größte Teil stammt aus dem Fürstentum Braunschweig-Calenberg beziehungsweise Kurfürstentum Hannover, gefolgt von dem Fürstentum Braunschweig-Celle und dem Fürstentum Braunschweig-Grubenhagen. Korrespondierend mit der quantitativen Zunahme von Amtsdrucken ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand die Masse der Archivalien in dieser Zeit und vor allem im 18. Jahrhundert. Die Verordnungen umfassen, wie für den Bereich der Policey typisch, ein denkbar breites Themenspektrum. Dies gilt insbesondere für die Drucke aus dem Kurfürstentum Hannover, während etwa die Verordnungen aus Braunschweig-Celle eine auffällige Konzentration auf Kontributionserhebungen aufzuweisen haben.
Philip Haas: Der Druck der Obrigkeit. Frühneuzeitliche Kommunikation, Herrschaft und Verwaltung durch Amtsdrucke und Verordnungen im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, Publikation für 2026 geplant [Untersuchung zu den Amtsdrucken und Verordnungen Braunschweig-Wolfenbüttels, wobei der vorliegende Bestand mitberücksichtigt wurde]
Wie oben dargestellt, wurde der Bestand Ende des 19. Jahrhunderts durch den Archivsekretär Freiherr von Bothmer mittels eines handschriftlichen Findbuchs erschlossen. Dieses stellt eine Einzelblatterschließung dar, enthält allerdings lediglich stichwortartige Einträge, oftmals nur ein einzelnes Wort als Betreffsangabe. Während des 20. Jahrhunderts wurden Stücke in den Bestand eingefügt und Verzeichnungen als Randglossen im Repertorium ergänzt. Dabei achtete man darauf, eine chronologisch fortlaufende Signaturenfolge zu wahren, was im Ergebnis zu unübersichtlichen Signaturen führte, die arabische und römische Zahlen mit Buchstaben kombinierte (z.B. Nr. 2aII).
Im Jahre 2024, im Anschluss an die Neuerschließung des Bestandes NLA WO 40 Slg, führte der Archivrat Dr. Philip Haas eine vertiefte Erschließung von NLA WO 43 Slg im Archivprogramm Arcinsys-Niedersachsen durch. Der damit verbundene Arbeitsaufwand rechtfertigte sich einerseits durch die Bedeutung der Quellen selbst und andererseits durch deren Ergänzungsfunktion für NLA WO 40 Slg, der ein "Rückgratbestand" des Niedersächsischen Landesarchivs Abteilung Wolfenbüttel darstellt.
Das an NLA WO 40 Slg von Dr. Norman-Mathias Pingel erdachte und vom Unterzeichnenden weiterentwickelte Erschließungsschema wurde grundsätzlich fortgeführt, aber zugleich ausgebaut und stärker vereinheitlicht. Es stellt sich nun im Regelfall wie folgt dar:
1. Charakter der Verordnung: Anweisung (bei einer erstmals ergangenen Einzelnorm), Mahnung (im Falle einer neuerlich eingeforderten Einzelnorm, zeitgenössisch als monitorium bezeichnet), Verordnung (bei der umfassenderen Regelung einer oder mehrerer Themenbereiche), Mitteilung (wenn die Informationsfunktion überwiegt).
2. Aussteller der Verordnung: Landesherr (z.B. Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (Calenberg)) oder Geheimer Rat (z.B. Geheime Räte des Fürstentums Braunschweig-Calenberg).
3. Adressat, sofern erkennbar: An die Beamten, an die Untertanen, an die Beamten und Untertanen, an spezielle Adressatengruppen.
4. Knappe Darlegung des Inhalts im Sinne eines Kurzregests, wobei der Sachverhalt analytisch aufgeschlüsselt und ggf. in Klammern um Originalzitate ergänzt wird.
5. Ggf. ergänzende und präzisierende Angaben in Enthält-Vermerken zum Sachverhalt (Enthält v.a. oder u.a.) oder zu weiteren Schreiben (Enthält auch).
6. Ggf. Zusatzangaben zu korrespondierenden Archivalien, zum Erhaltungszustand oder sonstige ergänzende Angaben zum sachlichen Kontext.
7. Angabe des Erscheinungsortes.
8. Bei standardisierten Größen Angabe des Formats (Folio, Oktav).
9. Die überlieferten Formen oder Gattungen des Textes: Handschriftlicher oder gedruckter Aushang (Einblattdruck, wurde an öffentlichen Orten angeschlagen oder Aushang als Folioheft), Verleseexemplar (heftartiger Druck ohne Beglaubigungsmittel, wortgleich mit dem Aushang, wurde v.a. von den Kanzeln verlesen), Ausschreiben (verwaltungsinternes Schreiben mit Beglaubigungsmitteln, gerichtet an die Beamten bzw. sonstige lokale Obrigkeiten), weitere Textformen (z.B. Postskriptum, Formular usw.). Auch verschiedene Entstehungsstufen (Konzept, Abschrift, beglaubigte Abschrift usw.) wurden berücksichtigt.
10. Angabe der Beglaubigungsmittel: Aufgedrückte oder gedruckte Siegel sowie verschiedene Formen der Unterschriften (mit handschriftlicher oder gedruckter Unterschrift des Ausstellers, mit einfacher Ad-mandatum-Formel oder mit Ad-mandatum-speciale-Formel der Geheimen Räte, Kontrasignatur).
Eine Verzeichnung lautet dann beispielsweise:
NLA WO 43 Slg Nr. 467
Titel: Modifizierende Anweisungen und Klarstellungen (Deklaration) der Geheimen Räte des Kurfürstentums Hannover an alle Beamten des Fürstentums Braunschweig-Celle zur Steuerverordnung ("Steuer-Verordnung", Konsumsteuer, Konsumabgabe) vom 4. August 1788
Laufzeit: 06.08.1789
Enthält: v.a.: Anweisungen zur Aufbringung der Möbelsteuer, der Handelssteuer, zur Einstufung der Witwen, zu den Pferdeärzten und dem Militärpersonal, den Handwerksgesellen sowie den Schulzen und Gemeindevorstehern
Zusatzinformationen: Vgl. NLA WO 43 Slg Nr. 459 und Nr. 460
Erscheinungsort: Hannover
Format: Folio
Ausführung: Zwei gedruckte Ausschreiben, blanko
Siegel: Mit der gedruckten Unterschrift
Die unübersichtlichen Signaturen wurden vereinfacht, so dass nun nur noch arabische Zahlen und Buchstaben zur Anwendung kommen. Durch die Umsignierung stimmen die Angaben im handschriftlichen Findbuch teilweise nicht mehr mit denen des vorliegenden EDV-Findbuchs überein.
unter anderem:
NLA WO 40 Slg, Sammlung der Gesetze und Verordnungen
NLA WO 1 Alt 4, Beziehungen zu den Kurfürstentümern
NLA WO 1 Alt 5, Beziehungen zu nichtkurfürstlichen Reichsständen
1,8 (= 815 Verzeichnungseinheiten)
Dr. Philip Haas (2024)
Abgeschlossen: Ja
Link: https://www.arcinsys.niedersachsen.de/arcinsys/detailAction?detailid=b5675