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NLA WO 32 Nds

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Oberversicherungsamt / Sozialgericht Braunschweig

Laufzeit

1886-2001

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners

1. Oberversicherungsamt Braunschweig

Oberversicherungsämter als staatliche höhere Behörden mit Aufsichts-, Verwaltungs- und Rechtsprechungsaufgaben in der damaligen Reichsversicherung (RVO) wurden im Deutschen Reich anstelle der bisherigen Schiedsgerichte für Arbeiterversicherung zum 1. Juli 1912 geschaffen (zu deren Geschichte vgl. das Vorwort zum Bestand Rep. 180 OVA im NLA Stade). Nach § 62 RVO wurden die Behörden in der Regel für den Bezirk einer höheren Verwaltungsbehörde eingerichtet. Für das Herzogtum bzw. später den Freistaat Braunschweig wurde ein Oberversicherungsamt in Braunschweig etabliert. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten die Oberversicherungsämter ihre Arbeit fort, die in Braunschweig ansässige Behörde war ab 1946 territorial für den Bezirk des Verwaltungspräsidenten Braunschweig zuständig. Die Oberversicherungsämter wurden mit dem Sozialgerichtsgesetz vom 3. September 1953 aufgehoben, als mit den Sozialgerichten eine besondere Gerichtsbarkeit für die Sozialversicherung geschaffen wurde.

2. Sozialgericht Braunschweig

Das Sozialgericht Braunschweig ist eines von acht Sozialgerichten in Niedersachsen. Nach Einführung der Sozialgerichtsbarkeit übernahm das Sozialgericht Braunschweig ab dem 1. Januar 1954 die Aufgaben des Oberversicherungsamtes, das seit Ende des 2. Weltkrieges gerichtliche Funktionen im Bereich der Sozialversicherung wahrgenommen hatte.

Der Zuständigkeitsbezirk des Sozialgerichts Braunschweig war 1954 identisch mit dem damaligen Verwaltungsbezirk Braunschweig. Bis Ende der 1960er Jahre gehörte dazu auch das ehemalige Amt Thedinghausen bei Bremen. Seit der Gebietsreform in den 1970er Jahren umfasst der Sozialgerichtsbezirk die kreisfreien Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg sowie die Landkreise Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel.

Erster Sitz des Sozialgerichts Braunschweig war die "Villa Rimpau" in der Wolfenbütteler Straße 2. Im Februar 2006 zog das Sozialgericht Braunschweig in das Haus Am Wendentor 7/Ecke Wilhelmstraße, wo es seitdem zusammen mit dem Verwaltungsgericht Braunschweig eines der ersten Fachgerichtszentren in Niedersachsen bildet. Das heutige Gerichtsgebäude wurde 1764 als "Spital für arme Braunschweigerinnen und Braunschweiger" errichtet. Von 1902 bis 1995 war hier das Amtsgericht Braunschweig untergebracht.

Im Jahr 1954 waren am Sozialgericht Braunschweig zwölf Richter beschäftigt, die in fünf Kammern für sogenannte Versorgungssachen (vor allem Streitigkeiten von Kriegsopfern), vier Kammern für Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung, zwei Kammern für Streitigkeiten aus der gesetzlichen Unfallversicherung und drei Kammern mit sonstigen Angelegenheiten tätig waren. Nachdem die vom Oberversicherungsamt übernommenen Fälle abgearbeitet waren, ging die Zahl der Richter bis auf acht seit Ende der 1960er Jahre zurück.

Seit den 1990er Jahren nahm die Zahl der Verfahren kontinuierlich zu, ohne dass sich das zunächst auf die Richterzahl auswirkte. Das änderte sich erst, als sich nach Einführung der sogenannten Hartz-IV-Gesetze am 1. Januar 2005 die Eingänge und Bestände sprunghaft erhöhten. Die Eingangszahl der Klagen und einstweiligen Rechtsschutzanträge entwickelte sich in den letzten Jahren wie folgt:

- 2000: 2.249
- 2004: 3.095
- 2005: 4.533
- 2008: 6.577
- 2012: 7.676
- 2013: 8.472
- 2014: 7.002
- 2015: 6.692

Die Verfahren werden mittlerweile von dreizehn Richterinnen und elf Richtern (teilweise in Teilzeit) sowie sieben Mitarbeitern und zweiunddreißig Mitarbeiterinnen im nichtrichterlichen Dienst bearbeitet (Stand: 1. Mai 2016). Dabei verteilt sich die Arbeit auf insgesamt 62 Kammern:

- Versorgungssachen: 2 Kammern
- Rentenversicherung: 11 Kammern
- Unfallversicherung: 3 Kammern
- Schwerbehindertenrecht: 6 Kammern
- Krankenversicherung: 6 Kammern
- Arbeitslosenversicherung: 2 Kammern
- Sozialhilfe: 2 Kammern
- Pflegeversicherung: 1 Kammer
- Grundsicherung für Arbeitsuchende: 23 Kammern
- Sonstiges (Asylbewerberleistungsgesetz, Landwirtschaftliche Sozialversicherung, Erziehungsgeld, Kindergeld, Kindergeldzuschlag, Kostensachen etc.): 6 Kammern

Direktoren des Sozialgerichts Braunschweig

1954 - 1957 Johannes Behrends
1957 - 1964 Karl Lampe
1964 - 1973 Werner Koehler
1973 - 1985 Gerhard Grave
1985 - 1989 Gerhard Kortmann
1989 - 1997 Hartmut Krause
1997 - 2012 Walter Hasenpusch
seit 2012 Rainer Schmiedl

Stand: August 2016

Bestandsgeschichte

Bereits sechs Jahre nach Gründung der Sozialgerichtsbarkeit in Niedersachsen kam die Frage auf, welche Akten der Gerichte archivwürdig sein können. Ein erster Besuch von Mitarbeitern des damaligen Staatsarchivs Wolfenbüttel im Sozialgericht Braunschweig im Juni 1960 ergab, dass es im Gericht eine getrennte Registratur für die Dienststellen- und für die Auftragsverwaltung gab. Die Dienststellenverwaltung arbeitete nach einem für alle Sozialgerichte gültigen Aktenplan (mit Signaturen nach dem Dezimalsystem) und verwahrte vorrangig Verfügungen vorgesetzter Dienststellen. Die Auftragsverwaltung ordnete ihre Akten nach der Aktenordnung des Landessozialgerichts von 1954. Nach Einschätzung des Staatsarchivs waren kaum historisch oder juristisch interessante Fälle zu erwarten, so dass man davon ausging, wenig oder nichts zu übernehmen.

Nachdem 1967 Vorschriften über die Aufbewahrung, Aussonderung, Ablieferung und Vernichtung des Schriftgutes in Streitsachen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Niedersachsen (Runderlass des Nds. Sozialministers vom 17. April 1967) erlassen worden waren, fanden 1967/68 und 1972 erste Aktenaussonderungen statt. Seitens des Staatsarchivs wurde dabei ohne eine Bewertung vor Ort eine Kassationsfreigabe erteilt und dem Sozialgericht die alleinige Entscheidung zugestanden, welche Akten in den Augen der Juristen archivwürdig seien. So wurde 1975 lediglich eine Akte als archivwürdig an das Staatsarchiv abgegeben.

Nach einer Rundverfügung des Präsidenten des Landessozialgerichts wurde ab 1982 von weiteren Anbietungen von Akten seitens der Sozialgerichte an die niedersächsischen Staatsarchive aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken abgesehen. Erst als im Zuge der Verabschiedung des Bundesarchivgesetzes 1988 datenschutzrechtliche Bestimmungen des Sozialgesetzbuches zugunsten der Archive durchbrochen worden, wurde die Anbietungspflicht der Sozialgerichte wiederhergestellt, war allerdings an das Bestehen eines Archivgesetzes gebunden. Da dieses in Niedersachsen noch fehlte, wurde zunächst eine Bewertung für das Sozialgericht Hildesheim erprobt und ein Bewertungsmodell für alle Sozialgerichte durch die Nds. Archivverwaltung erarbeitet.

1991 erfolgte wieder eine Anbietung von Akten des Sozialgerichts Braunschweig aus den Jahren 1947 bis 1987, von denen ein Teil nach einer Bewertung in der Behörde im März 1992 übernommen wurde. Die Auswahl richtete sich dabei nach den 1991/92 erarbeiteten Archivierungsempfehlungen, welche zusätzlich zu einer Zufallsauswahl von 1% aller Akten aus allen Arbeitsbereichen der Sozialgerichte je Jahrgang eine Übernahme besonderer Einzelfallakten für folgende Bereiche vorsahen:

- KO (Kriegsopferversorgung): Einzelprüfung jedes 5. Jahrgangs, sofern die Überlieferung 1954 begann, ansonsten Übernahme von Einzelfällen
- V/VS/VG (Feststellung von Behinderungen nach Schwerbeschädigtengesetz): wenige lohnenswerte Einzelfälle
- An/I/Lw (Rentenversicherung): Einzelfallprüfung bei J-Sachen, ansonsten bei Angestellten, Landwirten und Knappschaft nur die 1%-Stichprobe
- U (Unfallversicherung): Einzelfallprüfung bei Berufskrankheiten, sonst 1%-Stichprobe
- Kr (Krankenversicherung): vollständige Einzelfallprüfung und Übernahme weniger Fälle
- Ar (Arbeitslosenversicherung): angemessene Berücksichtigung aller Gegenstände durch eine Einzelfallprüfung, um alle für typische Trends durch Gesetzesänderungen wichtigen Fälle zu erfassen
- S (Sozialversicherung): besondere Fälle von Nachzahlungen durch Arbeitgeber

Für andere Bereiche wie Kinder- und Erziehungsgeld (Kg/Eg) sollte die Übernahme auf eine Zufallsstichprobe beschränkt werden.

Zwischen 1994 und 1999 erfolgten zumeist jährliche Bewertungen der Prozessakten im Sozialgericht Braunschweig der Jahrgänge bis 1988 nach den oben genannten Archivierungsempfehlungen. 1999/2000 wurde aufgrund der angebotenen Masse der Akten von der Zufallsauswahl Abstand genommen. Seither werden die Akten durch Einzelfallprüfung am Regal ausgewählt. Die Bewertungen erfolgten 2004, 2009, 2010, 2012 und 2014 für jeweils zwei bzw. drei Jahrgänge der Prozessakten.

Der Bestand gliedert sich in die Bereiche „Allgemeine Verwaltung“ und „Verfahren“. Ersterer umfasst derzeit nur Akten des Oberversicherungsamtes Braunschweig aus der Zeit vor 1954, u.a. Namensverzeichnisse, Beschlusslisten, Spruchlisten und Eingangsregister. Unter dem Gliederungspunkt „Verfahren“ finden sich die Prozessakten der Fälle, die bei Oberversicherungsamt bzw. dem Sozialgericht Braunschweig eingegangen sind und verhandelt wurden, gegliedert nach den einzelnen Arbeitsbereichen der Behörde.

Stand: August 2016

Enthält

u.a. Prozessakten aus den Bereichen Arbeitslosenversicherung, Kinder- u. Erziehungsgeld; Krankenversicherung; Kriegsopferversorgung u. Feststellung einer Behinderung nach dem Schwerbeschädigtengesetz; Rentenversicherung; Sozialversicherung; Unfallversicherung.

daneben Namensverzeichnisse (I-/U-Sachen), Beschluss- und Spruchlisten und Eingangsregister des Oberversicherungsamtes Braunschweig vor 1954

Literatur

Peter Heine (Hg.), 60 Jahre Landessozialgerichtsbarkeit Niedersachsen und Bremen, Stuttgart/München 2014.

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M.

13,4

Bearbeiter

Dr. Christian Helbich (2016)
Christina Hillmann-Apmann (2020)

Benutzung

Aus datenschutzrechtlichen Gründen können die Erschließungsdaten des Bestandes zum überwiegenden Teil online nicht angezeigt werden. Eine Einsichtnahme in die Daten ist nach Freischaltung nur im Lesesaal des Standortes Wolfenbüttel möglich. Bitte wenden Sie sich hierfür an die Lesesaalaufsicht. Ansonsten gelten für die Nutzung des Archivgutes des Bestandes zumeist die üblichen Schutzfristen für Sachakten von 30 Jahren gemäß § 5 Abs. 2 NArchG. Sofern Archivgut noch Schutzfristen unterliegt, kann dieses nur in begründeten Fällen mittels eines Ergänzungsantrages eingesehen werden.

Nachtrag 2023 Hi: Sowohl Findmittel als auch Archivgut können im Niedersächsischen Landesarchiv Wolfenbüttel unter Berücksichtigung der Einhaltung von Schutz- und Sperrfristen nach §5 NArchG eingesehen werden. Bei der Entscheidung über die Benutzung ist zu berücksichtigen, dass es sich teilweise um Archivgut mit personenbezogenen Daten handelt, die dem Sozialgeheimnis unterliegen. Diese sind bzw. sollten mit einer Sperrfrist von zuletzt 60 Jahren nach Schließung versehen sein (zuzüglich 100 Jahre nach der Geburt bzw. 10 Jahre nach dem Tod des Betroffenen). Seit dem Jahr 2002, seit der Novellierung des Bundesarchivgesetzes vom 05. Juni 2002, gibt es die Möglichkeit auf Verkürzung für wissenschaftliche Zwecke, allerdings nur für Unterlagen aus der Zeit vor dem 23. Mai 1949. (Bundesgesetzblatt 2002, Teil I, Nr. 34 S. 1782).

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Abgeschlossen: Nein