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NLA WO 138 Urk

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Adelsbriefe, Standeserhöhungen und Wappenbriefe

Laufzeit

1506-1918

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung

Der Bestand enthält Originale, mehrheitlich aber beglaubigte Abschriften von Adelsbriefen, von Urkunden zu Standeserhöhungen, zur Verleihung neuer Titel und Prädikate sowie von Wappenbriefen.

Beschreibung

In 138 Urk finden sich Urkunden aus dem Zeitraum von etwa 1500-1918, wobei die meisten Archivalien dem 18. und 19. Jahrhundert entstammen. Bei der Erschließung im Jahre 2020 wurden die Urkunden nach inhaltlichen und formalen Kriterien in vier Kategorien unterteilt, welche sich aber freilich nicht immer trennscharf voneinander abgrenzen lassen. Dies gilt umso mehr, da von den Supplikanten bei der Antragsstellung vermeintlich adlige Vorfahren angeführt wurden. Auf diese Weise sollte die Nobilitierung als Auffrischung eines bereits vorhandenen Adels erscheinen, was aber freilich tatsächlich nicht selten der Fall war. Die Kategorien lauten:

1) Erhebungen in den Adelsstand (Adelsbriefe, Nobilitierungen).
Dies impliziert die Erhebung Nichtadliger in den erblichen Adelsstand.

2) Erhöhungen eines bereits bestehenden Adelsstandes.
Dies umfasst beispielsweise die Erhebung eines Niederadligen zum Freiherren oder eines Freiherren zum Grafen.

3) Bestätigung des Adelsstandes, Verleihungen neuer Titel und Prädikate, Naturalisationen, Adoptionen.
Hierunter fallen etwa Bestätigungen für adlige Personen, dass bereits ihre Vorfahren geadelt wurden und ggf. die Verleihung von Prädikaten wie "von" oder "wohlgeboren", um diesen Umstand zu veranschaulichen sowie die Übernahme von Titel von kognatischen Vorfahren oder durch Adoption. Auch die Anerkennung auswärtig erworbener Adelstitel und die Aufnahme in den einheimischen Adel (Naturalisation) wurde in diese Kategorie eingruppiert.

4) Wappenverleihungen und Wappenbesserungen (Wappenbriefe).
Nichtadelige oder Adlige erhalten ein Wappen verliehen bzw. lassen dieses um weitere Elemente ergänzen.

Aussteller dieser Urkunden ist - gemäß dessen Rolle als oberster Lehnsherr des Reiches und eines im 14./15. Jahrhundert etablierten Reservatsrecht- bis 1806 fast immer der Kaiser oder während eines Interregnums einer der beiden Reichsvikare (hier: der Kurfürst von Sachsen). Ab dem 18. Jahrhundert nimmt aber auch der König von Preußen Nobilitierungen und Standeserhöhungen vor und im 19. Jahrhundert sind dann weitere Monarchen und Fürsten, darunter auch der Herzog von Braunschweig, als Aussteller auszumachen. Die Wappenbesserungen gehen mitunter auch von Hofpfalzgrafen (Palatinat) aus, welche ihrerseits vom Kaiser zu solchen ernannt worden sind. Als Empfänger treten vor allem zivile Amtsträger und Honoratioren (v.a. Juristen, Räte, Professoren) und Offiziere (vor allem Infanterie und Artillerie, gelegentlich Dragoner) des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel und der umliegenden Fürstentümer (Hannover, Hildesheim, Hessen, Preußen u.a.) hervor. Der vorliegende Bestand dokumentiert insofern schlaglichtartig die Entstehung eines "Amtsadels" oder "Briefadels" im wörtlichen Sinne, innerhalb des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel und darüber hinaus. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts werden innerhalb der Narratio der Urkunden die begleiteten Ämter ausführlich aufgelistet sowie Verdienste der Vorfahren und verwandtschaftliche Netzwerke benannt. Auch wenn es sich bei den Urkunden mehrheitlich um beglaubigte Abschriften und nicht um die Originale handelt, bietet 138 Urk interessante Einblicke in Prozesse der sozialen Mobilität, der Adelsgeschichte, der Verwaltungsgeschichte und der Militärgeschichte bis zum Ende der Monarchie im Jahre 1918. Dies gilt umso mehr, als sich neben den Urkunden auch oftmals zugehöriger Schriftverkehr anbei findet (ausgewiesen durch "Enthält-auch-Vermerke"), etwa zu den Beweggründen und Modalitäten der Adelserhebungen und Standeserhöhungen sowie zu deren anschließender Publikation.

Geschichte des Bestandsbildners

Die beglaubigten Abschriften der Urkunden wurden in der herzoglichen Justizkanzlei angefertigt, wobei Wappenmaler als externe Spezialisten herangezogen wurden, wie an einigen beiliegenden Rechnungsbelegen deutlich wird. Im 19. Jahrhundert, als der Herzog von Braunschweig Nobilitierungen und Standeserhöhungen vornehmen ließ, wurden auch Ausfertigungen speziell zu Archivierungszwecken erstellt. Die sonstigen im Bestand befindlichen Originale wurden durch Schenkungen oder gezielte Käufe aus verschiedenen Provenienzen erworben.

Bestandsgeschichte

Eine Dienstakte zu diesem Bestand, welche die Bestandgeschichte dokumentiert, ist nicht vorhanden. Folglich muss die Bestandgeschichte implizit aus den älteren Findmitteln abgeleitet werden.

Zur Bestandbildung: Der Bestand erwuchs größtenteils aus dem Ablauf des Anerkennungsverfahrens der Nobilitierung bzw. Standeserhöhung, das ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nötig wurde. Die Reichsstände hatten sich vom Kaiser in zwei Wahlkapitulationen 1636 und 1658 das Recht zusichern lassen, Nobilitierungen und Standeserhöhungen anerkennen zu müssen, damit diese im jeweiligen Territorium Gültigkeit hätten. Aus den Begleitschreiben der Adelsbriefe lässt sich der Ablauf des Anerkennungsverfahrens rekonstruieren. Demnach musste ein Nobilitierter bzw. im Stande Erhöhter die Urkunde im Original direkt beim Herzog einreichen und diesen um Anerkennung der darin getroffenen Regelungen bitten. Der Kaiser selbst ließ dem Herzog zudem ebenfalls ein Reskript mit der Bitte um Anerkennung zukommen. Der Herzog traf eine Entscheidung (fast ausnahmslos billigte er die Nobilitierung oder Standeserhöhung) und leitete diese als Reskript zusammen mit der Urkunde an die Justizkanzlei weiter. Diese nahm eine Anpassung der Titulatur vor und fertigte eine beglaubigte Abschrift der Urkunde für das Archiv an, während die Originalurkunde dem Eigentümer nun wieder ausgehändigt werden konnte. Es folgte die Bekanntmachung (Notifikation) durch Abdruck in den Braunschweigischen Anzeigen.
Vermutlich in den 1880er oder 1890er Jahren wurden die beglaubigten Abschriften als Grundbestand angelegt, der im weiteren Verlauf des Säkulums und bis in die 1930er Jahre durch einzelne Zugänge ergänzt wurde. Dies geschah insbesondere durch Schenkungen, aber auch durch den Kauf von Urkunden, dann meist der Originale, so dass der Bestand zunehmend zu einer Sammlung oder Selekte umfunktioniert wurde. Da die Nobilitierungen und Standeserhöhungen nach 1806 vom Herzog vorgenommen werden konnten, wurde im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine zweite Ausfertigungen der entsprechenden Urkunde für das Archiv erstellt.

Zur Erschließung: Es existiert ein handschriftliches Findbuch aus dem 19. Jahrhundert mit Kurzregesten, gehalten in Deutscher Kurrentschrift. Dem Schriftbild nach dürfte die Grunderschließung und damit die meisten Einträge von Dr. Paul Zimmermann verfasst worden sein, vermutlich während dessen Zeit als Archivsekretär in den 1880er Jahren. Dafür spricht, dass er die Regesten bis Nr. 75 (Urkunde aus dem Jahre 1888) verfasst zu haben scheint, während dann in jedem Fall die Hand des Schreibers wechselt. Zahlreiche weitere Archivare fügten anlässlich neuer Zugänge Regesten hinzu. Der Bestand wurde in chronologischer Folge angelegt und die Signaturen wurden entsprechend vergeben. Statt dem Numerus Currens zu folgen und fortlaufende Signaturen anzuhängen, wurden Neuzugänge mittels alphabetischer Nummern (z.B. Nr. 28a zwischen den Nummern 28 und 29) eingegliedert. Offenbar war dies bereits bei der Grunderschließung notwendig geworden, wie die Nummern 73a bis 73 g veranschaulichen, die nicht an den Rand hinzugefügt, sondern innerhalb der dafür vorgesehenen Kolumne geschrieben wurden. Vermutlich existierte also ein Konzept des Finbuches, welches zu einem späteren Zeitpunkt in eine Reinschrift übertragen wurde. Drei der Wappenbriefe wurden unter Umgehung der chronologischen Abfolge, also gemäß dem Prinzip des Numerus Currens, als letzte Signaturen angehängt (Nr. 90-92).
Im Jahre 2020 während der "Corona-Krise" unterzog der Archivrat Dr. Philip Haas den Bestand einer neuerlichen Erschließung. Es erfolgte eine Zuweisung der Urkunden in die oben aufgeführten vier Ordnungskategorien. Die bestehende Verzeichnung wurde auf Grundlage des handschriftlichen Findbuches nach Arcinsys übertragen, aber gemäß der Verzeichnungsrichtlinie des Niedersächsischen Landesarchivs umgestaltet und an den heutigen Sprachgebrauch angepasst. Wo dies notwendig schien, erfolgte zu einem späteren Zeitpunkt eine Prüfung und Nachverzeichnung anhand der im Archiv befindlichen Archivalien (circa 40 Prozent des Bestandes).

Literatur

Literatur zum Thema im Allgemeinen:

- Ronald G. Asch, Nobilitierung, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 9, Stuttgart/Weimar 2009, Sp. 202-205.

- Brage Bei der Wieden, Die Formierung des norddeutschen Niederadels, in: Peter Aufgebauer/Christine van den Heuvel (Hrsg.), Herrschaftspraxis und soziale Ordnungen im Mittelalters und in der frühen Neuzeit. Ernst Schubert zum Gedenken, Hannover 2006, S. 311-329.

- Georg Freiherr von Frölichsthal, Nobilitierungen im Heiligen Römischen Reich. Ein Überblick, in: Sigismund Freiherr von Elverfeldt-Ulm (Hrsg.), Adelsrecht. Entstehung – Struktur – Bedeutung in der Moderne des historischen Adels und seiner Nachkommen, Limburg 2001, S. 67-119.

-Walter Goldinger, Die Standeserhöhungsdiplome unter König und Kaiser Sigismund, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 78 (1970), S. 323-337.

- Klaus Margreiter, Nobilitierungen und neuer Adel im 18. Jahrhundert, in: Gebhard Ammerer/Elisabeth Lobewein/Martin Scheutz (Hrsg.), Adel im 18. Jahrhundert. Umrisse einer sozialen Gruppe in der Krise (Querschnitte 28), Wien 2015, S. 41-54.

- Petr Mata, Der Adel in der Habsburgermonarchie: Standeserhebungen und adelsrechtliche Regelungen, in: Michael Hochedlinger/Petr Mata/Thomas Winkelbauer (Hrsg.), Verwaltungsgeschichte der Habsburgermonarchie in der Frühen Neuzeit. Band 1: Hof und Dynastie, Kaiser und Reich, Zentralverwaltungen, Kriegswesen und landesfürstliches Finanzwesen, Wien 2019, S. 117-148.

- Erwin Riedenauer, Das Herzogtum Bayern und die kaiserlichen Standeserhebungen des späten Mittelalters. Zur Frage einer habsburgischen Adelspolitik, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 36 (1973), S. 600-644.

- Erwin Riedenauer, Zur Entstehung und Ausformung des landesfürstlichen Briefadels in Bayer, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 47 (1984), S. 609-673.

-Anthony von Siegenfeld, Die Wappenbriefe und Standeserhöhungen des Römischen Königs Ruprecht von der Pfalz, in: Jahrbuch Adler 5/6 (1895), S. 461-485.

- Karl-Heinz Spieß, Aufstieg in den Adel und Kriterien der Adelszugehörigkeit im Spätmittelalter, in: Kurt Andermann/Peter Johannek (Hrsg.), Zwischen Nicht-Adel und Adel, Stuttgart 2001, S. 1-26.

Findmittel

Handschriftliches Findbuch aus dem 19. Jahrhundert (vermutlich von Dr. Paul Zimmermann und weiteren Archivaren).

EDV-Findbuch in Arcinsys (von Dr. Philip Haas).

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M.

2,9 (146 Stück in 126 Verzeichnungseinheiten)

Bearbeiter

Dr. Philip Haas (Stand: September 2020)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Abgeschlossen: Ja.