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NLA ST Rep. 180 OVA

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Regierungspräsident Stade 1885-1978, Oberversicherungsamt

Laufzeit

1897-1983

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung

Akten zur Organisation und Beaufsichtigung von Krankenkassen
Umfang: 6 lfdm
Findmittel: EDV-Findbuch 2004

Bestandsgeschichte

1. Verwaltungsgeschichtlicher Überblick


1.1. Die Regierung in Stade

Als Mittelinstanz zwischen Zentralverwaltung und lokalen Obrigkeiten wurde die unter schwedischer Herrschaft geschaffene Institution der "Regierung" in Stade 1715 vom Kurfürstentum Hannover übernommen (s. Bestand Rep. 40). Nach der preußischen und französischen Besetzung der Herzogtümer Bremen und Verden (s. Bestand Rep. 50), stellte das Königreich Hannover am 5.8.1816 die alte Provinzialregierung wieder her. 1823 wurde das Königreich Hannover in sechs Landdrosteien als Mittelbehörden unterteilt, eine davon in Stade. Die preußische Annektion im Jahre 1866 änderte die Verwaltungsgliederung des Landes zunächst nicht, erst 1885 wurden durch die Verwaltungsreform die Landdrosteien in Regierungen nach dem Vorbild der anderen preußischen Provinzen umgewandelt, seit 1932 als Behörde "Der Regierungspräsident" genannt. Durch die Bezirksreform von 1978 wurde im Zuge einer Neuordnung der staatlichen Mittelinstanz die Bezirksregierung in Stade aufgelöst, ihre Kompetenzen gingen auf die neue Bezirksregierung in Lüneburg über.


1.2. Das Oberversicherungsamt

Um soziale Unruhen unter den deutschen Arbeitern zu verhindern, wurde am 17. 11. 1881 in einer kaiserlichen Botschaft im Reichstag ein Programm zur Unfall-, Kranken-, Invaliden- und Altersversorgung von Arbeitern angekündigt. Das erste dieser Sozialgesetze war das am 15. Juni 1883 erlassene und am 1.12.1884 in Kraft getretene Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter. Novellen folgten 1892, 1900 und 1903. Es enthielt eine Erweiterung der Versicherungspflicht, Bestimmungen zur Änderung der Leistungen bestehender Krankenkassen, zur Errichtung und Verwaltung der Versicherungsträger und zur Entscheidung von Streitigkeiten. Das Gesetz ermächtigte die Gemeinden, Ortskrankenkassen für ihren Bereich einzurichten, die bisherige

Gemeindekassen ersetzten. Die Krankenversicherung sollte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam finanziert und verwaltet werden. 1884 wurde ein von der königlichen Landdrostei genehmigtes Statut für eine AOK in Stade beschlossen, der zufolge die Kasse von Vorstand und Generalversammlung geleitet wurde. Der Vorstand bestand zu einem Drittel aus Arbeitgebern, zu zwei Dritteln aus Arbeitnehmern.

Die Reichsversicherungsordnung vom 19.7.1911 (RGBl., S. 509) befaßte sich in ihrem zweiten Buch mit der Krankenversicherung und ersetzte insofern das Krankenversicherungsgesetz. Ortskrankenkassen übernahmen nach den neuen Bestimmungen die Primärkassenfunktion. Kleine, wenig leistungsfähige Krankenkassen sollten aufgelöst, die bisher beruflich gegliederten Ortskrankenkassen regional zusammengefaßt werden zu allgemeinen Ortskrankenkassen. Zum 1. Juli 1912 wurden Oberversicherungsämter für die einzelnen Regierungsbezirke eingerichtet um die bisherigen Schiedsgerichte für Arbeiterversicherung zu ersetzen. Gleichzeitig übernahmen sie die Geschäfte der höheren Verwaltungsbehörden in diesem Bereich. Das Personal der Schiedsgerichte wurde dabei in den Staatsdienst übernommen. Zu den bisherigen Aufgaben der Schiedsgerichte trat die Hinterbliebenenversicherung. Die Oberversicherungsämter waren nach Analogie der Bezirksausschüsse beim Regierungspräsidenten angesiedelt, der gleichzeitig den Vorsitz des Oberversicherungsamtes innehatte. Die Oberversicherungsämter setzten sich aus Mitgliedern und Beisitzern zusammen. Ein Direktor wurde auf Lebenszeit ernannt als Stellvertreter des Vorsitzenden. Das Oberversicherungsamt mußte mindestens ein weiteres Mitglied besitzen, das den Direktor zu vertreten hatte.

Die Beisitzer bestanden je zur Hälfte aus Arbeitgebern und Versicherten, insgesamt 40 Personen, die getrennt nach Arbeitgebern und Versicherten von den Mitgliedern des Ausschusses

der Landesversicherungsanstalt nach dem Verhältniswahlrecht und der vom Reichsversicherungsamt erlassenen Wahlordnung gewählt wurden. Die Oberversicherungsämter bestanden aus einer oder mehreren Spruchkammern und einer oder mehreren Beschlußkammern. Die Spruchkammern setzten sich aus einem Mitglied des Oberversicherungsamtes als Vorsitzenden und aus je zwei Beisitzern der Arbeitgeber und der Versicherten zusammen. Die Beschlußkammern bestanden aus dem Vorsitzenden des Oberversicherungsamtes, einem zweiten Mitglied und zwei Beisitzern, d.h. jeweils einem Arbeitgeber und einem Versicherten. Alle Kosten der Oberversicherungsämter trug das Land, die Versicherungsträger hatten für jede Spruchsache, an der sie beteiligt waren, einen Pauschbetrag zu entrichten. Die einzelnen Direktionsbezirke der Reichsbahngesellschaft erhielten besondere Oberversicherungsämter. Für jede untere Verwaltungsbehörde war ein Versicherungsamt einzurichten. Der Behördenleiter war in Personalunion Vorsitzender des Versicherungsamtes. Untere Verwaltungsbehörden im Sinne der Reichsversicherungsordnung waren Landräte und Magistrate der kreisfreien Städte.

In der Anlage eines Erlasses des Ministers des Innern in Berlin vom 23. August 1911 (Rep. 180 OVA, Nr. 52), wurden die Aufgaben der Oberversicherungsämter aufgelistet. Zu den zahlreichen Aufgaben, die sich im vorliegenden Bestand Rep. 180 OVA wiederfinden, gehörte die Festsetzung und Bekanntmachung des Ortslohns und die Zustimmung zur Festsetzung des durchschnittlichen Tagesentgelts (Grundlohn), die Mitwirkung bei Errichtung von Allgemeinen Ortskrankenkassen oder Landkrankenkassen, die Genehmigung zur Errichtung von Betriebskrankenkassen und Innungskrankenkassen, die Entscheidung über Beschwerden wegen der Kassenzugehörigkeit von Betrieben und Betriebsarten, über die Vereinigung, Auflösung und Schließung von Krankenkassen und über das

Ausscheiden aus Krankenkassen, ferner die Beschlußfassung und Genehmigung der Satzungen und Satzungsänderungen der Krankenkassen, die Entscheidung über Beschwerden wegen Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis der Angestellten, Feststellung der Dienstordnung, Zustimmung zur satzungsmäßigen Festsetzung der Beiträge, Prüfung der Beitragshöhe durch Sachverständige und Vereinigung von Ortskrankenkassen bei Leistungsunfähigkeit. Ferner gehörte zu den Aufgaben die Tätigkeit als Beschwerdeinstanz und die Berufungsentscheidung als zweite Instanz gegen Urteile des Versicherungsamts.

Die Geschäftsordnung der preußischen Regierung in Stade legte 1928 fest, daß das Oberversicherungsamt und das Versorgungsgericht als Abteilungen der Regierung angegliedert waren. Der Verwaltungsgerichtsdirektor, der gleichzeitig als Regierungsdirektor das Oberversicherungsamt und das Versorgungsgericht zu leiten hatte, leitete den Bezirksausschuß.

1933 wurden bei den Krankenkassen Kommissare eingesetzt und 1934 die Selbstverwaltung in Form der Ausschüsse und Vorstände abgeschafft. Ab 1935 wurden die Krankenkassen von einem ernannten Leiter und nur beratend tätigen Beiräten geleitet. Die Krankenversicherung der Rentner wurde 1941 eingeführt, ab 1942 der Gesamtsozialversicherungsbeitrag durch die Krankenkassen eingezogen. Mit dem Kontrollratsgesetz von 1945 übernahmen wieder Vertreter der Versicherten und Arbeitgeber Aufgaben der ehrenamtlichen Selbstverwaltung. 1953 fanden erstmals in der Nachkriegszeit Wahlen zu den Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherungsträger statt. 1954 folgte die Schaffung einer besonderen Gerichtsbarkeit für die Sozialversicherung durch das Sozialgerichtsgesetz. 1976 trat der Allgemeine Teil des Sozialgesetzbuches in Kraft.


2. Bestandsgliederung

Das vorliegende Findbuch zum Teilbestand Rep. 180 OVA (= Akten des Regierungspräsidenten in Stade,

Oberversicherungsamt seit 1885) umfaßt zum einen die Akten aus der archivtektonischen Bereinigung des bisherigen Bestandes Rep. 80 OVA, der zwar provisorisch verzeichnet, aber noch nicht endgültig bearbeitet war. Er bestand aus Akten, die 1964 vom Regierungspräsidenten in Stade, Abteilung Fürsorge, OVA, und aus Akten, die 1981 von der Bezirksregierung Lüneburg, Dezernat 107 OVA an das Staatsarchiv Stade abgegeben wurden. Zum anderen setzt sich das vorliegende Repertorium aus Akten zusammen, die bis 1997 von der Bezirksregierung Lüneburg, Dezernat 107 OVA, an das Staatsarchiv Stade abgegeben wurden und hier als Rep. 180 OVA I und II, teilweise mit Akzessionsnummer verzeichnet, teilweise nur durch Abgabelisten erschlossen waren. Vorprovenienzen einzelner Akten bildeten die Oberversicherungsämter in Hamburg und Bremen. Nicht archivwürdige Akten wurden nachkassiert. Für die Akten des Oberversicherungsamtes bis 1978 ist das vorliegende, für Unterlagen ab 1978 das Findbuch Rep. 280 OVA (letzteres noch in Vorbereitung), heranzuziehen. Die Zuständigkeit für vor 1978 geschlossenes Schriftgut aus dem Alt-Lüneburger Regierungsbezirk liegt beim Hauptstaatsarchiv Hannover, die entsprechenden, zunächst nach Stade gelangten Akten aus diesem Raum wurden dorthin abgegeben.

Da das alte Schema der Behördenregistratur nicht mehr feststellbar war, folgt die Gliederung der Akten im Wesentlichen einer regionalen, nach Krankenkassensparten getrennten Einteilung. Beim Wechsel von Krankenkassen bzw. regionalen Zuständigkeiten wurden die Akten jeweils der Kasse bzw. dem Landkreis zugeteilt, zu denen der Wechsel erfolgte. Ein Foto wurde dem Bestand entnommen und in die Fotosammlung des Staatsarchivs (Rep. 1006) eingeordnet. Bemerkenswert für die Forschung ist der Bestand Rep. 180 OVA vor allem aufgrund seiner geschlossenen Überlieferung über die Strukturen der regionalen Krankenversicherung

während der Zeit des Nationalsozialismus. Hier sind vor allem die Akten über die Kosten der Unfruchtbarmachung zur Vermeidung erbkranken Nachwuchses (Nr. 34 und 36) hervorzuheben.

Neben dem vorliegenden Teilbestand des Regierungspräsidenten zu Stade sind ergänzend für die medizinische Versorgung im Bereich der Stader Regierung die Bestände Rep. 180 Med (= Akten des Regierungspräsidenten in Stade, Medizinalia (1885-1978)) und Dep. 23 AOK Stade heranzuziehen. Der Ergänzung dienen auch die Bibliotheksbestände des Staatsarchivs Stade, in denen die Geschäftsberichte der AOK Stade 1972-1991 zu finden sind, ferner der Verwaltungsbericht der AOK des Kreises Neuhaus a.d. Oste, das Statut der Betriebskrankenkasse der Tecklenborgwerft in Geestemünde und die Satzungen der Betriebskrankenkasse Stader Saline sowie Rep. 293 Stade (Sozialgericht Stade).

Die letzte bearbeitete Signatur ist Rep. 180 OVA Nr. 364.


3. Literatur:

Preußische Regierung in Stade. Geschäftsordnung, Stade 1928.
Von Bitter: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. 3.Auflage, 2. Band Berlin und Leipzig 1928, Artikel: Sozialversicherung II. S. 616f.
AOK Stade (Hrsg.): 100 Jahre Allgemeine Ortskrankenkasse Stade, o.O. u. J. (Stade 1984).
1884-1984: AOK Bremervörde. 100 Jahre im Dienste der Versicherten und Arbeitgeber, Text: Rainer Brandt, Bremervörde 1984.
AOK für den Kreis Verden (Hrsg.): 1884-1984: Allgemeine Ortskrankenkasse für den Kreis Verden. Eine Krankenkasse im Spiegel von 100 Jahren Sozialversicherung, Text: Joachim Hellborg, Heinz Kleinschmidt, Friedhelm Meyer, o.O. u. J.
Helmut M. Müller: Schlaglichter der deutschen Geschichte. Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1986, S. 191.


Stade, im Juni 2004 Dr. Christina Deggim



Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Abgeschlossen: Nein

teilweise verzeichnet

Georeferenzierung

Bezeichnung

Regierungsbezirk Stade

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1885

Zeit bis

1932

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7

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