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NLA OS Rep 930

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Justizkanzlei Bentheim

Laufzeit

1813-1852

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung

Nach der Beseitigung der französischen Gerichtsorganisation 1814 war zunächst die Justizkanzlei Osnabrück (Rep 924) für das Gebiet der Grafschaft Bentheim zuständig. Im Zuge der Regelung der standesherrlichen Verhältnisse 1823/24 wurde jedoch eine "Standesherrliche Fürstlich-Bentheimsche Justiz-Kanzlei" eingerichtet. Als Mediatjustizkanzlei nahm sie die dem fürstlichen Haus übertragene volle bürgerliche Polizei-, Forst- und Markalgerichtsbarkeit sowie eine eingeschränkte Strafgerichtsbarkeit wahr. Gleichzeitig wurde bei der Kanzlei ein Pupillenkollegium eingerichtet, das für Vormundschaftssachen und die Verwaltung von Konkursvermögen zuständig war. 1848 wurden die standesherrlichen Elemente beseitigt und alle Rechte auf den König übertragen. Bei der Aufhebung der Justizkanzleien 1852 fiel der Bentheimer Sprengel an das Obergericht Meppen (Rep 934).

Bestandsgeschichte

Mit der Aufhebung des Pfandschaftsvertrages zwischen dem Königreich Hannover und der Grafschaft Bentheim, die ihren Ausdruck in der Verordnung vom 18.4.1823 über die "Standesherrlichen Verhältnisse des Fürstlichen Hauses in der Grafschaft Bentheim" fand, wurden auch die Kompetenzen des Fürsten in der Rechtspflege geregelt (GS von 1823, I S. 125 ff., Art. 31-39):

Dem Fürsten wurde die Ausübung der Zivilgerichtsbarkeit in streitigen und nicht streitigen Angelegenheiten, in peinlichen Fällen (= Kriminalfällen) und die Forst- und Markalgerichtsbarkeit (soweit ihm verfassungsmäßig unterstellt) zugestanden.

Die Organisation der Gerichte erster Instanz erfolgte nach den Richtlinien der Amtsordnung vom 18.4.1823 (GS von 1823, I S. 83 ff), die Einsetzung der Richter stand dem Fürsten zu.

Vor Gründung eines Gerichts höherer Instanz in der Grafschaft Bentheim sollte die Justizkanzlei zu Osnabrück als übergeordnete Behörde für die standesherrlichen Untergerichte zuständig sein. In peinlichen Angelegenheiten durften die Untergerichte lediglich die Untersuchung führen; nach deren Abschluss wurden die Akten an die Justizkanzlei zu Osnabrück, später zu Bentheim, gesandt (Kriminalgerichtsbarkeit s.u.).

Für das Pupillen-, Hypotheken- und Depositenwesen galten die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen. Dem Fürsten von Bentheim war es gestattet, Einblick in die Justizverwaltung, besonders auch in das Vormundschafts-, Hypotheken- und Depositenwesen, zu nehmen, in die eigentlichen Rechtsentscheidungen durfte er sich jedoch nicht einschalten. Das Ober-Appellations-Gericht zu Celle war für die Gerichte der Grafschaft höchste und letzte Instanz.

Mit der Verordnung von 1823 war die Voraussetzung für eine Justizkanzlei der Grafschaft Bentheim geschaffen.

Das Gesetz über die "Ämter- und Gerichtsverfassung in der Grafschaft Bentheim" vom 20.5.1824 trat mit Wirkung vom

1.9.1824 in Kraft (GS von 1824, I S. 429 ff., Art. 1-9).

Danach hatte die "Standesherrlich-Fürstlich-Bentheimische Justiz-Kanzlei" folgende Aufgaben in der Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit:
1) Appellationsinstanz bei den neu geschaffenen Mediatämtern Bentheim (zuständig für die Obergrafschaft, die Stadt Schüttorf und den Flecken Bentheim) und Neuenhaus (zuständig für die Niedergrafschaft, die Stadt Neuenhaus, Stadt und Kirchspiel Nordhorn und die Gemeinde Wietmarschen).
2) Gerichtsort für Kriminalangelegenheiten; die Voruntersuchungen für diese Fälle fanden beim Kriminalamt Bentheim statt.
Die Richtlinien für den Verhandlungsablauf bei Kriminalverfahren, welche in der Verordnung vom 22.12.1822 "den veränderten Geschäftsgang in Kriminalsachen betreffend" festgelegt wurden, waren im wesentlichen auch für die Justizkanzlei verbindlich (GS von 1823, I S. 5 ff.). Bei Fällen, die mit einer mehr als einjährigen Zuchthausstrafe belegt wurden, mußte das Urteil im Namen des Königs abgefaßt und zur Bestätigung an das Justiz-Departement im Kabinettsministerium zu Hannover eingesandt werden (im Gegesatz zur vorgenannten Verordnung, Art. 1 und 3, wonach die Zuchthausstrafe dann wenigstens fünf Jahre betragen mußte). Zu der in Art. 4 der Verordnung von 1822 vorgeschriebenen zweiten Verteidigungsinstanz wurde die Justizkanzlei in Osnabrück bestimmt; Appellationsinstanz war das Ober-Appellations-Gericht zu Celle.
3) 1. Instanz für Personen, die in der Grafschaft einen privilegierten Gerichtsstand hatten. Ausgenommen von dieser Bestimmung waren die kgl. Gerechtsame in der Grafschaft Bentheim und die dort angestellten kgl. Diener mit privilegiertem Gerichtsstand, für die die Justizkanzlei in Osnabrück zuständig war.
4) Entsprechend der Regelung von 1823 (GS von 1823, I S. 181 ff.) wurde gemäß Art. 9 der Verordnung vom 20.5.1924 ein Pupillenkollegium bei der Justizkanzlei

eingerichtet.

Die 3. Instanz für Zivilsachen war das Ober-Appellationsgericht Celle.

Mitglieder des Oberkirchenrates der reformierten Kirche der Grafschaft hatten ihren persönlichen Gerichtsstand bei der Justizkanzlei in Osnabrück, die reformierten Prediger und die Mitglieder der Niederkonsistorien bei der Justizkanzlei in Bentheim, Personen, die zur niederen Geistlichkeit gerechnet wurden, bei den Standesherrlichen Ämtern (Verordnung "über den persönlichen Gerichtsstand des Oberkirchenrats und der reformierten Geistlichen in der Grafschaft Bentheim" vom 15.1.1831, GS von 1831, I S. 1 f.).

Nach dem Verzicht des Fürsten auf die standesherrlichen Rechte wurde durch Verordnung vom 25.8.1848 (GS von 1848 I S. 243) die standesherrliche Mediatjustizkanzlei zur kgl. Justizkanzlei.

Durch das Gerichtsverfassungsgesetz vom 8.11.1850 (GS von 1850, I S. 207 ff.) und die Verordnung vom 7.8.1852 (GS von 1852, I S. 243), betr. die Bildung von Obergerichten, mit Wirkung vom 23.9.1852, wurde die Justizkanzlei zu Bentheim aufgehoben.

Die durch diese Verordnung von den Verwaltungsämtern getrennten Amtsgerichte gehörten von nun an zum Bezirk des neueingerichteten Gesamtobergerichts Meppen (ab 1.10.1852)

Der vorliegende Bestand wurde aus Teilen des Bestandes Rep 930 (Akz. 10/1885) Justizkanzlei Bentheim gebildet, der vom Amtsgericht Meppen an das Staatsarchiv gelangt ist.
April 1973 gez. Dankmeier

Alte Bestandssignatur (1917): Rep 154 a)

Literatur

- Bär, Max: Abriss einer Verwaltungsgeschichte des Regierungsbezirks Osnabrück. Hannover und Leipzig 1901
- Gesetzsammlungen f. d. Kgr. Hannover. Hannover 1822, 1823, 1824, 1831, 1848, 1850, 1852

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Abgeschlossen: Nein

teilweise verzeichnet