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NLA OS Rep 924 I

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Justizkanzlei Osnabrück

Laufzeit

1814-1852

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung

1814 wurde unter Beseitigung der französischen Gerichtsorganisation (s. Rep 917 Osn) als zweitinstanzliches Gericht die "Königlich-Großbritannische Churfürstlich-Braunschweig-Lüneburgische Justiz-Canzlei des Fürstenthums Osnabrück" gebildet. Sie setzte die frühere Land- und Justizkanzlei (Rep 903) institutionell fort, war aber reines Justizkollegium (in Kriminalsachen leitende Behörde) und konkurrierte in erster Instanz nicht mehr mit den Untergerichten. Räumlich war sie zuständig für das Gebiet des Fürstentums Osnabrück und der Niedergrafschaft Lingen mit der Vogtei Emsbüren, vorübergehend - bis zur Regelung der standesherrlichen Verhältnisse 1824 bzw. 1827 - auch für die Grafschaft Bentheim und das Herzogtum Arenberg-Meppen. Das Gerichtsverfassungsgesetz vom 8. Nov. 1850 hob alle Justizkanzleien auf; an ihre Stelle traten Obergerichte (Rep 925 u. 934), bis zu deren Einrichtung 1852 die Geschäfte der Kanzleien fortgeführt wurden.

Bestandsgeschichte

Rep 924 I

Justizkanzlei Osnabrück (1814 - 1852)

Während auf der unteren Verwaltungsebene erstmals zur Zeit der frz. und bergischen Besetzung eine Trennung von Justiz und Verwaltung bestand, die jedoch nach 1814 wieder aufgehoben wurde, sollte nach Vorschlag der Provisorischen Regierungskommission in Osnabrück in der mittleren Ebene das Gerichtswesen weiterhin von Verwaltungsaufgaben getrennt bleiben. Gründe dafür sah man vor allem in den durch das Nebeneinander von Regierungsaufgaben und Rechtspflege verursachten schleppenden und somit teuren Prozessen. Wegen der ständigen Belastung mit zahllosen Aufgaben waren die Mitglieder der Land- und Justizkanzlei im 18. Jahrhundert dazu übergegangen, zur Entscheidung fast regelmäßig Rechtsgutachten auswärtiger Stellen, häufig Universitäten, einzuholen (Auswirkungen finden sich noch in diesem Bestand, auch weniger wichtige Fälle sind z.T. durch Rechtsgutachten entschieden worden). Durch die Befreiung der Justizkanzlei von Regierungsaufgaben - die dann z.T. von der Landdrostei wahrgenommen wurden - konnte eine schnellere Abwicklung der Fälle erreicht werden. Am 14. April 1814 verkündete die Prov. Regierungskommission eine Verordnung "wegen vorläufiger Organisation des Justizwesens und der Ämterverfassung in dem Fürstenthum Osnabrück". Nach v. Meier war die Osnabrücker Justizkanzlei die einzige, bei der den Ständen keine Besetzungsrechte für die Ratsstellen eingeräumt wurden (die Osnabrücker Landschaft hatte nach 1818 nur das Recht zur Besetzung einer Ratsstelle beim Oberappellationsgericht in Celle). Die Gerichtsbehörde in Osnabrück erhielt mit dem Inkrafttreten der o.a. Verordnung am 2. Mai 1814 den Titel "Königlich Großbritannische kurfürstlich Braunschweig-Lüneburgsche

Justizkanzlei des Fürstenthums Osnabrück" und residierte wie ihre Vorgänger im 1784 aus Landesmitteln an der Hasestraße errichteten Kanzleigebäude.

An Zuständigkeiten bestanden zunächst: weitere Behandlung von Verfahren und Urteilen aus frz. Zeit im Rahmen der wiedereingeführten Calenbergischen Kanzleiordnung von 1663 und der hannoverschen Kriminalinstruktion vom 30.5.1736; Kriminalrechtssprechung in 1. Instanz, wobei die Ämter wie früher nur die Ermittlungen führten; Exemte oder kanzleisässige Personen waren ihr in 1. Instanz unterstellt, im übrigen war die Justizkanzlei 2. oder Appellationsinstanz gegen Entscheidungen der Ämter, des Stadtgerichts Osnabrück und des Fleckengerichts Melle.

War zunächst für Appellationen und weitere Rechtsmittel gegen die Urteile der Justizkanzlei das Oberappellationsgericht in Celle als 2. Instanz eingesetzt, so wurden diese Aufgaben von 1816 an, soweit es sich um Exemte handelte, der Justizkanzlei Aurich übertragen, von wo aus umgekehrt die Appellationen nach Osnabrück gerichtet werden mussten. Die Justizkanzlei Göttingen war zuständig in Kriminalgerichtsfällen bei der Einlegung des Rechtsmittels der weiteren Verteidigung und die Justizkanzlei Hildesheim zuständige Revisionsinstanz für Angelegenheiten aus der Niedergrafschaft Lingen, die nicht vor das Oberappellationsgericht gehörten.

Für einige Gebietsteile galten Sonderregelungen. Bei der Errichtung der Ämter Lingen und Freren wurde festgelegt, dass die Ämter 1. Instanz in Zivilsachen, außer für Exemte, sein sollen. Appellationen sind nach Osnabrück zu richten. Für Exemte wird bei der Justizkanzlei Osnabrück in 1. und bei der Justizkanzlei Aurich in 2. Instanz verhandelt. Eine Revision beim Oberappellationsgericht ist nur möglich, wenn der Streitwert größer als 500 Taler ist, geringere sind an die Justizkanzlei Hildesheim zu richten. Das preußische Landrecht und die

preußische Gerichtsordnung werden beibehalten.

Im Kreis Emsbüren erfolgt nach Wiedereinführung des hannoverschen Rechts 1824 eine Regelung der standesherrlichen Verhältnisse des Herzogs von Looz-Corswarem, der 1826 auf eigene Gerichtsbarkeit verzichtet, wodurch Emsbüren als Vogtei zum Amt Lingen gelegt wird.

Für das Herzogtum Arenberg-Meppen ist nach den Verhandlungen mit dem Herzog folgende Regelung getroffen: die Justizkanzlei Osnabrück ist 1. Instanz für alle Angelegenheiten des fürstlichen Hauses. Im übrigen werden eigene standesherrliche Ämter und eine Mediatjustizkanzlei in Haselünne eingerichtet.

Entsprechendes gilt für die Grafschaft Bentheim, für die Osnabrück zunächst 1814 als Appellationsinstanz gegen Entscheidungen des Provisorischen Tribunals bestimmt worden war. Als Ergebnis der Verhandlungen mit dem Fürsten von Bentheim wurde 1824 die Einrichtung von Mediatämtern und einer Mediatjustizkanzlei in Bentheim zugelassen. Die Justizkanzlei Osnabrück war auch hier nur für das fürstliche Haus zuständig.

In den Aufgabenkreis der Justizkanzlei gehört auch die Beaufsichtigung der Advokaten und Notare ihres Gerichtsbezirks, vor allem war ein Gutachten zur Wohnsitznahme anzufertigen, das Gebührenwesen zu regeln und zu überwachen und seit 1832 auch die Disziplinargewalt ihr übertragen. 1833 wird bei der Justizkanzlei Osnabrück eine Standesvertretung der Advokaten eingerichtet, der auch die Anwälte aus Meppen und Bentheim angehören.

Für Vormundschaftsangelegenheiten hatte die Justizkanzlei gemäß Verordnung von 1823 aus ihren Mitgliedern ein Pupillenkollegium gebildet, das aber nicht für Meppen und Bentheim zuständig war, deren Mediatjustizkanzleien eigene Pupillenkollegien bildeten. Durch die Ausführung der im Landesverfassungsgesetz von 1848 vorgesehenen Änderung der Gerichtsverfassung 1849 wurden die Pupillenkollegien aufgelöst und ihre

Aufgaben größtenteils den Ämtern übertragen. [= Bestand Rep 924 II]

Durch die Gerichtsverfassungsänderung von 1840 in Kriminalsachen tritt eine Veränderung in der Behördenstruktur ein: es werden Senate gebildet, die das einzig zugelassene Rechtsmittel gegen Entscheidungen der 1. Instanz, die weitere Verteidigung durchführen.

Im Gerichtsverfassungsgesetz von 1850, das die Trennung von Verwaltung und Rechtspflege endgültig regelt, ist die Aufhebung der Justizkanzleien bereits vorgesehen. Über den auf Amtsebene bestehenden Amtsgerichten sollen Obergerichte stehen, die zur Verhandlung der Kriminalfälle Schwurgerichte bilden. In den gleichzeitig vorgelegten neuen Prozessordnungen für bürgerliches und Strafecht wird das alte Inquisitionsverfahren zugunsten eines Prozesses mit öffentlichem Kläger (Staatsanwalt) verfügt.

Die Schwurgerichte wurden vom 31. Januar 1850 an bereits bei den Justizkanzleien eingerichtet, ehe durch Verordnung vom 7.8.1852 die Obergerichte im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes zum 1.10.1852 gebildet wurden.

Der Bestand wurde gebildet aus Akten von Rep 925 (alt: 153 III) Obergericht Osnabrück, Rep 940 Akz. 1/33 Landgericht Osnabrück, Rep 903 III (153 I) Akz. 2/1888 Land- und Justizkanzlei Osnabrück und aus unverzeichnetem Material, das sich als entfremdetes Archivgut bei Verzeichnungsarbeiten am Bestand Dep 24 b Bussche-Hünnefeld gefunden hatte.

Der auffällige Mangel an Kriminalprozessakten, der sich auch in anderen Gerichtsbeständen des 19. Jahrhunderts feststellen lässt, kann vielleicht dadurch erklärt werden, dass die Justizbehörden bereits am 15.4.1861 eine Bekanntmachung über die Kassation älterer Akten erließen, wonach Kriminalakten nur dann aufbewahrt werden sollten, wenn in psychologischer Hinsicht oder aus sonstigen Gründen ein besonderes Interesse an dem Falle bestand. Für die Zivilprozessakten ist darin keine

ausdrückliche Regelung erfolgt.

Unter den Kriminalsachen wurde ein aus rund 50 Faszikeln bestehendes Paket mit Kopien von Untersuchungsprotokollen der Zentraluntersuchungskommission des Deutschen Bundes eingeordnet, dessen Herkunft nicht aufgeklärt werden konnte, das sich ohne Zwang aber auch keinem anderen Bestand zurordnen ließ.

Die Akten wurden chronologisch geordnet. Bei Prozessakten wurde dabei als Grundlage die echte Laufzeit des Prozesses gewählt, etwa enthaltene ältere Stücke (Beweismittel etc.) tauchen in der Datumsspalte mit auf, sind aber bei der Reihung nicht berücksichtigt worden. Bei den Testamenten ist hiervon abgewichen, es sind nur solche aufgenommen, deren Eröffnung bei der Justizkanzlei stattgefunden hat.

Die aus der Verzeichnungsarbeit am Hünnefeldschen Archiv stammenden Akten betrafen hauptsächlich Konkurs- und Vormundschaftsangelegenheiten adeliger Familien. Die Akten des Pupillenkollegiums wurden dem Bestand Rep [924 II] eingegliedert.

Wegen der Personalakten soll hier noch auf Rep 300 II hingewiesen werden, wo sich ein Teil der Personalia der Justizkanzlei findet. Auf Kassation wurde verzichtet, da die Reihe sowohl bei der Justizkanzlei als auch beim Ministerium unvollständig ist. (...)

Osnabrück, September 1973 gez. W. Feindt



Literatur:

Bär, Max: Abriss einer Verwaltungsgeschichte des Regierungsbezirks Osnabrück (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens. Bd. V), Hannover, Leipzig 1901

Crusius, E.: Die Land- und Justizkanzlei in Osnabrück und das öffentliche Bauwesen im Hochstift während des 18. Jahrhunderts, in: Osnabrücker Mitteilungen, Bd. 65, 1952 S. 1-74

Franz, G.: Verwaltungsgeschichte des Regierungsbezirks Lüneburg. Bremen-Horn 1955, S. 90 f.

Grefe, F.B.: Hannovers Recht. Erster Teil. Hannover 1860, S. 128 ff.

Hagemann,

T.: Die Ordnung des Königlichen Oberappellationsgerichts zu Celle... Hannover 1819

Hardeck, J.: Über das Justizwesen im Königreiche Hannover, in: Ergänzungshefte zur juristischen Zeitung für das Königreich Hannover Nr. 17, Lüneburg 1832

Handbuch, gemeinnütziges, der vaterländischen Staats- und Geschäftskunde für alle Stände des Königreichs Hannover. Parchim und Ludwigslust 1836

v. Meier, E.: Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte. 1. Bd., Leipzig 1898, S. 422 ff.

Osterley, F.: Geschichte des Notariats. Hannover 1842/45, S. 578 f.

Spangenberg, E.: Das Oberappellationsgericht in Celle für das Königreich Hannover... Celle 1833

Weiske, J.: Rechtslexikon für Juristen aller Deutschen Staaten..., 5. Bd. Leipzig 1844


Gesetzsammlungen:

Ebhardt, Christian H.: Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover. Hannover 1840 ff.

Struckmann, G.W.: Sammlung der gemeinen Bescheide, Ausschreiben und sonstigen allgemeinen Verfügungen der Kgl. Justizkanzlei zu Osnabrück. Osnabrück 1939

Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, Jgg.: Gesetze und Verordnungen vom:
2.12.1813
7.1.1814, 14.4.1814, 21.5.1814, 31.5.1814, 13.7.1814, 10.12.1814, 24.12.1814
13.9.1815
6.11.1816
22.6.1817
16.9.1818
29.5.1819, 18.9.1819
11.9.1820, 12.9.1820
13.3.1821, 13.4.1821, 20.7.1821, 15.11.1821, 7.12.1821
25.3.1822, 12.10.1822
15.1.1823, 18.4.1823, 30.4.1823, 18.6.1823
20.5.1824, 11.10.1824
25.10.1825
9.5.1826, 18.7.1826,

11.9.1826
5.10.1827, 5.11.1827, 13.12.1827
31.10.1829
3.12.1830
15.1.1831
9.4.1832
31.1.1833, 4.3.1833
13.12.1834
8.8.1840, 8.9.1840
16.2.1841
26.5.1845
4.12.1847
22.4.1848, 12.7.1848, 19.7.1848, 21.7.1848, 18.8.1848, 5.9.1848 besonders § 9)
18.4.1849, 22.9.1849, 24.12.1849
31.1.1850, 5.9.1850, 8.11.1850
4.5.1852, 7.8.1852, 8.8.1852
4.4.1861

Hagemann, T.: Sammlung der Hannoverschen Landesverordnungen und Ausschreiben des Jahres 1814. Hannover 1814

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Abgeschlossen: Nein

teilweise verzeichnet