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NLA OS Rep 250 Lin I

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Unterpräfektur Lingen betr. das spätere Kreisgebiet Lingen

Laufzeit

1808-1813

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung

Mit der Eingliederung der Grafschaft Lingen in das Großherzogtum Berg 1808 wurde Lingen Sitz einer Unterpräfektur. Als das Gebiet Ende 1810 an Frankreich fiel, wurde Lingen wiederum Sitz einer Unterpräfektur in einem veränderten Arrondissement.

Geschichte des Bestandsbildners

Im französisch-preußischen Krieg der Jahre 1806/07 besetzten die Franzosen bereits im Herbst 1806 die preußischen Provinzen in Westfalen, darunter auch die Grafschaft Lingen. Die bestehenden Behörden - in Lingen der Kriegs- und Domänenrat Mauve als Deputatus und Kommissarius der Kriegs- und Domänenkammer in Münster und die hauptsächlich als Gericht fungierende Tecklenburg-Lingensche Regierung in Lingen - blieben unverändert im Amt; es wurde lediglich die Bezeichnung der Kriegs- und Domänenkammer Münster, der die Grafschaft Lingen unterstand, in "Administratives Kollegium des ersten Gouvernements der eroberten Länder" umgewandelt. Als Kontrollorgan für Osnabrück, Münster, Lingen, Tecklenburg und Mark wurde außerdem ein Generalgouverneur eingesetzt, zunächst der Divisionsgeneral Loison, ab Februar 1807 der General Canuel.

Im Frieden von Tilsit (9. Juli 1807) verlor Preußen alle Provinzen westlich der Elbe; Lingen wurde förmlich an Frankreich abgetreten und am 3. Januar 1808 dem 1806 gegründeten und von Marschall Joachim Murat regierten Großherzogtum Berg zugeschlagen, das außerdem um die preußischen Gebiete Essen, Elten und Werden, die Grafschaften Dortmund, Mark und Tecklenburg und das Fürstentum Münster erweitert wurde.

Die alten Behörden blieben wie schon unter französischer Verwaltung weiter bestehen; es kam lediglich zu neuen Umbenennungen. Aus dem administrativen Kollegium wurde das "Großherzoglich Bergische Administrations Kollegium Münster", und die Regierung in Lingen führte die neue Bezeichnung "Großherzoglich Bergische Tecklenburg-Lingensche Regierung".

Im Juli 1808 nötigte Napoleon I. Murat zur Abtretung des Großherzogtums und nahm selbst den Titel eines Großherzogs von Berg und Kleve an. Am 3. März 1809 schließlich ernannte er den minderjährigen Prinzen Napoleon Ludwig Bonaparte, den Sohn seines Bruders, des Königs Ludwig Bonaparte von Holland, zum Großherzog, behielt sich aber die Regentschaft bis zur Volljährigkeit seines Neffen vor.

Durch einen am 14. November in seinem Hauptquartier in Burgos (Spanien) herausgegebenen Erlass organisierte er die Verwaltung nach französischem Vorbild neu. Das Großherzogtum wurde in die vier Departements des Rheins, der Sieg, Ruhr und Ems eingeteilt, in denen Präfekten als oberste Verwaltungsbeamte fungierten, denen als beratende Organe Präfekturräte und Generaldepartementsräte zur Seite standen. Die Grafschaft Lingen wurde Teil des Ems-Departements, das außerdem den nördlichen Teil des Fürstentums Münster sowie die Grafschaften Horstmar, Rheina-Wolbeck, Steinfurt, Tecklenburg und Bentheim umfasste. Das Departement bestand aus den drei Distrikten (Arrondissements) Münster, Coesfeld und Lingen, in denen analog zur Departementalverwaltung Unterpräfekten und Distriktsräte (Arrondissementsräte) eingesetzt wurden. In Lingen wurde der bisherige Kriegs- und Domänenrat Mauve am 10. März 1809 offiziell zum Unterpräfekten ernannt. Sein Distrikt setzte sich aus den ehemaligen Grafschaften Lingen und Tecklenburg und dem größeren Teil der Grafschaft Bentheim zusammen und gliederte sich in die sechs Kantone Lingen, Nordhorn, Emlingkamp, Freren, Ibbenbüren und Tecklenburg. Die kleinsten Verwaltungseinheiten waren die Munizipalitäten oder Mairien mit je einem Maire an der Spitze.

Im Jahre 1810 ließ Napoleon I. durch den "organischen Senatskonsult" vom 13. Dezember das Königreich Holland und Teile Nordwestdeutschlands zu französischem Territorium erklären. Es wurden zehn neue Departements gebildet, von denen die drei sogenannten "hanseatischen"

(der Oberems, Wesermündungen und Elbmündungen) für eine Übergangszeit (bis zum 1. Juli 1811) einer provisorischen Zwischeninstanz in Form der "Kommission zur Verwaltung und Regierung der Departements der Oberems ..." unterstellt wurden. Hauptaufgabe dieser Regierungskommission, die ihren Sitz in Hamburg hatte und unter der Leitung des Marschalls Davout (Fürst von Eckmühl) stand, war die Vorbereitung der endgültigen Organisation der drei Departements.

Das Oberems-Departement wurde aus dem südlichen Teil des Herzogtums Oldenburg, den östlich der Ems liegenden Teilen des arenbergischen Arrondissements Meppen und des Großherzogtums Berg und dem nördlichen Teil des westfälischen Weser-Departements gebildet. Präfekt in Osnabrück wurde der Chevalier Karl von Keverberg. im östlichen Teil des Departements entstanden die drei Arrondissements Osnabrück, Minden und Quakenbrück, während man im westlichen Teil die beiden Arrondissements Meppen und Lingen provisorisch bestehen ließ und die beiden Unterpräfekten - Mauve in Lingen und Anton Heyl in Meppen - vorerst in ihren Ämtern bestätigte.

Nachdem die Regierungskommission am 12. April 1811 entsprechende Vorschläge eingereicht hatte, regelte ein kaiserliches "Organisationsdekret" vom 4. Juli 1811 die endgültige Einteilung der drei "hanseatischen" Departements und verlängerte zugleich die Vollmacht der Regierungskommission bis zum 1. Januar 1812 - nunmehr zur Überwachung der Aufbauarbeit.

Das Oberems-Departement gliederte sich endgültig in die vier Arrondissements Osnabrück, Minden, Quakenbrück und Lingen. Das Arrondissement Lingen entstand aus dem Zusammenschluss der bisherigen provisorischen Arrondissements Lingen und Meppen; zum Hauptort hatte die französische Regierung im Gegensatz zu den Vorschlägen der Regierungskommission Lingen bestimmt. Es wurde in die 9 Kantone Ibbenbüren, Haselünne, Papenburg, Sögel, Bevergern, Meppen, Fürstenau, Freren und Lingen eingeteilt, die insgesamt 47 Mairien umfassten.

Höchster Verwaltungsbeamter des Arrondissements war der Unterpräfekt. Ihm stand der Arrondissementsrat zur Seite, der hauptsächlich für die Aufteilung der Steuerlast auf die einzelnen Gemeinden zuständig war. Im August 1811 wurde Adolf von Grote zum Unterpräfekten von Lingen ernannt; nachdem er im Dezember 1811 zum Mitglied des Corps législatif in Paris berufen wurde, trat [Georg] von dem Bussche [1774-1827] im Mai 1812 als provisorischer Unterpräfekt mit der Amtsbezeichnung "zur Administration des Arrondissements Lingen delegierter Präfekturrat" an seine Stelle.

Die neun Kantone, die jeweils mindestens drei Mairien umfassten, besaßen keine eigenen Verwaltungsorgane, sondern waren reine Gerichtsbezirke. In den Mairien gab es ehrenamtlich tätige Maires, die für die Führung der Zivilstandsregister, die Aufstellung des Budgets, die Überwachung der Konskriptionen und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig waren. Kollektivorgan der untersten Verwaltungsebene war der Munizipalrat, dessen Hauptaufgabe die Beratung des Budgets war.

Bestandsgeschichte

Die Akten der bergischen und französischen Unterpräfektur Lingen wurden nach dem Ende der französischen Zeit zwischen Preußen und Hannover aufgeteilt. Die an Hannover gelangten Akten ordnete man teilweise dem älteren Grafschaftsarchiv (Rep 131 Niedergrafschaft Lingen), teilweise der Registratur des Amts Lingen zu (Rep 350 Amt Lingen), 1966 bzw. 1971 wurden die das Gebiet des heutigen Kreises Lingen betreffenden Akten aus beiden Beständen herausgezogen und zu dem hier vorliegenden Bestand Rep 250 Lin I vereinigt. Die Akten der bergischen und französischen Unterpräfektur Lingen, soweit sie das Gebiet des Hoheitskommissariats Meppen betreffen (heutige Kreise Meppen und Aschendorf-Hümmling), bilden

den Bestand Rep 250 Lin II.

Die aktenführende Behörde wurde im Findbuch mit den Abkürzungen "berg. Unterpräf." (bergische Unterpräfektur Lingen) und "franz. Unterpräf." (französische Unterpräfektur Lingen) jeweils angegeben; Akten anderer Provenienzen wurden ausgesondert und in die Bestände Rep 131 II (Grafschaft Lingen: Preußische Zeit), Rep 240 (Oberems-Departement), Rep 250 Bent (Bergische Unterbehörden betr. die Grafschaft Bentheim und die Kirchspiele Salzbergen, Emsbüren und Schepsdorf), Rep 350 Lin (Amt Lingen), Rep 490 (Gemeindeverwaltung), Rep 491 (Personenstandsregister) und Rep 950 Lin I (Untergericht/Amtsgericht Lingen) eingearbeitet.

Kopiale Überlieferung erscheint in der Zeitspalte in Klammern.

Osnabrück, im Juli 1975 gez. Brockel

Literatur

1. Gesetze und Verordnungen

[Gesetz-Bulletin des Großherzogtums Berg] Erste Abtheilung des ...; die Seit dem 15ten July 1808 ... Bis zum 3ten November 1809 ... Herauskommenen Gesetze und Decrete enthaltend. Düsseldorf 1810.

Sammlung von Gesetzen, Decreten, und Gutachten des Staatsraths, welche in den Departements der Elbe- und Wesermündungen und der Ober-Ems ... verkündet worden sind. Bd. 1 - 16 Paris 1811, Bd. 17 Hamburg 1812.

Sammlung der Präfektur-Akten des Ober-Ems-Departements 1811 - 1813. Osnabrück [1811 - 1813].

2. Darstellungen

Bär, Max: Abriß einer Verwaltungsgeschichte des Regierungsbezirks Osnabrück. Hannover/Leipzig 1901 (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens Bd. 5).

Berghaus, Heinrich: Deutschland vor fünfzig Jahren. 3. Bd. Leipzig 1862.

Braubach, M. u. E. Schulte: Die politische Neugestaltung Westfalens. Berlin 1934 (in: Der Raum Westfalens 1795 - 1815. Bd. 2,2).

Goecke, Rudolf: Das Großherzogthum Berg unter Joachim Murat, Napoleon I. und Louis Napoleon 1806 -1813. Köln 1877.

Goldschmidt, Bernhard Anton: Geschichte der Grafschaft Lingen und ihres Kirchenwesens insbesondere. Osnabrück 1850.

Statistisches Jahrbuch des Ober-Ems-Departements für das Jahr 1812. [Osnabrück 1812].

Joulia, Antoinette: Ein französischer Verwaltungsbezirk in Deutschland: Das Oberems-Departement (1810 - 1813), in: Osnabrücker Mitteilungen Bd. 80 (1973) S. 21 - 102. Osnabrück 1973.

Kochendörffer, H.: Territorialentwicklung und Behördenverfassung von Westfalen 1802 - 1813. Münster 1929, in: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde [Westfalens] Bd. 86, 1. Abteilung, S. 97 - 218.

Schriever, Ludwig: Geschichte des Kreises Lingen. 2 Bde. Lingen 1905 u. 1910.

Schücking, Lothar Engelbert: Die Fürstentümer Münster und Osnabrück unter französischer Herrschaft. Münster 1904.

Schultz, Hermann: Zur Verwaltungsgeschichte des hannoverschen Emslandes. Oldenburg [1943], in: Archiv für Landes- und Volkskunde von Niedersachsen Bd. 1943, H. 15, S. 47 - 52.

Schwarting, Albert C.: Die Verwaltungsorganisation Nordwestdeutschlands während der französischen Besatzungszeit 1811 - 1813 (= Reihe A der Veröffentlichungen der Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft zum Studium Niedersachsens EV: Beiträge H. 34. 2. Auflage, Oldenburg 1936).

Thimme, Friedrich: Die inneren Zustände des Kurfürstentums Hannover unter der französisch-westfälischen Herrschaft 1806 - 1813. 2 Bde. Hannover/Leipzig 1893 u. 1895.