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NLA HA Hann. 70

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Justizkanzlei/Hofgericht/Obergericht Celle

Laufzeit

1246-1891

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung

Zivilprozesse vor der Justizkanzlei; Kriminalprozesse, besonders betreffend den Göttinger Aufruhr (1831); Vormundschafts-, Kuratel- und Nachlasssachen; Urteils- und Bescheidebücher, Obergericht, Offizialregistratur der Justizkanzlei, rotuli examinis testium, Urteilssammlungen
Findmittel: EDV-Findbuch in Bearbeitung
Umfang: 162 lfdm

Bestandsgeschichte

Vorwort

Im Rahmen der Neuerstellung der im Kriege 1943 vernichteten Findbücher des Staatsarchivs habe ich als Referent für Lüneburg 1959 begonnen, den umfangreichen Bestand Hann. 70: Akten der Registraturen der (Justiz-) Kanzlei zu Celle, des Hofgerichts zu Uelzen, später zu Celle und des Obergerichts zu Celle neu zu verzeichnen.

Nach der Rückführung der im Kriege ausgelagerten Akten aus dem Kalischacht in Weetzen war der Bestand 1952 in das 8. Geschoß des Westflügels des Archivgebäudes eingelagert worden; er umfaßte 524 Pakete; anschließend waren, vermengt mit nicht bestandszugehörigen Stücken, über 30 Fach Akten eingelagert worden, deren Position neu zu bestimmen war; sie vermehrten sich im Laufe der Jahre aus dort abgelagerten versprengten Stücken - so z.B. durch die von Herrn Dr. Studtmann aus dem Bestand "Hann. 51" ausgesonderten Stücke; nach erfolgter Verzeichnung wurden von diesen Resten die mit Umschlag und Signaturen versehenen Stücke unter der alten Nummer, die Stücke ohne Umschlag mit neuer a=Nummer in den Bestand Hann. 70 eingestoßen.

Der Bestand Hann. 70 ist in der Hauptsache die Summe der von der ursprünglichen Zentralbehörde des Fürstentums Lüneburg, der Celler "Kanzlei" des 16. Jahrhunderts, die sich im 17. Jahrhundert zur Justizkanzlei entwickelte (vgl. W. Ohnsorge, Zum Problem: Fürst und Verwaltung um die Wende des 16. Jahrhunderts, in: Blätter für Deutsche Landesgeschichte Bd. 88, 1951, S. 151 ff. und danach H.J. von der Ohe, Die Zentral- und Hofverwaltung des Fürstentums Lüneburg (Celle) und ihre Beamten 1570 - 1648. Celle 1955, S. 17 f., 23 ff., 42 ff.), sukzessiv und rein willkürlich, je nach Entbehrlichkeit und Raumnot in Celle, an das Archiv in Hannover mit entsprechenden Verzeichnissen oder "Repertorien" geleiteten Akten. "Die Bildung der Kanzlei" (akten) "abtheilungen" (in übertragenem Sinne auch als "Repertorien" bezeichnet) "I -

III und V und VI ist nach und nach durch Anfertigung der Verzeichnisse, also nach dem Zufall, erfolgt. Sie umfassen ungefähr den gleichen Zeitraum "(vom 16. bis 18. Jhdt.)" und sind bei Nachsuchungen insgesammt zu benutzen, während die folgenden Abtheilungen von VII an chronologisch aneinander anschließen" (vgl. M. Bär, Übersicht über die Bestände des K. Staatsarchivs zu Hannover, Leipzig 1900, S. 89).

Das Ablage- und Verzeichnungsprinzip ist in Celle im 16. Jahrhundert für die Gerichtsakten eingeführt worden: Alphabet der Beklagten, Auswerfen des ersten Konsonanten und ersten Vokals und dann, chronologisch erfaßt, die Nummer:
z.B. Ba 198 Leute zu Adendorf
ca. Leute zu Bardowick
wegen Hut und Weide 1645 - 58
An diesem Prinzip hat man in Celle eisern festgehalten, noch nach 1852 beim Obergericht (zum Obergericht vgl. G. Franz, Verwaltungsgeschichte des Regierungsbezirks Lüneburg, Bremen-Horn 1955, S. 91), ja sogar die Akten der Offizialregistratur (Dienstregistratur) der Justizkanzlei sind in das traditionelle Schema gepreßt worden.

Vor dem kriegsbedingten Verlust der alten Verzeichnisse ("Repertorien") zu Hann. 70 hat man sich im Staatsarchiv Hannover mit der Existenz der Parallelbestände abgefunden.

Nach dem Verlust der alten Verzeichnisse ("Repertorien") hätte man daran denken können, die verschiedenen Serien der Des. 70 zusammenzuarbeiten. Für das dazu nötige Auslegen der Akten des umfangreichen Bestandes war aber weder in dem damals überfüllten Magazin, noch im Dienstzimmer des Bearbeiters Raum. Zudem war nach dem alten Schema die Paketierung für die Auslagerung nach Weetzen erfolgt; die fortlaufende Zählung der Pakete bildete schließlich das einzige Ordnungsgerippe des Fonds für die Neuverzeichnung und die interimistische Benutzung des Bestandes während dieser Arbeit.

So ergab sich folgender Weg der Neuverzeichnung: systematische

Aufnahme der Einzelakten, Paket für Paket, in der überlieferten Ordnung; durch das Alphabet der Beklagten war damit zugleich eine Benutzungserleichterung gegeben, während die Kläger, Orte und Sachbetreffe allerdings zunächst nicht alphabetisch zu erfassen waren. Daher war von Anfang an die Anfertigung eines Namen- und Sachregisters nach Abschluß der Verzeichnung vorgesehen, wodurch die mit den Aktenstücken selbst nicht durchführbare Zusammenarbeitung der "Repertorien" gewissermaßen nachträglich auf dem Papier zu erfolgen hätte. Voraussetzung für dieses Register aber war bei der Umständlichkeit der alten Signaturen (z.B. Rep. I Ba 198) die vorherige Erteilung eines Numerus currens für den Gesamtbestand; 1962 ist seitens der Archivleitung die Umstellung der älteren Bestände des Staatsarchivs auf den Numerus currens generell verfügt worden.

Bei dieser Sachlage war also zunächst der Gesamtbestand in der Form wie er 1959 vorlag, neu zu verzeichnen. 5 Repertorienbände (enthaltend die Rep. I bis IX Li 46) habe ich in den Jahren 1959 - 1964 als Referent für Lüneburg angefertigt. Durch die mir 1962 zugewiesene Dienststellung als ständiger Vertreter des Herrn Leitenden Archivdirektors war es mit ab 1965 (nach Abgabe des Referats Lüneburg) nicht mehr möglich, die Verzeichnung bis zu meiner Pensionierung (31.1.1969) fortzuführen. Um die Verzeichnung nicht als Torso zu hinterlassen, habe ich in den Jahren 1969 bis 1973 den Rest des Bestandes in drei weiteren Repertorienbänden erfaßt. Die dringend notwendige Erstellung eines Registers zu den 8 Bänden konnte ich nicht mehr selbst vornehmen.

Im Einverständnis mit dem Herrn Direktor wurden die im Bär als XI 1 und 2 bezeichneten Teile des Bestandes, soweit sie nicht bereits früher umgelagert waren (z.B. nach Celle Or. 9), aus Hann. 70 ausgegliedert und nicht verzeichnet. Es stellte sich heraus, daß es sich hier nicht um Akten

der Zentrale, sondern um Aktenmaterial der westfälischen Kanton Notare handelt, das gemäß Verordnung vom 2. Dezember 1813 § IX höheren Orts abzugeben war (vgl. Hann. 70 XIII No Nr. 2 ff. bes. Nr. 4).

Dagegen wurden früher an die Akten der (Justiz-) Kanzlei bzw. ihre Nachfolgebehörde angeschlossene Bestände bei Hann. 70 belassen: so die nach 1833 in die Kanzleiregistratur eingeordneten Akten des Tribunals (vgl. Hann. XIII Hy Nr. 2/3; zum Tribunal vgl. F. Thimme, Die inneren Zustände des Kurfürstentums Hannover unter der französisch-westfälischen Herrschaft 1806 - 1813, 2. Bd., Hannover - Leipzig 1895, S. 217 ff., 224 ff.), so die Akten des 1818 errichteten, 1846 aufgehobenen Pupillen-Kollegs für Vormundschafts- und Sportelsachen ( Hann. XIII Pu Nr. 3 ff., bis Nr. 10), so ältere Akten des Hofgerichts (Rep. IV), der in der Rechtssprechung im 16. Jahrhundert mit der Kanzlei konkurrierenden Justizbehörde (vgl. v. der Ohe, S. 18, S. 27, S. 72), so die von Krusch gebildete Sammlung von Pergamenten (Rep. IV 1/2) und die ebenfalls auf Krusch zurückgehende Rep. IX a (Kriminalakten der Justizkanzlei betr. den Aufruhr zu Göttingen 1831, Rep. IX b (Kriminalakten der Justizkanzlei) und Rep. IX c (Nachlaß des Lüneburger Salzkontors). Auch das aus früher Celle 61 V 10 b übernommene Einzelstück: Sammlung von Urteilen der fürstlichen Kanzlei zu Celle wurde von mir als Rep. XVI belassen.

Gerade dieses Stück ist charakteristisch für die genetisch enge Verbundenheit von Hann. 70 und Celle 61 bzw. 61 a. Bei den umfassenden Aufgaben, die der Zentralbehörde des 16. Jahrhunderts, der Kanzlei, zufielen, war eine saubere Scheidung zwischen "Verwaltungs"akten und "Justiz"akten nicht möglich, da ja schließlich jede Verwaltungsanordnung zugleich eine Entscheidung involviert. Insbesondere hätte z.B. das in Hann. 70 Rep. III befindliche Material zum Teil ebensogut in Celle 61 oder 61 a

untergebracht werden können. Daraus folgt, daß bei Benutzungen besonders für das 16. und 17. Jahrhundert stets Celle 61 bzw. 61 a und Hann. 70 nebeneinander herangezogen werden müssen.

Hann. 70 enthält für die Geschichte des Regierungsbezirks Lüneburg (namentlich für die Orts- und Personengeschichte) reiches Material (vgl. z.B.: Rep. IV Ha 193: Dienstregister des Amtes Harburg 1671 - 1677), das erst durch ein Register mühelos erfaßt werden kann. Hingewiesen sei auf die (auch in der Generalurkundenkartei notierten) recht beachtlichen Urkundenabschriften sowie auf die wertvollen älteren Karten; mehrfach gefaltete Karten sind bestimmungsgemäß in die Kartensammlung gebracht und dort repertorisiert worden.

Von besonderer Wichtigkeit ist die Offizialregistratur (Dienstregistratur) der Justizkanzlei Rep. XIII (die von Bär als Abt. XIV ausgeworfene "Offizialregistratur des Obergerichts seit 1852" ist bereits bei der Auslagerung nicht mehr vorhanden gewesen; an das letzte Paket 520 von Rep. XIII schloß sich Paket 521 als erstes Paket von Rep. XV an). Eine Geschichte der "Kanzlei" zu Celle und ihres Behördenarchivs kann jetzt geschrieben werden (vgl. z.B. Hann. 70 Rep. XIII Re Nr. 6 und Nr. 10, Se Nr. 3, Nr. 25, Nr. 29, Nr. 30, Su Nr. 6, Ve Nr. 6, Nr. 8).

Nach dem kriegsbedingten Verlust der Akten des Ministeriums des Innern (Hann. 104, Hann. 104 a) und des Oberappellationsgerichtes zu Celle (Hann. 73, Hann. 73 a) bietet die Offizialregistratur der Justizkanzlei ersatzweise mancherlei Material zur hannoverschen Verwaltungsgeschichte. Auch der bequeme Zugang zu diesem Material wird erst durch das dringend notwendige Register zu Hann. 70 (nach Umstellung des Gesamtbestandes auf den Numerus currens) erreicht werden.

gez. Ohnsorge 1973

Das von Prof. Dr. Werner Ohnsorge handschriftlich angefertigte Repertorium in 8 Bänden wurde von Frau Flöter ins Reine

geschrieben.

Der dringend erforderliche Index der Orte, Personen und Sachen ist in Bearbeitung.

Der Bestand unterliegt keinen besonderen Benutzungsbeschränkungen. Es ist zu zitieren: Hann. 70 Nr. .... (fortlaufende Nummer am linken Rand), z.B. Hann. 70 Nr. 54
(Johann Wilhelm von Ilten
gegen Hans Hepke in Höver (Amts Burgdorf)
wegen eines Afterlehns)

Hannover, im Juni 1980

gez.

Höing