Schlachthof
Am 06.09.1888 entschlossen sich die zuständigen Gremien der Stadt, in Celle einen eigenen Schlachthof zu errichten. Hygienische und medizinische Aspekte standen bei dem Vorhaben im Vordergrund. Bis dahin geschah es nicht selten, dass Menschen nach dem Verzehr von Fleisch aus den damals üblichen Hausschlachtungen an Bandwürmern oder Trichinen litten, was zu schweren Erkrankungen oder gar zum Tod führte. Ein weiterer Anstoß kam von den Tierschutzverbänden, die die Grausamkeit bei den bisherigen Schlachtmethoden anprangerten.
Am 10.06.1889 wurde mit dem Bau des neuen Schlachthofs begonnen. Er war erst der vierte kommunale Schlachthof, der in der Provinz Hannover eingerichtet wurde. Bauplatz war die ehemalige Rathsbleiche auf der Mühlenmasch (Allerinsel), die Kosten beliefen sich auf etwa 258.000 Reichsmark. Die Eröffnung erfolgte am 08.07.1890.
Durch spezielle Kühlräume wurde eine angemessene Lagerung des Fleisches gewährleistet. Eine mikroskopische Fleischbeschau wurde verbindlich, ebenso die Tötung der Tiere unter Betäubung. Um 1910 wurde es in Celle zudem verboten, Schlachtungen außerhalb des Schlachthofs durchzuführen ("Schlachthofbenutzungszwang"). Eine Einhaltung hygienischer und dem Tierschutz verpflichteter Standards war somit gegeben.
Der Celler Schlachthof beschäftigte keine Schlachter. Schlachter von den verschiedenen Fleischereien schlachteten dort selbst ihre Tiere. Die Stadt unterhielt den Betrieb und die Fleischer bezahlten dafür Schlachtgebühren.
Bis 1977 mussten alle Metzger oder Großhändler, die ihr Fleisch direkt oder über den Großmarkt aus dem "Totversand" bezogen, eine "Ausgleichsabgabe" bezahlen. Diese sollte die kommunalen Schlachthöfe vor den Konkurrenten schützen.
Neben Umkleideräumen für Gesellen und Meister gab es auf dem Gelände des Schlachthofs ein Sitzungszimmer. Auch befanden sich auf dem Gelände Räumlichkeiten, die für längere Zeit als Wohnung für den "Hallenmeister" und später für den Direktor des Schlachthofs bereitgestellt wurde.
1899 mussten nach einer vom Regierungspräsidenten angeordneten Revision verschiedene bauliche Mängel beseitigt werden; Kosten: etwa 30.000 Mark.
Bis zum 1. Weltkrieg nahmen die Schlachtungen auf der Anlage stetig zu und während des Krieges um 66 Prozent ab. Nach dem Krieg stieg diese Zahl wieder, erreichte jedoch erst nach dem 2. Weltkrieg das Niveau von 1915.
Aufgrund von Versorgungsengpässen in der Stadt Celle entstand am 01.01.1918 vorübergehend eine eigene "Stadtschlachterei" am Schlachthof.
Auf dem Gelände wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eine Freibank eingerichtet. Dort konnte Fleisch, das nicht ganz den strengen Gesundheitsvorschriften entsprach, aber nicht gesundheitsbedenklich war, günstig erworben werden. Diese Einrichtung wurde erst 1973 aufgehoben, als eine Kostendeckung der Einnahmen nicht mehr gegeben war.
In den Jahren von 1963 bis 1969 wurde die Schlachthofanlage weitgehend modernisiert. Die Kosten betrugen ca. 2 Mio. DM. Damit entsprach die Anlage den Kriterien eines EWG-Schlachthofs. Diese Zulassung wurde 1969 erteilt.
In den Jahren 1956 bis 1978 konnte das Gesamtschlachtaufkommen im Schlachthof mehr als verdreifacht werden. Im Jahr 1978 gab es 61.642 Schlachtungen auf dem Celler Schlachthof. Größter Benutzer war im Jahre 1977 die Celler Fleischhandel GmbH mit einer monatlichen Schlachtleistung von mehr als 2000 Schweinen. Trotzdem verschlechterte sich aufgrund tiefgreifender Veränderungen im Vieh- und Fleischverkehr die wirtschaftliche Lage der kommunalen Schlachthöfe im gesamten Bundesgebiet und so auch in Celle. Trotz Erhöhung der Gebühren konnten diese mit der Kostenentwicklung nicht Schritt halten, was zu einer "Kostenunterdeckung" führte. Die Ausgleichsabgabe schaffte keine Abhilfe, denn trotz der Abgabe war der Einkauf aus Beständen der Totschlachtung immer noch billiger als die Lebendschlachtung im Schlachthof, so dass auch die Abgabe eine Umorientierung der Fleischer nicht aufzuhalten vermochte. Diese gesetzlich verordnete Abgabe fiel im Jahre 1977 gänzlich weg. Deckungsmittel aus dem städtischen Haushalt mussten in Anspruch genommen werden.
1975 stand der Schlachthof wegen Unrentabilität und mangelnder Auslastung kurz vor der Schließung. Diese konnte durch Errichtung einer neuen Betriebsstätte vorerst verhindert werden.
Trotzdem war ein weiterer Betrieb des Schlachthofs Ende der 70er Jahre nur durch weitgehende bauliche technische Erneuerungen und Verbesserungen möglich. Die Kosten hätten für diesen Umbau nach den damaligen Berechnungen ca. 2 Mio. DM betragen. Deshalb wurde im Stadtrat über einen kompletten Neubau diskutiert. 35 Celler Innungsbetriebe wollten sich mit 50.000 DM daran beteiligen. Die Landeswirtschaftliche Fleisch-Zentrale und schließlich die Stadt zogen sich jedoch aus den Plänen zurück. Somit blieb als einzig mögliche Alternative der ersatzlose Rückbau.
Am 27.09.1979 beschloss der Rat die Privatisierung des Schlachthofs Celle. Der Schlachtbetrieb wurde am 31.12.1981 eingestellt und die Anlage an die Celler Fleischhandel GmbH für ein Jahr verpachtet. Im Jahre 1983 wurden die Anlagen abgerissen, bis auf das ehemalige Pfort- und Wohnhaus. In diese Räumlichkeiten (heutige Adresse: Hafenstr. 4) zog im Jahre 1999 das Celler Garnison-Museum ein.
Literaturverzeichnis:
- Erster Verwaltungsbericht der Stadt Celle 1890
- Zweiter Verwaltungsbericht der Stadt Celle 1891 - 1900
- Dritter Verwaltungsbericht der Stadt Celle 1901 - 1905
- Vierter Verwaltungsbericht der Stadt Celle 1906 - 1910
- Fünfter Verwaltungsbericht der Stadt Celle 1911 - 1925
- Sechster Verwaltungsbericht der Stadt Celle 1926 - 1955
- Siebter Verwaltungsbericht der Stadt Celle 1956 - 1979
- Carsten Maehnert : Geschichte des Celler Fleischerhandwerks (Schriftenreihe: Bomann-Museum und Stadtarchiv Celle, Heft 14/1987
Celle, den 24.10.2017
André Wesche
Link: https://www.arcinsys.niedersachsen.de/arcinsys/detailAction?detailid=b14141