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NLA AU Rep. 69

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Hauptzollamt Leer

Laufzeit

1804-1983

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung

Das am 1. Januar 1854 errichtete Hauptzollamt Leer war für die Erhebung der Ein- und Ausgangszölle, die Rübenzuckersteuer, die Übergangsabgaben für vereinsländischen Branntwein, Tabak, Wein, Most und Cider, die Frabrikationsabgaben von inländischem Branntwein und Bier sowie die Steuer von inländischem Salz und Tabak zuständig. Das Hauptzollamt Leer wurde Anfang 1967 aufgelöst.

Geschichte des Bestandsbildners

Um die Zusammenhänge des in diesem Bestand vor allem aus dem 19. Jahrhundert vorhandenen Schriftguts zu verstehen, bedarf es zunächst eines Überblicks über die Entwicklung der Zollverwaltung.

Das Hauptzollamt Leer im eigentlichen Sinne bestand vom 1. Januar 1854 an, doch geht die Geschichte dieser Zollbehörde bis in die Anfänge der hannoverschen Steuer- und Zollverwaltung in Ostfriesland zurück. Der Umstand freilich, daß es in den drei Jahrzehnten vor 1854 - und zwar in den Jahren 1823, 1826, 1835 und 1841 - immer wieder zu Veränderungen bei den Kompetenzen und damit zu Umstrukturierungen auf den verschiedenen Ebenen der Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern kam, ist geradezu dazu angetan, einige Verwirrung zu stiften. Eine umfassende und eindeutige Darstellung der Behördenentwicklung ist dadurch jedenfalls wesentlich erschwert. Der nachfolgende Überblick stellt daher nur einen ersten Versuch dar, Klarheit in der Materie zu gewinnen.

Im Zuge der allgemeinen Verwaltungsreform in Hannover wurde durch Patent vom 13. Mai 1823 und mit Wirkung vom 15. Mai 1823 eine Oberzolldirektion in Hannover als Mittelbehörde eingerichtet und derselben unter Leitung des Staats- und Kabinettsministeriums die Aufsicht über die gesamte Zollverwaltung im Königreich Hannover übertragen. Ihr unterstanden drei Zolldirektionen mit Haupt- und Nebenzollrezepturen für die Grenzzölle. Ein "Reglement über die künftige Verwaltung der Zölle" vom 18. April 1823 regelte die Geschäftstätigkeit (Auszug im Anschluß an das Patent). Die indirekten Steuern wurden dagegen bis 1835 - zusammen mit den direkten Steuern - von einem Obersteuerkollegium in Hannover mit - vermutlich eigenen - nachgeordneten Steuerrezepturen verwaltet. Mit Verordnung vom 13. Dezember 1823 und Wirkung zum 1. Januar 1824 wurden auch die Emszoll-Stellen, die zunächst noch unter der Aufsicht der Auricher Landdrostei verblieben waren, der Oberzolldirektion unterstellt. Emszoll-Kontore bestanden damals offenbar in Emden und in Leer. Auf Provinzebene waren die Wasser- und Landzollstätten der Kreisrezeptur in Aurich zugeordnet.

Ab 1826 begegnet man dann in Emden und Leer Hauptzollrezepturen, die einer speziellen Verwaltung unterlagen, sowie einer Reihe weiterer Haupt- und Nebenzollrezepturen. Die traditionelle Trennung von Zöllen und Steuern ließ sich nicht länger aufrechterhalten, als sich das Königreich Hannover überstaatlichen Zoll- und Steuervereinbarungen anschloß. Ab 1835/37 bildete Hannover mit Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe einen Steuerverein (Steuer-Cartell). Da sich zudem der Charakter der Zölle als bisher rein fiskalische Einnahmen, sog. Finanzzölle, aus ein-, durch- und ausgehenden Waren ab Mitte der dreißiger Jahre auch zu Schutz- und Differentialzöllen wandelten, die als wirtschaftspolitische Instrumente dienten, wurde die Zollverwaltung über die bisherigen Verbrauchs- und Eingangssteuern hinaus auch auf Produktionsabgaben von Branntwein, Bier und Salz sowie auf die Mahl- und Schlachtsteuer in den Städten ausgedehnt. Dies bzw. die Regelungen des Steuervereins hatten zur Folge, daß mit Verordnung vom 21. April 1835 und Wirkung vom 1. Juni 1835 das bisherige Obersteuerkollegium in Hannover auf die Erhebung sämtlicher direkten Steuern und der Stempelsteuer beschränkt und die Oberzolldirektion aufgehoben wurde. Statt letzterer wurde in Hannover unter der Leitung des Finanzministeriums eine Generaldirektion der indirekten Abgaben und Zölle errichtet. Ihr unterstanden in den Provinzen insgesamt sieben Direktionen der indirekten Abgaben und Zölle, in Ostfriesland eine solche in Aurich. Den Direktionen waren wiederum an den Grenzen Grenzsteuerämter erster und zweiter Klasse und Anmeldeposten unterstellt, im Innern aber Haupt- und Nebensteuerämter.

Die bisherige Hauptzollrezeptur in Emden wurde 1835 in ein Grenzsteueramt umgewandelt, die Hauptzollrezeptur in Leer in ein Hauptsteueramt. Hier fungierte allerdings offenbar auch eine "Stadtcontrole" - lange Jahre besetzt mit "Stadtcontroleur" Warneke - als vorgesetzte Behörde der Grenzämter und Nebensteuerämter in der Umgebung Leers. Nach dem "Verzeichniß der im Königreiche Hannover und Herzogthume Braunschweig errichteten Steuer-Ämter" von 1835 (Gesetzessammlung, S. 215 ff. bzw. S. XLVI-XLVII) gab es im Kreis Leer die Grenzsteuerämter zweiter Klasse Bunde, Hatzum, Groß-Sander, Detern und Potshausen, dritter Klasse in Wymeer, Landschaftspolder, Ditzum, Rinzeldorf und Langholt, im Innern die Hauptsteuerämter Leer, Weener, Halte, Papenburg und Jemgum sowie die Nebensteuerämter Neermoor, Hesel und Collinghorst. Der bereits existierenden und weiterbestehenden Steuerdirektion in Aurich verblieb als Aufgabe die Verwaltung der direkten Steuern in Form von Grundsteuer, Häusersteuer, Personen-, Besoldungs-, Einkommens- und Gewerbesteuer, der Stempelsteuer und der Kassensachen (vgl. Rep. 69, Nr. 29; im o.g. "Verzeichniß" wird gleichwohl auch für die indirekten Steuern von einem Bezirk "Steuerdirektion Aurich" gesprochen).

Nach dem Austritt Braunschweigs aus dem Steuerverein wurden mit den Verordnungen vom 30. Juni und 15. Juli 1841 das bisherige Obersteuerkollegium und die bisherige Generaldirektion der indirekten Abgaben und Zölle zu einem neuen Obersteuerkollegium mit den zwei Abteilungen Generaldirektion der direkten Steuern und Generaldirektion der indirekten Steuern zusammengefaßt. Für die Verwaltung der Wasserzölle auf Elbe und Weser sollten wie bisher Mitglieder der Generaldirektion der indirekten Steuern zuständig sein, deren Behörde die Benennung Generaldirektion der Zölle erhielt. Damit bestanden im Grunde drei Abteilungen. Bis 1853 wurden die indirekten und die direkten Steuern wieder gemeinsam von den Steuerdirektionen und ihren Lokalbehörden verwaltet. So könnte auch die Steuerdirektion in Aurich als vorgesetzte Behörde des Hauptsteueramtes in Leer wieder sowohl für Zölle und indirekte Steuern als auch für die direkten Steuern zuständig gewesen sein.

Als Folge des Beitritts zum Zollverein wurde mit der Verordnung vom 22. Dezember 1853 die Generaldirektion der indirekten Steuern in Hannover zum 1. Januar 1854 aufgelöst und an ihrer Stelle wieder ein Oberzollkollegium in Hannover ins Leben gerufen, daneben auch ein Obersteuerkollegium für die direkten Steuern; seit dieser Zeit hat die Trennung zwischen indirekten und direkten Steuern Bestand. Die für Wasserzölle und Schiffahrtsgefälle zuständige Generaldirektion der Wasserzölle wurde 1863 in das Oberzollkollegium überführt. Das Oberzollkollegium war zuständig für die Erhebung der Ein- und Ausgangszölle, die Rübenzuckersteuer, die Übergangsabgaben für vereinsländischen Branntwein, Tabak, Wein, Most und Cider, die Fabrikationsabgaben von inländischem Branntwein und Bier sowie die Steuer von inländischem Salz und Tabak. Als Unterbehörden fungierten die Hauptzollämter und die Hauptsteuerämter, denen die örtlichen Hebestellen Zollämter erster und zweiter Klasse sowie die Grenz- und Steuerkontrolleure unterstellt waren. In Emden und Leer wurden mit dem Hannoverschen Zollgesetz vom 15. August 1853 Hauptzollämter eingerichtet. Ihre Funktionen wurden näher bestimmt durch die Bekanntmachung des hannoverschen Finanzministers vom 15. Dezember 1853. Nach 1854 gehörten zum Distrikt des Hauptzollamts Leer die Nebenzollämter Bunderneuland, Ditzum, Emswachtschiff (bzw. Hatzum), Halte, Jemgum, Papenburg und Weener.

1865, 1867 und 1869 wurden weitere Zollvereinsverträge geschlossen, ehe Artikel 33 der Reichsverfassung vom 12. April 1871 für das Deutsche Reich e i n Zoll- und Handelsgebiet (zunächst bis auf Hamburg und Bremen) schuf. Die Gesetzgebung für Zölle oblag fortan allein dem Reich, die Verbrauchsteuern blieben dagegen den einzelnen Staaten überlassen. In der preußischen Zeit wurde mit Erlaß vom 8. Februar 1867 aus dem Oberzollkollegium die Provinzialsteuerdirektion in Hannover, 1908 daraus die dortige Oberzolldirektion, und ab 1919 war das Landesfinanzamt (heute Oberfinanzdirektion) die vorgesetzte Dienststelle der Hauptzollämter Emden und Leer . Ab 1908 gehörten die Zollämter Bunde, Bunderneuland, Emswachtschiff (bzw. Hatzum), Neurhede, Papenburg, Rhede und Weener zum Zuständigkeitsbereich des Hauptzollamts Leer.

In den Jahren 1934-1945 unterstand das Hauptzollamt Leer weiter dem Landesfinanzamt bzw. Oberfinanzpräsidenten in Hannover, während das Hauptzollamt Emden dem Landesfinanzamt bzw. dem Oberfinanzpräsidenten Weser-Ems in Bremen zugeteilt wurde. Nach dem Krieg lag die Zollverwaltung zunächst in der Zuständigkeit der Länder, ehe sie 1950 Angelegenheit des Bundes wurde. Der Oberfinanzdirektion Hannover als Bundesmittelbehörde unterstanden (bzw. unterstehen, sofern nicht aufgelöst) als örtliche Verwaltungsstellen die Hauptzollämter in Braunschweig, Emden, Hannover, Hann. Münden, Hildesheim, Leer, Lüneburg, Nordhorn, Oldenburg, Osnabrück und Stade. Die Bezirke der Hauptzollämter und Zollämter wurden weitgehend an die Grenzen der Kreise und Gemeinden angeglichen.

Das Hauptzollamt Leer wurde Anfang 1967 aufgelöst. Heute besteht nur noch ein einfaches Zollamt. Die Aufgaben des Hauptzollamts wurden damals vom Hauptzollamt Emden übernommen. Nach dem Umzug des Zollamts wurde das Zollgebäude, das früher die Zoll-Niederlage vor allem für die Tee-Importeure war, von dem 1993 gegründeten "Zollhausverein" übernommen und am 22. April 1994 als Kulturzentrum eröffnet.

Bestandsgeschichte

Der vorliegende Bestand kam in den Akzessionen 1873/8, 1876/1, 1890/4, 1891/9, 1925/13, 1937/2, 1994/10 und 2000/26 ins Archiv, umfangreich vor allem 1925. Akten des Hauptzollamts Leer über Fähren, die über das Wasser- und Schiffahrtsamt Leer (Rep. 153) ins Staatsarchiv gelangten sind, wurden im Rahmen der Neuverzeichnung provenienzgemäß nach Rep. 69 überführt. Die ältesten Akten in Rep. 69 stammen von 1823 (Nr. 7 ff.), die jüngsten aus den 1960er Jahren.

Das auf dem Abgabeverzeichnis des HZA von 1890 basierende und verschiedentlich ergänzte bisherige Findmittel wurde zwar 1990 einer Überarbeitung unterzogen, doch erwies sich das Ergebnis schon bald in mehrerlei Hinsicht als völlig unzureichend.

Der Bestand wurde daher komplett neuverzeichnet, zumal bisher offensichtlich keine archivische Bewertung der Übernahmen stattgefunden hatte. Aus diesem Grunde wurden gleichzeitig notwendige Kassationen nach archivfachlichen Kriterien durchgeführt. Ausgeschieden wurde vor allem die Mehrfachüberlieferung der sog. "Kundebücher" (Sammlungen der Erlasse) verschiedener Nebenzollämter. Bewahrt blieb hier eine Beispielüberlieferung für Halte und Papenburg. Außerdem wurden große Teile des reinen Geschäftsschriftguts (Rechnungsrevisionen u.ä.) kassiert.

Der Bestand wurde bisher offenbar nur selten benutzt, obwohl er einiges Material sowohl für die Wirtschaftsgeschichte, u.a. für den Bereich des Schiffsbaus und des Schiffsverkehrs, als auch für die Ortsgeschichte des Raumes Leer bereithält. Die orts- und familiengeschichtlich interessanten Fährschatzregister (2.5.2) - namentliche Auflistungen von fährschatzpflichtigen Personen - wurden besonders ausgeworfen und die einzelnen Ortsnamen indiziert. Bei der Verzeichnung mit dem alten Verzeichnungsprogramm AIDA konnten allerdings aus EDV-Gründen nicht alle Gemeinden in den Index aufgenommen werden.

Eine Reihe von Akten wurden jeweils doppelt klassifiziert, d.h. die Einordnung erfolgte in zwei verschiedenen Sachgruppen. Dies erwies sich als angebracht bei Akten, die sowohl Generalia als auch Spezialia enthalten, bei Akten der Nebenzollämter, die eine eigene Untergruppe erhielten, und für Akten aus der Vorprovenienz Steuerdirektion Aurich/Direktion für indirekte Steuern und Abgaben Aurich, für die kein eigener Bestand im Staatsarchiv besteht. Innerhalb dieser Gruppen erfolgt die Ordnung alphabetisch, so daß sich ein geographischer Indexeintrag oft erübrigte.

Aurich, im April 1994, Oktober 2002 und Januar 2003

Dr. Wolfgang Henninger
Archivoberrat

Literatur

Günther Möhlmann/Josef König, Geschichte und Bestände des Niedersächsischen Staatsarchivs in Aurich, Göttingen 1955, S. 195-198.
Übersicht über die Bestände des Niedersächsischen Hauptstaatsarchivs in Hannover, Bd. 2, bearb. von Ernst Pitz, S. 154-155.
Übersicht über die Bestände des Niedersächsischen Haupt staatsarchivs in Hannover, Bd. 3, bearb. von Manfred Hamann u.a., Göttingen 1983, S. 574-577.
K. Knief, Die Entwicklung des Zoll- und Verbrauchssteuerwesens, insbesondere in Niedersachsen, in: Neues Archiv für Niedersachsen, Jg. 1954, S. 2-7.
Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, Stuttgart 1985, S. 189-190, Bd. 5, Stuttgart 1987, S. 927-934.
Johann Beerens, Das letzte schwimmende Zollamt auf der Ems eingezogen. Über zweihundert Jahre Zollüberwachung auf der Herbrumer Schleuse, in: Ostfriesland. Zeitschrift für Kultur, Wirtschaft und Verkehr, 1967, Heft 1, S. 8-10.
Johann Beerens, 500 Jahre Zollüberwachung an der Emsmündung, Leer 1999.
Karl Schuemacher, Deutsche Zollgeschichte, Waldshut 1927.
Martin Clausnitzer, Deutsche Zollgeschichte, Leipzig 1933.
Georg Kauz, Handbuch der Bundeszollverwaltung, Frankfurt a.M. 1950.

Im "Mitteilungsblatt der Oberfinanzdirektion Hannover", das den Zollämtern zugestellt wird, werden nach Auskunft des Hauptzollamts Emden u.a. auch historische Artikel veröffentlicht.

Siehe

Korrespondierende Archivalien

Rep. 15 (Landdrostei Aurich)

Rep. 16/4 (Regierung, Abteilung Wasser- und Schiffahrtswaltung; z.B. für Fähren)

Rep. 153 (Wasser- und Schiffahrtsamt Leer; z.B. für Fähren)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Abgeschlossen: Nein

teilweise verzeichnet