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NLA HA Hann. 9h

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Kaiserliche Exekutionskommission

Laufzeit

1726-1754

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners

Der Bestand Hann. 9h ist ein kleiner, provenienzmäßig und inhaltlich geschlossener Aktenbestand, der - obzwar sein lokaler Betreff jenseits der Grenzen früherer und heutiger Zuständigkeit des hannoverschen Archivs liegt, obzwar auch außerhalb dieser Grenzen entstanden - hier seinen richtigen Aufbewahrungsort hat. Der Bestand stellt den schriftlichen Niederschlag einer Reichsexekution dar, die Kurhannover zusammen mit Kurbrandenburg und Braunschweig-Wolfenbüttel im Auftrage des Kaisers 1733 bis 1735 gegen die aufrührerische Bürgerschaft der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen durchgeführt hat.

Zur Geschichte der Exekutionskommission

Die freie Reichsstadt Mühlhausen, im 16. Jahrhundert Schauplatz des Wirkens von Thomas Müntzer, geriet in den folgenden Jahrhunderten immer wieder in den Strudel innerer Unruhen, die Lokalkommissionen und die Aushandlung von Rezessen - so in den Jahren 1642, 1679, 1681, 1711 - erforderlich machten, ohne dass diese aber eine nachhaltige Befriedung zur Folge gehabt hätten. Angebliche Verstöße gegen die Rezesse sowie neu aufgetauchte Streitpunkte brachten die streitenden Parteien, Rat und Bürgerschaft, in Klage und Beschwerde vor den Kaiser, wobei die "querulierenden" Bürger ihre Gravamina recht wirkungsvoll durch eigene Deputierte in Wien vorbringen ließen. Unter diesen wurde der sachsen-eisenachsche Rentmeister Johann Ernst Sander aus Northeim, ein "unruhiger, intriganter Mensch", seit 1725 treibende, auf die Dauer verhängnisvoll wirkende Kraft. Ende 1725 forderte die querulierende Bürgerschaft vom Kaiser zur Abhilfe ihrer Gravamina die Ausbringung einer Lokalkommission auf den Kurfürsten von Sachsen, im März 1726 sandte der Magistrat seinerseits an die Regierung in Hannover ein allgemein gehaltenes Beistandsgesuch. Hannover hatte aufgrund eines seit 1710 bestehenden Schutzverhältnisses und wegen der Zugehörigkeit Mühlhausens zum Niedersächsischen Reichskreis an dem Schicksal der Reichsstadt ein unmittelbares und reges Interesse und hintertrieb im Verein mit Wolfenbüttel und Kurbrandenburg den Plan einer sächsischen Kommission. Statt dessen erhielt - den hannoverschen Räten auch nicht durchaus genehm - im Juni 1727 der Reichshofrat und Resident in Hamburg Freiherr von Kurtzrock vom Kaiser den Auftrag, auf der Grundlage der früheren Rezesse die in 30 Punkten aufgezählten Differenzen zwischen Rat und Bürgerschaft an Ort und Stelle zu untersuchen und beizulegen. Am 8. März 1728 begann von Kurtzrock mit seinem Auftrag. Doch ehe er, unterbrochen von zeitweiliger Abwesenheit von Mühlhausen, seine Arbeit zum Abschluss bringen und der von ihm entworfene Hauptrezess weiter behandelt werden konnte, war die Bürgerschaft unter dem Einfluss Sanders zu offenem Widerstand gegen den kaiserlichen Kommissar und den Magistrat übergegangen, hatte am 6. Dezember 1729 unter Absetzung des alten einen neuen Ausschuss von 48 Deputierten gewählt und wollte von den Vergleichsvorschlägen nichts wissen. Die explosive Lage in Mühlhausen und die deshalb drohende Einmischung benachbarter Reichsstände, vor allem Sachsens und Hannovers, ließen es dem Wiener Hof im September 1730 geraten

erscheinen, die gescheiterte Lokalkommission des Freiherrn von Kurtzrock in eine Hofkommission in Wien umzuwandeln, um die noch übrig gebliebenen Differenzen am sicheren Ort und unter den Augen des Kaisers aus der Welt zu schaffen. Zahlreiche Mandate aus Wien vermochten indes weder diesen Beschluss zur Durchführung zu bringen noch zu verhindern, dass die Bürgerschaft weiter gewaltsam in die Vorrechte des Magistrats einbrach, die Entrichtung des Wachtgeldes und andere öffentliche Abgaben verweigerte und sich der Stadttore bemächtigte, als herauskam, dass der Rat bei der hannoverschen Regierung um militärische Hilfe gebeten hatte. Diese Hilfe getraute sich Hannover allerdings ohne kaiserliche Billigung nicht zu gewähren. Vielmehr musste es sich damit abfinden, dass am 31. März 1732 der Bürgerschaft bei fortwährendem Umgehorsam eine Exekutionskommission der kreisausschreibenden Fürsten des Niedersächsischen Kreises angedroht wurde, und trotz verschiedener diplomatischer Anstrengungen feststellen, dass Preußen von dieser Exekutionskommission nicht auszuschließen war. Tatsächlich wurden am 26. Oktober 1732 die drei Höfe Hannover, Berlin und Wolfenbüttel vom Kaiser förmlich angegangen, den Ruhezustand in der Stadt wiederherzustellen. Das Kommissorium lautete insbesondere auf die Abschaffung der bürgerlichen Wachsoldaten, die Verhaftung, gefängliche Verwahrung und Vernehmung der Rädelsführer, in erste Linie des "berüchtigten" Sander, sowie aller 48 Mitglieder jenes neuen, inzwischen aber vom Kaiser kassierten Bürgerausschusses.

Von hannoverscher Seite wurde im Dezember 1732 Eberhard Ludwig Baring, Hof- und Kanzleirat an der Justizkanzlei in Hannover, als Subdelegierter bevollmächtigt und im Februar/März 1733 mit Instruktionen versehen.

Baring traf sich mit den übrigen Subdelegierten, dem preußischen Geheimen Rat von Cocceji, der im Juni 1734 durch Regierungsrat Hansen abgelöst wurde, und dem wolfenbüttelschen Hofrat Willerding, Mitte März in der Reichsstadt Nordhausen, wo am 19. März 1733 eine Präliminarkonferenz abgehalten wurde. Am folgenden Tage (20. März 1733) wollten die Subdelegierten mit dem ihnen beigegebenen Kommando von 100 Mann in die Stadt Mühlhausen einrücken. Allein, die Tore blieben für die Subdelegierten verschlossen, ein Tumult zwischen kaisertreuen und aufrührerischen Bürgern innerhalb der Mauern entstand, es gab Tote und Verletzte und weitere Ausschreitungen. Nachdem die Kommission unrühmlich einen Tag vor den Toren auf den Bescheid der Bürgerschaft hatte warten müssen, zog sie sich unverrichteterdinge nach Nordhausen zurück. Erst am 10. Mai 1733 konnte die Subdelegierten unter dem Schutz der erheblich verstärkten Exekutionstruppen in Mühlhausen einmarschieren und mit der Durchführung ihres Kommissoriums, das vom Kaiser auf die Untersuchung des Exesse vom 20. März 1733 ausgedehnt worden war, an Ort und Stelle beginnen.

Bestandsgeschichte

Die hier verzeichneten Akten sind bei der hannoverschen Subdelegation während ihrer Tätigkeit in Mühlhausen von 1733 bis 1735 entstanden, mit Ausnahme einiger Vorakten sowie privater Korrespondenzen des Subdelegierten Baring. Die entsprechenden Akten der Geheimen Räte lagen vermutlich in der sogenannten Geheimen Registratur (Hann. 9) und sind mit dieser im Zweiten Weltkrieg verbrannt. Die Erhaltung der Kommissionsakten ist dem Umstand zu verdanken, dass der Bestand im Archiv zunächst als Celle Br. 126 aufgestellt war und erst am Ende des 19. Jahrhunderts - allerdings nur auf dem Papier, nicht lagerungsmäßig - der Geheimen Registratur aus Provenienzgründen angehängt wurde.

Die Akten waren laufend durchgezählt, ein Ordnungsprinzip war dabei jedoch nicht erkennbar. Die Aktentitel, obwohl zum Teil von Barings Hand stammend, erschienen nicht immer treffend. Mehrere starke Aktenkonvolute waren schlicht als "Varia" bezeichnet. Im Zuge der Neuverzeichnung wurden aus diesen Konvoluten, soweit möglich, einzelne Sachakten gebildet, so dass statt früher 125 Nummern nunmehr 168 Nummern vorhanden sind. Dabei musste allerdings in Kauf genommen werden, dass die bei der Sicherungsverfilmung angebrachte Paginierung der Akten heute zum Teil nicht mehr stimmt. Die Aktentitel wurden, soweit nötig, präzisiert und verdeutscht, die Akten nach einem sachlichen Gliederungsschema neu geordnet.

Der Bestand ist 1969 im Staatsarchiv Bückeburg restauriert worden, so dass er jetzt wieder unbeschränkt benutzbar ist.

Stand: 2. April 1975

Enthält

u.a. Korrespondenz des Subdelegierten Eberhard Ludswig Baring; Gesamtberichte und Untersuchungsgeschäft der Kommission; weitere Maßnahmen und Konferenzbeschlüsse; Denuntiationen, Gesuche, Varia

Findmittel

EDV-Findbuch (2006)

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M.

4,2

Bearbeiter

Dr. Chr. Gieschen (1975)

Benutzung

Das Archivgut kann im Niedersächsischen Landesarchiv Hannover unter Berücksichtigung der Einhaltung von Schutz- und Sperrfristen nach §5 Niedersächsisches Archivgesetz (NArchG) eingesehen werden.

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Der Archivbestand ist vollständig digitalisiert.