Drucken

NLA HA Hild. Br. 3/1

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Benediktinerkloster St. Michaelis zu Hildesheim

Laufzeit

1022-1817

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners

Klostergeschichte

Die Gründung des ersten Benediktinerklosters in der Diözese Hildesheim ist auf Bischof Bernward, geboren um 960, zurückzuführen, der einer angesehenen sächsischen Familie entstammte. Er war vor seiner Weihe zum Hildesheimer Bischof 993 Hofkaplan und Erzieher Ottos III. gewesen. Die bedeutendsten Quellen zur Gründungsgeschichte des Klosters St. Michaelis stellen die Vita Bernwardi und die drei sogenannten Testamente des Bischofs von 996 (UB Hochstift Hild. I, Nr. 38), 1019 (UB Hochstift Hild. I, Nr. 62) und 1022 (UB Hochstift Hild. I, Nr. 67) dar; letzteres muß man wohl zu den Fälschungen rechnen, dennoch ist es historisch relevant, da aus ihm der mittelalterliche Besitzstand des Klosters hervorgeht. Das erste Testament von 996 legt Vermächtnisse für die Kreuzkapelle fest. (Die Kapelle wurde später in das Kloster St. Michaelis einbezogen, dem heiligen Lambert geweiht und nach der Reformation Zeughaus.) Man muss wohl einen längeren Gründungsprozess voraussetzen, der sich zwischen 996 und 1022 vollzog. Eine Besiedlung ist um 1000 anzunehmen, darauf deutet eine erhebliche Bautätigkeit; vielleicht hatte Bernward damals zunächst dauerhaft einen Kanonikerkonvent ins Auge gefaßt. 1013 hat es dann jedoch eine klösterliche Gemeinschaft aus Benediktinermönchen gegeben, die vermutlich überwiegend aus dem Kloster St. Pantaleon (Köln) stammten. In seinem zweiten Testament von 1019 sieht man die eigentliche Stiftungsurkunde für das Kloster St. Michaelis, mit ihr wurde es nochmals reich bedacht. Abgeschlossen wurde die Gründung des Klosters durch die Weihe der Abteikirche und Kapelle im Todesjahr Bernwards 1022 und durch die Einsetzung des Probstes Goderamnus von St. Pantaleon zum ersten Abt des Michaelisklosters. 1033 weihte der nachfolgende Bischof Godehard die endgültig fertiggestellten Gebäude von Kloster und Kirche, was 1035 wiederholt werden musste, da

zwischenzeitlich ein Feuer großen Schaden angerichtet hatte. Godehard verringerte die Vermögensbasis des Klosters zwar nicht, aber er veranlaßte den Einbau der von Bernward für die Michaeliskirche vorgesehenen Erztüren in den Dom. Wirklich problematisch hingegen muss der Umgang mit seinem Nachfolger, Bischof Dietmar, gewesen sein, der dem Kloster einige Zehnten (u. a. zu Lafferde, Nettlingen und Beddingen) entzog, was er auf intensiven Protest des Abts wieder rückgängig machte.

Trotz dieser und anderer Eingriffsversuche war das Kloster während des Mittelalters erfolgreich in seinem Bemühen, die Rechte über die von Bernward geschenkten Kirchen zu bewahren. Es kamen sogar noch etliche Patronate hinzu, beispielweise 1196 über Heisede. Außerdem läßt sich errechnen, dass das Kloster zwischen 1130 und 1256 erhebliche Zukäufe tätigte (1000 Morgen, zwei Mühlen und einige Zehnten); andererseits verkaufte es u. a. 1236 seinen gesamten Besitz in Diemarden. Um die Mitte des 12. Jahrunderts lassen sich Anstrengungen nachweisen, den Klostergründer Bischof Bernward heiligsprechen zu lassen, 1194 wurden sie vom Erfolg gekrönt. Ein Reliquiar bewahrte seither Kopf und Arm im Dom; in einem kostbaren Schrein aus dem Jahre 1398 ruhte bis zu seiner Zerstörung in den Reformationswirren der restliche Körper. Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde ein prachtvoller Ehrensarg gewissermaßen als Ersatz angefertigt. Die Bernwardverehrung wurde klösterlicherseits sehr ernst genommen, so fand am Tage seiner Heiligenverehrung (16. August) alljährlich eine Feier in St. Michael statt. Im 12. und 13. Jahrhundert verbesserten Päpste verschiedentlich die Rechte der Äbte: Beispielsweise wurde dem Abt das Recht gewährt, bischöfliche Gewänder zu tragen und am Ende der Messe nach Art eines Bischofs zu segnen. Um 1300 beginnen sich erste Zeichen für einen Verfall klösterlicher Sitten zu mehren.

Einflussreiche Familien versuchten ihre nachgeborenen Söhne auf den Abtstuhl zu heben und somit das wohlhabende Kloster zur Versorgungsstätte zu degradieren. Ein negatives Beispiel verkörpert Abt Johann von Hake (1384-1393). Dagegen regte sich Widerstand, dessen sichtbarer Erfolg 1451 die Berufung des ersten Reformabtes Johann Eylcken, eines Bursfelder Mönchs, durch Nikolaus von Kues war. Mit Eylcken endete die Reihe der adeligen Äbte. Zugleich hob man die Trennung zwischen Abts- und Konventsgut auf. 1453 erfolgte der Anschluss an die Bursfelder Union; das trug sicherlich zur Steigerung der monastischen Disziplin bei, die in den folgenden Jahrhunderten bis zur Säkularisierung 1803 vorbildlich gewesen sein soll. Gestärkt durch diese innere Reform widmete man sich Ende des 15. Jahrhunderts intensiv baulichen - Ziehung einer Klostermauer - und barmherzigen Maßnahmen (u. a. Errichtung eines neuen Krankenhauses). Dem Kloster St. Michaelis kam ebenfalls eine Rolle auf den Landtagen zu: Es war zusammen mit der Abtei St. Godehard, den Kollegiatstiftern St. Moritz, Heiliges Kreuz, St. Andreas, St. Johannis und dem Kloster St. Bartholomäus zur Sülte (den "sieben Stiftern") selbständiger Landstand neben Domkapitel, Ritterschaft und Städten im Hochstift Hildesheim. Die sieben Stifter bildeten die zweite Kurie auf dem Hildesheimer Landtag, deren Vorsitz stets der Abt von St. Michaelis innehatte. Im Verlauf des Spätmittelalters verschlechterten sich die Beziehungen zwischen der Stadt Hildesheim auf der einen und dem Kloster St. Michaelis auf der anderen Seite zunehmend. Von letzterer Seite wurde diplomatisches Entgegenkommen geübt. Doch nach dem Ende der Stiftsfehde 1523 überspannte die Stadt mit Repressalien und überhöhten Geldforderungen aus klösterlicher Sicht den Bogen - eine (erfolgreiche) Klage beim Reichskammergericht sollte Abhilfe schaffen. Rat und Teile der

Bürgerschaft kümmerten richterliche Entscheidungen allerdings wenig: Sie besetzten das Kloster gar einige Wochen lang, um Geld zu erpressen. Zu all diesen Schwiergkeiten kam nun noch die Reformation auf das Kloster zu, die seit der Annahme der neuen Lehre durch den Rat 1542 zu den bislang schlimmsten Zuständen führte: Das Spektrum der Repressalien gegen das Kloster reichte von Einsperrungen der Mönche, Diebstahl von Kirchengut über die Zweckentfremdung sakraler Gebäude bis hin zur Verpflichtung, lutherische Prediger bezahlen (und deren Predigten anhören) zu müssen. Insgesamt gesehen musste das Kloster ständig mit dem Rat um die Anerkennung seiner Rechte kämpfen. Eine Wende schien die Rekatholisierung 1632 zu bedeuten - doch bereits 1634 obsiegte die braunschweigische Seite, infolgedessen wurden die Mönche aus dem Kloster St. Michaelis vertrieben. 1643 klärte der Hauptrezess die Lage: Das Kloster wurde dem aus dem Exil zurückgekehrten Abt übergeben und die Kirche wieder protestantisch. Laut eines Güter- und Rechtsverzeichnisses aus dem Jahre 1641 betrug die Zahl der Orte, wo das Kloster Besitz hatte, 135; ebenfalls Erwähnung finden verschiedene Rechte z. B. am Zehnten und der Fischerei, Schäfereien und Mühlen. Meierdinge waren in Lafferde, Nettlingen und Hoheneggelsen. Obergerichte hielt das Kloster in Renshausen, Dorste, Ohrum, Everode, Steinwedel und Volksen; des weiteren in den drei letztgenannten Orten Gerichte und Vogteien (zusätzlich z. B. in Segeste und Nettlingen). In Gronau saß ein Meierdingsvogt und in Hallendorf ein Zehntvogt. Ungeachtet der Widrigkeiten des 30jährigen Krieges und des Hildesheimer Rates konnte das Kloster St. Michaelis seine Vorrangstellung behaupten, die Ende des 17. Jahrhunderts seitens der neun Feldklöster und des Domkapitels ausdrücklich bestätigt wurde. Kaiser Leopold nahm es überdies 1675 in seinen Schutz und erklärte die Freiheit von sämtlichen

Kriegslasten. Und zu Beginn des 18. Jahrhunderts konnte man sogar neue Klostergebäude errichten. Nichtsdestoweniger hielten die Reibereien mit der Stadt an, was einige Klagen des Klosters beim kaiserlichen Kammergericht zur Konsequenz hatte. Der letzte Abt, Wilhelm Rören, wurde am 27. Mai 1800 gewählt; er musste am 8. Dezember 1801 letztmalig eine Professfeier abhalten, deren Formel nur wenig von überlieferten aus dem 11. Jahrhundert abwich. Nachdem der Reichsdeputationshauptschluß von 1802 das Kloster dem Königreich Preußen zugesprochen hatte, erfolgte am 18. Februar 1803 die von König Friedrich Wilhelm III. verfügte Aufhebung. Seine Ausnahmeposition vermochte das Kloster St. Michaelis anscheinend bis zum Ende halten, darauf deutet das positive Urteil des mit der Säkularisation beauftragten Staatsministers von der Schulenburg. 1803 verfügte das Kloster noch über 2300 Morgen an Wiesen und Äckern; es bewirtschaftete drei Vorwerke (Lademühle, Himmelsthür und Renshausen). In den Pfarreien St. Michael, Himmelsthür, Westfeld, Winzenburg und Renshausen oblag ihm die Seelsorge. Patronatsherr war der Abt über fünf katholische und zehn lutherische Pfarreien. Das jährliche Einkommen belief sich immer noch auf 20.000 Taler. Nachzutragen ist, dass der Michaelis-Konvent zwischen 1664 und 1802 die Pröbste für das Benediktinerinnenkloster Escherde stellte. Ob es sich hierbei wirklich nur um einen Ehrentitel handelte, wie in der "Germania" behauptet, bleibt noch zu erforschen. Der Aufhebung folgte die Regelung der Abfindung und Pensionsversorgung von Abt und Konventualen, die weiterhin in ihren Zellen wohnen bleiben durften. Aufs ganze betrachtet hatte die durchschnittliche Konventsstärke - abgesehen vom 30jährigen Krieg - stets bei 20 bis 30 Mönchen gelegen.

Hannover, im März 2004
Dr. Claudia Bei der Wieden

Bestandsgeschichte

Zahlreiche Akten zur Wirtschaftsführung des 15. und 16. Jahrhunderts dürften 1542 und 1634 erloren gegangen sein. Die Übernahme des übrig gebliebenen Klosterarchivbestandes erfolgte 1870. Anfang der 1960er Jahre nahm Dr. Th. Ulrich eine Neuverzeichnung vor. Dabei wurden kaum Umlegungen vorgenommen, allerdings ein früherer "Nachtrag" aufgelöst und eingeordnet, was eine Neuzählung notwendig machte. Die alten Signaturen sind auch im jetzigen Findbuch aufgeführt. Ansonsten wurden die von Dr. Ulrich vergebenen Signaturen im wesentlichen beibehalten. Andererseits mussten Titelbildung, Laufzeit und Klassifikation grundlegend korrigiert werden, die Zahl der regestierten Urkunden erhöhte sich ebenfalls, zumal die Erfassung bis 1522 ausgedehnt wurde. Insgesamt ist die Verzeichnung nunmehr wesentlich vertiefter. Kassationen waren nicht erforderlich. Ergänzt seien noch folgende Hinweise: Akte Nr. 2 wurde 1963 umgelegt nach Cop. Nr. 15 (Altsignatur: VI Nr. 03); ein Kopiarfragment des Klosters St. Michaelis aus dem 16. Jahrhundert befindet sich im Staatsarchiv Wolfenbüttel (VII C Hs 36); siehe ferner zu Akten des Klosters St. Michaelis auch Hann. 77 b XXIV f, Nrn. 3-33 (vgl. auch XXIV r).

Hannover, im März 2004
Dr. Claudia Bei der Wieden

Der Bestand wurde 2005 sicherungsverfilmt (Film-Nr. 10271-10324).

Enthält

Register über die Wirtschaftsführung des Klosters, Benediktinerorden, andere Stifte und Klöster, Angelegenheiten des Konvents und der Konventsmitglieder, geistliche Rechte, Religionsstreitigkeiten, Pfarreien, Güterverwaltung des Klosters, Erbenzinssachen, Meiersachen

Literatur

Bertram, Adolf: Geschichte des Bistums Hildesheim. 1.-3. Bd., Hildesheim 1916 ff.

Domsta, Hans J.: Hildesheimer Urkunden im Stadtarchiv Düren. In: Alt-Hildesheim Jg. 58, 1987, S. 117-122.

Eggers, Johannes: Das Dorf Renshausen auf dem Untereichsfeld, eine Dotation des hl. Bischofs Bernward an das Benediktinerkloster zum hl. Michael in Hildesheim. In: Unsere Diözese 29. Jg., 1960, S. 44-65.

Germania Benedictina, hrsg. von der bayerischen Benediktinerakademie München in Verbindung mit Abt-Herwegen-Institut Maria Laach. Bd. 6: Die Benediktinerklöster in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen. St. Ottilien 1979.

Härtel, Helmar: Humanismus und Klosterreform: Zur Bearbeitung der Regula Benedicti (Dombibliothek Hildesheim Hs. 703) durch Henricus Angelonius aus Clus. In: Die Diözese Hildesheim Jg. 54, 1986, S. 23-33.

Illemann, Horst-Detlef: Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim. Stuttgart 1969.

Jakobs, Hermann: Anmerkungen zur Urkunde Benedikts VIII. für Bernward von Hildesheim (Jl 4036) und zu den Anfängen von St. Michael. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Jg. 66, 1994, S. 199-214.

Kantzsch, Rudolf: St. Michael zu Hildesheim. In: Alt-Hildesheim Jg. 4, 1922, S. 11-18.

Kapp, Maria: Ein Handschriftenfragment aus dem Umkreis des Goslarer Evangeliars. In: Die Diözese Hildesheim Jg. 68, 2000, S. 353-358.

Kottmeier, Adolf: Die St. Michaeliskirche von ihrer Aufhebung (1809) bis zu ihrer Wiedereinweihung (1857). In: Alt-Hildesheim Jg. 1, 1919, S. 19-25.

Kottmeier, Adolf: Die Michaeliskirche in der Zeit vom Westfälischen Frieden bis zu ihrer Aufhebung 1809. In: Alt-Hildesheim Jg. 12, 1933, S. 26-32.

Findmittel

EDV-Findbuch 2004

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M.

18, 5

Bearbeiter

Dr. Claudia Bei der Wieden (2004)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Aus konservatorischen Gründen können einige wenige Archivalen zur Benutzung nur mit Einschränkungen vorgelegt werden. Diese Archivalien sind in Teilen durch Pilzbefall beschädigt.