NLA BU H 171

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Gymnasium Ernestinum Rinteln

Laufzeit 

1705-1960

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung 

Abteilung: Akten staatlicher Provenienz, Hessische Grafschaft Schaumburg, Untere Behörden.
Inhalt: Überlieferung des 1817 gegründeten Gymnasiums mit Maturitätsarbeiten und Klassenübersichten, auch Lehr- und Stundenplänen sowie Bibliothek und Sammlungen u.a.m.
Umfang: 14,2 m.
Erschließung: Findbuch, EDV.

Bestandsgeschichte 

1610 errichtete Fürst Ernst zu Holstein-Schaumburg in Stadthagen die "Academia Ernestina" und verlegte diese
Hochschule 1621 nach Rinteln, wo sie im Kloster der Benediktinerinnen untergebracht wurde. Unter Napoleons
Bruder Jérôme, damals König von Westphalen, musste sie 1810 ihre Pforten für immer schließen. Um der Stadt für diesen Verlust eine gewisse Entschädigung zu bieten, entstand bei Rintelner Bürgern und Ratsherren Wunsch nach Einrichtung eines Gymnasiums. Verwirklicht wurde er unter dem Kurfürsten Wilhelm I., nachdem die Grafschaft Schaumburg 1813 wieder kurhessisch geworden war. Seit 1816 befasste sich ein "Schulrat" mit der Planung, und am 31.10.1817 - dem 300. Jahrestag der Reformation - erfolgte die offizielle Gründung des Gymnasiums im alten Universitätsgebäude, einen Tag später die Einweihung. Es wurde als Hohe Schule, als Humanistisches Gymnasium - wenn auch mit den neueren Sprachen Englisch und Französisch - gegründet und sollte auf das Universitätsstudium vorbereiten. Die Schulträger wechselten mehrfach: 1817-67 Kurfürstentum Hessen, 1867-1932 Preußische Provinz Hessen-Nassau (Kassel), 1932-47 Preußische Provinz Hannover, 1946-54 Land Niedersachsen, 1954-70 Stadt Rinteln, seit 1970 Kreis Grafschaft Schaumburg, der nach der Kreisreform im Landkreis Schaumburg aufging.
Seit 1956 führt die Schule den heutigen Namen "Gymnasium Ernestinum".
Eine wichtige Rolle in der Schulverwaltung bildete in den ersten Jahrzehnten der Schulrat. Dieser bestand aus zwei
Juristen und zwei Theologen, nämlich Regierungsrat Wiederhold, Superintendent und Konsistorialrat Schmeißer,
dem ehemaligen Universitätsprofessor Jaeger und Bürgermeister Rat Casselmann. Während der Direktor mit
Verwaltungsfragen fast gar nicht belastet war, stellte der Schulrat die nächsthöhere Aufsichtsbehörde für das Gymnasium dar. Ihm unterstanden nicht nur Sach- und Finanzfragen, sondern er

entschied auch über Unterricht und Erziehung durch Versetzungen, Strafen, Beurlaubungen von Schülern und Lehrern, machte Stunden- und Vertretungspläne und hospitierte im Unterricht. Trotz der räumlichen Nachbarschaft verkehrte der Schulrat mit dem Direktor nur schriftlich; das umständliche Verfahren fand daher 1833 mit der Aufhebung des Schulrats ein Ende.
Im Zentrum des Unterrichts standen zu Anfang die beiden alten Sprachen Latein und Griechisch, außerdem wurde in
Rinteln ein paar Jahrzehnte lang auch Unterricht in Französisch und Englisch erteilt. Die Mathematik hatte die
dritthöchste Stundenzahl. Die Naturwissenschaften spielten, wie auch an anderen Humanistischen Gymnasien, eher eine geringe Rolle, auch für Kunst- und Musikunterricht waren nur wenig Stunden vorgesehen. Fortschrittlich war der von Anfang an im Stundenplan - wenn auch wahlfrei - vorgesehene Turnunterricht.
Die Schule begann 1817 mit den Klassen Quarta bis Secunda, erst 1833 kam eine Quinta und sogar erst 1875 eine Sexta hinzu. Wer in die Quarta (später Quinta) eintrat, musste sich die Vorbildung für diese Klasse anderswo erwerben.
1841 wurden "Realklassen" an das Gymnasium angeschlosen, verschwanden aber wegen sinkender Schülerzahl 1868 wieder, da auch in ihnen auf die Bedürfnisse des späteren praktischen Berufs keine Rücksicht genommen wurde, vielmehr das Lateinische im Vordergrund stand.
Die wachsende Zahl von Klassen und Schülern führte immer wieder zu Raumsorgen. Oft wurden Klassen in beengten,
überfüllten und ungeeigneten Räumen unterrichtet. Zu Beginn mußte das Gymnasium mit vier Klassenräumen auskommen. Nachdem weitere Klassenstufen eingerichtet wurden, erwarb man die ehemalige Wohnung des Universitätsgärtners und brachte dort die Realklassen unter. Angesichts des schlechten baulichen Zustand des 300 Jahre alten Universitätsgebäudes wurde ein Neubau erforderlich, der 1876 an der

Klosterstraße eingeweiht wurde. 1907 folgten die Errichtung eines Direktorenwohnhauses und der Anbau einer Hausmeisterwohnung an das Schulgebäude. 1955 erweiterte man die Schule um einen Erweiterungstrakt und eine neue Turnhalle, baute den Altbau im Innern um und errichtete 1965 zwei Pavillons im Hof. Die Raumnöte rissen aber nicht ab, und so wurde ein gänzlicher Neubau Im Kleinen Löök im Süden der Stadt beschlossen. Es entstand ein Schulzentrum mit Gymnasium und Realschule, das am 30.10.1975 feierlich eingeweiht wurde. Die Rintelner Gymnasiasten waren sowohl Einheimische als auch Auswärtige; letztere lebten entweder in Pension in der Stadt oder - ab 1905 - in der alten "Eulenburg" im Alumnat. In den ersten 50 Jahren wohnten etwa 60 % in Bürgerquartieren. Zahlreiche Gymnasialgesetze sollten das Verhalten der Schüler auch außerhalb der Schule regeln. Die erhaltenen Akten zu Disziplinarvergehen zeugen davon, daß häufig versucht wurde, studentische Bräuche zu imitieren und sich zu verbotenen Schülerverbindungen zusammenzuschließen. Das erste Mädchen besuchte ab 1924 die Schule, 1937 gab es 2, 1948 schon 18 Mädchen. Ihre Zahl stieg an, nachdem das humanistische Gymnasium 1938 in eine Oberschule umgewandelt worden war und noch einmal besonders stark nach der Schließung des Hildburg-Progymnasiums.
Zum Bestand
1973 wurden 60 Fach Altakten (ca. 21 lfd. m) vom Gymnasium Ernestinum ins das Staatsarchiv Bückeburg übernommen. Während der sich der größte Teil der Akten in einem guten Zustand befand, waren etwa 2 lfd. m ungeordnet, beschädigt und von Wasser- und Pilzschäden befallen. Soweit möglich, wurde bei der Verzeichnung versucht, die alte Anordnung der Akten zu rekonstruieren, einige Stücke mußten jedoch Fragmente bleiben.
Besonders wertvoll bei dem vorliegenden Bestand ist die reichhaltige Überlieferung aus dem frühen 19. Jahrhundert,
die einen guten Einblick in

Schulaufbau und -verwaltung ermöglicht. Eine Besonderheit stellt auch die nahezu
lückenlose Überlieferung von Maturitätsarbeiten und Klassenübersichten dar. Weniger gut steht es dagegen um die
Quellen aus dem 20. Jahrhundert, denn etwa seit 1930 gibt es kaum mehr als Klassenbücher und -arbeiten sowie
Rechnungsunterlagen. Wie ein Bewertungsbesuch im Jahre 1999 ergab, sind hier auch keine weiteren Zugänge zu erwarten, da die noch im Ernestinum vorhandenen Unterlagen nur bis in die 1970er Jahre reichen.
Die Verzeichnung und Erstellung des Findbuchs erfolgte durch die Unterzeichnete.

Literatur:
- Jahresbericht über das Königliche Gymnasium zu Rinteln, womit zu der am 7. und 8. April 1879 stattfindenden
öffentlichen Prüfung und Schlußfeierlichkeit ergebenst einladet der Direktor des Gymnasiums Dr. Georg Buchenau,
Rinteln 1879.
- Jahresbericht über das Königliche Gymnasium zu Rinteln, womit zu der am 23. März 1880 stattfindenden
öffentlichen Prüfung und Schlußfeierlichkeit ergebenst einladet der Direktor des Gymnasiums Dr. Georg Buchenau,
Rinteln 1880.
- N.N., Kaspar Christoph Gottlieb Wiss und das Gymnasium in Rinteln, in: Hessenland 4 (1890), S. 113f.
- Adolf Antze, Charakterbilder vom Rinteler Gymnasium, in: Heimatblätter. Beilage zur Schaumburger Zeitung, 8, 9
(1928/29) 42 für 1928; 8, 19 für 1929.
- Georg Vilmar, Das Rintelner Gymnasium vor 100 Jahren, in: Hessenland 42 (1931), S. 277-80.
- Adolf Antze, Dr. Krause als Germanist am Rintelner Gymnasium, in: Heimatblätter. Beilage zur Schaumburger
Zeitung 12 (1932) 4.
- Walter Bartz, Die Blütezeit des Rinteler Gymnasiums unter Direktor Dr. (Kaspar) Wiß (1817-39), in: Heimatblätter. Beilage zur Schaumburger Zeitung 14 (1934) 45.
- Willy Hänsel, Das Rintelner Gymnasium im Spiegel der Zeit: 1817 - 1967; 150-Jahr-Feier vom 22. bis 25. September
1967, Rinteln 1967.
- 175 Jahre Gymnasium Ernestinum,

hrsg. v. Gymnasium Ernestinum, Rinteln 1992.

Bückeburg, März 2001
Dr. Silke

Wagener-Fimpel

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Abgeschlossen: Nein

teilweise verzeichnet

Georeferenzierung

Bezeichnung 

Rinteln, Stadt [Wohnplatz]

Zeit von 

1

Zeit bis 

1

Objekt_ID 

5516

Ebenen_ID 

1

Geo_ID 

1-5516

Link 

Rinteln, Stadt [Wohnplatz]