NLA ST Rep. 50

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Behörden der westphälisch-französischen Übergangszeit 1803-1813

Laufzeit 

1799-1815

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung 

Behörden und Beamte, Hoheitsangelegenheiten, Wasserbau, Polizei, Gewerbeaufsicht, Domänenverwaltung, Wegebau, Schiffahrts- und Hafenangelegenheiten, Landwirtschaft und Forsten, Medizinalia, Schul-, Militär- und Kirchensachen
Findmittel: EDV-Findbuch 1993/2004, gedrucktes Findbuch 1993.
Umfang: 10 lfdm

Bestandsgeschichte 

1. Historische Einführung

Nicht die französische Revolution als solche, sondern erst
das Ausgreifen des Napoleonischen Militär-Imperiums brachte
für Bremen-Verden den Umsturz der alten Ordnung. Der Frie-
den von Amiens (März 1802) hatte sich als wenig dauerhaft
erwiesen, und bereits im Mai 1803 flammte der Krieg zwischen
Frankreich und England aus Anlaß der Maltafrage erneut auf.
Französische Truppen besetzten, ohne auf nennenswerten Wi-
derstand zu stoßen, das in Personalunion mit der englischen
Krone verbundene Kurhannover, die Stammlande der herrschen-
den Dynastie, und also auch die Herzogtümer Bremen und Ver-
den. Die Gefühle über den Verlust des geliebt-gehaßten
'Festlanddegens' mögen in England zwiespältig gewesen sein,
auf alle Fälle stürzte die Regierung Addington im Mai des
folgenden Jahres, und William Pitt d.J. ergriff wieder das
Staatsruder: Die Chance zur Verständigung zwischen den bei-
den Hauptgegnern im Kampf um die Hegemonie in Europa hatte
sich endgültig als Illusion erwiesen.
Nach dem Abzug der Franzosen aus Hannover erfolgte gemäß des
Vertrages von Schönbrunn (Dezember 1805) zu Beginn des Jah-
res 1806 die Okkupation durch Preußen, das sich somit voll-
ends in die militärisch-politische Isolation manövriert hat-
te. Der Zusammenbruch des preußischen Staates durch die
Schlacht bei Jena und Auerstedt (Oktober 1806) leitete für
Bremen-Verden nach einem überaus kurzen hannoverschen Zwi-
schenspiel, wie schon Ende 1805, nun Ende 1806 die zweite
französische Besetzungsphase ein: Sie dauerte bis 1810 an,
als die bis dahin unter Militärverwaltung stehenden Herzog-
tümer an das nach dem Frieden von Tilsit (Juli 1807) als
napoleonischer Musterstaat unter Jerome Bonaparte gebildete
Königreich Westphalen fielen.
Die Erfordernisse der Kontinentalsperre schienen es Napoleon
jedoch sehr schnell unumgänglich zu machen, die

Nordseeküste
direkt unter französische Kontrolle zu bringen. So erfolgte
im Dezember 1810 die Eingliederung Bremen-Verdens in die neu
errichteten Hanseatischen Departements des Kaiserreichs. Die
Auswirkungen der Völkerschlacht bei Leipzig (Oktober 1813)
brachten mit dem Ende des Jahres 1813 dann auch das der
Franzosenzeit in Bremen-Verden; allerdings zog sich die Be-
lagerung Hamburgs noch bis nach der Abdankung Napoleons in
den Mai 1814 hin.

2. Verwaltungsstruktur

Die nach französischem Vorbild vorgenommene territoriale
Neugliederung für Hannover bzw. für Bremen-Verden in der
Zeit des Königreichs Westphalen und des Kaiserreichs Frank-
reich stellt sich wie folgt dar:
Die Departements des KÖNIGREICHS WESTPHALEN mit der Zen-
trale Kassel wurden von drei Präfekten in Stade, Lüneburg
und Hannover verwaltet:
1. Das Nord-Departement mit den Distrikten Stade, Bremervör-
de und Verden.
2. Das Niederelbe-Departement mit den Distrikten Lüneburg,
Harburg und Salzwedel.
3. Das Aller-Departement mit den Distrikten Hannover, Celle
und Nienburg.
Diese unterteilten sich weiter in Kantone, Munizipalitäten
bzw. Kommunen und dazugehörige Ortschaften.
Die Hanseatischen Departements des KAISERREICHS mit der Zen-
trale Paris wurden vom Generalgouvernement in Hamburg (32.
Militärbezirk) und drei Präfekten in Hamburg, Bremen und Os-
nabrück verwaltet:
1. Das Departement der Elbmündung mit den Arrondissements
Hamburg, Lübeck, Lüneburg, Stade
2. Das Departement der Wesermündung mit den Arrondissements
Bremen, Oldenburg, Nienburg, Bremerlehe
3. Das Departement der Oberems mit den Arrondissements Osna-
brück, Minden, Quakenbrück, Lingen.
Diese unterteilten sich weiter in Kantone, Mairien bzw. Kom-
munen und dazugehörige Ortschaften.

3. Bestandsgeschichte

Der vorliegende Bestand Rep. 50 ist ein Teil des 1881/82 im
Staatsarchiv Hannover angelegten

großen Sammelbestandes
"westfälisch-französischer Akten" aus dem ganzen damaligen
Archivsprengel (Regierungsbezirke Stade, Lüneburg, Hannover,
Hildesheim). Administrative Grundlage für einen Teil dieses
Bestandes bildeten die Verordnungen vom 5. Dezember bzw. 31.
Dezember 1813, durch die die örtlichen Behörden in den
Herzogtümern Bremen und Verden aufgefordert wurden, die
Mairieakten und die Akten der Friedensrichter bzw. die der
ehemaligen Distrikttribunale und Friedensgerichte an die
Landesbehörden abzugeben (Intelligenzblatt der Herzogthümer
Bremen und Verden vom 5.12.1813 und 5.1.1814); der Kern der
hier erfaßten Überlieferung beruht offenbar auf den darauf-
hin bei der Regierung in Stade eingegangenen Akten.

Nachdem diese im 2. Weltkrieg durch Auslagerung und 1946
durch das Leinehochwasser in Unordnung geraten, beschädigt
und wahrscheinlich auch dezimiert worden waren, wurden sie
in den 1960er und 1970er Jahren im nunmehrigen Hauptstaats-
archiv Hannover nach dem Provenienzprinzip in die Bestände
Hann. 49 bis Hann. 53 geteilt und dabei die das Gebiet der
ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden betreffenden Akten
ausgegliedert und 1975 an das 1959 neu gegründete Staatsar-
chiv in Stade abgegeben (Acc. 20/75). Hier wurden die gesam-
ten Akten, die die Okkupationszeit zwischen 1803 und 1813/14
abdecken, ohne Rücksicht auf die sich oftmals verändernde
Behördenorganisation als einheitlicher Bestand zusammenge-
lassen, um eine sinnlose Zersplitterung der Überlieferung
zu vermeiden.
Aus der Aktenabgabe aus Hannover, die insgesamt 15 lfd. m
umfaßte, wurden zunächst alle eindeutig auf der Ebene der
Ämterverwaltung entstandenen Akten (6 lfd. m) ausgesondert
und sollen nach ihrer Restaurierung in die entsprechenden
Bestände (Rep. 74 Achim bis Rep. 74 Zeven) eingeordnet wer-
den. Außerdem wurden die Zivilstandsregister (1,5 lfd. m)

in
den Bestand Personenstandsquellen (Rep. 84) überführt. Der
hier als Rep. 50 verzeichnete Rest wurde andererseits um 170
Aktenstücke aus den verschiedenen Teilen des bisherigen
Großbestandes Rep. 80 (kurfürstliche Regierungsräte, Land-
drostei, Regierungspräsident Stade) vervollständigt und so
ein sinnvoller Gesamtbestand im Umfang von ca. 9 lfd. m ge-
bildet. Diese 170 Akten betreffen vornehmlich die preußische
bzw. die westfälische Zeit, in der Stade Präfektursitz war.
Der Verlust dieser Funktion spiegelt sich in der spärlichen
Überlieferung aus der anschließenden Kaiserzeit wider.
Den Schwerpunkt des Materials bilden die Steuer- und Finanz-
sachen, die Domänen- und Dotationssachen, die Hoheitssachen
sowie der Wasserbau, letzterer vor allem wegen der im Be-
stand Rep. 80 vorhandenen Überlieferungsdichte. Die Akten
verweisen zum einen auf das vorrangige Interesse der franzö-
sischen Regierung, sich die wirtschaftlichen Ressourcen Bre-
men-Verdens für die eigene Kriegsführung nutzbar zu machen,
zum anderen auf das Ziel vor allem der preußischen Regie-
rung, die Verwaltung neu zu ordnen. Von besonderer Bedeutung
für die französische Zeit ist die "Domaine extraordinaire",
die vom Kaiser zur Absicherung des Herrschafts- und Gesell-
schaftssystems für den neuen Militäradel Frankreichs ge-
schaffen wurde, zugleich aber für grundlegende Konflikte mit
Westfalen sorgte.
Im Justizwesen ist bei den auf Kantonsebene fungierenden,
erstmals eingeführten Friedensgerichten vor allem das zu
Vegesack repräsentiert.
Bei der Benutzung des Findbuchs ist zu beachten, daß ange-
sichts der rasch wechselnden Herrschafts- und Verwaltungs-
verhältnisse in den Jahren 1803-1813 im allgemeinen und der
zwei Phasen der westphälischen und kaiserlichen Zeit im be-
sonderen sich auch bei den Beteiligten selbst eine gewisse
Verwirrung einstellen konnte:

Französische und deutsche
Ausdrücke inklusive der ihnen zugrundeliegenden Vorstel-
lungswelten stimmten nicht immer überein. Besondere Vorsicht
ist daher bei den wechselnden Bezeichnungen auf unterer
Ebene angebracht: So können zum einen die Begriffe Amt, Kan-
ton und Bailliage, zum anderen Mairie und Commune durchaus
synonym verwendet worden sein.
Wo das vorliegende Findbuch, wie in den Kapiteln 7 und 15,
nach Verwaltungsbezirken untergliedert ist, ist konsequent,
auch für die Zeit vor 1811, die Kantoneinteilung des Kaiser-
reichs zugrunde gelegt worden, weil andernfalls die Akten
zu den einzelnen Orten je nach den gerade aktuellen Verwal-
tungsverhältnissen an unterschiedlichen Stellen hätten ein-
geordnet werden müssen, ein Zwang, der das Findbuch sehr
unübersichtlich gemacht hätte.
Als Hilfsmittel zum Verständnis dieser territorialen Gliede-
rung kann ein im Staatsarchiv Stade angefertigtes spezielles
Ortsregister herangezogen werden, das den Verwaltungsaufbau
des nachmaligen Regierungsbezirks Stade in dieser Zeit nach
Orten, Mairien und Kantonen genau aufschlüsselt.
Ergänzend zu den hier verzeichneten Akten muß, insbesondere
zu Themen aus dem Bremer Umland, auch der Bestand 6,2
"Schriftgut der französischen Behörden" im Staatsarchiv
Bremen benutzt werden.

4. Literatur

Berding, Helmut: Napoleonische Herrschafts- und Gesell-
schaftspolitik im Königreich Westfalen 1807-1813, Göttingen
1973 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 7).

Division territoriale relative aux trois departements formes
des anciennes provinces hanovriennes, et a la reunion de
quelques autres parties (1810).

Fitschen, Ludwig: Das Arrondissement Stade 1810-1813 und
seine Befreiung 1813-1815, in: Stader Jahrbuch 1970, S. 77 -
94.

Handbuch über das Königreich Westphalen, Halle 1808.

Heitzer, Heinz: Insurrectionen zwischen Weser und

Elbe.
Volksbewegungen gegen die französische Fremdherrschaft im
Königreich Westphalen (1806-1813), Berlin 1959.

Isensee, Klaus: Die Region Stade in westphälisch- französi-
scher Zeit 1810-1813. Studien zum napoleonischen Herr-
schaftssystem unter besonderer Berücksichtigung der Stadt
Stade und des Fleckens Harsefeld, Diss. phil. Hannover 1991
(Masch.schr.).

Kleinschmidt, Arthur: Geschichte des Königreichs Westfalen,
Gotha 1893.

Schwarting, Albert C.: Die Verwaltungsorganisation Nordwest-
deutschlands während der französischen Besatzungszeit 1811-
13, Oldenburg 1936 (Wirtschaftswissenschaftliche Gesell-
schaft zum Studium Niedersachsens e.V. Reihe A, Beitr. 34).

Thimme, Friedrich: Die inneren Zustände des Kurfürstentums
Hannover unter der französisch-westfälischen Herrschaft
1806-1813, 2 Bände, Hannover und Leipzig 1893-95.

Tulard, Jean (Hrsg.): Dictionnaire Napoleon, Paris 1987.

Wedekind, A.C. (Hrsg.): Jahrbuch für die Hanseatischen De-
partements, insbesondere für das Departement der Elb-Mündun-
gen, Hamburg 1812.

Weidemann, Johannes: Neubau eines Staates. Staats- und ver-
waltungsrechtliche Untersuchung des Königreichs Westphalen,
Leipzig 1936 (Schriften der Akademie für Deutsches Recht.
Gruppe IV,1).

Zander, C. L. E.: Geschichte des Krieges an der Nieder-Elbe
im Jahre 1813, Lüneburg 1839 (mit dem Nachweis zahlreicher
älterer gedruckter Quellen).

Zeitung aus dem Feldlager (hrsg. von General von Tettenborn
für die preußisch-russische Befreiungsarmee) Lüneburg 1813
(vorhanden im Stadtarchiv Lüneburg und Staatsarchiv Olden-
burg).


Stade, im Juni 1993

Dr. Rainer Brüning
Dr. Heike

Talkenberger

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Abgeschlossen: Nein

teilweise verzeichnet