NLA ST Rep. 32

  • Zugeordnete Objekte zeigen
  • Drucken
  • Verlinken
  • Versenden
  • Verbessern

Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Erskein'sche Aktensammlung ("Stader Reichsarchiv")

Laufzeit 

1506-1655

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung 

Privilegien, Schutz- und Lehnbriefe, Juden-, Zoll-, Münz-, Kriegs- und Religionssachen, Angelegenheiten der Reichsstände, Handakten von Juristen am Reichskammergericht, bremische Konzepte, Korrespondenzen und Handakten Erskeins
Findmittel: EDV-Findbuch 2006
Umfang: 8,5 lfdm

Bestandsgeschichte 

Die Erskein'sche Aktensammlung, auch als "Stader Reichsarchiv" bezeichnet, ist aus archivischer Sicht ein abnormer Bestand. Sie ist zum größten Teil durch Archivalienräubereien des damaligen schwedischen Kriegskommissars Alexander Erskein entstanden. Der am 31. Oktober 1598 in Greifswald geborene Erskein trat nach dem Studium an der Universität seiner Geburtsstadt sowie in Wittenberg, Leipzig und Jena im Jahr 1627 in schwedische Dienste. Bei der Landung des schwedischen Königs Gustav Adolf auf Usedom im Juli 1630 war Erskein Assistenzrat und Kriegskommissar. Ab 1632 war er Königlich schwedischer Resident für Thüringen in Erfurt und wurde als solcher 1634 zum Kriegsrat bei der Armee ernannt. Nach dem Tod des letzten Greifenherzogs wurde er 1637 zur Organisation der schwedischen Verwaltung nach Pommern abberufen.

1642 stieß Erskein wieder zur Armee und nahm ab 1646 am Westfälischen Friedenskongreß in Osnabrück teil. Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 erhielt er das Amt des Erbkämmerers des nunmehr schwedischen Herzogtums Bremen und ließ sich in Schwinge (Erskeinschwinge) nieder. 1655 zur Verwaltung des schwedischen Heeres im Krieg mit Polen abberufen, geriet Erskein in polnische Gefangenschaft, wo er am 24. Juli 1656 starb. Am 6. Mai wurde sein Leichnam im Dom zu Bremen beigesetzt.

Den Grundstein für seine Aktensammlung legte Erskein ab 1632 während seiner Amtszeit als schwedischer Resident in Erfurt. Hier erwarb er nicht nur Akten betr. Erfurt, seine Klöster und seine Umgebung, sondern auch die Korrespondenzen des kurmainzischen Generalvikars Christoph Weber (21 Nummern) und die sehr umfangreichen Akten des mainzischen Rates Adam Schwind, der zuvor Prokurator am Reichskammergericht in Speyer gewesen war und in dessen Besitz sich auch Akten seiner Vorgänger Fischart und Wendelin befunden zu haben scheinen (115 Nummern).

Ab 1637 verschaffte Erskein in

Pommern seiner Aktensammlung einen Zuwachs von 24 weiteren Nummern. Bei der Erstürmung der Prager Kleinseite im August 1648 erfuhr Erskeins Sammlung ihren bedeutendsten Zuwachs. 280 Aktenbände, darunter sämtliche vorhandenen Akten der kaiserlichen Kanzlei, die Diedrichstein'schen und Wahlen'schen Korrespondenzen sowie der Briefwechsel des Feldmarschalls Holzappel, fielen in Erskeins Hände. Aus Erskeins eigener Tätigkeit als schwedischer Offizier und späterer Verwaltungsbeamter in den Herzogtümern Bremen und Verden sind ca. 50 Akten hervorgegangen. Die Provenienz weiterer 164 Nummern war nicht feststellbar.

Erskein selbst hatte ganz freimütig bekannt, daß er in jeder Stadt, die er betrat, das Archiv aufsuchte und dort, wo er die Macht dazu hatte, es auch wohl selten ohne Beute verließ. Er wollte die ihn interessierenden Dokumente in seinen Mußestunden auswerten, um für die schwedische Krone nützliche, ihr sonst verborgen gebliebene Kentnisse zu erlangen. Daß die aus Archivalien gewonnene Informationen zur Waffe im politisch-juristischen Kampf werden konnten, war für die Zeit selbstverständlich. Erskein wird da seine eigenen Erfahrungen gemacht haben. Ungewöhnlich war immerhin, daß ein Kriegskommissar dieses Geschäft betrieb.

Es scheint bei Erskein auch ein starkes persönliches Interesse vorgelegen zu haben, das über die reine Zweckmäßigkeit hinausging, das Interesse eines Sammlers und vielleicht das eines verhinderten Historikers. Die geraubten Archivalien waren Teil von Erskeins persönlicher Kriegsbeute, die er mit sich führte, als er nach Stade kam, wo er die schwedische Verwaltung einrichten sollte. Ob ihm die Amtsgeschäfte genug Zeit zum Studium der Dokumente ließen, darf bezweifelt werden, da er bereits 1655 zur Heeresverwaltung einberufen wurde und schon im nächsten Jahr in polnischer Gefangenschaft starb.

Nach Erskeins Tod gelangte seine Aktensammlung

in das Stader Regierungsarchiv. Der im Zug der Reichsexekution gegen Schweden nach Stade entsandte cellische Archivar Jakob Heldberg wies im Jahr 1680 in einem Bericht an die Regierung in Celle auf die im Regierungsarchiv zu Stade befindliche Sammlung hin. Nach der Auflösung des Stader Regierungsarchivs 1869/70 wurde die Sammlung mit den anderen Beständen des Archivs nach Hannover verbracht.

Im Staatsarchiv Hannover hat dann Grotefend die Sammlung in ihre Einzelteile zerlegt. Dabei erwies sich die Annahme Heldbergs, wonach es sich bei den Akten der Sammlung um schwedische Beutestücke aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges handelt, als richtig. Die Abgabe von Akten der in Hannover nach dem Pertinenzprinzip aufgeteilten Sammlung wurde im Jahr 1873 genehmigt und vollzogen. Es erfolgten Aktenabgaben an die preussischen Staatsarchive Aurich, Berlin, Düsseldorf, Idstein (heute Wiesbaden), Koblenz, Königsberg, Magdeburg, Marburg, Münster, Osnabrück, Posen, Schleswig und Stettin.

Es sollen damals auch die auf das österreichische Regentenhaus und auf die österreichischen Territorien sich beziehenden Archivalien ausgesondert worden sein. Eine Abgabe, wie sie Max Bär in der Geschichte des Staatsarchivs Hannover behauptet, hat aber offenbar nicht stattgefunden. Auch bei einer zweiten Abgabe im Jahr 1881 an die Staatsarchive in Düsseldorf und Magdeburg wird kein Wort über die österreichischen Teile verloren. Die auf Elsaß-Lothringen sich beziehenden Archivalien sollten nach Verfügung des Direktors der preussischen Staatsarchive ohnehin in Hannover verbleiben.

Das bei der Abgabe praktizierte Verfahren ist aus archivarischer Sicht höchst anstössig. Es wurde nicht nach dem Provenienz-, sondern nach dem Pertinenzprinzip verfahren. So wurden etwa nach Düsseldorf Akten der kaiserlichen Kanzlei abgegeben, die auf den Düsseldorfer Archivsprengel Bezug hatten. So verfuhr man

auch bei den anderen Archiven. Nur gelegentlich, etwa im Fall Pommern, konnte man dem Provenienzprinzip gerecht werden. Von den einstmals über 650 Nummern verblieb ein Rest von 414 Nummern, bei dem sich wohl auch die ursprünglich zur Abgabe nach Österreich vorgesehenen Teile heute noch befinden.

Der im Staatsarchiv Hannover verbliebene Restbestand wurde zunächst als Celle Br. 108, dann als Cal. Br. 32 eingeordnet. Geordnet und verzeichnet wurde der hannoversche Bestand im Jahr 1935 von Ernst Beins. Nach dem Verlust sämtlicher Findmittel des Staatsarchivs Hannover in der Brandnacht im Oktober 1943 wurde im Jahr 1948 durch Graetsch ein neues Findbuch zum Bestand erstellt. Nach der Wiedererrichtung des Staatsarchivs Stade im Jahr 1959 wurde die Erskein'sche Sammlung mit den anderen Stader Beständen im September 1964 wieder nach Stade zurückgebracht.

Das handschriftliche Findbuch von Graetsch diente hier 1982 als Vorlage für die Erstellung eines maschinenschriftlichen Findbuchs durch Heinz-Joachim Schulze, welches in der Reihe "Inventare und kleinere Schriften des Staatsarchivs Stade" veröffentlicht worden ist. Im Vergleich zum älteren Findbuch wurden bei dieser Gelegenheit v. a. die wichtigen Reichsangelegenheiten in Teil I durch ausführliche Enthält-Vermerke tiefer erschlossen.

Die EDV-Verzeichnung auf der Grundlage des Schulze'schen Findbuchs besorgte im Frühjahr 2006 unter Anleitung durch den Unterzeichner die Archivangestellte Franziska Krause. Vor allem wurde die umständliche alte Zitierweise der Akten durch eine Numerus-currens-Zählung ersetzt. Der Unterzeichner überprüfte anschließend die Titeleingaben und verfeinerte die im Schulze'schen Findbuch z. T. sehr oberflächliche Indizierung. Außerdem wurde die grobe Gliederung des Bestandes weiter differenziert.

In seiner jetzigen Gestalt umfaßt der Bestand 463 Nummern (= 8,5 lfdm.) aus der Zeit von 1506

bis 1655. Abschriftlich reicht die Überlieferung bis 1143 zurück. Die in Schulzes Findbuch aufgeführte alte Akte IV Nr. 10 befand sich nicht am Standort; da sie auch im Graetsch'schen Findbuch nicht aufgeführt wird, handelt es sich hierbei vielleicht um eine versehentliche Aufnahme. Dennoch ist diese Akte mit den neuen Signatur Rep. 32 Nr. 396 in die EDV-Verzeichnung aufgenommen worden. Auch die alten, durch die Umstellung auf das Numerus-currens-System überholten Archivfindbücher sind zum Bestand gelegt worden (Rep. 32 Nr. 464-465).

Neben den allgemeinen Reichsangelegenheiten dieses Bestandes darf nicht übersehen werden, daß hier auch zahlreiche Akten zur Geschichte der geistlichen Territorien Bremen und Verden, zu Streitigkeiten über Elbzoll und Weserzoll sowie eine Akte zur Geschichte der Merchand Adventurers in Stade überliefert sind.


3. Literaturhinweise:

Max Bär, Geschichte des Königlichen Staatsarchivs zu Hannover (= Mittheilungen der K. Preussischen Archivverwaltung, 2), Leipzig 1900, S. 49-51.

Brulin, Herman, Erskeinska samlingen i Staatsarchiv i Hannover, in: Meddelanden fran svenska riksarkivet för ar 1936, S. 86-109.

Heinz-Joachim Schulze (Bearb.), Findbuch zum Bestand 32: Erskeinsche Aktensammlung (Stader Reichsarchiv) (1431-1655) (Inventare und kleinere Schriften des Staatsarchivs in Stade, 2), Göttingen 1982.

Heinz-Joachim Schulze, Das Stader Reichsarchiv. Die Erskeinsche Aktensammlung im Niedersächsischen Staatsarchiv zu Stade, in: Jürgen Bohmbach (Bearb.), Die Bedeutung Norddeutschlands für die Großmacht Schweden im 17. Jahrhundert. Kolloquium schwedischer und deutscher Historiker in Stade am 25.6.1984 (Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Stade, 3), Stade 1986, S. 87-95.



Stade, den 18. Mai 2006 Dr. Christian

Hoffmann

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Abgeschlossen: Nein

teilweise verzeichnet