NLA OS Rep 250 Bent

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Bergische Unterbehörden betr. Grafschaft Bentheim u. Absplissen

Laufzeit 

1776-1820

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung 

Nach ihrer Eingliederung in das Großherzogtum Berg im Sommer 1806 bzw. (preußische Gebietsteile) im Frühjahr 1808 wurden die Grafschaft Bentheim, das Fürstentum Rheina-Wolbeck sowie die bis dahin preußische Niedergrafschaft Lingen den Arrondissements Lingen und Coesfeld im Emsdepartement zugeteilt.

Geschichte des Bestandsbildners 

Den Ausgangspunkt für die Entstehung des Großherzogtums Berg bildet das am 15.12.1805 nach der Dreikaiserschlacht zwischen Preußen und Frankreich abgeschlossene Schönbrunner Traktat. Aus geopolitischen und strategischen Erwägungen heraus versprach darin Frankreich dem Königreich Preußen, welches es auf diesem Wege aus der antifranzösischen Koalition mit England und Rußland herauszubrechen gedachte, das Kurfürstentum Hannover. Im Gegenzug sollte Preußen neben dem Fürstentum Neuenburg den Rest der alten brandenburgischen
Provinz Kleve und die Festung Wesel an Frankreich abtreten. Von Bayern erwartete man als Ausgleich für den Anfall der unter französischer Militärverwaltung stehenden preußischen Markgrafschaft Ansbach die Abtretung seines letzten niederrheinischen Außenpostens, des Herzogtums Berg, das Napoleon zum Bollwerk gegen Preußen auszubauen trachtete. Zum Vollzug kamen diese Vereinbarungen erst im März des folgenden Jahres. Am 23.3.1806 übertrug Napoleon seinem Schwager Marschall Joachim Murat das Herzogtum Berg, in dem damals auf 94 Quadratmeilen etwa 374.000 Einwohner lebten, zu souveränem Besitz.

Eine wesentliche Vergrößerung erfuhr dieser Staat bereits im Sommer des gleichen Jahres, als aufgrund des Artikels XXIV der Rheinbundakte vom 19.6.1806 neben anderen Gebieten auch die mediatisierten Grafschaften Horstmar und die seit dem 16.7.1804 vereinigten Graftschaften Bentheim und Steinfurt dem nunmehrigen Großherzogtum Berg zugesprochen und bis zum 2. August 1806 formell einverleibt wurden. Mit dem Ziel der Schaffung einer einheitlichen Staatsverwaltung wurde Anfang August 1806 eine neue Verwaltungseinteilung in zunächst sechs,

etwas später durch die Errichtung der Arrondissements Dillenburg und Steinfurt in acht Unterpräfekturen vorgenommen.

Weiteren Gebietszuwachs verzeichnete das Großherzogtum Berg nach der preußischen Katastrophe im Krieg gegen Frankreich im Oktober/November 1806. Nur wenige Tage nach der vernichtenden Niederlage Preußens in den Schlachten bei Jena und Auerstädt ergriff der französische Divisionsgeneral Loison Anfang November als Gouverneur offiziell von den Ländern Münster, Osnabrück, Tecklenburg und Lingen für die Krone Frankreichs Besitz. Auf ausdrücklichen Wunsch des Königs von Holland verblieben alle preußischen Beamten in ihren Funktionen. Unter dem Titel "Administrationskolleg des ersten Gouvernements der eroberten Länder" führte die ehemalige preußische Regierungsbehörde, die Kriegs- und Domänenkammer, in Münster ihre Arbeit unter französischer Militärverwaltung fort. Ebenso behielten die Gerichtshöfe ihre Funktionen.

Im Frieden von Tilsit (9.7.1807), der den französisch-preußischen Krieg formell abschloß, büßte Preußen alle seine linkselbischen Gebietsteile, insgesamt mehr als die Hälfte seines Vorkriegsbestandes ein. In Konsequenz dieses Vertrages wurden die unter provisorischer Militärverwaltung befindlichen Gebiete förmlich an Frankreich abgetreten und am 03.01.1808 dem Großherzogtum Berg zugeschlagen. Insgesamt hatte sich der Gebietsstand und die Einwohnerzahl des Großherzogtums Berg zwischen 1806 und 1808 ungefähr verdreifacht.

Im Juli 1808 nötigte Napoleon I. seinen Schwager Murat, der zum König beider Sizilien aufstieg, zur Abtretung des Großherzogtums Berg. Napoleon nahm zusätzlich zu seinen bisherigen Titeln den eines Großherzogs von Berg und Kleve an. Am 03.03.1809 ernannte er schließlich durch das sogenannte Tuillerien-Patent den vierjährigen Prinzen Napoleon Ludwig, den ältesten Sohn seines Bruders, des Königs Ludwig Bonaparte von Holland,

um Großherzog, behielt sich aber die Regentschaft im Großherzogtum Berg bis zur Volljährigkeit seines Neffen vor.

Durch ein am 14.11.1808 in seinem Hauptquartier in Burgos (Spanien) herausgegebenes Dekret organisierte Napoleon die Verwaltung des Großherzogtums Berg nach französischem Vorbild neu. Das Staatsgebiet wurde in die vier Departements des Rheins, der Sieg, der Ruhr und der Ems eingeteilt, in denen vom Kaiser ernannte Präfekten als oberste Verwaltungsbeamte fungierten. Ihnen zur Seite standen als beratende Organe Präfektur- und Generaldepartementsräte. Die vier Departements zerfielen in 12 Unterpräfekturen und 78 Kantone und umfaßten auf 314 Quadratmeilen eine Gesamteinwohnerzahl von 878.157 Seelen.

Das Departement der Ems mit dem Präfekten Karl Mylius in Münster an der Spitze umfaßte den nördlichen Teil des Fürstentums Münster sowie die Grafschaften Rheina-Wolbeck, Horstmar, Tecklenburg-Lingen, Steinfurt und Bentheim einschließlich der Herrlichkeit Lage und teilte sich in die drei Arrondissements Münster, Coesfeld und Lingen. Analogzur Departementsverwaltung fungierten in den Unterpräfekturen mit insgesamt 19 Kantonen die Unterpräfekten als oberste Verwaltungsbeamte, denen Arrondissementsräte beratend zur Seite standen. Während in Lingen (sechs Kantone: Lingen, Nordhorn, Emlichheim, Freren, Ibbenbüren und Tecklenburg) der bisherige Kriegs- und Domänenrat Mauve am 10.3.1809 offiziell zum Unterpräfekten ernannt wurde, fungierte in Coesfeld (sechs Kantone: Coesfeld, Billerbeck, Horstmar, Ochtrup, Rheine und Bentheim) in gleicher Position anfangs der frühere Provinzialrat und Hofratsdirektor Schmitz, vom 10.3.1809 jedoch der Freiherr von Oer.

Die unterste Ebene der Verwaltung bildeten die Mairien oder Munizipalitäten, die vom Maire, dem ein aus acht bis zwanzig Mitgliedern bestehender und für zwei Jahre vom Kaiser ernannter Munizipalrat als beratendes

Gremium beigeordnet war. Die Unterpräfektur Lingen zerfiel in 26, das Arrondissement Coesfeld in 25 Maririen. Das Amt des Maires war ein Ehrenamt, so daß es nur von finanziell unabhängigen Bürgern ausgeübt werden konnte. Die Hauptaufgaben der Mairien bestanden in der Aufstellung des Budgets, der Durchführung der Konskriptionen, der Führung der Personenstandsregister und der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung.

Als Wahlorgan bestand die Kantonsversammlung. Ihr gehörten alle männlichen Bürger des Kantons an, die älter als 21 Jahre und im Bürgerregister eingetragen waren. Gewählt wurden in dieser Versammlung die Friedensrichter, deren Stellvertreter, die Munizipalräte in Mairien über 5.000 Einwohnern sowie die Mitglieder zu den Arrondissement- und Departementwahlkollegien. Die Kantone selbst bildeten keine eigene Verwaltungsebene, sie waren allein Gerichtsbezirke.

Um den Erfolg seiner Kontinentalsperre gegen England sicherzustellen, vereinigte Napoleon I. durch den "organischen Senatskonsult" vom 13.12.1810 und ein kaiserliches Dekret vom 26.12.1810 das Königreich Holland und alle Länder Norddeutschlands bis zu einer Grenzlinie, die von der Lippemündung bis Lauenburg an der Elbe reichte, mit dem Kaiserreich Frankreich. Gleichzeitig wurde das Emsdepartement aufgelöst und seine linksemsischen Gebietsteile in bestehende holländische Departements (Ijsselmündung, Oberijssel, West-Ems) eingeliedert. Die rechtsemsischen Teile der Unterpräfektur Lingen wurden dagegen dem Oberems-Departement mit dem Haupt-
ort Osnabrück zugeordnet.

Mit der Bildung des neuen, aus den Unterpräfekturen Rees, Münster, Steinfurt und Neuenhaus bestehenden Departements der Lippe mit dem Sitz in Münster am 28.4.1811 entsprach Napoleon I. den Protesten und Gesuchen der Bevölkerung, welche sich vor allem gegen die Einbeziehung in holländische Departements gerichtet hatten. Seine

natürlichen Grenzen waren die Lippe von der Mündung in den Rhein bis Haltern im Süden und ein Stück oberhalb von Telgte beginnend die Ems im Osten. Die Grenze im Westen und Norden bildeten die holländischen Departements.

Dem Departement der Lippe mit 240.700 Einwohnern stand bis zum 13.6.1811 der ehemalige bergische Präfekt des Emsdepartement Karl Mylius als provisorischer, danach schließlich der Kaiserliche Kammerherr Carl Armand Graf Dusailannt de Lastery als Präfekt vor.

Das aus sechs Kantonen (Burgsteinfurt, Ahaus, Billerbeck, Coesfeld, Ochtrup und Rheine) bestehende Arrondissement Steinfurt wurde wiederum vom Unterpräfekten Freiherr Clemens von Oer geleitet. Der Sitz der Verwaltung befand sich in Burgsteinfurt.

Die Leitung des im Oktober 1811 errichteten - bis zu diesem Zeitpunkt wurden die laufenden Amtsgeschäfte weiterhin von den vormals zuständigen Unterpräfekturen in Coesfeld, Lingen und Meppen versehen - Arrondissement Neuenhaus, das nach einigen Grenzkorrekturen die gesamte Grafschaft Bentheim umfaßte, lag in den Händen des ehemaligen münsterschen Kriegs- und Domänenrat Michael Anton von Tenspolde.

Das Arrondissement Neuenhaus war in fünf Kantone eingeteilt (Bentheim, Heede, Neuenhaus, Nordhorn, Wesuwe), die sich wiederum in siebzehn Mairien unterteilten.

Bestandsgeschichte 

Nach dem Zusammenbruch der französischen Herrschaft wurden die Akten der bergischen Unterpräfekturen Steinfurt, Coesfeld und Lingen sowie der französischen Unterpräfekturen Steinfurt und Neuenhaus, soweit sie das Gebiet der Grafschaft Bentheim und die Kirchspiele Salzbergen, Emsbüren und Schepsdorf betrafen, nach Bentheim an die dort neu eingerichtete hannoversche Regierung abgegeben. Als Mischbestand gelangten sie im Jahre 1870 in das Staatsarchiv Osnabrück. Als Findmittel stand allein ein Behördenfindbuch zur Verfügung.

Die Neuverzeichnung fand auf der Grundlage des vorhandenen Behördenfindbuches statt. Die Aktentitel, die häufig mehr Informationen versprachen als sie in der Realität enthielten, wurden größtenteils korrigiert und neu formuliert. Um
eine Verwandtschaft mit dem alten Aktentitel zu verdeutlichen, wurden aber oft Bestandteile des alten Titels teils
wörtlich, teils sinngemäß bei der Neuformulierung verwendet. Aus eben diesem Grunde blieb auch die Ordnung des Bestandes unverändert. Häufige Korrekturen waren ebenfalls bei den Laufzeitangaben notwendig.

Bei der Erstellung der Bestandsgliederung dienten vorhandene Findbücher (Rep 250 Lin I; Rep 250 Neuh) sowie das Behördenfindbuch Rep 250 Bent, soweit es die Struktur des Bestandes zuließ, als Orientierungshilfe.

Wegen erheblicher Schäden durch Pilzbefall und Wasser wurde der Bestand im Jahre 1979 in Bückeburg einer Restaurierung unterzogen.

Osnabrück, November 1990 gez. Dieter Wagner

Die Verzeichnung wurde im Sommer 2004 überarbeitet und stellenweise modernisiert, die Bestandsgliederung vereinfacht und ein Sachindex neu angelegt. Drei Akten (Nr. 2, 3, 115) wurden dem Bestand "Französische Unterpräfektur Neuenhaus" als Rep 250 Neuhs Nr. 311 - 313 zugeordnet. Nicht besetzt sind insgesamt 4 Nummern (2, 3, 115, 167). Der Bestand besteht aus 304 Nummern (= 2,5 lfd. m) und umfasst den Zeitraum 1806 - 1811 (Nebenlaufzeiten: 1384 - 1820); 10 Karten sind im Findbuch nachgewiesen, bilden jetzt aber einen Teil der Kartenabteilung.

Osnabrück, August 2004 Manfred Brockel

Literatur 

Aubin, H. und Schulte, E. (Hrsg.), Der Raum Westfalen, Bd. II, Berlin 1934, S. 104-113

Berghaus, Heinrich: Deutschland vor fünfzig Jahren. Geschichte der Gebietseinteilung und der politischen Verfassung des Vaterlandes, Bd. III, Leipzig 1862, S. 343-352

Goecke, Rudolf: Das Großherzogtum Berg 1806-1813, Köln 1877

Hoffmann, Aloys, Geschichte der Grafschaft Lingen, Lingen/Ems 1970

Junk, Heinz-K.: Das Großherzogtum Berg, Zur Territorialgeschichte des Rheinlandes und Westfalens in napoleonischer Zeit, Sonderdruck, Münster, Köln, Wien 1983

Kirchhoff, Karl-Heinz: Gericht - Amt - Kreis, in: Der Landkreis Coesfeld 1816-1996, Coesfeld 1966,
S. 22-24

Kochendörffer, H.: Territorialentwicklung und Behördenverfassung von Westfalen, Bd. 86,
Münster 1929

Kohl, W./Richtering, H. (Bearb.): Behörden der Übergangszeit, Münster 1964 (Inventar des Staatsarchivs Münster)

Lahrkamp, Monika: Die französische Zeit. In: Westfälische Geschichte, Bd. II, Düsseldorf 1983

Möller, Johann C.: Geschichte der vormaligen Grafschaft Bentheim von den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage, Lingen/Ems 1879

Schmidt, Charles: Das Großherzogtum Berg 1806 - 1813. Eine Studie zur französischen Vorherrschaft in Deutschland unter Napoleon I., Neustadt/Aisch 1999 (Bergische Forschungen
Band XXVII)

Schücking, Lothar E.: Die Fürstentümer Münster und Osnabrück unter französischer Herrschaft, Münster 1904

Visch, Wessel F.: Die Geschichte der Grafschaft Bentheim, Bentheim 1984. Übersetzung nach der Ausgabe Zwolle 1820

Zander, Wolfgang, Überblick über die Geschichte der Grafschaft Bentheim, Bentheim 1969