NLA OL Best. 117

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Münsterische Gerichtsbehörden und Notariate

Laufzeit 

1532-1817

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung 

Mischbestand aus Prozessakten und Amtsbüchern von Untergerichten im südoldenburgischen Raum aus der Zeit des Niederstifts Münster

Beschreibung 

Best. 117 Münsterische Gerichtsbehörden und Notariate
Zeit: 1532-1884

Geschichte des Bestandsbildners 

Seit dem Mittelalter lag im Niederstift Münster die Gerichtsbarkeit auf der unteren Instanz bei den Gogerichten. Zu diesen zählten die Gerichte in Damme, Vechta, Krapendorf, Lohne, Bakum, Goldenstedt (Sutholte), Löningen, Essen, Lastrup, Twistringen und wohl bei Friesoythe (An der Ikenbrücke). Eine herausragende Stellung nahm hierbei das seit 1322 belegte Gogericht auf dem Desum ein. Dieses verschmolz mit dem Vechtaer Burgmannengericht und erfüllte bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts die Funktion eines Berufungsgerichts (Gesamtgogericht) für die Entscheidungen anderer Gogerichte und war somit das bedeutendste Gericht für die Ämter Cloppenburg, Vechta und Wildeshausen, das zeitweise ebenfalls dem Bischof von Münster unterstand. Durch die 1571 angestoßene Gerichtsreform des Bischofs von Münster, Johann VIII. von Hoya zu Stolzenau (1529-1574), wurde das mittelalterliche Gerichtsverfahren abgelöst und das römisch-gemeine Verfahren hielt durch die münsterische Landgerichtsordnung Einzug im Niederstift. Das Burgmannenkollegium in Vechta trotzte sich 1578 für das Desumgericht eine eigene Landgerichtsordnung ab, die vor allem eine höhere Zahl von Geschworenen erlaubte. Spätestens im 18. Jahrhundert tagte dieses Gericht in Vechta am Sitz des Drosten. Die Gerichtsreform Bischof Johann von Hoyas hatte die Begründung des Weltlichen Hofgerichts in Münster zur Folge, das bis zur Auflösung des Bistums 1803 u.a. für Verhandlungen des Adels, der Beteiligung von Dörfern oder Kirchspielen und der fürstbischöflichen Beamtenschaft als erste Instanz und für Entscheidungen der Gogerichte als Berufungsinstanz galt. Das oberste Gericht des Stifts war die Regierung in Münster, die eine Aufsichtsfunktion über das Justizwesen einnahm, erstinstanzlich über komplexe Fälle urteilte und die Rolle des Berufungsgerichts für Verhandlungen des Weltlichen Hofgerichts übernahm. Mit der 1667 für die Familie von Galen eingerichteten Herrlichkeit Dinklage (vgl. Best. 114) wurde das alte Gogericht Lohne aufgelöst und ein Patrimonialgericht in Dinklage geschaffen. Bis zur Auflösung des Stifts Münster und der Übergabe der Ämter Vechta und Cloppenburg an das Herzogtum Oldenburg 1803 prägte das Zusammenspiel der Gogerichte Damme, Essen, Vechta, Südholz, Löningen, Friesoythe, Desum und Cloppenburg mit dem Weltlichen Hofgericht sowie der Regierung in Münster das Justizwesen im Niederstift. Nach der oldenburgischen Annexion wurden in Cloppenburg und Vechta herzogliche Landgerichte eingerichtet, die die Funktion von Gerichten der ersten Instanz einnahmen.

Bestandsgeschichte 

Mit der Übernahme der Ämter Vechta und Cloppenburg durch das Herzogtum Oldenburg im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses im Jahre 1803 fanden im 19. und frühen 20. Jahrhundert Akten der münsterischen Gogerichte Damme, Essen, Vechta, Südholz, Löningen, Friesoythe, Desum und Cloppenburg ihren Weg in das Oldenburger Archiv. Da bei den Verhandlungen zur Aufteilung der Verwaltungsakten in Münster vereinbart worden war, dass auch Akten mit einem Bezug zu den Ämtern nach Oldenburg abgegeben werden mussten, finden sich in dem Bestand zahlreiche Prozessakten aus dem Weltlichen Hofgericht und der Regierung Münster. Dazu kommen noch Akten aus dem Gogericht Vörden des Bistums Osnabrück, die in der Regel Prozesse im umstrittenen Grenzgebiet zwischen den Bistümern Münster und Osnabrück bei Damme verhandeln. Durch Ordnungsarbeiten im Oldenburger Archiv wurden auch Akten des Patrimonialgerichts der Herrlichkeit Dinklage, die 1826 an das Großherzogtum Oldenburg fiel, in den Bestand einsortiert. Zu den Kontributions- und Kriminalprotokollen sowie den Fiskal-, Kontrakten- und Zivilprotokollen gesellen sich Prozessakten, unter denen rund 380 Verhandlungen mit adeliger Beteiligung zu finden sind. Es herrscht ein Ungleichgewicht innerhalb der Überlieferung zuungunsten des Amts Cloppenburg, das auch mit Vernichtungen von Schriftgut im Landgericht Cloppenburg im 19. Jahrhundert zu erklären ist. Bei kleineren Gerichtsorten wie Essen, Südholz und Friesoythe liegen nur Amtsbücher vor. Ein deutlicher Schwerpunkt der überlieferten Prozessakten liegt im 18. Jahrhundert. Allerdings finden sich auch Verhandlungen des 16. Jahrhunderts und Prozesse, die über die politischen Umbruchsphase 1803/1814 hinausgehen.
Die Nummern Best. 117 Nr. 189 und Nr. 340 sind nicht belegt.

Enthält 

Prozessakten des St. Alexanderstifts in Wildeshausen; Prozesse mit adeliger Beteiligung; Prozesse um die Rückerstattung von Schulden, den Besitz an Ländereien und Gütern; Vormundschaftsprozesse; Prozesse um die Lastenverteilung bei der Versorgung von Militäreinheiten; Kontributions- und Kriminalprotokolle sowie Fiskal-, Kontrakten- und Zivilprotokolle; Prozessakten aus dem Weltlichen Hofgericht des Fürstbistums Münster, der Regierung Münster und des Gogerichts Vörden.

Literatur 

Martin Schürrer, Neue Wege zu alten Urteilen. Adelsprozesse im Niederstift Münster zwischen Gogericht, Weltlichem Hofgericht und fürstbischöflicher Regierung vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: Westfälische Zeitschrift 170 (2020), S. 35-63; Johannes Bartmann, Das Gerichtsverfahren vor und nach der münsterschen Landgerichtsordnung von 1571 und die Aufnahme des römischen Rechts im Stift Münster, Heidelberg 1909; Elisabeth Kloosterhuis, Fürstbischof Johann von Hoya und das Eindringen der Reichsjustiz in den Fürstbistümern Münster, Osnabrück und Paderborn zwischen 1566 und 1574, in: Westfälische Zeitschrift 142 (1992), S. 57-117; Elisabeth Kloosterhuis, Das Erwachen des neuzeitlichen Staates, in: Dietmar Klenke und Rainer Pöppinghege (Hg.), Alles was Recht ist. Zur Geschichte des Gerichtswesens in Münster 793-1993, Münster 1993, S. 39-49; Stefan Schumacher, Das Rechtssystem im Stift Münster in der frühen Neuzeit unter Berücksichtigung der Reformen des Fürstbischofs Johann von Hoya (1529-1574) von 1571, Münster 2004; Hans-Georg Schmitz-Eckert, Die hochstift-münsterische Regierung von 1574-1803. Zuständigkeit und Organisation, Westfälische Zeitschrift 116 (1966), S. 27-100; Peter Oestmann, Geistliche und weltliche Gerichte im Alten Reich. Zuständigkeiten und Instanzenzüge, Köln 2012; Albrecht Eckhardt, Wildeshausen. Geschichte der Stadt von den Anfängen bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert, mit Beiträgen von Günter Wegner, Heinz-K. Junk, Peter Heinken und Walter Schultze, hg. von der Stadt Wildeshausen, Oldenburg 1999, S. 166-169 u. 350-356; Hans-Joachim Behr/Bernhard Brockmann/Nikolaus Kokenge (Hrsg.), Das Gogericht auf dem Desum - hauptt und ubergericht - des Oldenburger Münsterlandes, Oldenburg 2000; Othmar E. Weinreich, Der Zivilprozess nach der Münsterischen Landgerichtsordnung von 1571 sowie der Vechtischen Gerichtsordnung von 1578. Die Praxis des Gogerichts auf dem Desum im Oldenburgischen Münsterland in den Jahren 1578-1652, Münster 2004; Götz Landwehr, Der Gang des neuen und des alten Gerichtsverfahrens vor dem Gogericht auf dem Desum im Niederstift Münster, in: Oldenburger Jahrbuch 104 (2004), S. 27-64.

Findmittel 

Archivdatenbank

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

Best. 22 (Regierungskanzlei); Best. 76-20 (Amt Cloppenburg); Best. 76-21 (Amt Friesoythe); Best. 76-22 (Amt Löningen); Best. 76-23 (Amt Steinfeld); Best. 76-24 (Amt Vechta), Best. 76-25 (Amt Damme); Best. 77 Justizkanzlei); Best. 78 (Landgerichte); Best. 79 (Appellationsgerichte); Best. 82 (Französische Verwaltungsbehörden und Gerichte); Best. 111-1 (Münsterisches Amt Vechta); Best. 111-2 (Münsterisches Amt Cloppenburg); Best. 114 (Herrlichkeit Dinklage).

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M. 

33,7; 1442 Verzeichnungseinheiten

Bearbeiter 

Dr. Martin Schürrer (2020)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Abgeschlossen: Nein

teilweise verzeichnet