NLA HA Hann. 134

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Ärztliche Prüfungsbehörde, Obermedizinal- und Medizinalkollegium

Laufzeit 

1653-1894

Bestandsdaten

Kurzbeschreibung 

Generalia, Prüfungsakten von Ärzten und Apothekern, Physikatswesen, Strafanstalten, Gefangenenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten, Badeanstalten und Gesundbrunnen, Konzessionen, Apothekenwesen, Beschwerden, Anantomische Anstalt und Chirurgische Schule in Hannover, Hebammenwesen, Varia, Entbindungsanstalten, Gesundheitsfürsorge, Medizinalbehörden, Veterinärwesen
Findmittel: EDV-Findbuch in Bearbeitung
Umfang: 18,9 lfdm

Bestandsgeschichte 

Im Bestand Hann. 134 sind die überlieferten Akten folgender medizinischer Fachbehörden vereinigt:
der Ärztlichen Prüfungsbehörde (1818-1847), des General-Vaccinationskomitees (1814-1847),
des Obermedizinalkollegiums (1847-1869), des Medizinalkollegiums für die Provinz Hannover (1869-1921).

Im Gegensatz zu Preußen, zum Herzogtum Wolfenbüttel, zum Hochstift Hildesheim und anderen deutschen Territorien hatte es das Kurfürstentum Hannover im 18. Jahrhundert weder zu einer einheitlichen Medizinalordnung noch zu einer speziellen Medizinalbehörde gebracht. Plänen und Entwürfen blieben die Ausführung versagt, die Medizinalgesetzgebung erschöpfte sich in einzelen Edikten und Vorläufigkeiten. Das Nähere darüber wie über die gesamte Entwicklung ist bei H. Deichert, Geschichte des Medizinalwesens im Gebiet des ehemaligen Königreichs Hannover, Hannover/Leipzig 1908 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsen, Bd. 26) nachzulesen. An dieser Stelle sollen nur einige behördengeschichtliche Daten als Verständnisvoraussetzung für den Bestand angeführt werden.

Nachdem 1814 mit dem für das Impfwesen im Königrech zuständigen General-Vaccinationskomitee der Anfang mit einer fachmännisch besetzten Medizinalbehörde gemacht worden war, folgte Ende 1818 die Errichtung der Ärztlichen
Prüfungsbehörde, einer Behörde, in deren Firma die Beschränkung ihrer Zuständigkeit auf einen kleinen, wenn auch sehr bedeutsamen Sektor des Medizinalwesens bereits sprechend zum Ausdruck kam, den der ärztlichen Ausbildung. Nach der Verordnung vom 18. Dezember 1818 (vgl. Hann. GS 1819, Abt. I, S. 3) mußten alle Ärzte, die im Königreiche zur Ausübung der medizinischen Praxis sich niederzulassen beabsichtigten, eine Erlaubnis der örtlich zuständigen Landdrostei haben. Eine der Voraussetzungen für die Konzession war die Ableistung einer Prüfung vor der neuen Prüfungsbehörde. Ebenso war die

Besetzung der Land- und Stadtphysikate an eine Prüfung vor dieser Behörde geknüpft. Der erklärte Zweck der Behörde war es, "den Staat gegen unwissende Ärzte zu sichern, die ärztlichen Dienststellen mit vorzüglich-würdigen Subjekten zu besetzen und auf die Hebung des medizinischen Studii überhaupt vorteilhaft einzuwirken". Die Apotheker-Ordnung vom 19. Dezember 1820 (vgl. Hann. GS, 1821, Abt. I, S. 17) wies der Ärztlichen Prüfungsgehörde die Examinierung der Apotheker zu, und eine Anordnung des Kabinettsministeriums vom 15. November 1824 beauftragte sie mit der Prüfung derjeningen Wundärzte, die die höhere Chirurgie ausüben wollten, eine Kompetenz, die 1835 durch das Gesetz über die Ausübung der Wundarzneikunst und die Prüfung der Wundärzte (vgl. Hann. GS, Abt. I, S. 46) auf alle chirurgischen Prüfungen ausgedehnt wurden. Die Ärztliche Prüfungsbehörde bestand 1818 aus den beiden Leibärzten Dr. Stieglitz und Dr. Lodemann sowie aus den Hofmedici Dr. Heine und Dr. Mühry. Es war ganz naheliegend, wenn sich die Regierung in der Folgezeit des Sachverstandes dieser Männer auch bei Fragen und Problemen auf dem Gebiet der praktischen Medizinalpflege zunutze machte, und so trat bald neben die Prüfungs- eine gutachtliche Tätigkeit der Ärztlichen Prüfungsbehörde kompetenzerweiternd hinzu.

Die Errichtung eines Obermedizinalkollegiums am 18. März 1847 stellte einen weiteren, wenn auch kaum einen
revolutionierenden Schritt zur Erneuerung des Medizinalwesens im Königreich Hannover dar. Auf das Obermedizinalkollegium wurden die Zuständigkeiten der Ärztlichen Prüfungsbehörde, des General-Vaccinationskomitees und des Ephorats der Chirurgischen Schule für das Königreich vereinigt. Die Erstattung und Prüfung von Gutachten über Medizinalgesetzte und medizinalpolizeiliche Maßnahmen, medizinalgerichtliche und medizinalpolizeiliche Einzelfälle, über Besetzung von ärztlichen und

wundärztlichen Stellen,
Konzessionsfragen werden in der Verordnung vom 18. März 1847 (vgl. Hann. GS, Abt. I, S. 87) ebenso genannt wie die Aufsicht über die sämtlichen Medizinaleinrichtungen und Medizinalanstalten in technischer und wissenschaftlicher
Hinsicht (mit Ausnahme der für die Universität Göttingen bestenhenden). Wie H. Deichert (vgl. S. 41) hervorhebt, war
die auf dieser Grundlage ausgeübte Tätigkeit des Obermedizinalkollegiums eine rein begutachtende, das Obermedizinalkollegium hatte der allgemeinen Verwaltung fachlich-wissenschaftlich begründete Entscheidungshilfe zu gewähren, nicht selbst zu verwalten. Auf die Medizinalverhältnisse und Medizinalpersonen konnte es,
abgesehen von den Prüfungen, nicht unmittelbar gestaltend einwirken. Als Behörde war das Kollegium dem Ministerium des Innern unmittelbar unterstellt und den Landdrosteien gleichgeordnet. Es bestand 1847 aus zwei Dirigenten (Hofrat Dr. Holscher und Generalstabsarzt Dr. Spangenberg), drei ordentlichen Mitgliedern (Drs. Krause, Kaufmann, Baring), je zwei außerordentlichen Mitgliedern und Ärzten (Drs. Kohlrausch, Dommes) und zwei Mitglieder von den Pharmazeuten (Bossel, Hildebrandt). Die Funktionsgebung des Obermedizinalkollegiums als im wesentlichen beratende Fachbehörde ohne eigene Verwaltungsinitiative stellte letztlich keine glückliche Konzeption dar, es fehlte selbst bei der eingeschränkten Zuständigkeit des Obermedizinalkollegiums an der erforderlichen
organisatorischen Verbindung mit den Medinzinalbeamten und Medizinalanstalten und an Informationswegen zu den Vorfällen und Erscheinungen auf dem Gebiet des Medizinalwesens im Lande. Eine Verordnung vom 9. September 1865 (vgl. Hann. GS., Abt. I, S. 487) sollte abhelfen durch Berichtspflichten der Medizinalbeamten, Inspektions- und Kommissionsrechte des Obermedizinalkollegiums, Pflicht zur Abhaltung von außerordentlcihen Sitzungen mit den

den Landdrosteien beigeordneten Physici (vgl. Hann. 134 Nr. 2494).

Naturgemäß spiegeln sich diese Besonderheiten in der Organisation des Obermedizinalkollegiums in den Akten wieder und haben damit auch deren Quellenwert bestimmt und begrenzt. Es handelt sich nämtlich in erster Linie - die
Prüfungsakten sind auszunehmen - um Schriftverkehr mit anderen Behörden, namentlich Innenminsterium und
Landdrosteien, über generelle und spezielle Sachen, mit denen das Obermedizinalkollegium eben nur mittelbar befaßt war und über deren Anfang und Ende regelmäßig hier nichts zu erwarten ist. Doch nach dem bedauerlichen Kriegsverlust der umfassenderen Medizinalkaten des Innenministeriums (Hann. 104), auf den im wesentlichen Deicherts Arbeit fußt, bieten lediglich noch die Medicinalia der Landdrosteien eine Parallelüberlieferung, die allerdings eher ergänzend denn als Ersatz heranzuziehen ist.

Die preußische Ära brachte am 1. Oktober 1869 das Ende der Wirksamkeit des Obermedizinalkollegiums - Verfügung des Oberpräsidenten vom 29. September 1869 aufgrund der Allerhöchsten Verordnung vom 22. September 1867 (vgl. Amtsblatt für Hannover, 1869, S. 472). Das unter demselben Datum neuerrichtete Medizinalkollegium für die Provinz Hannover mußte seine Obliegenheiten und Befugnisse den altpreußischen Dienstanweisungen vom 23. Oktober 1817 (vgl. Preuß. GS, S. 245) entnehmen und sach sich auf eine "rein
wissenschaftliche und technisch-ratgebende Behörde für die Regierungen und Gerichte im Fache der polizeilichen und gerichtlichen Medizin" reduziert, hatte somit keine Prüfungszuständigkeit für Medizinalpersonen mehr, war keine
Gutachterinstanz mehr, weder bei Apotheken- und Arztkonzessionen noch überhaupt auf dem Gebiete der
Gesundheitspflege. De facto wurde im Laufe der Zeit nicht einmal mehr der Rahmen für die Instruktion von 1817
ausgefüllt, insofern das Kollegium im wesentlichen

auf gerichtlich-medizinischem Gebiet Gutachten lieferte und
Obduktionsverhandlungen prüfte. Ein Versuch, den Provinzialmedizinalkollegien einen erweiterten Wirkungskreis
zu verleihen, den 1903 der preußische Kultusminister Dr. Studt unternahm, (vgl. Hann. 122a), verlief im Sande. Noch
1912 veröffentlichte der hannoversche Geheime Medizinalrat Dr. Hüpeden, der bereits im Obermedizinalkollegium tätig gewesen war, in der Vierteljahresschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen eine bejahenden
Beitrag "zum Kampfe ums Dasein der Medizinalkollegien" (vgl. Hann. 122a). Allein, durch Beschluß des Staatsministeriums vom 30. April 1921 (vgl. Preuß. GS, S. 372) wurden sämtliche Medizinalkollegien mit dem 1. Juli 1921 aufgehoben und stattdessen gerichtsärztliche Ausschüsse beim Oberpräsidenten gebildet.

Die Entwicklung bis zu diesem Endpunkt sei hier nur der Vollständigkeit wegen dargestellt. Der nachstehend
verzeichnete Aktenbestand reicht längst nicht so weit, er dokumentiert von der Wirksamkeit des Medizinalkollegiums
fast nicht. Bereits ein Jahr nach Auflösung des Medizinalkollegiums - im Juli 1922 - überwies der Oberpräsident dem Staatsarchiv die Akten des Obermedizinalkollegiums und die älteren Akten des Medizinalkollegiums zur Aufbewahrung oder Kassation. Die Akten befanden sich im hiesigen ehemaligen Anatomiegebäude in der Lavesstr. 26 und wurden in vier mittelgroßen Aktenschränken und einigen Bündeln aufbewahrt. Krusch kassierte hieraus die Prüfungsakten der Apotheker und möglicherweise auch der Wundärzte sowie die meisten Obergutachten, mit letzteren wohl fast alles, was vom Medizinalkollegium vorhanden war. Im ganzen wurden 223 kg Akten eingestammpft, das sind bei der Zugrundelegung der sehr dünnen Aktenfaszikel des Obermedizinalkollegiums
ungefähr 1.950 Akten. 1943 sollen den Brandbomben auch 70 Fach Akten des Obermedizinalkollegiums

und des
Medizinalkollegiums zum Opfer gefallen sein. Ob dieser Verlust wirklich eingetreten oder nur irrtümlich angenommen
worden ist, kann heute zweifelsfrei nicht mehr geklärt werden. Der Bestand - nach der Kassation nur noch dem 19.
Jahrhundert zugehörig - geriet gleich nach dem Zweiten Weltkrieg in das Leinehochwasser und blieb ziemlich
unbenutzt liegen bis zur Neuordnung, die 1974 in Angriff genommen wurde. Diese schloß sich im großen und ganzen an die vorgegebene Gliederung an, allerdings wurden einzelne Aktenabteilungen umgestellt und vor allem die relativ geringe Zahl der Akten der Ärztlichen Prüfungsbehörde und des Medizinalkollegiums in die einschlägigen Sachgruppen eingegliedert. Die umständlichen Aktentitel sind durchweg überprüft und vereinfacht worden. Die Vielzahl der Aktenfaszikel täuscht einen nicht vorhandenen Aktenumfang vor, eine Folge der in Hannover traditionellen, hier besonders weit getriebenen Einzelaktenführung.

Pattensen, am 8. Oktober 1976
gez. Ch. Gieschen

Der Aktenbestand des vorliegenden Findbuchs ist ohne Index in die EDV-Datenbank unter der archivischen Fachsoftware izn-AIDA übertragen worden. Die alphanumerische Gliederung ist hierbei in eine rein numerische Gliederung ohne inhaltliche Veränderungen überführt worden.

Hannover, April 2002

Der Bestand wurde durch eine Aktenabgabe des Staatsarchivs Bückeburg (Nr. 2541-2557) ergänzt.

Hannover, im Dezember

2011

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Abgeschlossen: Nein

teilweise verzeichnet