StadtA GOE B 46

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

B 46 - Ausgleichsamt

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

Zur Abmilderung der durch die Auswirkungen des 2. Weltkrieges entstandenen Benachteiligungen breiter Bevölkerungsschichten (Bombenschäden, Vermögensverlust, Vertreibung) sollten die betroffenen Personen vom Staat Entschädigungsleistungen erhalten. Nach der Kriegssachschädenverordnung vom 30. November 1940 konnten sie schon während des Krieges beim Oberbürgermeister bzw. beim Kriegs(sach)schädenamt Anträge stellen. Umfassend reguliert wurden die Schäden jedoch erst nach Ende des Krieges durch die neu geschaffene Bundesrepublik mit dem Soforthilfegesetz vom 8. August 1949 und dann vor allem dem Lastenausgleichsgesetz vom 14. August 1952. Die Gewährung von Ausgleichsleistungen setzte die Schadensfeststellung voraus, die im "Gesetz über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden" (Feststellungsgesetz) vom 21. April 1952 geregelt war. Entsprechend mußten die Geschädigten zunächst sog. Feststellungsanträge bei den vor Ort zuständigen Ämtern stellen. Erst nachdem über diese Anträge entschieden war, konnten in einem zweiten Antragsverfahren Art und Höhe der Leistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz behandelt werden.

Die Ausgleichszahlungen wurden in verschiedenen Formen mit und ohne Rechtsanspruch gewährt (Hauptentschädigung, Hausratentschädigung, Kriegsschadenrente, Eingliederungs-/Aufbaudarlehen, Ausbildungshilfe, Härtefonds). Auch anerkannte DDR-Flüchtlinge fanden im Lastenausgleichsgesetz Berücksichtigung. Verluste von Ersparnissen wurden in besonderen Gesetzen geregelt, und zwar als Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener (Währungsausgleichsgesetz vom 28. März 1952) und zur Milderung von Härten der Währungsreform 1948 (Altsparergesetz vom 14. Juli 1953). Unter Umständen konnten beim gleichen Antragsteller mehrere Arten von Ausgleichsleistungen wirksam werden. Die Einzelfallakten dieses Bestandes charakterisiert so ein Übermaß an Formularen, was jedoch die gelegentliche Schilderung von Lebensschicksalen nicht ausschließt.

Die Antragsteller waren nicht immer identisch mit den unmittelbar betroffenen Personen, es konnten z. B. auch die Erben der Geschädigten den Lastenausgleich beantragen und Zahlungen empfangen. Das Lastenausgleichsgesetz ist im Laufe der Jahre mehrfach geändert worden; bei gleicher Grundkonzeption ergingen ergänzende Bestimmungen in einer großen Zahl von Verordnungen.

In Göttingen hatte im Auftrag von Bund und Land ab 1949 zunächst das Amt für Soforthilfe die Schadensfälle zu bearbeiten, dieses wurde nach Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes 1952 in "Ausgleichsamt" umbenannt (vgl. Rundschreiben der Stadtverwaltung Nr. 17/1952 vom 11. September 1952). Übergeordnete Behörden waren (z. B. bei Beschwerdefällen) Landes- und Bundesausgleichsamt. Der Präsident des Bundesausgleichsamts verwaltete den Ausgleichsfonds, der die erforderlichen Geldmittel bereitstellte und aus Abgaben und Zuschüssen gespeist wurde. Außer dem Lastenausgleich hatte das städtische Ausgleichsamt nach einer Verfügung des Oberstadtdirektors vom 19. April 1954 noch die gesamte Durchführung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes vom 30. Januar 1954 zu übernehmen.

Bis 1964 blieb die Zuständigkeit des zum damaligen Dezernat VI (Ordnungs- und Sozialangelegenheiten; Dezernent: Stadtrat Dr. Wiehr, vgl. Dezernatsverteilungsplan, Rundschreiben Nr. 2/1960) gehörenden Ausgleichsamts unverändert. Mit Inkrafttreten des Göttingen-Gesetzes gingen die Aufgaben des Lastenausgleichs für das gesamte Stadtgebiet im Juli 1964 auf den Landkreis Göttingen über, wo ebenfalls schon eine Lastenausgleichsverwaltung existierte (Bekanntmachung des Landkreises und der Stadt Göttingen "über die Änderung der Zuständigkeiten zwischen dem Landkreis und der Stadt Göttingen auf Grund des Göttingen-Gesetzes", 4. Juli 1964). Von 30 Bediensteten des städtischen Ausgleichsamtes wurden sieben Beamte und 13 Angestellte zum Landkreis versetzt (vgl. Sign. Nr. 17). Der damalige Leiter des Ausgleichsamtes, Werner Boßdorf (geb. 7. Mai 1910), befand sich nicht darunter.

Bestandsgeschichte 

Das Ausgleichsamt des Landkreises hat dem Stadtarchiv 1983 im Zuge der Aussonderung von Altakten Einzelfälle, die die Stadt Göttingen und die eingemeindeten Ortschaften betrafen, zur Archivierung angeboten. Das Stadtarchiv entschied sich in Anbetracht der gleichförmigen Verfahrensweise, wie auch sonst bei Massenakten üblich, für eine repräsentative Auswahlarchivierung zu allen Sachgebieten des Lastenausgleichs. Die Sachbearbeiter des Landkreises haben die Auswahl-Akten, die sämtliche Vorprovenienzen der Stadt (Kriegs(sach)schädenamt - Amt für Soforthilfe - Ausgleichsamt) und zum Teil auch die Tätigkeit des Landkreises umfassen, bestimmt und zur Abgabe vorbereitet, die sich dann über mehrere Jahre erstreckte (Acc. Nrn. 788/1985, 826/1986, 901/1988). Es handelte sich dabei jedoch nur um Unterlagen des Lastenausgleichs einschließlich der Sparer-Vorgänge. Von dem anderen Aufgabenbereich des früheren städtischen Ausgleichsamtes, der Kriegsgefangenenentschädigung, waren die Akten im nach 1964 dafür zuständigen städtischen Sozialamt verblieben, das diese auch, soweit sie erledigt waren, dem Stadtarchiv zur Verfügung gestellt hat (Acc. Nrn.964/1989 und 1217/1994).

Beide Materien sind im vorliegenden Bestand provenienzgerecht wieder zusammengeführt (ca. 6,5 lfd. Meter Gesamtumfang, davon etwa 0,5 lfd. Meter Kriegsgefangenen-Akten; Laufzeit des Bestands: 1925 bis 1980, schwerpunktmäßig ab etwa 1940). Darin werden in besonderen Abschnitten Verluste an Grund- und Betriebsvermögen in Göttingen, die durch Bombenschäden entstanden sind, mit Angabe der betroffenen Eigentümer, ihrer Adressen und der Tage der Bombenabwürfe behandelt. Es ergibt sich so ein Raster der in Göttingen verursachten Kriegssachschäden. Besonders hinzuweisen wäre noch auf mehrere Kriegsschäden-Anträge des Chemikers und Nobelpreisträgers Prof. Otto Hahn (Sign. Nr. 110) und die von Kriegsgefangenen geschriebenen Briefe und Karten, die mit anderen Dokumenten deren Entschädigungs-Anträgen beigefügt sind (Sign. Nrn. 5, 6, 7, 9, 10 und 11).

Neben dem Kriegs(sach)schädenamt gab es eine Kriegsschädenfeststellungsbehörde (später nur: Feststellungsbehörde), die nach dem 2. Weltkrieg nur noch für die durch die Besatzungsstreitkräfte verursachten Eingriffe (Beschlagnahme von Häusern, Wohnungen, Inventar) zuständig war, dies jedoch nicht nur auf dem Gebiet der Stadt Göttingen, sondern nach und nach auch auf dem der benachbarten Landkreise. Diese Behörde blieb nach Aufhebung des Besatzungsstatus von 1955 bis 1975 als "Amt für Verteidigungslasten" (vgl. Rundschreiben der Stadtverwaltung Nr. 28/1955 vom 19. November 1955) bei der Stadt Göttingen bestehen und wurde dann aufgelöst. Das Amt für Verteidigungslasten hatte sich im wesentlichen um die Abgeltung von Manöverschäden zu kümmern.

Dieses Findbuch ist mit Hilfe des EDV-Archivprogramms "AIDA" erstellt worden. Für den Bestand ist als Konservierungsmaßnahme die Entsäuerung der Akten durch eine Fachfirma im Laufe des Jahres geplant, da besonders das minderwertige Papier der Kriegs- und Nachkriegszeit in einem instabilen Zustand ist.

April 2004


Nachtrag:

Nach Auflösung des Ausgleichsamtes beim Landkreis Göttingen zum Jahresende 1996 gingen dessen Kompetenzen auf das Ausgleichsamt Braunschweig über, das laufende Fälle für eine Vielzahl von Landkreisen und Städten/Gemeinden Niedersachsens weiterbearbeitete und die zentrale Ablage innehatte. Als Schwerpunkt der Aufgabenwahrnehmung kam hier als Folge der deutschen Wiedervereinigung die Rückforderung von gewährten Ausgleichsleistungen bei Schadensausgleich im Gebiet der ehemaligen DDR neu hinzu.

Auch die Lebensdauer des Ausgleichsamtes Braunschweig ist jedoch befristet, da es zum 31. Dezember 2012 abgewickelt wird. Die zugehörigen Archive von Kreisen und Gemeinden wurden deswegen bereits im Laufe der Jahre 2010 und 2011 wieder auf den Plan gerufen, um im Aktenlager in Braunschweig das Material zunächst nach (früherer) Zuständigkeit zu sortieren (es gab nur eine Ordnung nach Alphabet der Personennamen, jedoch keine Trennung nach den alten Provenienzen). Im Falle Göttingens mussten dabei noch die Akten der Personen mit Wohnsitz im Landkreis (Aufbewahrungsort: Archiv des Landkreises) von denen mit städtischem Wohnsitz (Aufbewahrungsort: Stadtarchiv) getrennt werden.

Erst danach konnte das angebotene Schriftgut (ca. 5 lfd. Meter für den Bereich Stadt Göttingen, Acc. Nr. 2052/2011), nun schon in den eigenen Räumlichkeiten, bewertet werden. Es handelte sich fast ausschließlich um abgeschlossene Darlehensakten-Einzelfälle (Aufbaudarlehen für Landwirtschaft, Gewerbebetriebe und Wohnungsbau; Förderung von Kinder- und Jugendheimen). An einer Archivierung dieses Segments der Lastenausgleichsverwaltung war das zentrale Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth nicht interessiert.

Die Aufbaudarlehens-Akten waren vorher nur vereinzelt im vorliegenden Bestand vertreten (drei Aktennummern, Klassifikationskennzahl 2.6). Um die neuen archivwürdigen Fälle (ca. 1,7 lfd. Meter, Laufzeit: 1948 bis 2001) erweitert, wurde die Gliederung bei dieser Aktengruppe gegenüber dem alten Zustand durch Bildung von drei Untergruppen verändert. Der Gesamtumfang des Bestandes beläuft sich jetzt auf etwas mehr als 8 lfd. Meter.

Die Ende 2012 noch nicht erledigten Lastenausgleichsfälle des Ausgleichsamtes Braunschweig sollen dem Bundesausgleichsamt in Bad Homburg v.d. Höhe übergeben werden.

Dezember 2011

Literatur 

Das Bundesarchiv. Dienstleister für Forschung, Öffentlichkeit und Verwaltung, hg. v. Bundesarchiv, Koblenz 2002

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

Obwohl dafür ein eigener Bestand (B 47/B 48) maßgebend ist, tauchen Unterlagen der Feststellungsbehörde auch im Bestand Ausgleichsamt auf. Sie waren in die vom Landkreis Göttingen abgegebenen Akten integriert. So werden hier z. B. auch Beschlagnahmen (Requisitionen) der Besatzungsmacht behandelt, die in der Hauptsache beim Bestand Kriegsschädenfeststellungsbehörde/Amt für Verteidigungslasten zu finden sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers waren bis zum Stichtag 31. Juli 1945 die von den jeweiligen Antragstellern geltend gemachten Besatzungsschäden als Kriegssachschäden einzustufen. Seit dem 1. August 1945 durch die Besatzung entstandene Schadensfälle hatte nicht das Ausgleichsamt, sondern die Feststellungsbehörde zu bearbeiten.

Neben dem Bestand Kriegsschädenfeststellungsbehörde/Amt für Verteidigungslasten verdienen auch die Bestände Sozialamt wegen möglicher Querbeziehungen und der Fortsetzung der Kriegsgefangenenfürsorge (C 53, s. hier speziell Acc. Nr. 1563/2001) sowie Stadtflüchtlingsamt/Amt für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte (B44/B 45) Beachtung. Akten des Rechnungsprüfungsamtes (Acc. Nr. 1607/2002 Nr. 5, 1960 bis 1999) und der Stadtkämmerei (Acc. Nr. 1107/1992 Nr. 32, 1974 bis 1988) befassen sich mit den Leistungen des Sozialamts nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz.

Offenbar sind vom inzwischen aufgelösten Ausgleichsamt des Landkreises Göttingen seinerzeit auch
Hauptentschädigungs-Vorgänge an das Hauptstaatsarchiv Hannover abgegeben worden. Darauf deutet ein Schreiben des Amtes an das Hauptstaatsarchiv (Magazin Pattensen) vom 12. März 1985 hin (Az. 2.5.15, Stadtarchiv Göttingen). Eine bundesweite Überlieferung (46.000 lfd. Meter Akten) befindet sich im zentralen Lastenausgleichsarchiv, das im Juni 1989 in Bayreuth als Außenstelle des Bundesarchivs aufgrund des Gesetzes über die zentrale Archivierung von Unterlagen aus dem Bereich des Kriegsfolgenrechts vom 6. Januar 1988 (BGBl. 1988, I, S. 65) seine Arbeit aufgenommen hat.

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M. 

4,75 m

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Der Bestand wurde mit Hilfe des EDV-Archivprogramms "AIDA" erschlossen. Die Datensätze dieses Bestandes wurden im Mai 2015 von AIDA in die nunmehr verwendete Archivsoftware "Arcinsys" übertragen.