StadtA GOE B 60

  • Zugeordnete Objekte zeigen
  • Drucken
  • Verlinken
  • Versenden
  • Verbessern

Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

B 60 - Stadttheater

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

Im 19. Jahrhundert fanden Aufführungen wechselnder Theatergesellschaften in den Räumen der sog. Restauration am Neuen Markt, später: Wilhelmsplatz, statt. Als das Gebäude am 10. Oktober 1887 abbrannte, mussten ab Frühjahr 1888 provisorische Aufführungen in das "Unions-Theater", das heutige Otfried-Müller-Haus in der Hospitalstraße, verlegt werden.

Bereits im Dezember 1886 hatten sich Göttinger Bürger, die mit dem schlechten Niveau der Aufführungen unzufrieden waren, erstmalig zusammengefunden, um über einen Neubau und eine Neuorganisation für das Göttinger Theater zu beraten. Der Magistrat unter Oberbürgermeister Georg Merkel griff diese Anregung auf und beschloss am 18. Juli 1887, ein neues Theatergebäude "am Albanithore" zu bauen. 1889 wurde neben dem Königlichen Gymnasium, dem heutigen Max-Planck-Gymansium, der Grundstein gelegt, die Entwürfe für den Neubau stammten von dem Oldenburger Hofbaumeister Gerhard Schnitger. Die Eröffnung erfolgte am 30. September 1890 mit einem Festakt und einer Aufführung von Schillers "Wilhelm Tell".

Die rechtliche Stellung des neuen Theaters regelte ein Statut aus dem Jahre 1888 (StadtA Gö, AHR I E 2, 5 Nr. 0). Danach sollte das Theater durch die Stadt mit finanzieller Hilfe von Privatpersonen errichtet werden und die Stadt Eigentümerin sein. Um die städtischen Kollegien in Theaterangelegenheiten zu beraten und ihre diesbezüglichen Beschlüsse vorzubereiten, wurde ein Ausschuß gebildet, dem je zwei Mitglieder des Magistrats und des Bügervorsteherkollegiums und drei auf ihrer Generalversammlung gewählte Vertreter der privaten Spender angehörten. Betrieben wurde das Haus nicht als eine im engeren Sinn städtische Bühne, da das Theater an die jeweiligen Direktoren verpachtete wurde. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges mußte das Haus 1917 wegen Kohlenknappheit den eigenen Spielbetrieb einstellen und wurde erst im Herbst 1919 erneut geöffnet.

Am 26. Juni 1920 fand in den Mauern des Hauses am Wall die Uraufführung der Oper "Rodelinde" von Georg Friedrich Händel statt, mit der die "Göttinger Händel-Festspiele" begründet und zugleich die weltweite Händel-Renaissance eingeleitet wurde. In der folgenden Spielzeit 1920/21 wurde ein eigenes Opern- und Operettenensemble eingerichtet, so dass in Göttingen jetzt eine Drei-Sparten-Bühne bestand. Unter der Leitung von Paul Stiegler erfolgten im technischen Bereich zahlreiche Modernisierungen, u. a. der Umbau des Orchesterraumes zur Verbesserung von Akustik und Lichtverhältnissen, die Anschaffung neuer Vorhänge sowie die Neugestaltung von Foyer, Umgängen und Erstem Rang.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde auch das Göttinger Theater kulturpolitisch gleichgeschaltet, und es ist sicher kein Zufall, dass sich in dieser Zeit auch die Betriebsform änderte: Nach dem Auslaufen seines letzten Pachtvertrages 1934 wurde Intendant Stiegler ins städtische Angestelltenverhältnis übernommen und das Theater damit direkt dem Magistrat unterstellt (StadtA Gö, AHR I E 2, 6 Nr. 16 Bd. 2). Die letzte Generalversammlung der privaten Anteilseigner fand offensichtlich 1939 statt (StadtA Gö, AHR I E 2, 5 Nr. 1 Bd. 2). Nachdem das Haus im März 1943 in "Theater der Stadt Göttingen" umbenannt worden war, musste es am 1. September 1944 kriegsbedingt schließen.

Die Wiedereröffnung erfolgte am 4. August 1945 unter britischer Besatzung mit einer Aufführung der Mozart-Oper "Figaros Hochzeit". In einem Vertrag vom 21. August 1945 wurde das Stadttheater an eine Gesellschaft, bestehend aus Werner Bitter, Werner Hiemann und Sigmar Schneider, verpachtet, wobei die Stadt das Geäude und das technische Personal stellte, sämtliche anderen Kosten aber von den Pächtern getragen werden sollten (StadtA Gö, AHR I E 2, 6 Nr. 30). Diese Betriebsform war schon nach einer Spielzeit gescheitert, so dass die Stadtvertretung am 23. August 1946 beschloss, das Theater wieder in städtische Verwaltung zu übernehmen und gleichzeitig Fritz Lehmann zum Intendanten wählte (StadtA Gö, Ratsprotokoll vom 23. August 1946). Der eigentliche Vertrag mit Lehmann, wie auch mit dem Schauspieldirektor Heinz-Dietrich Kenter, wurde allerdings erst im folgenden Jahr zu Beginn der Spielzeit 1947/48 geschlossen (StadtA Gö, AHR I E 2, 6 Nr. 31; C 21 Nr. 553).

Unter der Leitung von Lehmann zu hoher künstlerischer - vor allem musikalischer - Qualität geführt, geriet das Theater nach der Währungsreform 1948 schnell in große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Um eine völlige Schließung zu vermeiden, entschloss sich die Stadtverwaltung 1950, die Sparten Oper und Operette aufzugeben und das Haus als reines Sprechtheater weiterzuführen. Unter diesen Bedingungen sah sich Lehmann außerstande, seinen Vertrag zu verlängern. Daraufhin wurde mit Vertrag vom 13. Januar 1950 das Göttinger Theater unter dem Namen "Deutsches Theater in Göttingen" (DT) in eine GmbH umgewandelt und zugleich zur Spielzeit 1950/51 Heinz Hilpert, ehemals Mitarbeiter und Nachfolger von Max Reinhardt am Berliner "Deutschen Theater", als Intendant berufen (StadtA Gö, Dep. 96 Nr. 136, 137, 139).

Direktoren bzw. (seit 1934) Intendanten des Stadttheaters:

Norbert Berstl 1890-1906
Willy Martini 1906-1917
Philipp Werner 1917-1919
Otto Werner 1919-1929
Paul Stiegler 1929-1936
Karl Bauer 1936-1940
Rudolf Sellner 1940-1943
Hans Karl Friedrich 1943-1944
Werner Bitter 1945-1946
Fritz Lehmann 1946-1950

Bestandsgeschichte 

Die vorliegenden Unterlagen des Stadttheaters gelangten zusammen mit Schriftgut des DT in den Ablieferungen acc. 1441/1999, acc. 1487/2000 und acc. 1733/2004 in das Stadtarchiv. Es handelt sich offenbar um die letzten Reste der Überlieferung. Von den 1966 wohl noch vollständig vorhandenen Textbüchern des Stadttheaters und des DT wurde damals ein kleiner Teil ins Archiv übernommen. 1980 gab man diese wieder an das DT zurück, wo der gesamte Textbuchbestand aufgestellt und katalogisiert werden sollte (Stadtarchiv, Akte 2.4.37). Das ist nicht erfolgt. Der zwischenzeitlich verloren geglaubte Textbuchbestand wurde im Zuge der Abgabe vom März 2004 wiederentdeckt und an die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek - Handschriftenabteilung abgegeben. Die bei dieser Gelegenheit ebenfalls wieder aufgefundenen Noten der Sparten Oper und Operette des Stadttheaters wurden dem Göttinger Symphonie-Orchester übergeben (Stadtarchiv, Akte 2.4.37). Die Überlieferung zur Verwaltung des Stadttheaters lagert überwiegend im Bestand Alte Hauptregistratur (AHR) I E 2, Haushaltspläne der Jahre 1946 bis 1948 befinden sich in der Akte Dep. 96 Nr. 329 Bd. 1.

Literatur 

Wilhelm van Kempen: Theatergeschichte Göttingens von 1890 bis zur Gegenwart, in: Göttinger Jahrbuch, 1952, S.74-83 (Signatur: Z 25, 1952)

Marianne Wick: Besessen von Musik. Der Dirigent Fritz Lehmann, Berlin 1990 (Signatur: A 820)

Norbert Baensch: Theater am Wall. Stationen Göttinger Theatergeschichte, Göttingen 1992 (Signatur: A 798)

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

Weitere Unterlagen zum Stadttheater finden sich in zahlreichen anderen Beständen, insbesondere in:

- Pol. Dir. - Polizeidirektion
- B 36 - Stadtbauamt
- Dep. 96 - Deutsches Theater
- Dep. 99 - Göttinger Symphonie-Orchester

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Der Bestand wurde mit Hilfe des EDV-Archivprogramms "AIDA" erschlossen. Die Datensätze dieses Bestandes wurden im Mai 2015 von AIDA in die nunmehr verwendete Archivsoftware "Arcinsys" übertragen.