LkAH N 119

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Nachlass Wilhelm Thomas

Laufzeit 

1933-1985

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte 

I. Zur Biographie von Wilhelm Thomas und zur Institution der Einkehrtage in St. Michael in Hildesheim

Gottlob Ferdinand Paulus Wilhelm Thomas wurde am 30. März 1896 in Augsburg geboren. Er besuchte in Regensburg das Alte Gymnasium und studierte, unterbrochen durch seine Zeit als Soldat und Freikorpskämpfer im und nach dem Ersten Weltkrieg, an den Universitäten München, Erlangen, Tübingen und Marburg zunächst Philosophie und dann Theologie. 1929 schloss er sein Studium mit dem Grad eines Lizentiaten (Lic. theol.) in Marburg ab. Das Thema seiner Dissertation lautet "Die Anschauungen des frühen Mittelalters vom Sonntag mit Berücksichtigung des christlichen Dekalogs".

Ordiniert wurde Thomas am 15. Januar 1922 in Augsburg. 1921-23 war er dort Pfarrverweser, 1925/26 Vikar. 1926 wechselte er als Hilfsgeistlicher in Ockershausen bei Marburg in den Dienst der kurhessischen Landeskirche. 1930 trat er in den Dienst der hannoverschen Landeskirche ein und wurde Pastor in Bremke. Wegen seiner Gegnerschaft zu den Deutschen Christen und dem Reichsbischof wurde er Ostern 1934 aus dem Amt verdrängt und erhielt 1935 eine Stelle als Hilfsarbeiter beim Landesbischof. 1943 wurde er Pastor an der St. Jacobi-Kirche in Hildesheim. Als Pfarrer der Landeskirche wechselte er 1948 auf die Funktion des Hauptgeschäftsführers des Evangelischen Hilfswerks in Hannover. 1954 kehrte Thomas ins Pfarramt zurück und wurde Superintendent in Wunstorf, 1957 wurde er schließlich durch den Kirchensenat als ständiger Hilfssachbearbeiter mit dem Titel eines Oberkirchenrats in das Landeskirchenamt berufen. Hier war er zuständig für die kirchliche Lebensordnung, das Kalenderwesen, Lektorenarbeit, Amtshandlungen, Taufen von Erwachsenen, Kirchenzucht, Kinderlehre, Gemeindepflege, Männerwerk, Frauen- und Jugendarbeit. 1961 trat er in den Ruhestand. Wilhelm Thomas verstarb am 18. November 1978 in Hildesheim.

Zeit seines Lebens widmete sich der Liturgiker und Hymnologe Wilhelm Thomas geistlichen Fragen wie der Aktualisierung der traditionellen Formen des

Gottesdienstes und des Gebets. In den 1920er Jahren gehörte er zu den Gründern der Berneuchener Bewegung. Diese evangelische Jugendbewegung suchte die gemeinsame Glaubenserfahrung in der Gruppe und nach aktuellen Formen kirchlich gebundener Frömmigkeit, die den modernen Menschen in den Nöten seiner Zeit anspricht und zu trösten vermag. Wilhelm Thomas fasste dieses Anliegen 1925 in einer Denkschrift zusammen, die nach ihrer Überarbeitung durch Ludwig Heitmann, Karl Bernhard Ritter und Wilhelm Stählin unter dem Titel "Das Berneuchener Buch" veröffentlicht wurde. Aus dem Berneuchener Kreis ging 1931 die Evangelische Michaelsbruderschaft hervor, deren Stiftungsentwurf wiederum aus Thomas' Feder stammt. (Zur Ev. Michaelsbruderschaft vgl. "www.michaelsbruderschaft.de" sowie Nr. 38). Einem weiteren Kreise bekannt wurden die von Wilhelm Thomas und Konrad Ameln verfassten Quempas-Hefte (Weihnachtslieder, vgl. Nr. 42) sowie das Handbuch der deutschen evangelischen Kirchenmusik (Nr. 45).

Von 1954 an, über den Beginn seines Ruhestandes 1961 hinaus bis zu seinem Tod 1978 veranstaltete Thomas - stets in enger Zusammenarbeit mit seiner Ehefrau Edith Thomas, die ebenfalls Vorträge und Andachten hielt und Bücher schrieb - Einkehrtage, zunächst in seinem Pfarrhaus in Wunstorf, dann in Hannover und Springe und schließlich in den Räumen des Predigerseminars bei St. Michael in Hildesheim, deren schriftlicher Niederschlag den Hauptteil seines Nachlasses bildet. Einkehrtage bieten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen spirituellen Erfahrungsraum in zeitweiliger klösterlicher Abgeschiedenheit, in dem sie zur Ruhe kommen und stille werden können, um sich für Gebet, Andacht und Gottesdienst zu öffnen und sich in den verschiedenen Formen der Kontemplation zu üben. Ebenfalls pflegte man die Erfahrung christlicher Gemeinschaft in der Eucharistiefeier sowie die theologische Bildung durch Vorträge über das konkrete Thema der Einkehr.

Thomas gehört zu den Pionieren in der evangelisch-lutherischen Kirche, die Einkehrtage und Rüstzeiten etc. auch in der evangelischen Kirche heimisch machten. Wie vorausschauend Thomas in seinem Engagement für die Einkehrtage war, zeigt der Ausbau von Angeboten auf dem Gebiet "Kloster auf Zeit" (auch im Internet).

II. Hinweise zum Bestand

Der Bestand wurde dem Landeskirchlichen Archiv am 19. Februar 1986 von Pastor Bernhard Thomas, einem Sohn von Wilhelm Thomas, übergeben. Da Thomas bis 1978 der Leiter der Einkehrtage war, besaß er umfangreiche Unterlagen hierüber. Die Veranstaltung der Einkehrtage erforderte einen kleinen Kreis von Getreuen, der immer wieder persönlich ansprechbar war. Das galt sowohl auf Referentenseite als auch auf Teilnehmerseite. Daher wundert es nicht, dass die Akten selten aus rein formalen Stücken bestehen, sondern sich im Ton persönliche und offizielle Schreiben nebeneinander finden. Die Einbindung Thomas' in bestehende kirchliche Kontaktnetze und die persönliche Kooperation ist besonders augenfällig in den Akten zur Liturgie und Hymnologie (vgl. Nr. 41-46). Schließlich bleibt anzumerken, dass Edith Thomas nach dem Tod ihres Mannes und zum 20-jährigen Jubiläum der Einkehrtage eine Schrift zur Geschichte derselben verfasste, die sich auch im Bestand findet (Nr. 2). Sie war es auch, die die Fortsetzung der Einkehrtage unter Pastor Joachim Kern nach 1978 weiterverfolgte (vgl. Nr. 21 und 25).

Neben den Unterlagen zu den Einkehrtagen (Nr. 2 - 40) enthält der Nachlass Dokumente aus dem benachbarten Feld der Liturgie und Hymnologie (Nr. 41 - 46) sowie Papiere, die Landesbischof Marahrens betreffen ( Nr. 47 - 50). Thomas war Marahrens besonders verbunden, da er ihm während des Kirchenkampfs beigestanden hatte.

Die Verzeichnung und Findbucherstellung erfolgte 2011 im Rahmen eines Praktikums.

Folgende verwandte Bestände finden sich im Landeskirchlichen Archiv:
- B 13 Nr. 463 (Personalakte Wilhelm Thomas)
- L 1 Nr. 99 (Personalakte Wilhelm Thomas)
- S 1 Nr. H II 919

Literatur 

Herbert Naglatzki (Hg.): Wilhelm Thomas 1896 - 1978: sein Dienst für die Kirche aus den Wurzeln Berneuchens und der Evangelischen Michaelsbruderschaft, Hermannsburg 1996; Heinz Grosch: Thomas, Wilhelm, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. XXIX (2008) Spalten 1425-1433 (www.bautz.de); Edith Thomas: 20 Jahre Einkehrtage in St. Michael Hildesheim, Hannover [ca. 1978].
In der Bibliothek des Landeskirchenamts und in der Bibliothek des Michaelisklosters Hildesheim sind zudem mehrere Titel von bzw. unter MItwirkung von Wilhelm Thomas (so die Quempas-Hefte, das Berneuchener Buch, das Handbuch der deutschen evangelischen Kirchenmusik) vorhanden sowie Titel von seiner Frau, Edith Thomas, die sich alle in den Online-Katalogen finden lassen.

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M. 

0,7

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Abgeschlossen: ja

vollständig verzeichnet